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Vom Elend der Transzendentalphilosophie am Beispiel Schellings ...

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wie etwa die <strong>der</strong> Lichtgeschwindigkeit muss doch unableitbar sein, da sie „Natur” ist! Das sagt<br />

man mit transzendentalem Blick in die Weite des Universums. Und deshalb dürften wir<br />

transzendental beruhigt und berechtigt das Gebiet <strong>der</strong> Natur den Naturwissenschaften<br />

überlassen? Auch eine so elementare Konstante wie das plancksche Wirkungsquantum entzöge<br />

sich doch einer Herleitung. Das alles also sei faktische Naturwissenschaft und bleibe von den<br />

Geisteswissenschaften unberührt? Eben wegen jener Unableitbarkeit?<br />

Schreiben wir d<strong>am</strong>it nicht endgültig die Trennung zwischen Natur- und Geisteswissenschaft<br />

fest? Wäre es dagegen nicht ein gesun<strong>der</strong> Vorschlag, wie<strong>der</strong> mit Naturphilosophie zu beginnen,<br />

um die ja heute nicht min<strong>der</strong>en Fragen um die Natur und um die Naturwissenschaften und ihre<br />

Ergebnisse, und zwar beginnend beim soliden Kant 6 , vielleicht auch mit Fichte, nicht aber mit<br />

Schelling, anzugehen? Allerdings beherrscht Schelling den heutigen Zeitgeist. Alles hat sich<br />

entwickelt, alles, sogar bis hin zu dieser Zeile. Wenn es denn zu einer Aufhebung jener Trennung<br />

zwischen Natur und Geist nach heutiger Ansicht kommen wird, dann, weil die Natur den Geist<br />

erklärt. Man sehe allein die <strong>der</strong>zeitigen Folgerungen aus <strong>der</strong> Evolutionstheorie! Ich frage Sie:<br />

Dass Natur schon ein Erklärtes ist und sich Erklären immer ihm und ihr vorhergehend ereignet,<br />

wird ja wohl zutreffen, aber wird sich diese Folge nicht doch - so hoffen Sie vielleicht - mit<br />

<strong>Schellings</strong> Hilfe o<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>der</strong> Evolution umkehren lassen? Geist aus <strong>der</strong> Natur! Lassen sich nicht<br />

doch die Fakten so wenden, dass sie - die Fülle macht’s möglich - zur Leitschnur geflochten<br />

werden, mit <strong>der</strong> nun endlich prinzipielle Gesetze aus <strong>der</strong> Natur für die Natur und dann auch für<br />

den Geist gestrickt werden können? <strong>Transzendentalphilosophie</strong> aus gut gedüngter Natur?<br />

Nehmen wir den Begriff „Zufall”. Es gibt bislang keine naturphilosophische Unterscheidung im<br />

Gebrauch dieses Begriffs, etwa angewandt auf die Mikrophysik, angewandt auf die<br />

Thermodyn<strong>am</strong>ik, auf die Chemie, auf die Biologie. Ein beispielsweise physikalisch verstandener<br />

Begriff von Zufall ergäbe, auf die Biologie angewandt, dann eine physikalische Biologie.<br />

Schelling und <strong>der</strong>zeit auch noch die heutigen - jedenfalls die biologischen - Naturwissenschaften<br />

„finden” Gesetze in <strong>der</strong> Natur. Haben wir Humes Werk vergessen, seitdem keine Gesetze, auch<br />

keine des Zwecks, gefunden werden können? Auch nicht mit Hilfe jenes Zufalls? Wie kommt es in<br />

<strong>der</strong> Evolutionstheorie, die ja ohne verdeckte Zielsetzungen (und seien es die des Anpassens)<br />

nicht auskommt, zu jenen gefundenen Zwecken o<strong>der</strong> wenigstens teleologisch anmutenden<br />

Richtungen, ohne die eine biologische Natur gar nicht entworfen werden kann? Kein Wort<br />

bisher dazu aus transzendentalphilosophischem Munde.<br />

Da Schelling vom Faktum zweier Wissenschaften ausgeht, muss er auch die treibenden<br />

Prinzipien dieser Wissenschaften, aus denen ja gefolgert werden soll, ebenfalls von Außen<br />

einführen. Es sind dies seine „Potenzen”, die zudem schon gerichtet sei müssen. Die Existenz<br />

von Potenzen, mittels <strong>der</strong>er die höheren Stufen in <strong>der</strong> Natur erklommen werden, ist selbst ein<br />

Begriff, <strong>der</strong> kategorial gegründet sein müsste. Er bedürfte also zuvor seiner Ableitung, ehe er<br />

angewendet werden könnte. An<strong>der</strong>enfalls müssten sich diese Potenzen selbst generieren, was<br />

doch wohl auf einen Zirkel hinausliefe: Sie wären schon das, mittels dessen <strong>der</strong> Aufstieg <strong>der</strong><br />

Natur verstanden werden soll. Schränken wir aber heute, durch die Wissenschaft <strong>der</strong> Physik<br />

klüger geworden, jene Potenzen ein auf die eine „Potenz”, durch die inzwischen die Energie ihr<br />

Verständnis verdient, nämlich als die Fähigkeit, Arbeit zu verrichten, 7 so obläge <strong>der</strong> heutigen<br />

<strong>Transzendentalphilosophie</strong> zu klären, warum dieser Begriff - ohne den Plural - legitimiert ist, in<br />

<strong>der</strong> Physik aufzutauchen, und das auch noch, obwohl es in <strong>der</strong> Physik ja eigentlich keine<br />

6 „Wer einmal Kritik gekostet hat, dem ist auf alle Zeiten das dogmatische Gewäsche verleidet, das sich<br />

heute noch an den Akademien und Universitäten weiter schleppt.” Karl Vorlän<strong>der</strong>, in: Einleitung zu Immanuel<br />

Kant: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik. Hrsg. von Karl Vorlän<strong>der</strong>. Leipzig 41905; H<strong>am</strong>burg 1969,<br />

S. XXXII.<br />

7 So in jedem Physiklehrbuch zu finden. Vgl. Brockhaus, Die Enzyclopädie, Leipzig 2001, s. v. „Energie”:<br />

„[...] die in einem physikal. System gespeicherte Arbeit (Arbeitsvermögen), d. h. die Fähigkeit eines physikal.<br />

Systems, Arbeit zu verrichten.”

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