DKB_3_08_Vollversion - Kranken Boten
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etwas vergessen. Also in frommen Kreisen.<br />
Und erst recht in den frommen Büchern.<br />
„Draußen“ wird das wohl etwas<br />
von der anderen Seite her übertrieben.<br />
Also, Liebe, Freundschaft und Zuneigung<br />
haben auch die Handfestigkeit der<br />
körperlichen Nähe. Ja, und dazu gehört<br />
auch der Sex.<br />
Unser „Leib“ – schon allein das Wort<br />
passt so gar nicht wirklich, oder? Hört<br />
sich so nach Hostie an, nach Brot, etwas<br />
esoterisch fast – also unser „Körper“<br />
ist Teil von jedem von uns. Ja mehr noch,<br />
mein Körper bin ich. Und das Ich wird<br />
in einer Begegnung mit dem Ehepartner,<br />
einer Freundin, einem Familienmitglied<br />
und auch einem Peiniger sehr wohl von<br />
der körperlichen Seite angeregt. Aber<br />
mir scheint, als hätten die frommen<br />
Leute etwas ausgeklammert. Den Körper<br />
mag man im Blick haben, wenn es<br />
um Moral geht, aber wieso denn nicht,<br />
wenn’s um Erlösung, wenn’s um den<br />
Glauben geht, wenn’s um die Konkretheit<br />
des Heiles geht? Wenn es um den<br />
Glauben geht, sind wir meist sehr körperlose<br />
Wesen. Komisch, nicht wahr?<br />
Merkwürdigerweise kann man in<br />
der Kirchengeschichte einen Bruch<br />
feststellen, der sich auch mal wieder<br />
konfessionell auswirkt. Die Tradition<br />
der Reformation hat’s nicht so mit dem<br />
Körper. Denn der menschliche Leib ist<br />
die handfeste und konkrete Repräsentanz<br />
für das Hier und Heute – und somit<br />
eben kurz und bündig für die Sün-<br />
Der Kranke Bote<br />
de. So die Reformatoren. Und deshalb<br />
mag das der Protestantismus nicht so<br />
gern. Hier und Heute sind immer so ein<br />
bisschen Bäh! bisweilen vorläufig und<br />
bestenfalls zweitklassig. Die evangelische<br />
Theologie dividiert da tendenziell<br />
etwas auseinander, was zusammen<br />
gehört: Seele und Leib. Macht man es<br />
ganz fromm, dann sind da Seele, Geist<br />
und Leib (1 Tess 5,23). Und sind die<br />
Schubladen erst mal offen, dann muss<br />
man sie nun auch füllen. Körper, mh?<br />
– der vergeht – unterste Schublade. Er<br />
stirbt, verwest und verliert dadurch an<br />
Bedeutung. Die Seele, naja – die lebt<br />
wohl ewig. Irgendwie. So ganz klar ist<br />
das auch nicht. Aber sie ist das geheimnisvolle,<br />
gerettete und ewig hinterher<br />
humpelnde Teil meines Ich. Der Geist,<br />
ja klar, der Geist – der ist erlöst und<br />
heilig und alles rockt und ich muss nur<br />
im Geist leben und alles ist prima und<br />
sowieso.<br />
Mann, wenn’s doch wirklich so simpel<br />
wär’. Da ist es aber nicht, fürchte ich. Ja,<br />
ich möchte mich sogar dagegen stellen,<br />
dass unser Lehren sich allein darauf beschränkt,<br />
dass wir zwar geistig-geistlich<br />
längst völlig erlöst sind, aber seelisch<br />
noch nicht und körperlich schon gar<br />
erst nach dem jüngsten Tag. So wahr(!)<br />
diese Theologie für sich ist, so abstrakt<br />
und platonisch ist sie. So unpraktisch<br />
und so losgelöst von der Konkretheit<br />
und den handfesten Wirklichkeiten des<br />
Lebens, sie ist zu idealisiert.<br />
2/20<strong>08</strong> 3/20<strong>08</strong> Juni/Juli Seite 13