Öffentliche Tauschangebote und die Pflicht zum ... - Vischer
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SZW/RSDA 3/2009 191<br />
<strong>Öffentliche</strong> <strong>Tauschangebote</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong> alternativen Barangebot<br />
Von Dr. Jana Essebier <strong>und</strong> Dr. Matthias Glatthaar, beide Zürich *<br />
Since the entry into force of the new Stock Exchange<br />
Ordinance of the Financial Market Supervisory Authority,<br />
a mandatory offer may only be settled in the<br />
form of an exchange of securities if a cash payment is<br />
offered as an alternative. The authors claim that such<br />
a provision, which severely interferes with private<br />
autonomy and significantly increases the aggregate<br />
price of takeovers, should not have been established<br />
in a mere ordinance but, if at all, then at the level of<br />
the Stock Exchange Act itself.<br />
In its communication no. 4 the Takeover Board clarified<br />
that the obligation to make an alternative cash<br />
Inhaltsübersicht<br />
I. <strong>Tauschangebote</strong> im Allgemeinen<br />
II. Bisherige Regelung<br />
1. Rechtsgr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Praxis<br />
2. Blick über <strong>die</strong> Grenzen<br />
3. Beurteilung in der Lehre<br />
III. Revision des Übernahmerechts<br />
1. Revisionsbestrebungen im Oktober 2003<br />
2. Entwurf für eine BEHV-FINMA vom Juni 2008<br />
3. BEHV-FINMA vom 25. September 2008<br />
4. Mitteilung Nr. 4 der UEK<br />
IV. Stellungnahme<br />
1. <strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong> alternativen Barangebot<br />
bei <strong>Pflicht</strong>angeboten<br />
2. Opting out von der <strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong> alternativen<br />
Barangebot?<br />
3. Keine Anwendung auf gemischt freiwillige<br />
Kaufangebote<br />
4. Ausweitung der Best Price Rule zu einer<br />
Same Price Rule<br />
V. Fazit<br />
I. <strong>Tauschangebote</strong> im Allgemeinen<br />
Ein öffentliches Übernahmeangebot gegen Barzahlung<br />
setzt ausreichend liquide Mittel beim Anbieter<br />
voraus. Sind <strong>die</strong>se nicht vorhanden oder sollen<br />
sie für anderweitige Investitionen verwendet werden,<br />
können als Gegenleistung für <strong>die</strong> An<strong>die</strong>nung von<br />
Aktien der Zielgesellschaft auch Beteiligungspapiere<br />
angeboten werden. Dadurch wird eine Übernahme<br />
* Dr. Jana Essebier, Rechtsanwältin, <strong>und</strong> Dr. Matthias<br />
Glatthaar sind in einer grösseren Anwaltskanzlei mit Büros<br />
in Zürich <strong>und</strong> Basel tätig.<br />
offer does not apply to voluntary offers including securities<br />
for which acquisition entails an obligation to<br />
make an offer. At the same time, however, it extended<br />
the best price rule to the nature of the price offered,<br />
i.e. a cash price offered to shareholders following an<br />
exchange offer must also be offered to all shareholders<br />
who have accepted the prior offering. According<br />
to the authors, the communication no. 4 raises several<br />
questions. In particular, the extension of the best<br />
price rule to the nature of the price offered which exposes<br />
the bidder to substantial risks. In addition, the<br />
authors suggest that it should be possible to opt out<br />
of the obligation to make an alternative cash offer.<br />
der Zielgesellschaft möglich, ohne dass liquide Mittel<br />
dafür eingesetzt werden müssen. Sofern eigene Beteiligungspapiere<br />
angeboten werden, können <strong>die</strong> <strong>zum</strong><br />
Tausch benötigten Titel mittels Kapitalerhöhung neu<br />
geschaffen werden. Eine Unternehmensübernahme<br />
gilt dabei als wichtiger Gr<strong>und</strong> im Sinne von Art. 652b<br />
Abs. 2 OR <strong>und</strong> berechtigt somit zur Aufhebung des<br />
Bezugsrechts. Möglich ist es auch, den Aktionären<br />
der Zielgesellschaft eine Kombination aus Bargeld<br />
<strong>und</strong> Titeln anzubieten (sog. gemischtes Angebot).<br />
Nicht nur bezüglich Aufbringung des Angebotspreises,<br />
sondern auch in struktureller Hinsicht unterscheiden<br />
sich Tausch- von Barangeboten: Bei einem<br />
Barangebot werden <strong>die</strong> Angebotsempfänger mit Barmitteln<br />
abgegolten <strong>und</strong> scheiden somit als Beteiligungsinhaber<br />
aus der Zielgesellschaft aus. Die Kontinuität<br />
der Mitgliedschaft wird durchbrochen <strong>und</strong><br />
<strong>die</strong> echte Publikumsgesellschaft mit atomisiertem<br />
Aktionariat in eine unechte Publikumsgesellschaft<br />
mit weitgehend konzentriertem Aktionariat <strong>und</strong> konzentrierter<br />
Stimmkraft überführt. Im Unterschied<br />
dazu wird bei einem Tauschangebot ein fusionsähnliches<br />
Ergebnis erzielt. Während <strong>die</strong> übernommene<br />
Gesellschaft ihre wirtschaftliche Selbständigkeit verliert<br />
<strong>und</strong> neu der Oberleitung der Anbieterin untersteht,<br />
werden <strong>die</strong> Aktionäre der Zielgesellschaft im<br />
Zuge des Angebots zu Aktionären des Anbieters, wodurch<br />
wirtschaftlich betrachtet <strong>die</strong> mitgliedschaftliche<br />
Kontinuität (<strong>zum</strong>indest teilweise) gewahrt wird. 1<br />
1 Dogmatisch findet <strong>die</strong> Liberierung der neu geschaffenen<br />
Aktien der übernehmenden Gesellschaft durch Sacheinlage<br />
der Aktien der übernommenen Gesellschaft statt. Demgegenüber<br />
erfolgt <strong>die</strong> Liberierung bei der ordentlichen<br />
Fusion durch <strong>die</strong> Übernahme des Nettoaktivenüberschus-
192 Kurzbeiträge<br />
SZW/RSDA 3/2009<br />
In struktureller Hinsicht liegt beim Tauschangebot<br />
demnach nicht eine Übernahme, sondern ein Zusammenschluss<br />
von Gesellschaften vor (sog. Quasifusion<br />
oder shares for shares). 2 Anders als bei der Fusion<br />
findet jedoch keine juristische Verschmelzung der<br />
beteiligten Gesellschaften statt, sondern <strong>die</strong> Verflechtung<br />
erfolgt nur auf der Ebene der Beteiligung. Die<br />
übernommene Gesellschaft bleibt also (vorerst) als<br />
eigenständiger Rechtsträger bestehen. 3<br />
Für <strong>die</strong> Angebotsadressaten hat ein Barangebot<br />
den Vorteil, dass <strong>die</strong> ihnen offerierte Gegenleistung<br />
<strong>zum</strong> vornherein feststeht. Bei einem Tauschangebot<br />
stellt sich dagegen, insbesondere wenn <strong>die</strong> <strong>zum</strong><br />
Tausch angebotenen Titel nicht kotiert oder illiquid<br />
sind, das Problem der Bewertung. Den Adressaten<br />
des Übernahmeangebots fällt es hier schwer, den effektiven<br />
Angebotswert <strong>und</strong> dessen Angemessenheit<br />
verlässlich zu ermitteln. 4 Ein Tauschangebot kann<br />
für <strong>die</strong> Empfänger des Angebots aber auch Vorteile<br />
haben, da es den Aktionären der Zielgesellschaft<br />
Gelegenheit gibt, mittels Annahme des Angebots<br />
<strong>zum</strong> Aktionariat des Anbieters zu stossen. Dadurch<br />
können <strong>die</strong> Zielgesellschaftsaktionäre am Wertstei-<br />
ses kraft Universalsukzession. Vgl. Peter R. Altenburger<br />
/ Massimo Calderan / Werner Lederer, Schweizerisches<br />
Umstrukturierungsrecht, Zürich 2004, Rz. 275.<br />
2 Vgl. Rudolf Tschäni, M&A-Transaktionen nach Schweizer<br />
Recht, Zürich 2003, Kap. 8 Rz. 2. Siehe allgemein <strong>zum</strong><br />
Begriff der Quasifusion statt vieler Jürg Luginbühl, Die<br />
Fusion, in: Andreas Kellerhals / Jürg Luginbühl (Hrsg.),<br />
Fusionsgesetz: Auswirkungen auf <strong>die</strong> Praxis, Zürich 2004,<br />
S. 13 f. Siehe zur Quasifusion sodann ausführlich Peter R.<br />
Altenburger / Massimo Calderan / Werner Lederer (Fn. 1),<br />
Rz. 274 ff. sowie Rudolf Tschäni (a.a.O.), Kap. 6 Rz. 102 ff.<br />
3 Dies hat <strong>zum</strong> Vorteil, dass gewisse Werte, welche mit der<br />
übernommenen Gesellschaft verknüpft sind, wie <strong>zum</strong> Beispiel<br />
der Goodwill oder bestimmte Konzessionen, erhalten<br />
bleiben; vgl. Rudolf Tschäni, Übernahme- <strong>und</strong> Zusammenschlussformen,<br />
in: Rudolf Tschäni (Hrsg.), Mergers &<br />
Acquisitions I, Zürich 1998, S. 36; Rudolf Tschäni (Fn. 2),<br />
Kap. 6 Rz. 103.<br />
4 Siehe statt vieler Henry Peter, Les Offres Publiques<br />
d’Achat en Suisse – analyse et évolution, en particulier<br />
depuis l’entrée en vigueur du nouveau «Code Suisse des<br />
OPA», SZW 62 (1990), S. 153 ff., 164 f., anhand des Beispiels<br />
des Tauschangebots für <strong>die</strong> Bank Leu AG, bei dem<br />
Aktien der neu gegründeten Lehoca Holding AG <strong>zum</strong> Umtausch<br />
angeboten wurden, deren Wert sich im Zeitpunkt<br />
der Entscheidung nur schwer bestimmen liess. Ferner<br />
Robert Bernet, Die Regelung öffentlicher Kaufangebote<br />
im neuen Börsengesetz (BEHG): eine Darstellung der<br />
<strong>Pflicht</strong>en des Anbieters <strong>und</strong> des Verwaltungsrats der Zielgesellschaft<br />
unter Einschluss sämtlicher Verordnungen,<br />
Diss. Basel, ASR 614, Bern 1998, S. 19.<br />
gerungspotenzial des Anbieters <strong>und</strong> damit indirekt<br />
auch an der Zielgesellschaft (unter neuer Führung<br />
mit allenfalls neuer Strategie sowie unter Verwirklichung<br />
der Synergiepotenziale) partizipieren. 5<br />
R<strong>und</strong> ein Fünftel aller öffentlichen Übernahmeangebote<br />
seit dem Jahr 2000 wurde als <strong>Tauschangebote</strong><br />
<strong>und</strong> ein gutes weiteres Achtel als kombinierte<br />
Bar- <strong>und</strong> <strong>Tauschangebote</strong> (gemischte Angebote)<br />
unterbreitet. 6 Insgesamt wies somit etwa ein Drittel<br />
aller veröffentlichten Übernahmeangebote eine<br />
Tauschkomponente auf. Selbst wenn man berücksichtigt,<br />
dass ein Teil der <strong>Tauschangebote</strong> keine echten<br />
Übernahmen, sondern Umstrukturierungen 7 waren,<br />
zeigt <strong>die</strong>se Statistik, dass <strong>die</strong> praktische Bedeutung<br />
der <strong>Tauschangebote</strong> gross ist. Diese Aussage ist für<br />
<strong>Pflicht</strong>angebote allerdings stark einzuschränken. 8<br />
Per 31. Dezember 2008 gab es lediglich ein reines<br />
Tauschangebot (Atel) <strong>und</strong> drei gemischte Angebote. 9<br />
5 Demgegenüber werden <strong>die</strong> vorhandenen Aktionäre des<br />
Anbieters infolge eines <strong>Tauschangebote</strong>s schlechter gestellt,<br />
wenn <strong>die</strong> <strong>zum</strong> Tausch angebotenen Beteiligungspapiere<br />
neu ausgegeben werden.<br />
6 Jürg Luginbühl, <strong>Öffentliche</strong> Umtauschangebote – Ausgewählte<br />
Aspekte aus der Praxis, in: Rudolf Tschäni (Hrsg.),<br />
Mergers & Acquisitions XI, Zürich 2009, S. 161 ff., 164 f.<br />
(Untersuchung per 31. Juli 2008).<br />
7 Vgl. den Fall ISOTIS SA, in dem der Aktientausch der<br />
Sitzverlegung in <strong>die</strong> USA <strong>die</strong>nte; Empfehlung der UEK<br />
vom 12. Dezember 2006 i.S. ISOTIS SA (0302/01).<br />
<strong>Tauschangebote</strong> wurden in der Praxis auch häufig verwendet,<br />
wenn eine Investmentgesellschaft liqui<strong>die</strong>rt <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />
Aktionäre stattdessen an einem Anlagefonds beteiligt werden<br />
sollten; vgl. Empfehlung der UEK vom 11. Oktober<br />
2004 i.S. ZKB Pharma Vision AG (0214/01).<br />
8 Rudolf Tschäni / Jacques Iffland / Hans-Jakob Diem, <strong>Öffentliche</strong><br />
Kaufangebote, Zürich 2007, S. 37 Rz. 69, sehen den<br />
Hauptgr<strong>und</strong> dafür, dass <strong>Pflicht</strong>angebote nur selten in der<br />
Form eines Tauschangebots unterbreitet werden, in der Praxis<br />
der UEK, wonach <strong>die</strong> Schaffung der <strong>zum</strong> Umtausch erforderlichen<br />
Titel im Rahmen einer Kapitalerhöhung nicht<br />
als wichtiger Gr<strong>und</strong> im Sinne von Art. 32 Abs. 2 aBEHV-<br />
EBK gilt, der vorliegen muss, damit ein <strong>Pflicht</strong>angebot an<br />
eine Bedingung geknüpft werden darf; vgl. Empfehlung VI<br />
der UEK i.S. Aare-Tessin AG für Elektrizität vom 7. April<br />
2006 (0251/06), E. 9.3.2. Der Anbieter muss also entweder<br />
bereits bei Angebotsunterbreitung über ausreichend Titel<br />
für den Umtausch verfügen oder vorgängig im Hinblick auf<br />
<strong>die</strong> Leistung des Angebotspreises genehmigtes Aktienkapital<br />
schaffen, wenn er nicht bereit oder in der Lage ist, den<br />
Angebotspreis notfalls auch in bar abzugelten.<br />
9 Gemäss Auflistung der UEK auf ihrer Website (besucht am 21. Februar 2009). Der Fall Atel<br />
ist unter der Transaktionsnummer 0251 zu finden. Bei den<br />
drei gemischten Angeboten handelt es sich um <strong>die</strong> Fälle<br />
Esec Holding AG (0065), Netstal-Maschinen AG (0117)<br />
<strong>und</strong> Gornergrat Bahn AG (0244).
SZW/RSDA 3/2009 Kurzbeiträge<br />
193<br />
II. Bisherige Regelung<br />
1. Rechtsgr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Praxis<br />
In seiner bis Ende 2008 geltenden Fassung<br />
nahm das Schweizer Übernahmerecht öffentlichen<br />
<strong>Tauschangebote</strong>n gegenüber eine im internationalen<br />
Vergleich 10 äusserst liberale Haltung ein. Namentlich<br />
konnte auch ein <strong>Pflicht</strong>angebot als reines Tauschangebot<br />
unterbreitet werden, solange <strong>die</strong> Mindestpreisvorschriften<br />
eingehalten wurden. 11 Die Möglichkeit, auch<br />
ein <strong>Pflicht</strong>angebot als Tausch angebot zu unterbreiten,<br />
galt gemäss Art. 29 Abs. 2 aBEHV-EBK selbst dann,<br />
wenn ein vorausgegangener Erwerb (<strong>zum</strong> Beispiel der<br />
Kontrollmehrheit) gegen Barzahlung stattgef<strong>und</strong>en<br />
hatte. Die dabei <strong>zum</strong> Tausch angebotenen Titel mussten<br />
auch nicht kotiert oder liquid sein. 12 Da in Fällen,<br />
in denen ein Börsenkurs als verlässliche Bewertungsgr<strong>und</strong>lage<br />
fehlt, <strong>die</strong> Interessen der Minderheitsaktionäre<br />
aber einer besonderen Gefährdung ausgesetzt<br />
sind, musste der Angebotsprospekt eine Bewertung<br />
der <strong>zum</strong> Tausch angebotenen Papiere durch <strong>die</strong> Prüfstelle<br />
enthalten, wenn nicht kotierte oder kotierte Beteiligungspapiere<br />
mit illiquidem Markt <strong>zum</strong> Tausch<br />
angeboten wurden oder <strong>die</strong>se bei einem vorausgegangenen<br />
Erwerb getauscht wurden. 13<br />
Der Anbieter konnte <strong>die</strong> Art der Gegenleistung<br />
für <strong>die</strong> An<strong>die</strong>nung der Aktien unter bisherigem Recht<br />
also frei wählen (Gr<strong>und</strong>satz der Wahlfreiheit), solange<br />
er den Minderheitsaktionären <strong>die</strong> ihnen vom<br />
Übernahmerecht zugestandene minimale Entschädigung<br />
anbot. Immerhin musste der Anbieter im Fall<br />
eines <strong>Tauschangebote</strong>s aber schon bisher für zusätzliche<br />
Transparenz sorgen, das heisst, der Angebots-<br />
10 Siehe hierzu hinten II.2.<br />
11 Art. 39 Abs. 1 aBEHV-EBK. Möglich war übrigens auch<br />
der umgekehrte Fall, das heisst, dass das <strong>Pflicht</strong>angebot<br />
als Barangebot unterbreitet wird <strong>und</strong> der vorausgegangene<br />
Erwerb durch Tausch von Beteiligungspapieren erfolgte;<br />
vgl. Art. 40 aBEHV-EBK.<br />
12 Art. 42 Abs. 2 aBEHV-EBK. Siehe auch Empfehlung I der<br />
UEK vom 12. Dezember 2006 i.S. Bank Linth (0301/01),<br />
E. 2.2.2.<br />
13 Art. 42 Abs. 2 aBEHV-EBK <strong>und</strong> Art. 24 Abs. 5 aUEV-<br />
UEK; vgl. Erläuterungen <strong>zum</strong> Entwurf der Eidgenössischen<br />
Bankenkommission vom 4. März 1996 zur Verordnung<br />
der Eidgenössischen Bankenkommission über<br />
<strong>die</strong> Börsen <strong>und</strong> den Effektenhandel, Sonderdruck, März<br />
1996, Rz. 87. Demgegenüber musste <strong>die</strong> Prüfstelle bei<br />
<strong>Tauschangebote</strong>n gegen kotierte Beteiligungspapiere mit<br />
liquidem Markt «nur» <strong>die</strong> vom Anbieter vorgenommene<br />
Bewertung überprüfen; vgl. Art. 42 Abs. 1 aBEHV-EBK.<br />
prospekt musste bestimmte zusätzliche Angaben<br />
enthalten. Dabei handelte es sich insbesondere um<br />
Angaben zu den mit den <strong>zum</strong> Tausch angebotenen<br />
Titeln verb<strong>und</strong>enen Rechten, Angaben zu der Gesellschaft,<br />
deren Titel <strong>zum</strong> Tausch angeboten werden,<br />
sowie Angaben zur Kotierung <strong>und</strong> zur Kursentwicklung<br />
<strong>die</strong>ser Titel. 14<br />
Im Fall Atel hat <strong>die</strong> Eidgenössische Bankenkommission<br />
(EBK) 15 <strong>die</strong> Zulässigkeit der Abgeltung des<br />
Angebotspreises durch Tausch gegen Beteiligungspapiere<br />
<strong>und</strong> damit den Gr<strong>und</strong>satz der Wahlfreiheit<br />
bei <strong>Pflicht</strong>angeboten eingeschränkt. Danach darf ein<br />
<strong>Pflicht</strong>angebot nur dann als Tauschangebot ausgestaltet<br />
sein, wenn dadurch der Zweck der Angebotspflicht,<br />
nämlich den Minderheitsaktionären im Fall<br />
eines Kontrollwechsels ein Ausstiegsrecht aus der<br />
Gesellschaft zu gewähren, 16 nicht vereitelt wird. 17<br />
Die Gesamttransaktion, in welche das <strong>Pflicht</strong>angebot<br />
eingeb<strong>und</strong>en ist, darf deshalb nicht so strukturiert<br />
werden, dass das Ausstiegsrecht faktisch aufgehoben<br />
wird. Dies war nach Ansicht der EBK im Fall<br />
Atel gegeben, wo als Gegenleistung Aktien einer<br />
Gesellschaft angeboten wurden, welche nur zwölf<br />
Tage nach Vollzug des Tauschangebots wieder in <strong>die</strong><br />
Zielgesellschaft hätte fusioniert werden sollen (reverse<br />
merger). Dabei hätten <strong>die</strong> Angebotsadressaten<br />
anlässlich <strong>die</strong>ser Fusion wiederum mit Aktien der<br />
Zielgesellschaft entschädigt werden sollen, <strong>und</strong> zwar<br />
nach dem gleichen Umtauschschlüssel, der bereits im<br />
Rahmen des <strong>Pflicht</strong>angebots zur Anwendung kam. 18<br />
Die EBK war der Auffassung, dass den Minderheitsaktionären<br />
dadurch de facto <strong>die</strong> Möglichkeit genommen<br />
wurde, von ihrem Ausstiegsrecht gemäss Art. 32<br />
BEHG Gebrauch zu machen, <strong>zum</strong>al <strong>die</strong> <strong>zum</strong> Tausch<br />
14 Art. 24 aUEV-UEK. Siehe dazu ausführlich Jürg Luginbühl<br />
(Fn. 6), S. 179 ff.<br />
15 Mit Inkrafttreten des Finanzmarktaufsichtsgesetzes (FIN-<br />
MAG) per 1. Januar 2009 wurde <strong>die</strong> EBK in <strong>die</strong> integrierte<br />
Finanzmarktaufsicht (FINMA) übergeführt.<br />
16 Botschaft zu einem B<strong>und</strong>esgesetz über <strong>die</strong> Börsen <strong>und</strong><br />
den Effektenhandel vom 24. Februar 1993, BBl 1993 I<br />
1369 ff., 1417 (Botschaft BEHG). Siehe <strong>zum</strong> Zweck der<br />
Angebotspflicht aus der Lehre statt vieler BSK BEHG-<br />
Hofstetter / Heuberger, Art. 32 N 4.<br />
17 Verfügung der EBK vom 3. Mai 2006 i.S. Aare-Tessin AG<br />
für Elektrizität, Ziff. 37.<br />
18 Verfügung der EBK vom 3. Mai 2006 i.S. Aare-Tessin AG<br />
für Elektrizität, Ziff. 38 ff. Anders noch Empfehlung VI<br />
der UEK vom 7. April 2006 i.S. Aare-Tessin AG für Elektrizität<br />
(0251/06), E. 3.2. Kritisch <strong>zum</strong> Entscheid der EBK<br />
Jürg Luginbühl (Fn. 6), S. 161 ff., 202 ff.
194 Kurzbeiträge<br />
SZW/RSDA 3/2009<br />
angebotenen Aktien einen geringen free float aufwiesen,<br />
was <strong>die</strong> Veräusserung zusätzlich erschwerte.<br />
Nur wenn den Minderheitsaktionären zwischen der<br />
Übernahme <strong>und</strong> dem reverse merger ausreichend<br />
Zeit verbleibt, um ihre als Gegenleistung erhaltenen<br />
Titel zu ver äussern, kann nach Ansicht der EBK von<br />
einem echten Ausstiegsrecht gesprochen werden. Im<br />
Fall Atel konnte <strong>die</strong> Gesetzeskonformität dadurch erreicht<br />
werden, dass der Entscheid über <strong>die</strong> Umstrukturierung<br />
auf frühestens sechs Monate nach Vollzug<br />
des Tauschangebots aufgeschoben wurde. 19<br />
2. Blick über <strong>die</strong> Grenzen<br />
Nachfolgend wird kurz auf <strong>die</strong> Regelungen in<br />
ausgewählten ausländischen Rechtsordnungen hingewiesen:<br />
20<br />
– Gemäss der EU-Übernahmerichtlinie hat der<br />
Anbieter eines <strong>Pflicht</strong>angebots gr<strong>und</strong>sätzlich <strong>die</strong><br />
Wahl, ob er als Gegenleistung Wertpapiere, eine<br />
Geldleistung oder eine Kombination davon<br />
anbietet. 21 Wenn <strong>die</strong> angebotenen Wertpapiere<br />
jedoch nicht kotiert <strong>und</strong> nicht liquid sind, muss<br />
der Anbieter alternativ eine Geldleistung anbieten.<br />
22 Eine Geldleistung muss ausserdem immer<br />
dann alternativ angeboten werden, wenn der Anbieter<br />
(oder eine mit ihm gemeinsam handelnde<br />
Person) innerhalb einer Referenzperiode vor dem<br />
<strong>Pflicht</strong>angebot Titel der Zielgesellschaft gegen<br />
Geldleistung erworben hat, <strong>die</strong> mindestens 5%<br />
der Stimmrechte an der Zielgesellschaft verleihen.<br />
23 Die EU-Übernahmerichtlinie lässt es zu,<br />
dass <strong>die</strong> Mitgliedstaaten in allen <strong>Pflicht</strong>angebotsfällen<br />
vorsehen, dass wahlweise eine Geldleistung<br />
angeboten werden muss. 24<br />
– In Deutschland kann <strong>die</strong> Gegenleistung eines<br />
Übernahmeangebots nach Wahl des Anbieters<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich in einer Geldleistung oder in liqui-<br />
19 Empfehlung VII der UEK vom 12. Juni 2006 i.S. Aare-<br />
Tessin AG für Elektrizität (0251/07), E. 1.2.4.1; bestätigt<br />
in Verfügung der EBK vom 4. Juli 2006 i.S. Aare-Tessin<br />
AG für Elektrizität, Ziff. 31.<br />
20 Siehe auch den ausführlichen Rechtsvergleich bei Jürg<br />
Luginbühl (Fn. 6), S. 161 ff., 167 ff.<br />
21 Art. 5 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/25/EG des<br />
Europäischen Parlaments <strong>und</strong> des Rates vom 21. April<br />
2004 betreffend Übernahmeangebote (EU-Übernahmerichtlinie).<br />
22 Art. 5 Abs. 5 Unterabs. 2 EU-Übernahmerichtlinie.<br />
23 Art. 5 Abs. 5 Unterabs. 3 EU-Übernahmerichtlinie.<br />
24 Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 4 EU-Übernahmerichtlinie.<br />
den Aktien bestehen, <strong>die</strong> <strong>zum</strong> Handel an einem<br />
organisierten Markt zugelassen sind. 25 Eine Geldleistung<br />
muss dann zwingend angeboten werden,<br />
wenn der Anbieter (oder eine mit ihm gemeinsam<br />
handelnde Person) in den sechs Monaten vor der<br />
Veröffentlichung des Entscheides zur Abgabe<br />
eines Angebots insgesamt mindestens 5% der<br />
Aktien oder Stimmrechte an der Zielgesellschaft<br />
gegen Zahlung einer Geldleistung erworben hat. 26<br />
Diese Regelung gilt sowohl für <strong>Pflicht</strong> angebote<br />
als auch für freiwillige Übernahmeangebote, d.h.<br />
Angebote, <strong>die</strong> auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet<br />
sind.<br />
– In England muss als Gegenleistung eines <strong>Pflicht</strong>angebots<br />
in jedem Fall <strong>zum</strong>indest alternativ eine<br />
Geldleistung angeboten werden. 27 Die <strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong><br />
alternativen Barangebot gilt dabei explizit auch<br />
dann, wenn der <strong>die</strong> Angebotspflicht auslösende<br />
Aktienerwerb selbst gegen Tausch <strong>und</strong> nicht gegen<br />
Barzahlung erfolgte. Wenn der Anbieter einen<br />
wesentlichen Anteil seiner Beteiligung im<br />
Tausch gegen Wertpapiere erworben hat, so kann<br />
er verpflichtet werden, alternativ <strong>zum</strong> Barangebot<br />
<strong>die</strong> getauschten Wertpapiere allen Aktionären der<br />
Zielgesellschaft anzubieten. 28 Bei freiwilligen<br />
Übernahmeangeboten muss der Anbieter ein alternatives<br />
Barangebot unterbreiten, wenn er (oder<br />
eine mit ihm gemeinsam handelnde Person) in<br />
den letzten 12 Monaten vor Angebotsbeginn 10%<br />
oder mehr Stimmrechte der Zielgesellschaft gegen<br />
Barzahlung erworben hat. 29 Hat der Anbieter<br />
(oder eine mit ihm gemeinsam handelnde Person)<br />
in den letzten drei Monaten vor Angebotsbeginn<br />
10% oder mehr Stimmrechte der Zielgesellschaft<br />
im Tausch gegen Wertpapiere erworben, so kann<br />
der Anbieter bei freiwilligen Übernahmeangeboten<br />
verpflichtet sein, <strong>die</strong>se Wertpapiere gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
allen Aktionären der Zielgesellschaft anzubieten.<br />
30<br />
25 § 31 Abs. 2 S. 1 Wertpapiererwerbs- <strong>und</strong> Übernahmegesetz<br />
(WpÜG). Das Gesetz verlangt ausdrücklich eine<br />
Geldleistung in Euro.<br />
26 § 31 Abs. 3 WpÜG.<br />
27 Rule 9.5 (a) City Code on Takeovers and Mergers, 8 th Edition,<br />
20 May 2006 (Takeover Code).<br />
28 Note 1 on Rule 9.5 Takeover Code.<br />
29 Rule 11.1 (a) Takeover Code.<br />
30 Rule 11.2 Takeover Code. Vgl. Note 3 zu der Frage, wann<br />
ein Aktientausch als Barerwerb zu qualifizieren ist.
SZW/RSDA 3/2009 Kurzbeiträge<br />
195<br />
Dieser kurze Blick über <strong>die</strong> Grenzen zeigt, dass<br />
<strong>die</strong> Regelung der zulässigen Gegenleistung eines<br />
<strong>Pflicht</strong>angebots in der Schweiz bis anhin tatsächlich<br />
äusserst liberal ausgestaltet war. Insbesondere<br />
<strong>die</strong> Möglichkeit, auch bei einem <strong>Pflicht</strong>angebot ausschliesslich<br />
nicht kotierte oder illiquide Titel ohne<br />
ein alternatives Barangebot anzubieten, war im internationalen<br />
Vergleich geradezu einzigartig.<br />
3. Beurteilung in der Lehre<br />
Die vom Schweizer Übernahmerecht bisher eingeräumte<br />
Möglichkeit, ein <strong>Pflicht</strong>angebot auch dann<br />
als Tauschangebot auszugestalten, wenn der vorhergehende<br />
Kontrollerwerb gegen Barzahlung erfolgte,<br />
wurde in der Lehre kontrovers beurteilt.<br />
Nach Auffassung von der Crones verstiess <strong>die</strong>se<br />
Regelung gegen den Sinn <strong>und</strong> Zweck der Angebotspflicht.<br />
31 Art. 32 BEHG solle den Minderheitsaktionären<br />
<strong>die</strong> Möglichkeit einräumen, sich der Kontrolltransaktion<br />
(unter Inkaufnahme eines Preisabschlags)<br />
anzuschliessen. Dieses Anschlussrecht beziehe sich<br />
auch auf <strong>die</strong> Art der angebotenen Gegenleistung. Zumindest<br />
aber brauchten Aktionäre nach allgemeinen<br />
aktienrechtlichen Gr<strong>und</strong>sätzen <strong>die</strong> Erfüllung durch<br />
Sachleistung statt durch Barzahlung nur hinzunehmen,<br />
wenn es sich bei der Sachleistung um einen<br />
liquiden Vermögenswert handelt. Als Gegenstand einer<br />
Sachleistung kämen deshalb nur börslich gehandelte<br />
Titel in Frage. Dass es dem Kontrollerwerber<br />
sogar frei stehen soll, nicht kotierte Titel <strong>und</strong> damit<br />
illiquide Vermögenswerte <strong>zum</strong> Tausch anzubieten,<br />
sei geradezu stossend. Zumindest in seiner weiten<br />
Fassung sei Art. 39 Abs. 2 aBEHV-EBK daher nicht<br />
gesetzeskonform.<br />
Auch Gotschev kritisierte <strong>die</strong> weitgehende Zulässigkeit<br />
der Erfüllung der Angebotspflicht durch Unterbreitung<br />
eines Tauschangebots. 32 Seiner Ansicht<br />
nach stellte <strong>die</strong>se Regelung des Schweizer Übernahmerechts<br />
einen Verstoss gegen den Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satz<br />
dar.<br />
Demgegenüber lobte Köpfli <strong>die</strong> Regelung als gelungenen<br />
Ausgleich zwischen den Interessen der Min-<br />
31 Hans Caspar von der Crone, Angebotspflicht, SZW Sondernummer<br />
1997, S. 44 ff., 58 f.<br />
32 Georg Gotschev, Koordiniertes Aktionärsverhalten im<br />
Börsenrecht, Diss. Zürich, SSHW 240, Zürich 2005,<br />
S. 194, Rz. 518, Fn. 1137.<br />
derheitsaktionäre <strong>und</strong> den Anliegen des Anbieters. 33<br />
Die Minderheitsaktionäre seien durch <strong>die</strong> obligatorische<br />
Bewertung durch <strong>die</strong> Prüfstelle wirkungsvoll<br />
geschützt. Gleichzeitig bliebe aber dem Anbieter <strong>die</strong><br />
Freiheit erhalten, sein Angebot marktkonform <strong>und</strong><br />
ohne überflüssige Einschränkungen auszugestalten.<br />
III. Revision des Übernahmerechts<br />
1. Revisionsbestrebungen im Oktober 2003<br />
Im Entwurf vom Oktober 2003 zu einer Revision<br />
der BEHV-EBK schloss sich <strong>die</strong> EBK den kritischen<br />
Stimmen aus der Lehre an <strong>und</strong> stellte sich auf den<br />
Standpunkt, dass Art. 39 Abs. 2 aBEHV-EBK (der<br />
nota bene von ihr selbst erlassen wurde) problematisch<br />
sei <strong>und</strong> dem Gr<strong>und</strong>satz der Gleichbehandlung<br />
der Aktionäre widerspräche. 34 Sie schlug folgende<br />
Neufassung von Art. 39 Abs. 2 aBEHV-EBK vor:<br />
«Der Tausch gegen Effekten ist nicht zulässig, wenn<br />
ein vorausgegangener Erwerb einer ein <strong>Pflicht</strong>angebot<br />
auslösenden Beteiligung gegen Barzahlung stattgef<strong>und</strong>en<br />
hat». 35 Des Weiteren schlug <strong>die</strong> EBK ein<br />
Verbot von <strong>Tauschangebote</strong>n gegen nicht regelmässig<br />
gehandelte Effekten vor. 36<br />
In der Vernehmlassung wurde das Verbot von<br />
<strong>Tauschangebote</strong>n gegen nicht regelmässig gehandelte<br />
Effekten weitgehend begrüsst, während das Verbot<br />
von <strong>Tauschangebote</strong>n bei einem vorangehendem<br />
Bar erwerb auf breite Ablehnung stiess. 37 Insbesondere<br />
wurde moniert, dass der Revisionsvorschlag auf<br />
den vorausgegangenen Erwerb einer das <strong>Pflicht</strong>angebot<br />
auslösenden Beteiligung abstellt, ohne dass<br />
aber der Umfang <strong>die</strong>ses Beteiligungskaufes definiert<br />
wird. Die vorgeschlagene Neuregelung würde Über-<br />
33 Christian Köpfli, Die Angebotspflicht im schweizerischen<br />
Kapitalmarktrecht, Diss. Zürich, SSHW 195, S. 229.<br />
34 Erläuterung zu Art. 39 Abs. 2 RE-BEHV-EBK. Kritisch<br />
zu <strong>die</strong>ser Begründung Stellungnahme SwissBanking vom<br />
19. Januar 2004, S. 15.<br />
35 Kritisch zu <strong>die</strong>ser Formulierung Georg Gotschev (Fn. 32),<br />
S. 194, Rz. 518, Fn. 1137.<br />
36 Art. 39 Abs. 3 RE-BEHV-EBK.<br />
37 Siehe namentlich Stellungnahme Economiesuisse vom<br />
12. Januar 2004, S. 2 <strong>und</strong> Stellungnahme Vereinigung<br />
Schweizerischer Industrie-Holdinggesellschaften vom<br />
8. Ja nuar 2004, S. 3. Die Stellungnahmen <strong>zum</strong> Entwurf für<br />
eine Revision der BEHV-EBK können unter abgerufen<br />
werden (besucht am 21. Februar 2009).
196 Kurzbeiträge<br />
SZW/RSDA 3/2009<br />
nahmen erschweren oder sogar verhindern, ohne dass<br />
bisher Missbräuche festzustellen gewesen seien. 38<br />
Aufgr<strong>und</strong> der generell uneinheitlichen Vernehmlassungsergebnisse<br />
wurde <strong>die</strong> Revision der BEHV-<br />
EBK im November 2004 sistiert <strong>und</strong> in der Folge<br />
nicht wieder aufgenommen.<br />
2. Entwurf für eine BEHV-FINMA<br />
vom Juni 2008<br />
Der Entwurf vom Juni 2008 für eine neue Verordnung<br />
der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht<br />
über <strong>die</strong> Börsen <strong>und</strong> den Effektenhandel (BEHV-<br />
FINMA) hielt zunächst im Gr<strong>und</strong>satz daran fest, dass<br />
auch <strong>Pflicht</strong>angebote als <strong>Tauschangebote</strong> unterbreitet<br />
werden dürfen. 39 Dieser Gr<strong>und</strong>satz der Wahlfreiheit<br />
hätte jedoch, wie schon im Revisionsentwurf 2003,<br />
insofern eingeschränkt werden sollen, als in den folgenden<br />
beiden Fällen alternativ zu den <strong>zum</strong> Tausch<br />
angebotenen Titeln eine Barzahlung hätte angeboten<br />
werden müssen:<br />
– Zum einen wäre gemäss dem Entwurf immer<br />
dann ein alternatives Barangebot erforderlich<br />
gewesen, wenn der das <strong>Pflicht</strong>angebot auslösende<br />
Erwerb von Beteiligungspapieren vollständig<br />
oder teilweise gegen Barzahlung erfolgte. 40 Der<br />
Vorschlag griff damit einen Gr<strong>und</strong>gedanken der<br />
EU-Übernahmerichtlinie 41 auf, wonach <strong>die</strong> Form<br />
des Vorerwerbs von Aktien der Zielgesellschaft<br />
durch den Anbieter auf <strong>die</strong> Zulässigkeit eines<br />
reinen Tauschangebots Einfluss hat, ohne jedoch<br />
deren Regelung im Detail widerzuspiegeln.<br />
– Zum anderen wäre der Anbieter eines <strong>Pflicht</strong>angebots<br />
immer dann zu einem alternativen Barangebot<br />
verpflichtet gewesen, wenn er nicht kotierte<br />
oder nicht regelmässig gehandelte Effekten<br />
<strong>zum</strong> Tausch anbietet. 42 Auch <strong>die</strong>ser Vorschlag ent-<br />
38 Stellungnahme SwissBanking vom 19. Januar 2004,<br />
S. 15 f., mit dem Hinweis, dass ein kontrollierender Aktionär<br />
oft gegen bar aussteigen will, während der Anbieter<br />
<strong>die</strong> Übernahme der gesamten Aktien nicht in bar zu finanzieren<br />
vermag.<br />
39 Art. 39 Abs. 1 E-BEHV-FINMA.<br />
40 Art. 39 Abs. 2 E-BEHV-FINMA.<br />
41 Art. 5 Abs. 5 Unterabs. 3 EU-Übernahmerichtlinie. Siehe<br />
vorne II.2.<br />
42 Art. 39 Abs. 3 E-BEHV-FINMA.<br />
sprach der in der EU-Übernahmerichtlinie getroffenen<br />
Regelung. 43<br />
In der Vernehmlassung <strong>zum</strong> Entwurf der BEHV-<br />
FINMA ist <strong>die</strong> Verpflichtung <strong>zum</strong> alternativen Barangebot,<br />
wenn der das <strong>Pflicht</strong>angebot auslösende<br />
Erwerb vollständig oder teilweise gegen Barzahlung<br />
erfolgte, wiederum auf Kritik gestossen. 44 Neben<br />
gr<strong>und</strong>sätzlichen Überlegungen, wonach <strong>die</strong> Vorschläge<br />
des Entwurfes einer liberalen Wirtschaftsordnung<br />
entgegenstünden, 45 wurde insbesondere<br />
<strong>die</strong> mangelnde Praktikabilität kritisiert. 46 In der Tat<br />
warf der Entwurf mehr Fragen auf, als er beantwortete.<br />
Der Entwurf definierte nicht, was unter einem<br />
das <strong>Pflicht</strong>angebot auslösenden Erwerb zu verstehen<br />
war. Wäre das Verbot eines Tauschangebots nur dann<br />
angewendet worden, wenn der letzte, <strong>die</strong> Angebotspflicht<br />
tatsächlich auslösende Beteiligungserwerb<br />
gegen Barzahlung stattgef<strong>und</strong>en hat, hätte <strong>die</strong>s ein<br />
beträchtliches Umgehungspotenzial geschaffen. Bei<br />
einer weiten Auslegung wäre demgegenüber <strong>die</strong> Frage<br />
aufgeworfen worden, wie Fälle zu behandeln seien,<br />
in denen der vom Anbieter getätigte Erwerb von<br />
Titeln der Zielgesellschaft gegen Barzahlung schon<br />
längere Zeit zurückliegt. Über<strong>die</strong>s hätte der Klärung<br />
bedurft, ob <strong>die</strong> Verpflichtung zu einem Barangebot<br />
auch dann greifen soll, wenn bei dem <strong>die</strong> Angebotspflicht<br />
auslösenden vorangehenden Aktienerwerb nur<br />
ein untergeordneter Teil des Entgelts (z.B. <strong>die</strong> Kontrollprämie<br />
von höchstens 25% oder gar nur <strong>die</strong> Abgeltung<br />
von Bruchteilen) in bar geleistet wurde.<br />
3. BEHV-FINMA vom 25. September 2008<br />
Die in der Vernehmlassung geäusserte Kritik hat<br />
<strong>die</strong> EBK veranlasst, den ursprünglichen Entwurf<br />
wesentlich zu verändern. Anders als von manchen<br />
Kritikern bezweckt <strong>und</strong> vielleicht auch erwartet, hat<br />
<strong>die</strong> EBK jedoch nicht auf <strong>die</strong> <strong>Pflicht</strong>, ein alternatives<br />
Bar angebot zu unterbreiten, verzichtet, sondern<br />
im Gegenteil den Anwendungsbereich <strong>die</strong>ser <strong>Pflicht</strong><br />
43 Art. 5 Abs. 5 Unterabs. 2 EU-Übernahmerichtlinie. Siehe<br />
vorne II.2.<br />
44 Die Stellungnahmen <strong>zum</strong> Entwurf der BEHV-FINMA<br />
können unter abgerufen werden (besucht am 21. Februar<br />
2009).<br />
45 Stellungnahme Homburger vom 4. August 2008, S. 11 f.<br />
46 Stellungnahmen Pestalozzi vom 4. August 2008, S. 2 f.<br />
<strong>und</strong> <strong>Vischer</strong> vom 4. August 2008, S. 7.
SZW/RSDA 3/2009 Kurzbeiträge<br />
197<br />
noch erweitert. Zwar geht auch <strong>die</strong> am 1. Januar 2009<br />
in Kraft getretene BEHV-FINMA in Art. 43 Abs. 1<br />
noch immer vom Gr<strong>und</strong>satz der Wahlfreiheit aus,<br />
doch wird <strong>die</strong>ser so weit zurückgedrängt, dass er<br />
nurmehr als leere Floskel erscheint. Art. 43 Abs. 2<br />
BEHV-FINMA lautet nämlich wie folgt: «Eine Abgeltung<br />
durch Tausch gegen Effekten ist zulässig,<br />
sofern alternativ eine Barzahlung angeboten wird».<br />
Seit dem 1. Januar 2009 muss der Anbieter eines<br />
<strong>Pflicht</strong>angebots in der Form eines Tauschangebots<br />
den Angebotsadressaten also in jedem Fall voraussetzungslos<br />
eine alternative Barzahlung anbieten. Dies<br />
gilt selbst dann, wenn der Anbieter <strong>die</strong> Kontrollmehrheit,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> Angebotspflicht auslöst, gegen Aktientausch<br />
erworben hat <strong>und</strong> er den Minderheitsaktionären<br />
kotierte <strong>und</strong> liquide Titel anbietet. Damit hat das<br />
Schweizer Übernahmerecht <strong>die</strong> strikte Regelung des<br />
englischen Takeover Code übernommen, welcher der<br />
schweizerischen Rechtsetzung auf dem Gebiet des<br />
Übernahmerechts seit jeher als Vorbild <strong>die</strong>nte. 47<br />
4. Mitteilung Nr. 4 der UEK<br />
Noch vor Inkrafttreten der BEHV-FINMA hatten<br />
sich Vertreter der UEK an einer Tagung zur Praxis<br />
des Übernahmerechts dahingehend geäussert, dass<br />
<strong>die</strong> UEK erwäge, Art. 43 Abs. 2 BEHV-FINMA auch<br />
bei freiwilligen <strong>Tauschangebote</strong>n, in deren Zuge <strong>die</strong><br />
<strong>Pflicht</strong>angebotsschwelle von 33 1 ⁄3% überschritten<br />
wird (sog. gemischt freiwillige Angebote), 48 anzuwenden<br />
<strong>und</strong> <strong>die</strong> alternative Unterbreitung eines Barangebots<br />
zu verlangen. Dies ist bei den Teilnehmern<br />
der Tagung auf heftige Kritik gestossen. Mit der Mitteilung<br />
Nr. 4 zu freiwilligen öffentlichen <strong>Tauschangebote</strong>n<br />
vom 9. Februar 2009 (Mitteilung Nr. 4) hat<br />
<strong>die</strong> UEK nunmehr klargestellt, dass Art. 43 Abs. 2<br />
BEHV-FINMA weder auf freiwillige noch auf gemischt<br />
freiwillige Angebote anzuwenden ist.<br />
Zur Begründung führt <strong>die</strong> UEK an, dass Art. 9<br />
Abs. 6 Satz 2 UEV nach Sinn <strong>und</strong> Zweck nicht auch<br />
auf <strong>die</strong> <strong>Pflicht</strong> verweise, eine alternative Barzahlung<br />
im Sinne von Art. 43 Abs. 2 BEHV-FINMA anzubieten.<br />
Anders als im Fall eines <strong>Pflicht</strong>angebots hätten<br />
<strong>die</strong> Angebotsempfänger bei einem freiwilligen Angebot<br />
<strong>die</strong> Möglichkeit, das Entstehen einer beherr-<br />
47 Vgl. Botschaft BEHG, 1417 f.<br />
48 Siehe <strong>zum</strong> Begriff des gemischt freiwilligen Angebots<br />
Rudolf Tschäni / Jacques Iffland / Hans-Jakob Diem<br />
(Fn. 8), Rz. 71 ff.<br />
schenden Beteiligung des Anbieters zu verhindern,<br />
indem sie das Angebot ablehnten. Schliesslich würde<br />
<strong>die</strong> <strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong> alternativen Barangebot freiwillige<br />
Angebote wirtschaftlich unverhältnismässig erschweren.<br />
Sollte der Anbieter eines freiwilligen Tauschangebots<br />
während der Frist von Art. 10 UEV (best<br />
price rule) Beteiligungsinstrumente oder Finanzinstrumente,<br />
auf <strong>die</strong> sich das Angebot bezieht, gegen<br />
Barzahlung erwerben, so ist er nach Auffassung der<br />
UEK aber verpflichtet, sämtlichen Angebotsempfängern<br />
eine Barzahlung anzubieten. Mit anderen Worten<br />
soll <strong>die</strong> best price rule künftig nicht nur für <strong>die</strong><br />
Höhe, sondern auch für <strong>die</strong> Art des Angebotspreises<br />
gelten.<br />
IV. Stellungnahme<br />
1. <strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong> alternativen Barangebot<br />
bei <strong>Pflicht</strong>angeboten<br />
Der Vorteil der neuen Regelung ist, dass sie – anders<br />
als der Revisionsentwurf – auf den ersten Blick<br />
einfach anzuwenden ist. Jedoch stellt sich <strong>die</strong> Frage,<br />
ob <strong>die</strong> Regelung im Einklang mit den Zielsetzungen<br />
des Gesetzgebers steht:<br />
– Mit der Einführung der <strong>Pflicht</strong> zur Unterbreitung<br />
eines Angebots nach einem Kontrollwechsel sollte<br />
den Minderheitsaktionären ein Ausstiegsrecht<br />
zu fairen Konditionen gegeben werden. 49<br />
– Darüber hinaus sah der Gesetzgeber im Verkauf<br />
einer beherrschenden Beteiligung einen wirtschaftlichen<br />
Verkauf der Gesellschaft. Die Minderheitsaktionäre<br />
müssten <strong>die</strong> Möglichkeit haben,<br />
sich dem verkaufenden Kontrollaktionär anzuschliessen<br />
(Anschlussrecht). 50<br />
– Gleichzeitig sollte <strong>die</strong> Regelung wirtschaftlich<br />
sinnvoll sein. Es müsse dem Umstand Rechnung<br />
getragen werden, dass der Wert einer beherrschenden<br />
Beteiligung wirtschaftlich betrachtet höher<br />
ist als der Wert von Einzelpapieren. Minderheitsaktionäre<br />
könnten daher mit dem verkaufenden<br />
Kontrollaktionär nicht vollständig gleichbehandelt<br />
werden. 51 Der Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satz<br />
49 Botschaft BEHG, 1417.<br />
50 Botschaft BEHG, 1417.<br />
51 Botschaft BEHG, 1418.
198 Kurzbeiträge<br />
SZW/RSDA 3/2009<br />
sollte daher, anders als im englischen Recht, nur<br />
eingeschränkt gelten.<br />
– Der Gesetzgeber wollte Übernahmen weder behindern<br />
noch fördern (Marktneutralität). Übernahmen<br />
sollten jedoch transparent <strong>und</strong> zu fairen<br />
Bedingungen erfolgen. 52<br />
– Die <strong>Pflicht</strong>angebotsregelungen sollten freiwillig<br />
sein (opting out <strong>und</strong> opting up). 53<br />
Legt man <strong>die</strong>se Zielsetzungen zugr<strong>und</strong>e, so ist<br />
fraglich, ob <strong>die</strong> neue Regelung gesetzeskonform ist.<br />
Die neue Regelung geht u.E. zu weit, da sie ein<br />
alternatives Barangebot unabhängig davon fordert,<br />
ob der Anbieter Aktien der Zielgesellschaft gegen<br />
Barabgeltung erworben hat. Im Extremfall müsste<br />
daher selbst ein Anbieter, der <strong>die</strong> gesamte Kontrollmehrheit<br />
durch Aktientausch erworben hat, ein alternatives<br />
Barangebot unterbreiten. Das Anschlussrecht<br />
würde hier eher für ein alternatives Tauschangebot<br />
sprechen, wie <strong>die</strong>s das englische Recht als Möglichkeit<br />
vorsieht. Ein alternatives Barangebot verlangt<br />
das Anschlussrecht nicht. Zwar bietet ein Barangebot<br />
<strong>die</strong> sicherste Möglichkeit <strong>zum</strong> Ausstieg. Das Ausstiegsrecht<br />
wäre aber auch dann hinreichend gewahrt<br />
gewesen, wenn reine <strong>Tauschangebote</strong> gegen liquide<br />
Effekten zulässig geblieben wären.<br />
Wenn der Vorerwerb gegen Barabgeltung erfolgt<br />
ist, sprechen der Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satz <strong>und</strong><br />
das Anschlussrecht zwar für <strong>die</strong> <strong>Pflicht</strong> zu einem<br />
alternativen Barangebot. Da der Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satz<br />
<strong>und</strong> das Anschlussrecht, wie <strong>die</strong> Zulässigkeit<br />
einer Kontrollprämie gemäss Art. 32 Abs. 4<br />
BEHG zeigt, im Schweizer Recht nur eingeschränkt<br />
gelten, folgt <strong>die</strong> Einführung der <strong>Pflicht</strong> zu einem alternativen<br />
Barangebot jedoch nicht zwingend aus den<br />
Zielsetzungen des Gesetzgebers. Zu berücksichtigen<br />
ist darüber hinaus, dass <strong>die</strong> neue Regelung zu starken<br />
Mehrbelastungen führt. Künftig muss der Erwerber<br />
einer Kontrollmehrheit nicht nur vorab sicherstellen,<br />
dass er über genügend Effekten verfügt, <strong>die</strong> er <strong>zum</strong><br />
Tausch anbieten möchte, 54 sondern auch, dass er über<br />
genügend Barmittel verfügt, falls <strong>die</strong> Aktionäre Barabgeltung<br />
wählen. 55 Damit werden Übernahmen erheblich<br />
verteuert <strong>und</strong> erschwert. Die bereits vor der<br />
52 Botschaft BEHG, 1389.<br />
53 Botschaft BEHG, 1417.<br />
54 Vgl. Empfehlung VI der UEK i.S. Aare-Tessin AG für<br />
Elektrizität vom 7. April 2006 (0251/06), E. 9.3.2.<br />
55 Siehe zu den Anforderungen an <strong>die</strong> Sicherstellung der<br />
Effektenbeschaffung beim Tauschangebot <strong>und</strong> an <strong>die</strong> Fi-<br />
Revision geringe Anzahl von <strong>Pflicht</strong>angeboten, bei denen<br />
Effekten <strong>zum</strong> Tausch angeboten wurden, 56 dürfte<br />
weiter sinken. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> des Gr<strong>und</strong>satzes<br />
der Marktneutralität wäre daher zu wünschen gewesen,<br />
dass reine <strong>Tauschangebote</strong> gegen liquide Effekten<br />
zulässig geblieben wären. Ein derart mas siver Eingriff<br />
in <strong>die</strong> Privatautonomie, wie ihn <strong>die</strong> Einführung der<br />
<strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong> alternativen Barangebot darstellt, hätte<br />
dem Gesetzgeber überlassen werden sollen.<br />
Es bleibt abzuwarten, ob <strong>die</strong> UEK künftig Gestaltungen<br />
wie im Fall Hiestand noch erlauben wird.<br />
Hier hatte <strong>die</strong> UEK noch im vergangenen Jahr entschieden,<br />
dass <strong>die</strong> Angebotspflicht auch im Wege der<br />
Fu sion erfüllt werden kann. Der Vollzug der Fusion<br />
führe <strong>zum</strong> Untergang der Angebotspflicht infolge Erfüllung.<br />
57 Es ist offen, ob <strong>die</strong> UEK <strong>die</strong> Fusion weiterhin<br />
als einem Übernahmeangebot funktional ebenbürtig<br />
ansehen wird, obwohl das Übernahmeangebot<br />
neu eine alternative Barzahlung enthalten muss.<br />
2. Opting out von der <strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong> alternativen<br />
Barangebot?<br />
Es stellt sich <strong>die</strong> Frage, ob für kotierte Gesellschaften<br />
<strong>die</strong> Möglichkeit eines opting out von der<br />
<strong>Pflicht</strong> besteht, ein alternatives Barangebot zu unterbreiten.<br />
Gemäss Art. 22 Abs. 2 <strong>und</strong> 3 sowie Art. 32<br />
Abs. 1 Satz 2 BEHG können kotierte Gesellschaften<br />
<strong>die</strong> Angebotspflicht ausschliessen (opting out) oder<br />
den Grenzwert für <strong>die</strong> Angebotspflicht auf 49% anheben<br />
(opting up). Mit <strong>die</strong>sen Gestaltungsmöglichkeiten<br />
trug der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung,<br />
dass <strong>die</strong> Angebotspflicht stark umstritten war.<br />
Insbesondere wurde kritisiert, dass sie der schweizerischen<br />
Unternehmenslandschaft mit ihren vielen<br />
Familiengesellschaften nicht hinreichend Rechnung<br />
tragen würde. 58<br />
Nach überwiegender Ansicht <strong>und</strong> übernahmerechtlicher<br />
Praxis beschränkt sich der Gestaltungsspielraum<br />
potenzieller Zielgesellschaften auf <strong>die</strong>se<br />
beiden Varianten. Andere Formen des opting out sollen<br />
nicht zulässig sein. So hat <strong>die</strong> EBK z.B. selekti-<br />
nanzierung Ansgar Schott, Die Finanzierung öffentlicher<br />
Übernahmeangebote, SZW 80 (2008), S. 525 ff., 532 ff.<br />
56 Vgl. dazu vorne I.<br />
57 Empfehlung I der UEK vom 6. Juni 2008 i.S. Hiestand<br />
Holding AG (0372/01), E. 1.1. Siehe <strong>zum</strong> Fall Hiestand<br />
ausführlich Jürg Luginbühl (Fn. 6), S. 206 ff.<br />
58 Robert Bernet (Fn. 4), S. 215.
SZW/RSDA 3/2009 Kurzbeiträge<br />
199<br />
ven, auf einen bestimmten Anbieter zugeschnittenen<br />
opting outs eine Absage erteilt. 59 Begründet wird <strong>die</strong>s<br />
damit, dass der Gesetzgeber im Sinne eines numerus<br />
clausus nur <strong>die</strong> zwei vom Gesetz explizit vorgesehenen<br />
Typen zulassen wollte. Andernfalls hätte er das<br />
opting up nicht verankern müssen, da es a maiore ad<br />
minus im opting out enthalten ist. 60<br />
Lässt sich <strong>die</strong>se Argumentation auf <strong>die</strong> vorliegende<br />
Fragestellung übertragen? Ist ein opting out von<br />
der <strong>Pflicht</strong>, ein alternatives Barangebot zu unterbreiten,<br />
durch das Gesetz ausgeschlossen? U.E. ist <strong>die</strong>s<br />
nicht der Fall. Die <strong>Pflicht</strong>, ein alternatives Barangebot<br />
zu unterbreiten, ist weder vom Gesetzgeber eingeführt<br />
worden noch war sie für <strong>die</strong>sen vorhersehbar.<br />
Es liegt somit kein qualifiziertes Schweigen, sondern<br />
vielmehr eine Lücke vor, welche mit Bezug auf<br />
<strong>die</strong> Verpflichtung zu einem alternativen Barangebot<br />
Raum für ein opting out lässt. Auch das zweite Argument,<br />
das gegen <strong>die</strong> Einführung anderer Typen des<br />
opting out vorgebracht wird, ein Verstoss gegen das<br />
börsenrechtliche Transparenzgebot, 61 steht der Zulassung<br />
eines opting out von der <strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong> alternativen<br />
Barangebot nicht entgegen. Wird <strong>die</strong> Befreiung von<br />
der <strong>Pflicht</strong>, ein alternatives Barangebot zu unterbreiten,<br />
von der Generalversammlung beschlossen <strong>und</strong><br />
in <strong>die</strong> Statuten aufgenommen, so ist <strong>die</strong> Transparenz<br />
u.E. hinreichend gewahrt. 62<br />
59 Verfügung der EBK vom 23. Juni 2000 i.S. Esec Holding<br />
AG, E. 3; anders noch Empfehlung der UEK vom 6. Juni<br />
2000 i.S. Esec Holding AG (0065/01), E. 2. Gemäss aktueller<br />
Praxis der UEK sind sogar formell allgemeine, materiell<br />
jedoch selektiv wirkende opting outs unzulässig; vgl.<br />
Empfehlung der UEK vom 3. März 2004 i.S. Adval Tech<br />
Holding AG (0184/01), E. 3; Empfehlung I vom 7. Juli<br />
2004 i.S. SGF Société de Gares Frigorifiques et Ports<br />
Francs de Genève S.A. (0203/01), E. 1.2; Empfehlung der<br />
UEK vom 20. Juli 2004 i.S. HPI Holding SA (0204/01),<br />
E. 3; Empfehlung I der UEK vom 26. September 2008 i.S.<br />
Athris Holding AG (0404/01), E. 2.2.2.<br />
60 Verfügung der EBK vom 23. Juni 2000 i.S. Esec Holding<br />
AG, E. 3 b). Ferner BSK BEHG-Hofstetter / Heuberger,<br />
Art. 32 N 60; Hans Caspar von der Crone (Fn. 31), S. 53;<br />
a.A. Dieter Dubs / Urs Gasser, Zur (Un-)Zulässigkeit einer<br />
befristeten <strong>und</strong> individualisierten Opting out-Klausel<br />
gemäss Börsengesetz, SZW 73 (2001), S. 88 ff., 92 ff.<br />
61 Verfügung der EBK vom 23. Juni 2000 i.S. Esec Holding<br />
AG, E. 3 f). Ferner Christian Köpfli (Fn. 33), S. 38 <strong>und</strong><br />
137 f.<br />
62 Siehe auch Urs Bertschinger, Anlegerschutz im Recht der<br />
Aktiengesellschaft – eine finanzmarktrechtliche Perspektive,<br />
in: Robert Waldburger / Charlotte M. Baer / Ursula<br />
Nobel / Benno Bernet (Hrsg.), Wirtschaftsrecht zu Beginn<br />
des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts, Festschrift für Peter Nobel<br />
U.E. sollte daher ein opting out von der <strong>Pflicht</strong>,<br />
ein alternatives Barangebot zu unterbreiten, zulässig<br />
sein. Eine entsprechende Stellungnahme der UEK<br />
wäre sehr zu begrüssen. Freilich müsste ein opting<br />
out betreffend alternatives Barangebot – wie <strong>die</strong> im<br />
Gesetz vorgesehenen Formen des opting out <strong>und</strong><br />
opting up – den Kautelen von Art. 22 Abs. 3 BEHG<br />
standhalten, das heisst, <strong>die</strong> Einführung des opting out<br />
dürfte keine Benachteiligung von Aktionären i.S.v.<br />
Art. 706 OR bewirken. 63 In <strong>die</strong> Beurteilung, inwiefern<br />
<strong>die</strong> Einführung eines solchen opting out in <strong>die</strong><br />
Rechtsstellung der Aktionäre eingreift, müsste dabei<br />
einfliessen, dass <strong>die</strong> <strong>Pflicht</strong>, ein alternatives Barangebot<br />
zu unterbreiten, erst <strong>zum</strong> 1. Januar 2009 eingeführt<br />
worden ist. U.E. würde sich sogar eine analoge<br />
Anwendung der Übergangsbestimmung von Art. 53<br />
BEHG anbieten, wonach ein opting out während einer<br />
zweijährigen Übergangsfrist in <strong>die</strong> Statuten aufgenommen<br />
werden kann, ohne dass <strong>die</strong> Einschränkungen<br />
von Art. 22 Abs. 3 BEHG i.V.m. Art. 706 OR<br />
zur Anwendung kommen.<br />
3. Keine Anwendung auf gemischt freiwillige<br />
Kaufangebote<br />
Unterbreitet ein Anbieter ein gemischt freiwilliges<br />
Angebot <strong>und</strong> überschreitet er dadurch <strong>die</strong><br />
<strong>Pflicht</strong>angebotsschwelle, so müsste er im Prinzip ein<br />
<strong>Pflicht</strong>angebot unterbreiten. Entspricht das freiwillige<br />
Angebot jedoch vollumfänglich den gesetzlichen<br />
Bestimmungen <strong>zum</strong> <strong>Pflicht</strong>angebot, so ist der Anbieter<br />
von der <strong>Pflicht</strong> zur nachträglichen Unterbreitung<br />
eines <strong>Pflicht</strong>angebots befreit. 64 Dieser Gr<strong>und</strong>satz,<br />
wonach ein gemischt freiwilliges Angebot vollumfänglich<br />
einem <strong>Pflicht</strong>angebot entsprechen muss,<br />
erfährt einzig bei den Bedingungen eine Ausnahme,<br />
wo gemischt freiwillige Angebote nicht den für<br />
<strong>Pflicht</strong>angebote geltenden Beschränkungen gemäss<br />
Art. 36 BEHV-FINMA unterworfen sind. 65<br />
<strong>zum</strong> 60. Geburtstag, Bern 2005, S. 465 ff., 487 f.; Dieter<br />
Dubs / Urs Gasser (Fn. 60), S. 97 ff.<br />
63 Siehe dazu BSK BEHG-Tschäni / Iffland / Diem, Art. 22<br />
N 24.<br />
64 BSK BEHG-Hofstetter / Heuberger, Art. 32 N 24 <strong>und</strong> 109;<br />
Empfehlung der UEK vom 30. April 1998 i.S. Zürich Versicherungs-Gesellschaft<br />
(0006/01); Empfehlung der UEK<br />
vom 28. April 2005 i.S. Swiss International Airlines AG<br />
(0236/01), E. 3.5.<br />
65 Dies lässt sich damit begründen, dass der Anbieter <strong>die</strong><br />
<strong>Pflicht</strong>angebotsschwelle nicht überschreiten wird, wenn
200 Kurzbeiträge<br />
SZW/RSDA 3/2009<br />
Die Bestimmungen in der UEV, namentlich Art. 9<br />
Abs. 6 UEV, sind nur Ausprägungen des dargestellten<br />
Gr<strong>und</strong>satzes <strong>und</strong> entsprechend auszulegen. Die<br />
Auslegung würde daher, anders als von der UEK in<br />
der Mitteilung Nr. 4 vertreten, zur Anwendbarkeit<br />
der <strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong> alternativen Barangebot auf gemischt<br />
freiwillige Kaufangebote führen. Zwar ist es richtig,<br />
dass <strong>die</strong> Gesamtheit der Angebotsempfänger bei einem<br />
freiwilligen Angebot, anders als im Fall eines<br />
<strong>Pflicht</strong>angebotes, das Entstehen einer beherrschenden<br />
Beteiligung des Anbieters verhindern könnte,<br />
indem sie das Angebot ablehnt. Diese Möglichkeit<br />
hat jedoch nur <strong>die</strong> Gesamtheit der Aktionäre, nicht<br />
aber der einzelne Minderheitsaktionär. Ohnehin stellt<br />
sich, wenn <strong>die</strong>se Begründung zutreffend wäre, <strong>die</strong><br />
Frage, warum <strong>die</strong> Mindestpreisregeln der <strong>Pflicht</strong>angebote<br />
überhaupt auf gemischt freiwillige Kaufangebote<br />
anwendbar sein sollten. Auch bei einem<br />
unterhalb des Börsenkurses liegenden Angebotspreis<br />
haben <strong>die</strong> Zielgesellschaftsaktionäre schliesslich <strong>die</strong><br />
Möglichkeit, das Entstehen einer Kontrollbeteiligung<br />
zu verhindern.<br />
Wenn <strong>die</strong> UEK in ihrer Begründung in der Mitteilung<br />
Nr. 4 anführt, dass <strong>die</strong> <strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong> alternativen<br />
Barangebot gemischt freiwillige Angebote wirtschaftlich<br />
unverhältnismässig erschweren würde, so<br />
übernimmt sie damit das Hauptargument gegen <strong>die</strong><br />
<strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong> alternativen Barangebot bei <strong>Pflicht</strong>angeboten.<br />
Dies zeigt, dass das Kernproblem in der Regelung<br />
von Art. 43 Abs. 2 BEHV-FINMA liegt. Da<br />
<strong>die</strong> Bedeutung der Umtauschangebote bei (gemischt)<br />
freiwilligen Angeboten jedoch wesentlich grösser ist<br />
als bei <strong>Pflicht</strong>angeboten, wären <strong>die</strong> Auswirkungen<br />
einer Erstreckung der <strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong> alternativen Barangebot<br />
entsprechend einschneidender. Trotz aller<br />
dogmatischen Kritik ist das Ergebnis, <strong>die</strong> <strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong><br />
alternativen Barangebot nicht auf freiwillig gemischte<br />
Kaufangebote zu erstrecken, u.E. daher zu begrüssen.<br />
<strong>die</strong> Bedingungen nicht erfüllt werden. Die Frage, ob ein<br />
nachträgliches <strong>Pflicht</strong>angebot unterbreitet werden muss,<br />
stellt sich daher gar nicht. Sollte der Anbieter jedoch während<br />
der Angebotsfrist <strong>die</strong> <strong>Pflicht</strong>angebotsschwelle durch<br />
Aktienerwerbe ausserhalb des Angebots überschreiten, so<br />
ist er verpflichtet, jene Bedingungen zu entfernen, welche<br />
bei einem <strong>Pflicht</strong>angebot unzulässig wären; vgl. Empfehlung<br />
der UEK vom 13. April 2000 i.S. Big Star Holding<br />
AG (0057/02), E. 2.<br />
4. Ausweitung der Best Price Rule zu einer<br />
Same Price Rule<br />
Wie dargelegt, relativiert <strong>die</strong> UEK in ihrer Mitteilung<br />
Nr. 4 <strong>die</strong> Aussage, dass <strong>die</strong> <strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong> alternativen<br />
Barangebot für (gemischt) freiwillige<br />
Angebote nicht gilt, durch <strong>die</strong> Erstreckung der best<br />
price rule auf <strong>die</strong> Art des Angebotspreises. Sollte<br />
der Anbieter während des Angebotes oder innerhalb<br />
von sechs Monaten nach Ablauf der Nachfrist Beteiligungspapiere<br />
oder Finanzinstrumente, auf <strong>die</strong> sich<br />
das Angebot bezieht, gegen Barzahlung erwerben, so<br />
ist er nach Auffassung der UEK verpflichtet, sämtlichen<br />
Angebotsempfängern eine Barzahlung anzubieten.<br />
Mit anderen Worten hat <strong>die</strong> UEK <strong>die</strong> best price<br />
rule zu einer same price rule erweitert. Leider hat<br />
<strong>die</strong> UEK nicht präzisiert, ab wann eine Barzahlung<br />
vorliegt, welche <strong>die</strong> Verpflichtung zur nachträglichen<br />
Unterbreitung eines alternativen Barangebots auslöst:<br />
Liegt eine Barzahlung nur vor, wenn der Kaufpreis<br />
überwiegend bar bezahlt wurde oder genügt es,<br />
dass ein untergeordneter Teil des Entgelts in bar geleistet<br />
wurde?<br />
Die Erstreckung der best price rule, welche gleichermassen<br />
für gemischt freiwillige Angebote wie für<br />
sonstige freiwillige Angebote gilt, <strong>die</strong>nt nicht nur der<br />
Gleichbehandlung von Aktionären, sondern verhindert<br />
auch etwaige Umgehungen der <strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong> alternativen<br />
Barangebot bei <strong>Pflicht</strong>angeboten. So ist es nicht<br />
möglich, <strong>die</strong> <strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong> alternativen Bar angebot dadurch<br />
zu umgehen, dass ein Anbieter zunächst gegen<br />
Barzahlung vom Kontrollaktionär Aktien bis knapp<br />
unterhalb der <strong>Pflicht</strong>angebotsschwelle erwirbt, dann<br />
ein Tauschangebot unterbreitet <strong>und</strong> in zeitlicher Nähe<br />
<strong>zum</strong> Angebot <strong>die</strong> verbleibenden Aktien des vormaligen<br />
Kontrollaktionärs wiederum bar erwirbt.<br />
Für den Anbieter bedeutet <strong>die</strong> Erstreckung der<br />
best price rule zunächst, dass er während <strong>und</strong> nach<br />
der Angebotsfrist über <strong>die</strong> Börse keine Aktien der<br />
Zielgesellschaft erwerben darf, will er <strong>die</strong> nachträgliche<br />
Verpflichtung zu einem alternativen Barangebot<br />
verhindern. Damit ist es für den Anbieter insbesondere<br />
nicht mehr möglich, nach Ablauf der Nachfrist<br />
Aktien der Zielgesellschaft an der Börse zu erwerben,<br />
um so den Grenzwert für einen squeeze out gemäss<br />
Art. 33 Abs. 1 BEHG zu überschreiten. Sofern<br />
der Anbieter nach Ablauf der Nachfrist nicht mehr<br />
als 98% der Stimmrechte der Zielgesellschaft hält,<br />
ist ihm daher der squeeze out, der binnen einer Frist<br />
von drei Monaten nach Ablauf der Nachfrist erfol-
SZW/RSDA 3/2009 Kurzbeiträge<br />
201<br />
gen muss, verwehrt. Zwar wird in der Literatur zu<br />
Recht darauf hingewiesen, dass bei Börsenkäufen<br />
keine Ungleichbehandlung der Angebotsempfänger<br />
vorliegt, da jeder Aktionär <strong>die</strong> Wahl habe, ob er seine<br />
Aktien unter dem Tauschangebot an<strong>die</strong>nen oder über<br />
<strong>die</strong> Börse gegen eine Barzahlung verkaufen möchte.<br />
66 Solange <strong>die</strong> UEK keine entsprechende Stellungnahme<br />
veröffentlicht hat, ist von Börsenkäufen jedoch<br />
dringend abzuraten.<br />
Des Weiteren wird es für den Anbieter, will er<br />
<strong>die</strong> nachträgliche <strong>Pflicht</strong> zu einem alternativen Barangebot<br />
vermeiden, zukünftig noch wichtiger sein,<br />
Transaktionen von Personen, mit denen er in gemeinsamer<br />
Absprache handelt, zu überwachen. Jegliche<br />
Bartransaktionen <strong>die</strong>ser Personen müssen verhindert<br />
werden. Als mit dem Anbieter in gemeinsamer Absprache<br />
handelnde Person kommt dabei insbesondere<br />
<strong>die</strong> Zielgesellschaft in Betracht. Es bleibt abzuwarten,<br />
wie <strong>die</strong> UEK Rückkäufe der Zielgesellschaft zukünftig<br />
behandeln wird, wenn sie als mit dem Anbieter in<br />
gemeinsamer Absprache handelnde Person gilt. Die<br />
Regelung zur Zulässigkeit von Abwehrmassnahmen<br />
in Art. 36 Abs. 3 UEV zeigt, dass das Bedürfnis von<br />
Zielgesellschaften, eigene Aktien zurückzukaufen,<br />
anerkannt ist, wenn <strong>die</strong> Transaktio nen im Rahmen eines<br />
Mitarbeiterbeteiligungsprogramms oder zur Erfüllung<br />
von Verpflichtungen aus Finanzinstrumenten<br />
vorgenommen werden. Zumindest in <strong>die</strong>sen Fällen<br />
sollte es Zielgesellschaften möglich sein, Bartransaktionen<br />
in eigenen Aktien durchzuführen, ohne dass<br />
<strong>die</strong> best price rule Anwendung findet.<br />
Bei öffentlichen Rückkaufangeboten ist über<strong>die</strong>s<br />
anerkannt, dass <strong>die</strong> Nachfrist von sechs Monaten keine<br />
Anwendung findet. Begründet wird <strong>die</strong>s damit,<br />
dass <strong>die</strong> gegenteilige Lösung eine unverhältnismässige<br />
Einschränkung des Emittenten darstellen würde,<br />
weil sie ihn bei einer positiven Kursentwicklung der<br />
Möglichkeiten berauben würde, eigene Beteiligungspapiere<br />
zu handeln. 67 Sofern keine Umgehung vorliegt,<br />
sollte <strong>die</strong>se Ausnahme von der best price rule<br />
auch für Rückkäufe durch <strong>die</strong> Zielgesellschaft bei<br />
66 Rudolf Tschäni / Hans-Jakob Diem / Matthias Wolf, Das<br />
revi<strong>die</strong>rte Recht der öffentlichen Kaufangebote, GesKR<br />
2009, S. 87 ff., 93 Fn. 84.<br />
67 Empfehlung der UEK vom 22. November 1999 i.S.<br />
CreInvest AG (0046/02), E. 2; Empfehlung der UEK<br />
vom 11. Februar 2002 i.S. Schweizerhall Holding AG<br />
(0122/01), E. 2; Empfehlung der UEK vom 2. Juni 2003<br />
i.S. Sika AG (0165/01), E. 5.<br />
sonstigen öffentlichen Kaufangeboten gelten. Ohne<br />
<strong>die</strong>se Erleichterung wären <strong>die</strong> aus der Anwendung<br />
der best price rule auf <strong>die</strong> Art des Angebotspreises<br />
folgenden Beschränkungen für <strong>die</strong> in gemeinsamer<br />
Absprache mit dem Anbieter handelnde Zielgesellschaft<br />
einschneidend: Die Zielgesellschaft müsste<br />
sich auch nach Ablauf der Nachfrist jeglicher Kurspflege<br />
enthalten.<br />
Die Umsetzung einer einmal ausgelösten nachträglichen<br />
Verpflichtung zur Unterbreitung eines<br />
alternativen Barangebots kann den Anbieter vor<br />
schwerwiegende Probleme stellen. In der Regel wird<br />
er nämlich nicht über <strong>die</strong> entsprechenden Barmittel<br />
verfügen, sodass er kurzfristig einen Kredit aufnehmen<br />
müsste. Wenn das Tauschangebot bereits vollzogen<br />
wurde, müsste über<strong>die</strong>s <strong>die</strong> Übertragung der<br />
<strong>zum</strong> Tausch angebotenen Effekten rückabgewickelt<br />
werden, sofern sich ange<strong>die</strong>nte Aktionäre nachträglich<br />
für das Barangebot entscheiden. Wie <strong>die</strong>se Rückabwicklung<br />
in der Praxis erfolgen soll, ist offen. 68<br />
V. Fazit<br />
Die neue Regelung, wonach bei einem <strong>Pflicht</strong>angebot<br />
zwingend ein alternatives Barangebot zu<br />
unterbreiten ist, erschwert Übernahmen erheblich.<br />
Ein derart massiver Eingriff in <strong>die</strong> Privatautonomie<br />
hätte dem Gesetzgeber überlassen werden sollen. Mit<br />
Erleichterung ist daher <strong>die</strong> Mitteilung Nr. 4 der UEK<br />
aufgenommen worden, wonach <strong>die</strong>se <strong>Pflicht</strong> nicht für<br />
gemischt freiwillige Angebote gelten soll.<br />
Die Analyse hat jedoch gezeigt, dass nicht wenige<br />
Unklarheiten im Zusammenhang mit der <strong>Pflicht</strong> <strong>zum</strong><br />
alternativen Barangebot verbleiben. Darüber hinaus<br />
ist deutlich geworden, dass der Anbieter bei freiwilligen<br />
Angeboten durch <strong>die</strong> Ausweitung der best<br />
price rule auf <strong>die</strong> Art des Angebotspreises erheblichen<br />
Risiken ausgesetzt ist. Um eine nachträgliche<br />
Verpflichtung zur Unterbreitung eines Barangebots<br />
abzuwenden, muss der Anbieter nicht nur ergänzende<br />
Käufe über <strong>die</strong> Börse unterlassen, sondern auch<br />
jegliche relevanten Bartransaktionen von Personen<br />
verhindern, mit denen er in gemeinsamer Absprache<br />
handelt.<br />
68 Zu klären ist insbesondere, ob <strong>die</strong> Rückabwicklung ex<br />
tunc oder ex nunc erfolgen soll <strong>und</strong> wie zu verfahren ist,<br />
wenn ange<strong>die</strong>nte Aktionäre <strong>die</strong> <strong>zum</strong> Tausch angebotenen<br />
Effekten bereits weiterveräussert haben.