Öffentliche Tauschangebote und die Pflicht zum ... - Vischer
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192 Kurzbeiträge<br />
SZW/RSDA 3/2009<br />
In struktureller Hinsicht liegt beim Tauschangebot<br />
demnach nicht eine Übernahme, sondern ein Zusammenschluss<br />
von Gesellschaften vor (sog. Quasifusion<br />
oder shares for shares). 2 Anders als bei der Fusion<br />
findet jedoch keine juristische Verschmelzung der<br />
beteiligten Gesellschaften statt, sondern <strong>die</strong> Verflechtung<br />
erfolgt nur auf der Ebene der Beteiligung. Die<br />
übernommene Gesellschaft bleibt also (vorerst) als<br />
eigenständiger Rechtsträger bestehen. 3<br />
Für <strong>die</strong> Angebotsadressaten hat ein Barangebot<br />
den Vorteil, dass <strong>die</strong> ihnen offerierte Gegenleistung<br />
<strong>zum</strong> vornherein feststeht. Bei einem Tauschangebot<br />
stellt sich dagegen, insbesondere wenn <strong>die</strong> <strong>zum</strong><br />
Tausch angebotenen Titel nicht kotiert oder illiquid<br />
sind, das Problem der Bewertung. Den Adressaten<br />
des Übernahmeangebots fällt es hier schwer, den effektiven<br />
Angebotswert <strong>und</strong> dessen Angemessenheit<br />
verlässlich zu ermitteln. 4 Ein Tauschangebot kann<br />
für <strong>die</strong> Empfänger des Angebots aber auch Vorteile<br />
haben, da es den Aktionären der Zielgesellschaft<br />
Gelegenheit gibt, mittels Annahme des Angebots<br />
<strong>zum</strong> Aktionariat des Anbieters zu stossen. Dadurch<br />
können <strong>die</strong> Zielgesellschaftsaktionäre am Wertstei-<br />
ses kraft Universalsukzession. Vgl. Peter R. Altenburger<br />
/ Massimo Calderan / Werner Lederer, Schweizerisches<br />
Umstrukturierungsrecht, Zürich 2004, Rz. 275.<br />
2 Vgl. Rudolf Tschäni, M&A-Transaktionen nach Schweizer<br />
Recht, Zürich 2003, Kap. 8 Rz. 2. Siehe allgemein <strong>zum</strong><br />
Begriff der Quasifusion statt vieler Jürg Luginbühl, Die<br />
Fusion, in: Andreas Kellerhals / Jürg Luginbühl (Hrsg.),<br />
Fusionsgesetz: Auswirkungen auf <strong>die</strong> Praxis, Zürich 2004,<br />
S. 13 f. Siehe zur Quasifusion sodann ausführlich Peter R.<br />
Altenburger / Massimo Calderan / Werner Lederer (Fn. 1),<br />
Rz. 274 ff. sowie Rudolf Tschäni (a.a.O.), Kap. 6 Rz. 102 ff.<br />
3 Dies hat <strong>zum</strong> Vorteil, dass gewisse Werte, welche mit der<br />
übernommenen Gesellschaft verknüpft sind, wie <strong>zum</strong> Beispiel<br />
der Goodwill oder bestimmte Konzessionen, erhalten<br />
bleiben; vgl. Rudolf Tschäni, Übernahme- <strong>und</strong> Zusammenschlussformen,<br />
in: Rudolf Tschäni (Hrsg.), Mergers &<br />
Acquisitions I, Zürich 1998, S. 36; Rudolf Tschäni (Fn. 2),<br />
Kap. 6 Rz. 103.<br />
4 Siehe statt vieler Henry Peter, Les Offres Publiques<br />
d’Achat en Suisse – analyse et évolution, en particulier<br />
depuis l’entrée en vigueur du nouveau «Code Suisse des<br />
OPA», SZW 62 (1990), S. 153 ff., 164 f., anhand des Beispiels<br />
des Tauschangebots für <strong>die</strong> Bank Leu AG, bei dem<br />
Aktien der neu gegründeten Lehoca Holding AG <strong>zum</strong> Umtausch<br />
angeboten wurden, deren Wert sich im Zeitpunkt<br />
der Entscheidung nur schwer bestimmen liess. Ferner<br />
Robert Bernet, Die Regelung öffentlicher Kaufangebote<br />
im neuen Börsengesetz (BEHG): eine Darstellung der<br />
<strong>Pflicht</strong>en des Anbieters <strong>und</strong> des Verwaltungsrats der Zielgesellschaft<br />
unter Einschluss sämtlicher Verordnungen,<br />
Diss. Basel, ASR 614, Bern 1998, S. 19.<br />
gerungspotenzial des Anbieters <strong>und</strong> damit indirekt<br />
auch an der Zielgesellschaft (unter neuer Führung<br />
mit allenfalls neuer Strategie sowie unter Verwirklichung<br />
der Synergiepotenziale) partizipieren. 5<br />
R<strong>und</strong> ein Fünftel aller öffentlichen Übernahmeangebote<br />
seit dem Jahr 2000 wurde als <strong>Tauschangebote</strong><br />
<strong>und</strong> ein gutes weiteres Achtel als kombinierte<br />
Bar- <strong>und</strong> <strong>Tauschangebote</strong> (gemischte Angebote)<br />
unterbreitet. 6 Insgesamt wies somit etwa ein Drittel<br />
aller veröffentlichten Übernahmeangebote eine<br />
Tauschkomponente auf. Selbst wenn man berücksichtigt,<br />
dass ein Teil der <strong>Tauschangebote</strong> keine echten<br />
Übernahmen, sondern Umstrukturierungen 7 waren,<br />
zeigt <strong>die</strong>se Statistik, dass <strong>die</strong> praktische Bedeutung<br />
der <strong>Tauschangebote</strong> gross ist. Diese Aussage ist für<br />
<strong>Pflicht</strong>angebote allerdings stark einzuschränken. 8<br />
Per 31. Dezember 2008 gab es lediglich ein reines<br />
Tauschangebot (Atel) <strong>und</strong> drei gemischte Angebote. 9<br />
5 Demgegenüber werden <strong>die</strong> vorhandenen Aktionäre des<br />
Anbieters infolge eines <strong>Tauschangebote</strong>s schlechter gestellt,<br />
wenn <strong>die</strong> <strong>zum</strong> Tausch angebotenen Beteiligungspapiere<br />
neu ausgegeben werden.<br />
6 Jürg Luginbühl, <strong>Öffentliche</strong> Umtauschangebote – Ausgewählte<br />
Aspekte aus der Praxis, in: Rudolf Tschäni (Hrsg.),<br />
Mergers & Acquisitions XI, Zürich 2009, S. 161 ff., 164 f.<br />
(Untersuchung per 31. Juli 2008).<br />
7 Vgl. den Fall ISOTIS SA, in dem der Aktientausch der<br />
Sitzverlegung in <strong>die</strong> USA <strong>die</strong>nte; Empfehlung der UEK<br />
vom 12. Dezember 2006 i.S. ISOTIS SA (0302/01).<br />
<strong>Tauschangebote</strong> wurden in der Praxis auch häufig verwendet,<br />
wenn eine Investmentgesellschaft liqui<strong>die</strong>rt <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />
Aktionäre stattdessen an einem Anlagefonds beteiligt werden<br />
sollten; vgl. Empfehlung der UEK vom 11. Oktober<br />
2004 i.S. ZKB Pharma Vision AG (0214/01).<br />
8 Rudolf Tschäni / Jacques Iffland / Hans-Jakob Diem, <strong>Öffentliche</strong><br />
Kaufangebote, Zürich 2007, S. 37 Rz. 69, sehen den<br />
Hauptgr<strong>und</strong> dafür, dass <strong>Pflicht</strong>angebote nur selten in der<br />
Form eines Tauschangebots unterbreitet werden, in der Praxis<br />
der UEK, wonach <strong>die</strong> Schaffung der <strong>zum</strong> Umtausch erforderlichen<br />
Titel im Rahmen einer Kapitalerhöhung nicht<br />
als wichtiger Gr<strong>und</strong> im Sinne von Art. 32 Abs. 2 aBEHV-<br />
EBK gilt, der vorliegen muss, damit ein <strong>Pflicht</strong>angebot an<br />
eine Bedingung geknüpft werden darf; vgl. Empfehlung VI<br />
der UEK i.S. Aare-Tessin AG für Elektrizität vom 7. April<br />
2006 (0251/06), E. 9.3.2. Der Anbieter muss also entweder<br />
bereits bei Angebotsunterbreitung über ausreichend Titel<br />
für den Umtausch verfügen oder vorgängig im Hinblick auf<br />
<strong>die</strong> Leistung des Angebotspreises genehmigtes Aktienkapital<br />
schaffen, wenn er nicht bereit oder in der Lage ist, den<br />
Angebotspreis notfalls auch in bar abzugelten.<br />
9 Gemäss Auflistung der UEK auf ihrer Website (besucht am 21. Februar 2009). Der Fall Atel<br />
ist unter der Transaktionsnummer 0251 zu finden. Bei den<br />
drei gemischten Angeboten handelt es sich um <strong>die</strong> Fälle<br />
Esec Holding AG (0065), Netstal-Maschinen AG (0117)<br />
<strong>und</strong> Gornergrat Bahn AG (0244).