Aus der spirituellen Werkzeugkiste für den Alltag Aus der spirituellen ...

sich mit Hexameter-Versen langsame
Atemschwingungen erzeugen
lassen. Eine Zusatzwirkung
ergibt sich, wenn man zur Rezitation
schreitet; das Gehen durch
den Raum während der Rezitation
erfordert physische Aktivität
und regt den Stoffwechsel an.
Wird diese Übung ohne vorherige
Anleitung gemacht, besteht
allerdings die Gefahr, dass die
Atemführung falsch läuft. Zu beachten
ist, dass die Luft meist
nach drei Längen verbraucht sein
soll – also «Hast du die Welle gesehen,
die... ausatmen, danach
ruhig in den Bauch hinein atmen
– «über die Ufer einherschlug»....
Im Alltag wird in aller Regel
die Hochatmung gepflegt, die
Schultern heben und senken sich.
Würde im Ablauf einer Sprachübung
diese Hochatmung eingesetzt,
wäre das Ergebnis kontraproduktiv
– also kommt die
Bauch-Zwerchfell-Flanken-Atmung
zur Anwendung.
Wohltuend ist vermutlich auch
das Bild, das durch den Vers
vermittelt wird – wie etwa jenes
von der Welle, die ans Ufer
schlägt?
Für viele Patienten sind die Bilder,
die hervorgerufen werden,
günstig. Bei einem Menschen
allerdings, der beispielsweise unter
einer Depression leidet, kann
jedoch das Bild irritierend wirken.
Er fühlt sich in seiner seelischen
Verfassung vom Bild unangenehm
herausgefordert, weil
es ihm seine Lebenskrise doppelt
dunkel und ausweglos erscheinen
lässt. In solchen Fällen kann
es sinnvoll sein, nur mit Lauten
zu arbeiten. Die Wirksamkeit
von Lauten kann zudem genauer
überschaut und zielgerichtet eingesetzt
werden.
Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang
auch der Hinweis,
dass der ganze Sprachprozess
aufs Engste mit der Atmung in
Der Laut ffffff gemahnt an das Geräusch, das entsteht, wenn der Wind
durch einen Birkenhain streicht. Dieser Laut kann beruhigend und blutdrucksenkend
wirken.
Zusammenhang steht. Der Atem
ist im wahrsten Sinn des Wortes
ein Lebensprozess, der sogar in
jedem einzelnen Laut wirksam
ist. Durch die Laute wird unsere
Sprache ständig abgewandelt
und gestaltet.
Können Sie dazu ein Beispiel
geben?
Nehmen Sie den Laut ffffffff –
ein Laut, der übrigens ebenfalls
blutdrucksenkend wirken kann.
Stellen Sie sich ein Ährenfeld
oder einen Birkenwald vor, durch
die der Wind streicht und dabei
einen leise rauschenden Klang
erzeugt. Wenn es einem seelisch
nicht gut geht, verknappt sich sofort
auch der Atem. Diese einfache
Übung lockert die Spannung.
Die Atemluft entweicht, es kann
sich die Einatmung vertiefen und
aus der Verflachung herauskommen.
Welch grossen Einfluss die Atmung
hat, zeigt sich auch negativ
bei der Hyperventilation, also
beim hektisch-beschleunigten
Atmen. Ich könnte Ihnen ohne
weiteres zeigen, das nur schon
bei einer eine Minute lang dauernden
Hyperventilation der
Schweiss ausbricht und sich ein
Schwindelgefühl einstellt. Wieder
aus dem positiven Blickwin-
kel gesehen: Wenn Sie den Atemprozess
gut führen und vertiefen,
haben Sie eine Möglichkeit, um
unmittelbar auf Ihr Befinden positiv
einzuwirken.
Ist es nicht seltsam, dass bei
Geburtsvorbereitungen den
Frauen gelehrt wird, wie sie
mit ihrer Atmung Einfluss nehmen
und unter Umständen die
Wehen erträglicher gestalten
können, dass aber im Falle von
ernsthaften Erkrankungen eigentlich
kaum von Atemtherapie
die Rede ist?
So kann man dies insofern nicht
sagen, als in einigen Fällen
Atemtherapie schon genutzt
wird, etwa bei Asthma bronchiale.
Da wird etwa die so genannte
Lippenbremse eingeübt, die verhindert,
dass die Luft zu schnell
ausgestossen wird. Ein anderes
Beispiel ist die Hyperventilation,
die wir vorhin erwähnt haben. Da
wird gezeigt, wie man in ein
Röhrchen blasen und so der Ausatmung
einen Widerstand entgegensetzen
kann. Aber es ist
schon richtig, dass bei sehr vielen
anderen Krankheitsbildern
das Thema Atmung und Sprachtherapie
nicht in Erwägung gezogen
wird.
Interview: Meta Zweifel
vita sana sonnseitig leben 6/2009
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