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Spitzenforschung bis zum<br />

Anwender umsetzen<br />

Mario F Broggi, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats<br />

des <strong>EURAC</strong> - Instituts für Regionalentwicklung und<br />

Standortmanagement sowie Dozent an der Universität<br />

Basel und Wien für Landnutzung und Naturschutz im<br />

Berggebiet, spricht über Nachhaltigkeit, elitäre Forschung<br />

und transdisziplinäres Arbeiten.<br />

Angewandte Forschung zur nach-<br />

haltigen Entwicklung von Gebirgsregionen<br />

gibt es noch nicht lange<br />

Warum?<br />

Broggi: Der Begriff der Nachhaltigkeit<br />

stammt aus der Forstwirtschaft im 18.<br />

Jahrhundert. Er besagt, dass man nicht<br />

mehr Holz nutzen soll, als nachwächst,<br />

sonst ist es Raubbau. Mit anderen Worten:<br />

man soll von den Zinsen leben und<br />

nicht vom Kapital. Die breite Anwendung<br />

verdanken wir dem Brundtland - Report<br />

1987 der UNO und dem Erdgipfel 1992<br />

von Rio. Der Begriff der Nachhaltigkeit<br />

ist aber kein Kochrezept (man nehme…),<br />

er ist für die Anwendung jeweils konkret<br />

zu übersetzen, und je nach Interessenslage<br />

wird er frei interpretiert. Das macht seine<br />

Applikation schwierig.<br />

Und wie wurde er in die Alpenforschung<br />

eingebracht?<br />

Broggi: Ich würde meinen stufenweise.<br />

Bis in die 1980 - er Jahre erfolgte die Alpenforschung<br />

in Fachdisziplinen. Ich erinnere<br />

an die wertvollen Man and Biosphere<br />

- Programme der UNESCO. Eine<br />

Annäherung der Geisteswissenschaften<br />

und der naturwissenschaftlichen Disziplinen<br />

fand in den 1990 - er Jahren statt und<br />

gipfelt ab 1994 in den zweijährlich durchgeführten<br />

Alpenforen der natur - und<br />

geisteswissenschaftlichen Akademien der<br />

Alpenländer. In jüngster Zeit beobachte<br />

ich einen dritten markanten Schritt im<br />

Studium der Interdependenzen des Berggebiets<br />

mit seinem Umland. Das verlangt<br />

nach Arbeiten über die eigenen fachlichen<br />

Grenzen hinaus.<br />

Und dennoch scheint diese Art von<br />

Forschung wenig attraktiv zu sein?<br />

Broggi: So ist es. Ich bin ein Anhänger<br />

der Spitzenforschung. Diese ist elitär. Sie<br />

muss aber in ihrer gesamten Wirkungskette<br />

gesehen werden, die nicht mit einem<br />

Paper auf Englisch abschliesst. Spitzenforschung<br />

muss bis zum Anwender<br />

umgesetzt werden. Doch bringt diese<br />

angewandte Forschung zu wenig wissenschaftliche<br />

Meriten. Das ist tragisch,<br />

ja verhängnisvoll. Der Begriff der „Exzellenz“<br />

wird oft falsch verstanden, ja er ist<br />

pervertiert. Das Denken in Papers muss<br />

sich ändern, weil es uns die Gesamtsicht<br />

auf Forschung und Lehre versperrt. Und<br />

hier setzt die transdisziplinäre Forschung<br />

an. Sie ist unglaublich anspruchsvoll und<br />

muss von der Wissenschaftswelt erst noch<br />

akzeptiert werden.<br />

Welches sind aktuelle Themen der<br />

angewandten Forschung in Gebirgsregionen?<br />

Broggi: Forschung über den eigenen wissenschaftlichen<br />

Garten hinaus braucht<br />

Kooperationen und Grenzüberschreitungen.<br />

Man muss miteinander können und<br />

wollen. Und das ist gar nicht so leicht.<br />

Berggebiete wie die Alpen und der Kaukasus<br />

sind bedeutende Biodiversitäts - Hotspots<br />

und werden von unterschiedlichen<br />

Bevölkerungsgruppen besiedelt und genutzt.<br />

Wollen wir diese Vielfalt erhalten,<br />

müssen wir Fachgrenzen überschreiten.<br />

In den Alpen haben wir in einigen Teilen<br />

eine zu intensive Landnutzung, in anderen,<br />

wo Menschen abwandern, eine zu<br />

extensive. Hier sind wichtige Themen der<br />

Forschung anzusiedeln. Aktuell kommen<br />

Fragen der Klimaerwärmung dazu, die in<br />

einem sensiblen Bergökosystem ihre Folgewirkungen<br />

haben.<br />

Gebirgsregionen sind zumeist Grenzregionen<br />

Welche Problematiken<br />

ergeben sich daraus?<br />

Broggi: Staatenübergreifende Forschungen<br />

sind selbstverständlich aufwändiger.<br />

Es treffen unterschiedliche Kulturen aufeinander.<br />

Hier braucht es vorerst ein Ver-<br />

stehen. Das ist auch in den Alpen zwischen<br />

den deutschsprachigen und lateinischen<br />

Kulturen nicht selbstverständlich.<br />

Umso schwieriger, wenn noch politische<br />

Probleme wie etwa im Kaukasus oder in<br />

den Karpaten dazukommen. Dennoch<br />

kann eine Kooperation in und mit diesen<br />

Gebirgen sehr reizvoll sein. Die fachlichen<br />

Ebenen wirken als bottom up und<br />

können einen Beitrag zu vertrauensbildenden<br />

Maßnahmen leisten. Wir vergessen<br />

bei der Osttransekte oft, dass diese<br />

Völker meist einen hohen Bildungsstand<br />

haben, es fehlt dort eher an entsprechender<br />

Infrastruktur.<br />

Wie wichtig ist es, diese Forschung<br />

regional zu verankern, und wie<br />

kann vermieden werden, dass sie<br />

„provinziell“ wird?<br />

Broggi: Es gilt die laufende Globalisierung<br />

auch in der Forschung regional zu<br />

antizipieren, d.h. auf sich stellende Fragen<br />

müssen gebietspezifische Antworten<br />

gegeben werden. Wenn wir diese Antworten<br />

samt wissenschaftlicher Methodik als<br />

Auftragsarbeit immer wieder replizieren,<br />

nur weil es Mittel hereinschwemmt, drohen<br />

wir provinziell zu werden und konkurrenzieren<br />

zudem den privaten Markt.<br />

Es gilt die laufende Globalisierung<br />

auch in der Forschung<br />

regional zu antizipieren, d.h. auf<br />

sich stellende Fragen müssen<br />

gebietspezifische Antworten<br />

gegeben werden.<br />

. Mario F. Broggi<br />

Welches sind die Stärken des <strong>EURAC</strong> -<br />

Instituts für Regionalentwicklung und<br />

Standortmanagement aus Ihrer Sicht?<br />

Broggi: Zuerst zur Stärke des Gesamthauses.<br />

Ich erachte die <strong>EURAC</strong> an der Sprachgrenze<br />

sehr gut positioniert, und diese<br />

Standortsvorteile gilt es in Wert zu setzen.<br />

Auch in der vermehrten Zusammenarbeit<br />

zwischen den Instituten im Hause<br />

sehe ich Synergie - Möglichkeiten. Ich erinnere<br />

etwa an die Frage der Minderheiten<br />

und die Raumentwicklung für die Alpen<br />

und anderswo. Die transdisziplinären<br />

Aspekte werden an den Universitäten eher<br />

vernachlässigt. Die entsprechenden Fragestellungen<br />

werden aber immer aktueller.<br />

Sie werden zu Überlebensfragen im Berggebiet.<br />

Hier findet das Institut seine Nische<br />

und sein Branding. Ein Kompliment<br />

für diese Ausrichtung an der <strong>EURAC</strong>.<br />

Das Interview führte Sigrid Hechensteiner<br />

Mario F. Broggi war außerdem langjähriger freierwerbender<br />

Ökologe und von 1997 bis 2004<br />

Direktor der Eidgenössischen Forschungsanstalt<br />

für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) im<br />

ETH - Bereich.<br />

Das <strong>EURAC</strong>-Institut für Regionalentwicklung<br />

und Standortmanagement wird von Flavio<br />

Ruffini gemeinsam mit Harald Pechlaner<br />

4 Dezember – Dicembre 2007 Dezember – Dicembre 2007 5<br />

geleitet.

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