Mein Gesundes Magazin 2/2009 - Arbeitskreis Gesundheit eV
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TITELTHEMA<br />
Folgeerkrankungen der<br />
Adipositas im Kindes- und Jugendalter<br />
Psychosozial:<br />
geringes Selbstwertgefühl<br />
Depression<br />
Essverhaltensstörung<br />
Lunge: Asthma<br />
Schlafapnoe-Syndrom<br />
Gastrointestinal:<br />
Gallensteine, Fettleber<br />
Niere: Vernarbung<br />
der Nierenkörperchen<br />
(Glomerulosklerose)<br />
Knochen und Muskeln:<br />
Ablösung des Oberschenkelhalskopfs<br />
in der Wachstumsfuge des<br />
Oberschenkels<br />
Plattfuß<br />
Die Adipositas geht schon im<br />
Kindes- und Jugendalter mit vielen<br />
Folge erkrankungen einher. Neben<br />
medizinischen Krankheiten kommen<br />
auch seelische Störungen vor. Die<br />
Folge krankheiten kosten nicht nur<br />
viel Geld, sie führen auch zu einer<br />
im Vergleich zu Normalgewichtigen<br />
geringeren Lebenserwartung der<br />
Betroffenen.<br />
Die medizinischen Folgeerkrankungen extremen<br />
Übergewichts lassen sich zwei Gruppen<br />
zuordnen. Zum einen in Erkrankungen, die bereits<br />
im Kindes- und Jugendalter zu Beschwerden<br />
führen und zweitens Erkrankungen,<br />
die in diesen Altersgruppen meist kaum<br />
Symptome verursachen, aber die Lebenserwartung<br />
vor allem durch Gefäßveränderungen<br />
verringern. Zu den zunächst kaum spürbaren,<br />
aber langfristig riskanten Krankheiten gehören<br />
Fettstoffwechselstörungen (Dyslipidämie), Bluthochdruck<br />
(arterielle Hypertonie), Zuckerstoffwechselstörungen<br />
(Glucosetoleranzstörungen,<br />
Diabetes mellitus Typ 2) und chronische Entzündungen.<br />
All diese Erkrankungen führen schon im Kindes-<br />
und Jugendalter zu Gefäßwandveränderungen,<br />
die sich an den Gefäßwanddicken, vor<br />
allem an einer bestimmten, zum Gehirn führenden<br />
Arterie, nachweisen lassen. Im Erwachsenenalter<br />
können solche verengten Gefäße<br />
unter anderem zu Herzinfarkt und Schlaganfall<br />
führen. Treten mehrere Folgeerkrankungen<br />
zusammen auf, steigt das Risiko früher zu<br />
sterben als der Bevölkerungsdurchschnitt.<br />
Alter und Geschlecht beeinflussen die Gefahr,<br />
diese Folgeerkrankungen starken Übergewichts<br />
zu entwickeln. Hauptsächlich zwei Gründe<br />
sind es, die zu den Erkrankungen führen:<br />
Neurologisch<br />
erhöhter Hirndruck<br />
Kardiovaskulär:<br />
Fettstoffwechselstörung<br />
Bluthochdruck<br />
Chronische Entzündung<br />
Stoffwechsel: Typ 2 Diabetes<br />
vorzeitige Pubertät (Mädchen)<br />
verzögerte Pubertät (Jungen)<br />
Hormonell bedingte Störung<br />
der Eierstöcke (polyzystisches<br />
Ovarsyndrom)<br />
modifiziert nach Ebbeling, 2002<br />
Das Ausmaß des Übergewichts und vor allem<br />
Erbfaktoren, die eine so genannte Insulinresistenz<br />
begünstigen. Bei der Insulinresistenz<br />
erkennt der Körper das eigene Blutfett senkende<br />
Hormon Insulin nicht mehr richtig, wodurch<br />
der Körper den Zucker nur noch eingeschränkt<br />
verarbeiten kann. Zucker- und Fettstoffwechselstörungen<br />
sind die Folge.<br />
In der Pubertät steigt diese Insulinresistenz:<br />
Damit zusammenhängende Folgeerkrankungen<br />
werden also durch die Pubertät in ihrer Entwicklung<br />
gefördert.<br />
Große Untersuchungen mit jeweils mehr als<br />
1.000 übergewichtigen Kindern und Jugendlichen<br />
zeigen übereinstimmend folgende Häufigkeiten<br />
von Folgeerkrankungen:<br />
Bluthochdruck: ca. 30 % (wobei sich in der<br />
Zahl auch Fälle von „Weisskittel“- Hypertonie<br />
verbergen können, bei denen der Blutdruck<br />
schon allein durch den Anblick einer Person<br />
im weißen Kittel steigt)<br />
Fettstoffwechselstörungen: ca. 25 %<br />
Gicht (Hyperurikämie): ca. 20 %<br />
Zuckerstoffwechselstörungen (Glucosetoleranzstörungen):<br />
ca. 30 % (Beginn in der Pubertät,<br />
vorher wesentlich seltener)<br />
„Altersdiabetes“ (Diabetes mellitus Typ 2):<br />
maximal 1 % (ab der Pubertät, vorher ist die<br />
Erkrankung eine absolute Ausnahme)<br />
Nicht alkoholbedingte Fettleberkrankheit: ca.<br />
7-10 % (die Diagnose kann anhand von Blutwerten<br />
nur vermutet werden. Ganz sicher<br />
wäre sie nur durch eine Gewebeentnahme<br />
zu stellen, wozu man aber direkt in die Leber<br />
stechen und damit einen gefährlicheren Eingriff<br />
riskieren müsste). Diese Erkrankung kann<br />
in eine Leberzirrhose mit einem Versagen der<br />
Leber münden.<br />
Stoffwechselstörung bei geschlechtsreifen<br />
Frauen (Polyzystisches Ovarsyndrom): bis zu<br />
MGM Seite 10<br />
Folgeerkrankungen<br />
der<br />
Adipositas im<br />
Kindes- und<br />
Jugendalter<br />
nach dem<br />
WHO Report<br />
2002<br />
20 % aller adipösen Mädchen ab dem 14. Lebensjahr.<br />
Diese Erkrankung führt zu Regelbeschwerden,<br />
Sterilität und einem erhöhtem<br />
Brust- und Gebärmutterkrebsrisiko. Die betroffenen<br />
Mädchen leiden dabei besonders<br />
unter einem männlichen Behaarungstyp (auch<br />
Hirsutismus genannt), der durch die bei dieser<br />
Erkrankung erhöhten männlichen Hormone<br />
(Androgene) hervorgerufen wird.<br />
All diese Erkrankungen traten bei stark übergewichtigen<br />
Kindern und Jugendlichen deutlich<br />
häufiger als in einer normalgewichtigen<br />
deutschen Kontrollgruppe auf.<br />
Sonstige Krankheiten, die mit Übergewicht zusammenhängen,<br />
ohne dass genaue Häufigkeitsangaben<br />
an größeren Kollektiven vorliegen,<br />
sind:<br />
Orthopädische Erkrankungen,<br />
Gelenkschäden,<br />
Gelenkfehlstellungen,<br />
Abgleiten des Hüftkopfes (Epiphyseolysis<br />
capitis femoris),<br />
Hautinfektionen,<br />
Starke Kopfschmerzen bei Hirndruckerhöhung,<br />
Erhöhte Eiweißausscheidung der Niere<br />
(Proteinurie),<br />
Asthmaähnliche Beschwerden, besonders<br />
bei Anstrengung,<br />
Störungen der Atmungsregulation im Schlaf<br />
durch Einengung der oberen Atemwege<br />
(Schlaf- Apnoe-Syndrom). Dies geht mit Müdigkeit<br />
und Konzentrationsstörungen am Tag<br />
einher.<br />
Gallensteine: besonders während des Abnehmens,<br />
Frühzeitige Pubertätsentwicklung bei Mädchen<br />
(Pubertas praecox),<br />
Verspätete Pubertätsentwicklung bei Jungen<br />
(Pubertas tarda),<br />
Brustwachstum bei Jungen, da das Fettgewebe<br />
männliche Hormone (Androgene) zu<br />
weiblichen Hormonen (Östrogenen) umbilden<br />
kann.<br />
Psychiatrische Erkrankungen<br />
Bei diesen Erkrankungen lässt sich nur schwer<br />
zwischen Ursachen und Folgen der Adipositas<br />
unterscheiden. In einer deutschen Untersuchung<br />
bei extrem übergewichtigen Jugendlichen<br />
fanden sich häufig folgende Erkrankungen:<br />
Depression: 43 %<br />
Angststörung: 40 %<br />
Körperliche Beschwerden ohne organische<br />
Erkrankung (Somatisierungsstörung): 15 %<br />
Essstörung: 17 %<br />
Unkontrollierte Essattacken und nachfolgendes<br />
Erbrechen (Bulimie) und unkontrollierte Essattacken<br />
ohne Erbrechen (binge eating disorder)<br />
traten ebenfalls auf.<br />
All diese Erkrankungen kamen deutlich öfter<br />
vor als bei normalgewichtigen Jugendlichen.