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Antidiskriminierungsbericht Steiermark 2012 - ETC Graz

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Andere diskriminierende Belästigungen im<br />

öffentlichen Raum in Form von Beleidigungen<br />

oder Beschimpfungen sind ebenfalls ein<br />

nicht zu unterschätzendes Problem. Beispiele<br />

aus dem Alltag sind Personen nicht-österreichischer<br />

Herkunft, die auf offener Straße von<br />

Unbekannten angepöbelt oder bespuckt werden,<br />

oder eine Frau, der von einer ihr ebenfalls<br />

unbekannten Person das Kopftuch heruntergezogen<br />

wird. Betroffenen und auch Tätern<br />

und Täterinnen ist häufig nicht bewusst, dass<br />

ein solches Verhalten rechtliche Konsequenzen<br />

haben kann: Nach § 115 StGB (Beleidigung) ist<br />

mit Freiheitsstrafe von bis zu 3 Monaten bzw.<br />

einer Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu<br />

bestrafen, wer in der Öffentlichkeit oder vor<br />

mehreren Leuten einen anderen beschimpft,<br />

verspottet, am Körper misshandelt oder mit<br />

einer körperlichen Misshandlung bedroht.<br />

Der Schutzbereich des § 115 StGB bezieht sich<br />

nicht ausschließlich auf diskriminierende<br />

Äußerungen – also auf Äußerungen im Zusammenhang<br />

mit dem Alter, dem Geschlecht,<br />

der ethnischen Zugehörigkeit, der Hautfarbe,<br />

der sexuellen Orientierung und der Religion<br />

oder Weltanschauung –, sondern generell auf<br />

Beschimpfungen, beleidigende Pauschalabwertungen<br />

und Misshandlungen. Nach der<br />

Judikatur liegt die Schwelle zur strafbaren<br />

Beleidigung bei der „gehässigen Verhöhnung“.<br />

Rassistische Äußerungen sind aber jedenfalls<br />

erfasst. Das Problem bei der Anwendung von §<br />

115 StGB liegt allerdings meist beim Erfordernis<br />

der Öffentlichkeit der Handlung: Unter der<br />

Öffentlichkeit im Sinne des Gesetzes ist nach<br />

der Rechtsprechung ein größerer Personenkreis<br />

von zumindest 10 Personen zu verstehen,<br />

„vor mehreren Leuten“ bedeutet hingegen,<br />

dass außer den Beteiligten selbst noch mindestens<br />

drei weitere Personen anwesend sein<br />

müssen, die die Tat bezeugen. Beide Voraussetzungen<br />

sind in der Praxis häufig nicht gegeben,<br />

3.<br />

lebensbereiche<br />

wodurch eine strafrechtliche Verfolgung unmöglich<br />

wird. In diesen Fällen besteht nur die<br />

Möglichkeit einer Anzeige nach dem StLSG: Gemäß<br />

dessen § 3 Abs. 1 Z 3 (Ehrenkränkung) begeht<br />

derjenige eine Verwaltungsübertretung,<br />

der vorsätzlich einen anderen beschimpft, verspottet,<br />

am Körper misshandelt oder mit einer<br />

körperlichen Misshandlung bedroht.<br />

emPFehlungen der ads<br />

● ● ● Es wird empfohlen, den Erschwerungstatbestand<br />

nach § 33 Abs. 1 Z. 5 StGB verstärkt<br />

anzuwenden, wenn es sich um Straftaten mit<br />

rassistischem Hintergrund handelt. Die Gerichte<br />

sollten sich bei der Anwendung des § 33<br />

Abs. 1 Z 5 nicht auf Verbrechen mit dezidiert<br />

rechtsextremem Hintergrund beschränken,<br />

sondern – wie vom Gesetzgeber vorgesehen –<br />

auch alltagsrassistische Zusammenhänge mitberücksichtigen.<br />

● ● ● Die Antidiskriminierungsstelle <strong>Steiermark</strong><br />

empfiehlt das Levelling up der Diskriminierungsgründe,<br />

d. h. die Erweiterung der<br />

geschützten diskriminierten Merkmale im<br />

Bereich außerhalb der Arbeitswelt. Außerhalb<br />

der Arbeitswelt sind nur die Diskriminierungsgründe<br />

Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit<br />

geschützt. Dies widerspricht dem Anwendungsbereich<br />

der RL 2004/43/EG und führt zu<br />

einer Hierarchisierung der Diskriminierungsgründe.<br />

● ● ● Der EGMR-Entscheidung Oršuš u.a.<br />

gegen Kroatien (Bsw15766/03) zufolge sind<br />

Staaten dazu verpflichtet, im Fall von diskriminierenden<br />

Strukturen positive Maßnahmen zu<br />

setzen, um die bestehenden Diskriminierungen<br />

zu beenden und weitere zu verhindern. Dies<br />

wird auch für Österreich empfohlen. Dieser<br />

Empfehlung schließt sich die Antidiskriminierungsstelle<br />

<strong>Steiermark</strong> vollinhaltlich an.<br />

FALLBESCHREIBUNG<br />

Frau M wendet sich an das KundInnenservice<br />

eines Elektronikgerätegeschäfts,<br />

um einen Schaden zu<br />

reklamieren. Der junge KundInnenberater<br />

wirkt auf Frau M von<br />

Anfang an gestresst und fragt sie<br />

in einem von Frau M als unhöflich<br />

empfundenen Ton, was sie denn<br />

brauche. Frau M antwortet, dass ihr<br />

Gerät defekt sei. Der Berater legt ihr<br />

die Telefonnummer des technischen<br />

Dienstes vor. Als Frau M beginnt<br />

diese zu notieren, da fragt er spöttisch:<br />

„Können Sie das lesen?“ Da<br />

Frau M den Eindruck hat, dass der<br />

Verkäufer sich mit dieser Bemerkung<br />

über sie lustig macht, fragt sie<br />

nach seinem Namen und weist ihn<br />

darauf hin, dass dies keine Art sei,<br />

mit älteren Menschen umzugehen.<br />

Der Verkäufer nennt ihr seinen<br />

Namen und fängt unaufgefordert<br />

an, diesen zu buchstabieren. Dabei<br />

fragt er Frau M mit übertrieben lauter<br />

Stimme: „Verstehen Sie mich?“<br />

Frau M weist ihn darauf hin, dass<br />

sie sehr wohl lesen und schreiben<br />

könne und verlässt das Geschäft.<br />

Die Antidiskriminierungsstelle<br />

verfasst ein Interventionsschreiben.<br />

Der Geschäftsführer antwortet sehr<br />

höflich und erklärt, dass es ein<br />

MitarbeiterInnengespräch mit dem<br />

betreffenden KundInnenberater gegeben<br />

hat, dieser sich an den Vorfall<br />

nicht erinnern könne. Frau M war es<br />

wichtig, dass der KundInnenberater<br />

darüber aufgeklärt wird, dass solch<br />

ein Verhalten nicht in Ordnung ist.<br />

Jahresbericht ∙∙∙ 29

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