26.08.2013 Aufrufe

Vom Elend der Transzendentalphilosophie am Beispiel Schellings ...

Vom Elend der Transzendentalphilosophie am Beispiel Schellings ...

Vom Elend der Transzendentalphilosophie am Beispiel Schellings ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

jenes § 1 seinen langen Weg ersparen, <strong>der</strong> doch erst <strong>am</strong> Ende des theoretischen Teils jenen<br />

Gewinn zu erreichen verspricht, da erst dort sich endlich Subjekt nicht ohne Objekt und Objekt<br />

nicht ohne Subjekt treffen. Diese hier zitierten Interpretationen allein in unsrem Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />

<strong>Elend</strong>iglich! 18 Man versucht, auf Fichtes Schultern zu steigen, stürzt ab und rühmt da unten in<br />

subjektivem Genuss schwelgend die neue Aussicht, die man da oben erblickt haben will. Es<br />

werden in Brüssel in diesen Tagen in mehreren Sprachen häufiger die Wörter „subjektiv” und<br />

„Subjekt” in den Mund genommen als daselbst im Rest des Jahres. Man sucht Philosophie in<br />

„Grundlegung aus dem Ich” und meint d<strong>am</strong>it etwas an<strong>der</strong>es als Philosophie grundgelegt in <strong>der</strong><br />

Vernunft. 19 Das Subjekt ist die Seele <strong>der</strong> heutigen <strong>Transzendentalphilosophie</strong>. 20 Und darf ich<br />

unterstellen, dass auch Sie nicht wissen, was mit „Ich” und „Subjekt” gemeint sein soll? Soll sich<br />

dieses „Subjekt”, soll sich dieses „Ich” von Vernunft unterscheiden?<br />

Nun, es herrscht ja auch - verständlich - die Meinung, mit „Ich” müsse ein Inhalt verbunden<br />

sein, und sei er auch noch so vage zu bestimmen. Was „Ich”, was „Subjekt” ist, das hat man zu<br />

wissen. Diese heutige <strong>Transzendentalphilosophie</strong> kennt schon einen verborgenen Ursprung, ehe<br />

sie zu philosophieren beginnt. Wird jedoch mit „Ich” ein „Inhalt” verbunden, <strong>der</strong> mit dem <strong>der</strong><br />

Vernunft nicht o<strong>der</strong> auch nur nicht ganz übereinstimmt, haben wir dann die<br />

<strong>Transzendentalphilosophie</strong> nicht schon verraten?<br />

Auch wenn man glaubt, und wäre es auch mit Fichte, dem absoluten Ich die Charaktere „von<br />

sich”, „in sich”, „durch sich” zuschreiben zu dürfen, es wird dann nicht mehr darüber reflektiert,<br />

dass es Zuschreibungen sind. Sie sind Akzidentien, theoretischer o<strong>der</strong> praktischer Art, und das<br />

absolute Ich ist dann schon in den Brunnen gefallen: Es wird zur Substanz dieser Akzidentien.<br />

Und meinen Sie nicht, das trifft ja auch zu: Das absolute Ich ist die Substanz?<br />

Allerdings lässt sich auch beim späten Fichte dazu kein Beleg herbeiholen: „Wie, wenn <strong>der</strong><br />

Begriff [= Vernunft 21 ], von dem wir reden, es selbst wäre, <strong>der</strong> die Form des Bewußtseins und in<br />

ihm die Form eines Ich, einer denkenden und kräftigen Substanz annähme; müßten wir nicht<br />

erst zusehen, wie er dies machte, diese Verwandlung erlitte, und darum für’s Erste die Formel<br />

buchstäblich nehmen?” 22 Offenbar setzt Fichte zu lesen Blindheit voraus.<br />

Ich kenne sie alle, die ihn so lesen. Die <strong>Transzendentalphilosophie</strong> unserer Tage ist Subjekt-<br />

Philosophie. Habe ich nicht recht? Stimmen Sie mir darin zu, dann haben Sie das <strong>Elend</strong> heutiger<br />

<strong>Transzendentalphilosophie</strong> vor Augen. Ist nicht - das sei meine letzte Frage - diese<br />

Subjektivität, und sei dies auch „eine vollständige Theorie <strong>der</strong> Subjektivität [...], aufgrund <strong>der</strong>er die Begründung <strong>der</strong><br />

Philosophie selbst und <strong>der</strong> Konstitution <strong>der</strong> Welt überhaupt erst möglich ist” (S. 422), unterstellt werden, denn<br />

Subjektivität o<strong>der</strong> gar „Selbstreflexion <strong>der</strong> transzendentalen Subjektivität” kann nicht, auch nicht als gefunden, für<br />

die <strong>Transzendentalphilosophie</strong> vorausgesetzt werden. Auch eine Kategorie ist keine ‘formale Struktur <strong>der</strong><br />

Subjektivität’, son<strong>der</strong>n - unter dem Primat des Praktischen - ein Akt des Willens und daher auch kein ‘Ich’ im<br />

zitierten Sinn.<br />

18 „Und das glänzende <strong>Elend</strong>, die Langeweile unter dem garstigen Volke, das sich hier neben einan<strong>der</strong><br />

sieht! Die Rangsucht unter ihnen, wie sie nur wachen und aufpassen, einan<strong>der</strong> ein Schrittchen abzugewinnen! die<br />

elendesten, erbärmlichsten Leidenschaften, ganz ohne Röckchen.” Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen<br />

Werthers. Leipzig 1774. Buch 2, 24. December.<br />

19 Dieter Henrich: Grundlegung aus dem Ich A Untersuchungen zur Vorgeschichte des Idealismus A<br />

Tübingen - Jena (1790-1794). Frankfurt <strong>am</strong> Main 2004. - Man fände sich spätestens dann in den Armen des<br />

Notdienstes, suchte man „Mathematik in Grundlegung aus dem Ich”.<br />

20 ... doch man übersieht: „Sauerfaß: Sali, du bist die Seele meines Geschäftes. Sali: Ich bin auch überall - -<br />

Sauerfaß: Die Seele muß ein unsichtbarer Gegenstand sein, drum g'hört sie beim Wirtsgeschäft in die Kuchel.”<br />

Johann Nestroy: Umsonst A Posse mit Gesang in drei Akten. Akt. II,4.<br />

21 „Man nennt den absoluten, schlechthin durch sich bestimmten Begriff: V e r n u n f t.” FSW XI, S. 37;<br />

vgl. GA II,13, S. 333,17.<br />

22 Ebd. 11f.; vgl. 313,18.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!