26.08.2013 Aufrufe

Vom Elend der Transzendentalphilosophie am Beispiel Schellings ...

Vom Elend der Transzendentalphilosophie am Beispiel Schellings ...

Vom Elend der Transzendentalphilosophie am Beispiel Schellings ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

inzwischen aber nicht nur in <strong>Schellings</strong>, son<strong>der</strong>n auch nach unserem heutigen, romantisch<br />

verbrämten Verständnis Natur so?<br />

Durch <strong>Schellings</strong> Philosophie hat sich nach Kant und Fichte die <strong>Transzendentalphilosophie</strong><br />

<strong>der</strong>art geän<strong>der</strong>t, dass es fraglich ist, ob sie noch „transzendental” genannt werden darf. Ich will<br />

ob dieser Unsicherheit das Verfahren einer jeden Tagung, auf <strong>der</strong> stets Vorträge gehalten und<br />

hinterher durch Fragen aus dem Plenum diskutiert werden, umkehren. Dieses Mal soll gelten:<br />

Ich stelle Ihnen Fragen und hoffe auf Antworten.<br />

Was treibt uns denn zur Emphase „Natur!”? Kant bestimmt kurz und bündig: „Natur ist das<br />

Daseyn <strong>der</strong> Dinge, so fern es nach allgemeinen Gesetzen bestimmt ist.” 4 Dies sind nach Kant die<br />

Gesetze <strong>der</strong> Kausalität. Doch können diese Gesetze allein wirklich so beflügelnd wirken?<br />

Natur wird über die Ökonomie, über die spazierende Erholung und über ihre Schönheit hinaus<br />

heute zu einem undefinierten und auch undefinierbaren Wert. Ist das berechtigt?<br />

Reinhard Lauth pflegte in Vorlesungen gern auf dies hinzuweisen: In den Texten <strong>der</strong> nach 1770<br />

geborenen Schriftsteller lässt sich das Wort „Natur” durch „Gott” ersetzen, und <strong>der</strong> Text verliert<br />

nicht an gemeintem Sinn.<br />

Schelling ist es, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Natur zu dieser Aufwertung verholfen hat. Ich frage Sie: Hat nicht er <strong>der</strong><br />

Natur metaphysische Größe gegeben? „Die Natur muß ursprünglich sich selbst Object werden,<br />

diese Verwandlung des reinen Subjects in ein Selbst-Object ist ohne ursprüngliche Entzweyung in <strong>der</strong><br />

Natur selbst undenkbar.” 5 Demzufolge muss es nach ihm zwei Grundwissenschaften geben: die<br />

Naturphilosophie und die <strong>Transzendentalphilosophie</strong>. Es sind zwei entgegengesetzte<br />

Wissenschaften, da die in jedem Wissen präsente Einheit von Subjekt und Objekt es nur erlaubt,<br />

nach zwei Richtungen zu abstrahieren, entwe<strong>der</strong> vom Subjekt zu abstrahieren, und dann wird das<br />

Objekt zum Erklärungsgrund, o<strong>der</strong> vom Objekt zu abstrahieren, dann wird das Subjekt zum<br />

Erklärungsgrund. Konsequent sind dies dann zwei Einzelwissenschaften. Was sie an Ergebnissen<br />

bieten, das sind die Fakten <strong>der</strong> Natur in den Naturwissenschaften und die Fakten des Subjekts in<br />

<strong>der</strong> dann von ihm so genannten <strong>Transzendentalphilosophie</strong>. Aus diesen jenen beiden<br />

„Wissenschaften” obliegenden Fakten lassen sich aber keine Prinzipien herleiten. Fakten<br />

generieren keine Prinzipien und d<strong>am</strong>it keine Philosophie im Sinne von Kant und Fichte.<br />

Das sehen Sie beispielsweise gut an den Beteuerungen <strong>der</strong> Physiker. Würden Sie mir das<br />

Folgende bestätigen? Ein heutiger Physiker gibt unumwunden zu, die Welt könne morgen an<strong>der</strong>s<br />

sein, es könne an<strong>der</strong>e Universen geben, <strong>der</strong> Stein könne morgen nach oben fallen. Denn aus<br />

unseren aufgefundenen Gegebenheiten lasse sich nichts über die künftige Gültigkeit <strong>der</strong><br />

entdeckten Naturgesetze aussagen. Und das sagen sie mit Recht, denn aus aufgefundenen<br />

Gegebenheiten eröffnet sich nicht ein Prinzip, und Folgerungen auf die Zukunft sind nicht<br />

möglich. Die entdeckten Naturgesetze zu generellen Prinzipien <strong>der</strong> Physik zu erheben, kann so<br />

nicht gelingen.<br />

Es fehlt also den heutigen Naturwissenschaften an einer sie begründenden Naturphilosophie.<br />

Dies hätte eine heutige <strong>Transzendentalphilosophie</strong> zu leisten. Aber hätte sie überhaupt das<br />

Selbstverständnis, dass sie zu einer solchen Aufgabe sich verantwortlich sehen müsste?<br />

Immerhin hatte Schelling die Aufgabe gesehen, hatte das Problem „Naturphilosophie”<br />

angepackt und eine, wenngleich nur faktische Lösung angeboten. Jedoch heute? Da findet sich<br />

keine <strong>der</strong> <strong>Transzendentalphilosophie</strong> verpflichtete Bereitschaft zur Aufarbeitung <strong>der</strong> Fragen um<br />

die Naturwissenschaften.<br />

Könnte <strong>der</strong> Grund im Folgenden liegen? Die heutige <strong>Transzendentalphilosophie</strong> glaubt, dass<br />

Fichtes „Anstoß”, Fichtes „Hemmung” das ges<strong>am</strong>te Reich des Empirischen, also das aller<br />

Naturwissenschaften meint, eben das des dann offenbar Unableitbaren. So eine Naturkonstante<br />

4 Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik die als Wissenschaft wird auftreten können, von<br />

Immanuel Kant. Riga 1783, S. 71. - AA IV, S. 294.<br />

5 Einleitung zu seinem Entwurf ... a. Anm. 3 a. Ort, S. 28; S. 288.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!