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1. Mose 50,15-21: Josefs Edelmut

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Predigt zum 4. Sonntag nach Trinitatis<br />

Textlesung (<strong>1.</strong> <strong>Mose</strong> <strong>50</strong>, <strong>15</strong>-<strong>21</strong>):<br />

Thema: <strong>Josefs</strong> <strong>Edelmut</strong><br />

am 19.06.2005 in der Evangelischen Kirche Ober-Olm<br />

Pfarrerin Brigitte Meinecke<br />

<strong>15</strong>) Die Brüder <strong>Josefs</strong> aber fürchteten sich, als ihr<br />

Vater gestorben war, und sprachen: Josef könnte<br />

uns gram sein und uns alle Bosheit vergelten, die<br />

wir an ihm getan haben.<br />

16) Darum ließen sie ihm sagen: Dein Vater befahl<br />

vor seinem Tode und sprach:<br />

17) So sollt ihr zu Josef sagen: Vergib doch deinen<br />

Brüdern die Missetat und ihre Sünde, dass sie so<br />

übel an dir getan haben. Nun vergib doch diese<br />

Missetat uns, den Dienern des Gottes deines<br />

Vaters! Aber Josef weinte, als sie solches zu ihm<br />

sagten.<br />

18) Und seine Brüder gingen hin und fielen vor<br />

ihm nieder und sprachen: Siehe, wir sind deine<br />

Knechte.<br />

19) Josef aber sprach zu ihnen: Fürchtet euch<br />

nicht! Stehe ich denn an Gottes Statt?<br />

20) Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber<br />

Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was<br />

jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten<br />

ein großes Volk.<br />

<strong>21</strong>) So fürchtet euch nun nicht; ich will euch und<br />

eure Kinder versorgen. Und er tröstete sie und<br />

redete freundlich mit ihnen.<br />

Der Gott der Hoffnung erfülle uns mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass wir<br />

immer reicher werden an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes. Amen.<br />

Liebe Gemeinde,<br />

der Predigttext führt uns an den Schluss der Josephsgeschichte.<br />

Ans Ende einer großen Erzählung der Bibel und der Weltliteratur.<br />

Es fing damit an, dass der Vater Jakob eine besondere Vorliebe für den Jungen Joseph<br />

hatte.<br />

Joseph wurde geboren, als Jakob längst nicht mehr der Jüngste war.<br />

Er liebte Joseph deshalb besonders als Sohn seines Alters.<br />

In der damaligen Welt hoffte man darauf, nach seinem Tod in den Nachkommen weiter<br />

zu leben.<br />

Man stellte sich das Leben wie einen Strom vor,<br />

der von Generation zu Generation weiter fließt.<br />

Jakob liebte Joseph als einen Teil seines eigenen Lebens,<br />

der bleiben würde, wenn er ging.<br />

Die Vorliebe war verständlich.<br />

Aus dieser Vorliebe wurde allerdings ein Vorziehen,<br />

und das sollte verhängnisvolle Folgen haben.<br />

Der Vater schenkt seinem Lieblingssohn ein besonderes Gewand, einen bunten Rock.<br />

Damit ist er der Prinz unter seinen Geschwistern.<br />

Die tragen ihre schlichten Hirtenkleider.<br />

Sie erblassen vor Neid und kochen vor Wut,<br />

wenn sie Joseph im Lager schon von weitem erkennen an seinem bunten Gewand.


Aber es kommt noch schlimmer.<br />

Ganz unbekümmert erzählt Joseph von einem seltsamen Traum.<br />

Er hat darin gesehen, wie seine ganze Familie sich vor ihm verbeugt, wie vor einem<br />

König.<br />

Jetzt ist das Maß voll!<br />

Einige der Brüder möchten den Angeber am liebsten umbringen.<br />

Es wird kritisch, als die Brüder mit den Herden unterwegs sind<br />

und Joseph zu ihnen stößt, weit weg von der schützenden Hand des Patriarchen.<br />

Sie packen ihn und werfen ihn in ein Brunnenloch,<br />

in dem zum Glück gerade kein Wasser drin ist.<br />

Wenig später: Eine Karawane kommt vorbei.<br />

Die Brüder verkaufen Joseph als Sklaven an die Kaufleute der Karawane.<br />

So sind sie ihn los, ohne ihn töten zu müssen.<br />

Wie ein Schaf angebunden wird er von den Kaufleuten nach Ägypten geführt.<br />

Den farbigen Rock aber zerreißen die Brüder und tauchen ihn in Tierblut.<br />

Es soll so aussehen, als sei Joseph von einem wilden Tier getötet worden.<br />

Der Vater glaubt es, als ein Knecht ihm die Nachricht überbringt und den falschen<br />

Beweis.<br />

Bitterlich beweint er Joseph.<br />

Niemand kann ihn in seiner Trauer um den Lieblingssohn erreichen,<br />

niemand kann ihn trösten.<br />

Jetzt ist der Riss noch tiefer zwischen ihm und den andern Kindern.<br />

Die Gemeinschaft der Familie ist tief verletzt.<br />

Und es sieht so aus, als ob das kein Mensch wieder gutmachen kann.<br />

Und Joseph – er war eben noch Vaters behüteter Augapfel -<br />

der ist jetzt in Ägypten ein ausländischer Sklave.<br />

Ohne Rechte, ohne irgend einen Schutz.<br />

Er kommt ins Haus eines vornehmen Ägypters,<br />

wo er sich bewährt und eine gute Stellung bekommt.<br />

Doch dann: Eine falsche Anschuldigung gegen ihn stürzt ihn in neues Unglück.<br />

Unverschuldet sitzt er mehrere Jahre im Gefängnis.<br />

Aber auch aus diesem dunkeln Loch wird er wieder herausgeführt.<br />

Joseph wird auf wunderbare Weise erhöht.<br />

Sein Aufstieg geschieht vor allem dank seiner Fähigkeit, Träume zu deuten.<br />

Der Pharao, der Herrschen von Ägypten, wird auf ihn aufmerksam und holt ihn an seinen<br />

Hof.<br />

Joseph deutet die Träume des Pharao, die auf sieben fette und sieben magere Jahre im<br />

Land hindeuten.<br />

Auf seinen Vorschlag hin wird in Ägypten die Vorratswirtschaft eingeführt,<br />

die er selber leitet, vom Pharao zum Großfürst von Ägypten ernannt.<br />

In den guten Erntejahren legt er Kornkammern an, als die Dürre kommt, sind die<br />

Menschen versorgt.<br />

Im Nachbarland Kanaan aber beginnt der Hunger zu wüten.<br />

Und so geschieht es, dass sich Josephs Brüder auf den Weg nach Ägypten machen, um<br />

Korn zu kaufen.<br />

Es kommt zu einer Begegnung mit Joseph. Aber sie erkennen ihn nicht.<br />

Sie ahnen nicht, dass der Großfürst über Ägypten ihr als Sklave verkaufter Bruder ist.


Joseph tut so, als ob er sie nicht kennt.<br />

Soll er sie ohne Korn nach Hause schicken?<br />

Soll er sich jetzt an ihnen rächen?<br />

Hat Gott ihn dafür mächtig werden lassen?<br />

Joseph inszeniert atemberaubende Prüfungen, um seine Brüder auf die Probe zu stellen.<br />

Hat sich ihre Gesinnung geändert?<br />

Werden sie sich jetzt auf die Seite des vom Vater besonders geliebten jungen Benjamin<br />

stellen, wenn der in Gefahr ist?<br />

Die Brüder bewähren sich.<br />

Joseph gibt sich ihnen zu erkennen und nimmt sie in die Arme. Sie feiern ein großes<br />

Versöhnungsfest.<br />

Und schließlich wird auch Jakob nach Ägypten geholt.<br />

Die zerbrochene Gemeinschaft ist wieder hergestellt.<br />

Joseph und seine Brüder leben mit ihren Familien friedlich im Land Ägypten.<br />

Bis zu dem Tag, an dem der Vater stirbt.<br />

Der Patriarch hatte die oberste Autorität in der Familie.<br />

Bisher haben die Brüder unter dem Schutz des Familienoberhauptes gestanden.<br />

Was wird jetzt geschehen?<br />

Sie sind schutzlose Flüchtlinge in einem fremden Land.<br />

Wird der mächtige Joseph ihnen alles vergelten?<br />

Darum schicken sie ihm eine Botschaft:<br />

„Dein Vater befahl vor seinem Tode und sprach: So sollt ihr zu Joseph sagen:<br />

Vergib doch deinen Brüdern die Missetat und ihre Sünde, dass sie so übel an dir getan<br />

haben.“<br />

Sie beschwören noch einmal den Schutz des toten Jakob.<br />

Nur als seine Boten wagen sie es, sich Joseph zu nähern und um Vergebung zu bitten.<br />

Und sie lassen ihm sagen:<br />

„Nun vergib doch diese Missetat uns, den Dienern des Gottes deines Vaters.“<br />

Damit stellen sie sich unter den Schutz Gottes.<br />

Aus dieser Botschaft spricht ihre ganze Angst und Hilflosigkeit.<br />

Sie sind Flüchtlinge in einem fremden Land. Ohne Recht und ohne menschlichen Schutz.<br />

Joseph aber weint, als sie das durch die Boten zu ihm sagen.<br />

Er erinnert sich an seine eigene Angst und an seine eigene Hilflosigkeit damals.<br />

Schutzlos in einem fremden Land zu sein, er weiß, was das heißt.<br />

Er weint.<br />

Vielleicht weint er jetzt die Tränen, die er damals nicht hat weinen können.<br />

Und seine Brüder gehen hin und fallen vor ihm nieder und sprechen:<br />

Siehe, wir sind deine Knechte.<br />

Und sagen damit: Wir sind es nicht mehr wert, deine Brüder zu sein. Aber lass uns<br />

wenigstens als Diener unter deinem Schutz leben.<br />

Aber Joseph antwortet: Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes Statt?<br />

Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.<br />

Joseph deutet seine Lebensgeschichte so, dass er darin von Gott geführt worden ist.<br />

Seine nächsten Menschen haben ihn verraten und verkauft.<br />

Aber Gott ist treu an seiner Seite geblieben.<br />

Joseph deutet seine Lebensgeschichte als Teil der Heilsgeschichte Gottes mit Israel:


“Gott gedachte es gut mit mir zu machen, um zu tun, was jetzt am Tag ist, nämlich<br />

am Leben zu erhalten ein großes Volk.”<br />

Gott will Leben erhalten und nicht zerstören.<br />

Das ist seine Antwort an die Brüder.<br />

Darin besteht seine Verantwortung für das Leben der Brüder.<br />

Ihr Leben kann nur erhalten werden, wenn er zur Vergebung bereit ist.<br />

Im Rückblick erkennt Joseph in seiner Familiengeschichte Gottes Lenkung.<br />

Erst im Rückblick auf ihr eigenes Leben können Menschen oft erkennen,<br />

dass es Gottes Gnade war, dass sie trotz vieler Krisen und Gefahren überlebt haben<br />

und dass sie aus ihren Niederlagen gelernt haben.<br />

Die Josephsgeschichte berichtet, was wir glauben sollen:<br />

dass die Welt mit Gerechtigkeit und Barmherzigkeit gelenkt wird.<br />

Weil wir einen Gott haben, können wir - wie Paulus - sagen: „vergessen, was hinter uns<br />

liegt und uns trennt, und in die Zukunft blicken, in der Gott immer bei uns ist.“<br />

Nein, wir Menschen sind nicht an Gottes Statt.<br />

Zu meinen, wir könnten unserer eigener Gott sein,<br />

darin liegt wohl eine tiefe Wurzel für Hass zwischen den Völkern und in den Häusern.<br />

Die Welt soll heil werden durch Menschen, die Gott ihren Gott sein lassen<br />

und daher die Kraft haben, zu beten wie Jesus es seinen Jüngerinnen und Jüngern<br />

befohlen hat:<br />

„Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“.<br />

Amen

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