Die Arbeiter im Weinberg - Evangelische Kirchengemeinde Ober ...
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Predigt zu Sonntag Septuages<strong>im</strong>ae<br />
Thema: <strong>Die</strong> <strong>Arbeiter</strong> <strong>im</strong> <strong>Weinberg</strong><br />
am 12.02. 2006 in der <strong>Evangelische</strong>n Kirche in <strong>Ober</strong>-Olm<br />
Textlesung (Matth. 20, 1-16a):<br />
Von den <strong>Arbeiter</strong>n <strong>im</strong> <strong>Weinberg</strong><br />
Pfarrerin Brigitte Meinecke<br />
Denn das H<strong>im</strong>melreich gleicht einem<br />
Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um<br />
<strong>Arbeiter</strong> für seinen <strong>Weinberg</strong> einzustellen. Und<br />
als er mit den <strong>Arbeiter</strong>n einig wurde über einen<br />
Silbergroschen als Tagelohn, sandte er sie in<br />
seinen <strong>Weinberg</strong>. Und er ging aus um die dritte<br />
Stunde und sah andere müßig auf dem Markt<br />
stehen und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin<br />
in den <strong>Weinberg</strong>; ich will euch geben, was<br />
recht ist. Und sie gingen hin. Abermals ging er<br />
aus um die sechste und um die neunte Stunde<br />
und tat dasselbe.<br />
Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand<br />
andere und sprach zu ihnen: Was steht ihr den<br />
ganzen Tag müßig da? Sie sprachen zu ihm:<br />
Es hat uns niemand eingestellt. Er sprach zu<br />
ihnen: Geht ihr auch hin in den <strong>Weinberg</strong>.<br />
Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des<br />
<strong>Weinberg</strong>s zu seinem Verwalter: Ruf die<br />
<strong>Arbeiter</strong> und gib ihnen den Lohn und fang an<br />
bei den letzten bis zu den ersten.<br />
Liebe Gemeinde!<br />
Da kamen, die um die elfte Stunde eingestellt<br />
waren, und jeder empfing seinen<br />
Silbergroschen.<br />
Als aber die ersten kamen, meinten sie, sie<br />
würden mehr empfangen; und auch sie<br />
empfingen ein jeder seinen Silbergroschen.<br />
Und als sie den empfingen, murrten sie gegen<br />
den Hausherrn und sprachen: <strong>Die</strong>se letzten<br />
haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du<br />
hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages<br />
Last und Hitze getragen haben.<br />
Er antwortete aber und sagte zu einem von<br />
ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht.<br />
Bist du nicht mit mir einig geworden über einen<br />
Silbergroschen? N<strong>im</strong>m, was dein ist, und geh!<br />
Ich will aber diesem letzten dasselbe geben<br />
wie dir. Oder habe ich nicht Macht zu tun, was<br />
ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du<br />
scheel drein, weil ich so gütig bin?<br />
So werden die Letzten die Ersten und die<br />
Ersten die Letzten sein.<br />
„Leistung muss sich wieder lohnen“. So lautete vor einigen Jahren eine politische<br />
Forderung.<br />
Damit war gemeint: Leistung, die sich nicht bezahlt macht, die lohnt nicht, geleistet<br />
zu werden.<br />
Wir tun etwas, wir bekommen eine Gegenleistung.<br />
Das geht schon in der Schule los: Fleiß, Mitarbeit – gute Note.<br />
Im Arbeitsleben ist das ähnlich: Wer viel verdient, muss in der Regel viel dafür<br />
arbeiten.<br />
Und <strong>im</strong> Sport gilt das gleiche Prinzip: Erster wird, wer am besten war.<br />
Und dieses Leistungsprinzip hat ja auch seinen Sinn. Wer würde sich schon Mühe<br />
geben, wenn es sich nicht lohnt?<br />
Welcher Sportler würde an einem Wettkampf mitmachen, wenn hinterher alle auf der<br />
Siegertreppe stehen?<br />
Wenn wir uns anstrengen, soll das auch was bringen, sonst ärgern wir uns und<br />
lassen es lieber bleiben.<br />
1
Um herauszubekommen, was jemand verdient, müssen wir vergleichen. Wer ist<br />
schneller gelaufen, wer trägt mehr Verantwortung, wer macht weniger Fehler?<br />
Sicher sind da manche Maßstäbe schwierig oder nicht ganz in Ordnung. Aber<br />
insgesamt ist es ein gerechtes Prinzip, jemand nicht danach zu beurteilen, ob er weiß<br />
oder schwarz ist, Mann oder Frau, sondern nur nach der Leistung, die er erbracht<br />
hat.<br />
Wir haben als Evangelium die Geschichte von den <strong>Arbeiter</strong>n <strong>im</strong> <strong>Weinberg</strong> gehört. Da<br />
wird erzählt, wie ein Arbeitgeber dieses Prinzip nicht anwendet. Und daraufhin gibt es<br />
Ärger.<br />
Erinnern wir uns, wer zur Geschichte gehört.<br />
Da sind die Tagelöhner, die morgens vom <strong>Weinberg</strong>besitzer angeheuert werden.<br />
Sie stehen jeden Morgen auf dem Marktplatz und hoffen, dass sie wenigstens Arbeit<br />
für den Tag bekommen. Zu Hause reicht es oft nicht zum Nötigsten.<br />
An diesem Morgen sind sie glücklich, dass sie gleich Arbeit finden <strong>im</strong> <strong>Weinberg</strong>.<br />
Von der Bezahlung – einem Denar – kann die Familie einen Tag lang über die<br />
Runden kommen.<br />
Sie strengen sich <strong>im</strong> <strong>Weinberg</strong> an und schuften den ganzen Tag. 12 Stunden lang.<br />
Vielleicht holt der <strong>Weinberg</strong>besitzer sie ja morgen wieder.<br />
Abends tut ihnen das Kreuz weh – endlich geht‘s daran, dass der verdiente Lohn<br />
ausbezahlt wird.<br />
Und dann passiert das Unglaubliche. Sie hatten sich schon gewundert, dass eine<br />
Stunde vor Schluss noch neue <strong>Arbeiter</strong> kamen. Und jetzt bekommen die auch einen<br />
Denar – genauso viel, wie die ersten!<br />
Ich kann gut verstehen, dass die sich aufregen. „Ich bin doch nicht blöd“ höre ich<br />
einen sagen „Schufte den ganzen Tag und bekomme das Gleiche. Wär’ ich doch<br />
bloß auch später auf den Marktplatz gekommen...<br />
Wir kennen solche Wut auch.<br />
Man arbeitet viel, aber wenn man das Ergebnis mit anderen vergleicht, dann hat es<br />
sich nicht gelohnt.<br />
Jemand hat weniger gelernt und hat die gleiche Note bekommen.<br />
Manchmal stehen die, die viel tun sogar schlechter da, als jene, die weniger tun.<br />
Das ist wohl schon ein Grund, sich aufzuregen, weil es ungerecht ist.<br />
Ist der <strong>Weinberg</strong>sbesitzer gerecht? – Schauen wir, bevor es um ihn geht, noch auf<br />
die andern <strong>Arbeiter</strong>.<br />
Sie haben auf dem Markplatz gestanden, aber niemand wollte sie haben. Spät<br />
kommt der <strong>Weinberg</strong>besitzer und schickt sie doch noch in den <strong>Weinberg</strong>. Von<br />
Bezahlung ist keine Rede. Vielleicht gibt’s dafür ein Abendessen. Aber dann – einen<br />
ganzen Denar – einen vollen Arbeitslohn für eine Stunde.<br />
Sie vergewissern sich, ob das kein Irrtum ist. Und dann freuen sie sich, dass ihre<br />
Familien nun ein Auskommen haben für einen Tag.<br />
Nicht <strong>im</strong>mer haben Menschen das Glück, dass sie unverdient doch noch das<br />
Lebensnotwendige bekommen. Wahrscheinlicher ist es, dass die Letzten auch die<br />
Letzten bleiben, damals wie heute.<br />
Mir fallen unterschiedliche Menschen ein: Langzeitarbeitslose,<br />
Kinder und Jugendliche, die zurückbleiben, weil sie in der Schule nicht mithalten<br />
können, ältere Menschen, die mit ihrer Rente kaum auskommen können.<br />
Letzte oder Letzter sein, nicht mehr mitkommen, das Gefühl kennen wir<br />
wahrscheinlich alle irgendwie.<br />
2
Sind wir etwa alle selbst schuld? Bekommt jeder das, was er verdient?<br />
Das Leistungsprinzip ist nicht <strong>im</strong>mer gerecht.<br />
Es ist eben nur ein abstraktes Prinzip, das den einzelnen Menschen nicht sieht. Es<br />
unterteilt Menschen in fleißige und faule, kluge und dumme, erste und letzte. Und die<br />
letzten sind weiß Gott nicht <strong>im</strong>mer selber schuld, dass sie den Anschluss verloren<br />
haben.<br />
Der <strong>Weinberg</strong>besitzer fragt am Schluss den aufgebrachten <strong>Arbeiter</strong>: „Ist dein Auge<br />
böse, weil ich gut bin?“ Er lässt sich auf die Rechnung des Tagelöhners nicht ein.<br />
Er hat etwas verschenkt. Er hat nicht auf das Gewicht der Trauben geguckt, sondern<br />
danach, was die Familien der <strong>Arbeiter</strong> zum Leben nötig haben. Und da haben alle<br />
das Gleiche bekommen.<br />
Das Gleichnis von den <strong>Arbeiter</strong>n <strong>im</strong> <strong>Weinberg</strong> redet vom H<strong>im</strong>melreich. Gott als<br />
Arbeitgeber – das ist ein ungewohnter Vergleich.<br />
Gott handelt überraschend anders an uns, als wir erwarten.<br />
Er vergleicht nicht die Arbeit oder den Glauben, um dann zu belohnen.<br />
Gott wendet eine andere Gerechtigkeit an - das Prinzip der Liebe, die darauf achtet,<br />
dass niemand zu kurz kommt.<br />
Er verschenkt, was wir zum Leben brauchen. Und das ist mehr als wir verdienen<br />
können. Das ist anderes, als wir verdienen können.<br />
Deshalb taufen wir kleine Kinder, um ihnen diesen Zuspruch mit auf den Weg zu<br />
geben: Noch bevor du etwas leisten oder darstellen kannst, bist du bei Gott<br />
unendlich angesehen und geliebt.<br />
Jesus hat das Gleichnis von den <strong>Arbeiter</strong>n <strong>im</strong> <strong>Weinberg</strong> erzählt.<br />
Er wirbt für eine Sicht der Welt, in der es keine Ersten und Letzten mehr gibt. Wo wir<br />
auch stehen, bei den ersten oder bei den Letzten, für Gott hat es keine Bedeutung.<br />
Wenn es auch für uns an Bedeutung verliert, dann fangen wir an, die Welt mit Gottes<br />
Augen zu sehen. Und dann wird sie sich verändern – in der Arbeitswelt, in der<br />
Schule, zu Hause. Wir werden gewinnen, wenn wir zuerst danach schauen, was<br />
Menschen zum Leben brauchen, bevor wir danach schauen, was sie leisten können.<br />
<strong>Die</strong> neue Sichtweise könnte dazu helfen, dass niemand mehr zu kurz kommt.<br />
Das H<strong>im</strong>melreich auf Erden werden wir damit noch nicht errichten, aber ein kleines<br />
Stück vielleicht schon,<br />
weil Gott es so will.<br />
Amen<br />
3