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Wie schön leuchtet der Morgenstern - Evangelische ...

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Gottesdienst zum 2. So. n. Epiphanias<br />

gehalten in Ober-Olm am 18.01.2004 (Prädikant: H.-G. Lachnitt, Mainz)<br />

Dieser Gottesdienst steht ganz unter dem Lied:<br />

„<strong>Wie</strong> „<strong>Wie</strong> <strong>schön</strong> <strong>schön</strong> <strong>schön</strong> <strong>leuchtet</strong> <strong>leuchtet</strong> <strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Morgenstern</strong>“<br />

<strong>Morgenstern</strong>“<br />

Der erste Eindruck trügt: Es handelt sich nicht um ein Morgenlied.<br />

Das Lied steht im Gesangbuch meist unter <strong>der</strong> Rubrik „Epiphanias“ (Erscheinung des Herrn,<br />

Dreikönigstag). Aber es wird auch in Deutschland auf Beerdigungen gesungen und zu Hochzeiten.<br />

Kaum ein Lied wurde in den vergangenen Jahrhun<strong>der</strong>ten so oft um- und nachgedichtet.<br />

Dieses „<strong>Morgenstern</strong>lied“ ist ein echtes Kunstwerk.<br />

Warum ? – Darauf wird Ihnen dieser Gottesdienst eine Antwort geben.<br />

Predigt:<br />

Liebe Freunde,<br />

das Wort „Multimedia“ stand auf <strong>der</strong> Vorschlagsliste zum „Wort des Jahres“ bereits in 1996.<br />

Und es ist nach wie vor in vieler Munde.<br />

Multimedia - das ist das Miteinan<strong>der</strong> verschiedener Sinne und Medien. Da kommen Wort,<br />

Bild und Ton zusammen zu einer Einheit, an <strong>der</strong> man am Computer selbst viel mitgestalten<br />

kann. Das nennt sich dann „interaktiv" in <strong>der</strong> neudeutschen Computersprache.<br />

Nun ist das Miteinan<strong>der</strong> verschiedener Sinne freilich keine Erfindung unserer Tage, auch<br />

wenn solch neue Schlagworte uns das vielleicht einreden wollen.<br />

Sie, liebe Gemeinde, sollen selbst sehen, welche kreative Möglichkeiten es da schon früher<br />

gab, viel früher.<br />

In <strong>der</strong> Musik, auch in <strong>der</strong> Kirchenmusik gibt es da eine lange Tradition und Entwicklung.<br />

Nach und nach fügten sich immer mehr multimediale Elemente aneinan<strong>der</strong>.<br />

Während es beim Schauspiel nur um die Darstellung eines Textes, also um Worte ging,<br />

setzt das Oratorium diese Worte schon in Musik um. Solisten, Chor und Orchester wechseln<br />

sich ab o<strong>der</strong> musizieren gemeinsam die Botschaft.<br />

Die Oper fügt dem Text und <strong>der</strong> Musik auch noch optische und gestalterische Elemente hinzu.<br />

Sänger müssen sich auf <strong>der</strong> Bühne bewegen und eine Rolle gestalten. Bühnenbildner<br />

gestalten die Szene.<br />

Richard Wagner for<strong>der</strong>t und schafft schließlich das multimedial sehr anspruchsvolle „Gesamtkunstwerk",<br />

das Bühnenfestspiel. Bei jedem seiner Werke wird <strong>der</strong> Zuhörer nicht nur<br />

zum Zuschauer; er wird auch auf vielen Ebenen des Gefühls und <strong>der</strong> Sinne zugleich angesprochen;<br />

bewusst und auch unbewusst.<br />

Wir wollen heute aber noch einmal viele Jahre zurückgehen; zu Philipp Nicolai und seinem<br />

Lied „<strong>Wie</strong> <strong>schön</strong> <strong>leuchtet</strong> <strong>der</strong> <strong>Morgenstern</strong>".<br />

Philipp Nicolai, über den wir gleich noch etwas mehr hören werden, hat mit diesem Lied ein<br />

sehr frühes „Multimedia-Gesamtkunstwerk" geschaffen; ein Lied, das eben mehr als nur ein<br />

Lied ist.<br />

„<strong>Wie</strong> <strong>schön</strong> <strong>leuchtet</strong> <strong>der</strong> <strong>Morgenstern</strong>" ist ein Sinneseindruck, <strong>der</strong> Herz, Ohr und Augen<br />

gleichermaßen betrifft und beeindruckt. Und hier ist schon ein kleines Geheimnis, das in diesem<br />

Lied steckt. Da man es besser sehen als nur hören kann, wurde es - hier <strong>der</strong> erste Vers<br />

- einmal ganz multimedial (gemittelter Text) für Sie ausgedruckt, damit Sie es selbst sehen<br />

können.<br />

1


<strong>Wie</strong> <strong>schön</strong> <strong>leuchtet</strong> <strong>der</strong> <strong>Morgenstern</strong><br />

voll Gnade und Wahrheit von dem Herrn,<br />

du süße Wurzel Jesse.<br />

Du Sohn Davids aus Jacobs Stamm,<br />

mein König und mein Bräutigam,<br />

hast mir mein Herz besessen;<br />

lieblich,<br />

freundlich,<br />

<strong>schön</strong> und herrlich,<br />

groß und ehrlich,<br />

reich an Gaben,<br />

hoch und sehr prächtig erhaben.<br />

Alle Verse dieses Liedes sind so getextet, dass die Silben einer jeden Strophe das Bild eines<br />

Kelches ergeben.<br />

Nicht irgendeines Kelches, son<strong>der</strong>n eines Abendmahlskelches.<br />

Das ist kein Zufall. Philipp Nicolai hat sich natürlich etwas dabei gedacht. Als überzeugter<br />

Lutheraner ist <strong>der</strong> Abendmahlskelch für ihn eine Art Wasserzeichen, auf dessen Hintergrund<br />

er alle Worte seines Liedes gedruckt und verstanden wissen will. Genauer gesagt: Alles Singen,<br />

alle Predigt, alle Arbeit in <strong>der</strong> Gemeinde ist für ihn verzichtbar, wenn sie nicht auf dem<br />

Hintergrund <strong>der</strong> Weihnachts- und Osterbotschaft geschieht:<br />

Gott ist Mensch geworden, uns Menschen zugute.<br />

Jesus Christus litt für uns und starb und auferstand zum ewigen Leben.<br />

Der Kelch ist das Zeichen des Heils, das Christus ganz ohne unser Verdienst für uns erlangt<br />

hat.<br />

Wo diese Mitte <strong>der</strong> Schrift und damit <strong>der</strong> Verkündigung verblasst o<strong>der</strong> gar entfällt, da ist alle<br />

Verkündigung und alle Gemeindearbeit vergeblich. Und deshalb bringt Philipp Nicolai alles<br />

für uns zusammen: Das Wort für Ohr und Geist, die Musik für Herz und Ohr, das Bild für Auge,<br />

Herz und Verstand. Nicht „Herz und Herz vereint zusammen", son<strong>der</strong>n vielmehr Herz<br />

und Mund und Ohr und Auge und Geist zusammen. Alle Sinne sind gefor<strong>der</strong>t und werden<br />

angesprochen bei dem Menschen, <strong>der</strong> dem Geheimnis des Glaubens auf <strong>der</strong> Spur ist.<br />

Das ist übrigens auch ein deutlicher Unterschied zwischen lutherischem und reformiertem<br />

Denken und Feiern.<br />

Die „Lutherische Messe", <strong>der</strong> Gottesdienst nach den Vorstellungen Martin Luthers, will zwar<br />

das Wort in den Mittelpunkt stellen, begleitet es aber und formt es aus durch Musik und Bil<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Liturgie. So kann man durchaus unterschiedlichen Zugang zum Glauben bekommen:<br />

Über das Wort, über die Musik o<strong>der</strong> auch über die Bil<strong>der</strong> und vielleicht erst recht, wenn alles<br />

im Gottesdienst zusammenkommt und aufeinan<strong>der</strong> bezogen ist. Damit bestärkt es sich gegenseitig<br />

in seiner Wirkung.<br />

Die Reformierten Christen indes setzen stärker auf die Kraft des verkündigten Wortes: Kräftige<br />

Predigt, kaum Liturgie, keine Bil<strong>der</strong>, die ablenken könnten.<br />

Freilich gehört kräftiger Gesang dort auch zum Kern <strong>der</strong> Verkündigung. Heute stellen viele<br />

Menschen an sich selbst fest, dass sie eigentlich nicht nur mit dem Verstand und dem Geist<br />

in den Gottesdienst kommen, son<strong>der</strong>n immer auch mit Herzen, Mund und Händen und Oh-<br />

2


en und Augen, mit allen Sinnen also.<br />

Dies müssten unsere Gottesdienste noch viel stärker aufnehmen.<br />

Genug <strong>der</strong> grauen Theorie. Hören (und ggf. singen + sehen) wir einfach jetzt noch einmal<br />

den ersten „Kelch", die erste Strophe unseres <strong>Morgenstern</strong> Liedes:<br />

<strong>Wie</strong> <strong>schön</strong> <strong>leuchtet</strong> <strong>der</strong> <strong>Morgenstern</strong><br />

voll Gnade und Wahrheit von dem Herrn,<br />

du süße Wurzel Jesse.<br />

Du Sohn Davids aus Jacobs Stamm,<br />

mein König und mein Bräutigam,<br />

hast mir mein Herz besessen;<br />

lieblich,<br />

freundlich,<br />

<strong>schön</strong> und herrlich,<br />

groß und ehrlich,<br />

reich an Gaben,<br />

hoch und sehr prächtig erhaben.<br />

Ohne die Ergänzung dieser Worte durch Musik und Bil<strong>der</strong> ist die Aussage schon fast zu<br />

dicht, zu intensiv, wie ein Konzentrat. <strong>Wie</strong> viele biblische Bil<strong>der</strong> und Motive tauchen hier auf!<br />

In <strong>der</strong> ersten Strophe Jesaja 11, aber auch das 22. Kapitel <strong>der</strong> Offenbarungstexte, die wir<br />

von den Weihnachtsgottesdiensten her im Ohr haben. Vom „Sohn Davids" ist da die Rede<br />

wie auch vom „König" und eben auch vom „Bräutigam". Das erinnert an das Gleichnis Jesu<br />

von den klugen und törichten Jungfrauen. Den Stiel des Kelches, die schlanke Stelle also,<br />

an <strong>der</strong> man ihn in die Hand nimmt und an <strong>der</strong> ein Kelch beson<strong>der</strong>s haltbar sein muss, bilden<br />

ganz kurze Liedzeilen aus wenigen Worten.<br />

Worte wie: „lieblich" o<strong>der</strong> „freundlich", wie „<strong>schön</strong> und herrlich" und „groß und ehrlich". So<br />

wird Gott beschrieben. So kommt Gott uns in seinem Sohn entgegen. So erfüllt sich die lange<br />

Vorgeschichte des Alten Testamentes von Abraham über David und Jesaja.<br />

Das Leben von Philipp Nicolai ist indes auch eine lange und vor allem sehr bewegte Geschichte.<br />

Was sich zwischen seiner Geburt 1556 in Kurhessen-Waldeck und seinem Tod 1608 in<br />

Hamburg abspielte, könnte mehrere dicke Bücher füllen. Dabei tritt Philipp Nicolai ziemlich<br />

tief in die Fußstapfen seines Vaters, eines lutherischen Pastors, <strong>der</strong> eben wegen seines<br />

ausgeprägten Luthertums aus seiner ersten Gemeinde in Herdecke an <strong>der</strong> Ruhr vertrieben<br />

worden war. Über die Tür des neuen Pfarrhauses in Waldeck setzte <strong>der</strong> bekenntnistreue Vater<br />

deshalb auch die Worte:<br />

„Des Priesters Lippen sollen die Lehre bewahren." (Maleachi 2,7)<br />

In diesem Sinne wird Philipp erzogen und studiert schließlich Theologie in Erfurt und Witten-<br />

3


erg, also an den Quellen des Luthertums, genau wie auch seine drei Brü<strong>der</strong>. Schon früh<br />

versammelt sich Philipp mit Gleichgesinnten in lutherischen Zirkeln, wo sie Pläne schmieden<br />

für einen leidenschaftlichen Kampf <strong>der</strong> lutherischen Gedanken und Lehren, für die „reine<br />

Lehre" des Luthertums.<br />

Erstaunlicherweise wird Philipp Nicolai nach Herdecke in seine erste Pfarrstelle berufen; die<br />

Gemeinde, die vor gut dreißig Jahren seinen Vater vertrieben hat! Der Sohn muss aber auch<br />

wie<strong>der</strong> weichen, diesmal dem wie<strong>der</strong> erstarkenden Katholizismus. Es verschlägt ihn ins erzkatholische<br />

Köln, wo er die „heimliche evangelische Gemeinde" im Untergrund leitet.<br />

Dann ruft ihn <strong>der</strong> Graf von Waldeck. Nicolai wird Erzieher des jungen Grafen und Hofprediger.<br />

Diesen jungen Grafen hat Philipp Nicolai so sehr verehrt, dass er ihm ein kleines<br />

Geheimnis widmet. Die beiden berühmtesten Lie<strong>der</strong> Nicolais, das „<strong>Morgenstern</strong>lied" und das<br />

„Wächterlied („Wachet auf, ruft uns die Stimme") beginnen jede ihrer Strophen mit ganz bestimmten<br />

Buchstaben. Diese Anfangsbuchstaben des „<strong>Morgenstern</strong>"-Choral bilden ein so<br />

genanntes Akrostichon und ergeben in <strong>der</strong> Reihenfolge WEGVHZW hintereinan<strong>der</strong> gelesen<br />

= „Wilhelm Ernst, Graf und Herr zu Waldeck" und das Wächterlied hat in umgekehrter Reihenfolge<br />

GZW = „Graf zu Waldeck". Erstaunlich, was da zwischen den Zeilen eines einfaches<br />

Chorals so alles zu finden ist!<br />

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass <strong>der</strong> junge Graf 1558, mit nur 15 Jahren an<br />

Ruhr starb. Ein weiterer seelischer „Tiefschlag“, den Philipp Nicolai in seinem Leben verarbeiten<br />

musste.<br />

Angesichts dieses Todesfall und den vielen Pestopfern singt Nicolai vom Freudenfest des<br />

ewigen Lebens, ein Liebes- und Hochzeitsfest. Man stelle sich einen mit Blumen geschmückten<br />

Saal vor, es gibt süße Speisen, Kostbarkeiten und Musik. Das Brautpaar ist<br />

<strong>schön</strong> und vor allen Augen zärtlich zueinan<strong>der</strong>: Nimm mich, freundlich, in die Arme …<br />

Dies ist ein weiterer Kelch, eine weitere Strophe (4), die wir jetzt singen wollen:<br />

Von Gott kommt mir ein Freudenschein,<br />

wenn du mich mit den Augen dein<br />

gar freundlich tust anblicken.<br />

Herr Jesu, du mein trautes Gut,<br />

dein Wort, dein Geist, dein Leib und Blut<br />

mich innerlich erquicken.<br />

Nimm mich<br />

freundlich<br />

in dein Arme<br />

und erbarme<br />

dich in Gnaden;<br />

auf dein Wort komm ich geladen.<br />

„Nimm mich freundlich in dein Arme und erbarme dich in Gnaden..." Das wünscht sich Philipp<br />

Nicolai so sehr, einmal freundlich aufgenommen zu werden über längere Zeit. Aber das<br />

Erstarken des Katholizismus und des Calvinismus lassen das lei<strong>der</strong> nicht zu.<br />

"Cuius regio eius religio" heißt nun die kirchenpolitische Regel.<br />

Zu deutsch: „Die Religion des Herrschers ist auch die seines Volkes."<br />

4


Und weil nun <strong>der</strong> Landgraf Moritz in Kassel calvinistisch wird und das entsprechend auch<br />

von seinen Untertanen verlangt, kann Philipp Nicolai nicht einfach schweigen.<br />

Die Folge für ihn: Kanzelverbot!<br />

Fast gleichzeitig verleiht ihm die Universität Wittenberg die theologische Doktorwürde, was<br />

ihn in seinem Kampf noch entschiedener macht. 1596 folgt er einem Ruf ins westfälische<br />

Unna, wo die streng lutherisch Gesinnten einen schweren Stand gegen die aus Holland eingereisten<br />

Calvinisten haben.<br />

Kaum ist Philipp Nicolai in Unna angekommen, bricht dort die Pest aus. In sieben Monaten<br />

sterben nicht weniger als 1400 Glie<strong>der</strong> seiner Gemeinde, darunter auch sein Amtsbru<strong>der</strong>.<br />

Friedhofsdienst und Seelsorge sind in jenen Tagen seine einzigen Tätigkeiten. Philipp Nicolai<br />

schreibt: „Ich bin durch Gottes Gnade noch ganz gesund, wenn ich gleich von Häusern,<br />

die von <strong>der</strong> Pest angesteckt sind, fast umlagert bin und auf dem Kirchhof wohne, wo täglich<br />

bald 24, 27, 29, 30 Leichen <strong>der</strong> Erde übergeben werden. Mein Räucherwerk sind hauptsächlich<br />

beständige Gebete zu Gott. Durch Gottes Gnade bin ich furchtlos. Christo lebe ich.<br />

Christo sterbe ich, lebe ich o<strong>der</strong> sterbe ich, so bin ich Christi, dessen Gnade mich beschatte".<br />

Als die Pest schließlich vorüber ist, schreibt Philipp Nicolai seinen "Freudenspiegel des<br />

ewigen Lebens", in dem sich auch seine beiden Lie<strong>der</strong>, <strong>der</strong> "<strong>Morgenstern</strong>" und das "Wächterlied",<br />

befinden. Schließlich heiratet Philipp Nicolai 1606 die Witwe seines an <strong>der</strong> Pest verstorbenen<br />

Amtsbru<strong>der</strong>s, die einen Sohn und eine Tochter mit in die Ehe bringt. Da ist er aber<br />

schon nicht mehr in Unna, son<strong>der</strong>n ist längst Hauptpastor an St. Katharinen in Hamburg. Die<br />

Hamburger freuen sich, nun auch - wie sie es nannten - eine „Säule <strong>der</strong> lutherischen Kirche"<br />

als Prediger gewonnen zu haben. Im persönlichen Umgang ein sehr friedfertiger Mensch, als<br />

Theologe indes eine leidenschaftliche Kämpfernatur, stirbt Philip Nicolai 1608 im Alter von<br />

52 Jahren, 4 Tage nach einem Schlaganfall in Hamburg.<br />

Wir singen die 7. Strophe:<br />

<strong>Wie</strong> bin ich doch so herzlich froh,<br />

dass mein Schatz ist das A und 0,<br />

<strong>der</strong> Anfang und das Ende.<br />

Er wird mich doch um seinen Preis<br />

aufnehmen in das Paradeis;<br />

des klopf ich in die Hände.<br />

Amen<br />

Amen,<br />

komm, du <strong>schön</strong>e<br />

Freudenkrone,<br />

bleib nicht lange;<br />

deiner wart ich mit Verlangen.<br />

So hat Philipp Nicolai uns in seinem Lied vielfältig angesprochen. Aus diesem und aus seinem<br />

Leben können wir manches lernen und mitnehmen für uns selbst und unsere Kirche.<br />

Wir bekommen zunächst einen wesentlichen Hinweis auf Weihnachten und Epiphanias.<br />

- Weihnachten ist nicht nur Krippe, Eselein und Engelschar, die bekannte Idylle; Weihnachten<br />

bekommt seinen Sinn erst von „hinten" her, von Kreuz und Auferstehung Jesu. Hinter aller<br />

Menschwerdung Gottes steht wie ein Wasserzeichen <strong>der</strong> Kelch des Abendmahls, und<br />

5


damit das Sakrament von Tod und Erlösung. Ohne diese Perspektive von Gründonnerstag,<br />

Karfreitag und Ostersonntag kann man Weihnachten sonst nur als Volkssitte begreifen, die<br />

„alle Jahre wie<strong>der</strong>" von Neuem um sich greift.<br />

Nicht nur zu Weihnachten und Epiphanias, son<strong>der</strong>n im ganzen Kirchenjahr, nicht nur im feierlichen<br />

Festgottesdienst, son<strong>der</strong>n in jedem Bereich <strong>der</strong> christlichen Gemeinde ist die Botschaft<br />

von <strong>der</strong> Liebe Gottes, die sich in Jesus Christus des Sün<strong>der</strong>s erbarmt, die entscheidende<br />

Botschaft.<br />

Manche von <strong>der</strong> Begrifflichkeit her vermeintlich ganz neue Sache ist oft nur ein alter Hut.<br />

Was heute mit Worten wie „Mulitmedia" als „interaktiv" und „fortschrittlich" angepriesen wird,<br />

hat mit an<strong>der</strong>en Mitteln schon viel früher das Herz <strong>der</strong> Menschen bewegt.<br />

Das Zusammenspiel all unserer Sinne gibt es nicht erst, seitdem wir heute von „ganzheitlicher<br />

Betrachtung" reden. Es ist vielmehr eine alte Erfahrung, wenn es um den Glauben geht.<br />

In unseren Gottesdiensten darf nicht nur <strong>der</strong> kühle Verstand angesprochen sein; es können<br />

sich Wärme, Farbe, Duft, Bil<strong>der</strong>, Töne, Klänge und Musik eindrücklich miteinan<strong>der</strong> verbinden<br />

zu einem neuen Humus des Glaubens. Da haben wir Bläser übrigens einen ganz wichtigen<br />

Anteil daran.<br />

Unser evangelischer Gottesdienst war also schon immer „interaktiv"; etwa in <strong>der</strong> Weise,<br />

dass die Gemeinde liturgisch antwortet und betet und vor allem kräftig singt.<br />

Wir wollen deshalb nun die fünfte Strophe des <strong>Morgenstern</strong>liedes kräftig miteinan<strong>der</strong> singen,<br />

in <strong>der</strong> es heißt:<br />

Herr Gott, Vater, mein starker Held,<br />

du hast mich ewig vor <strong>der</strong> Welt<br />

in deinem Sohn geliebet.<br />

Dein Sohn hat mich ihm selbst vertraut,<br />

er ist mein Schatz, ich seine Braut,<br />

drum mich auch nichts betrübet.<br />

Eia,<br />

eia,<br />

himmlisch Leben<br />

wird ergeben<br />

mir dort oben;<br />

ewig soll mein Herz ihn loben.<br />

Das <strong>Morgenstern</strong> Lied spricht in alten, ja altmodischen und ungewohnten Worten zu uns.<br />

Es ist eben kein Lied von heute. Und doch strahlt es aus, hat es eine unüberhörbare und<br />

kaum missverständliche Botschaft. Es ist die Botschaft, dass von Gott nicht nur Verstand<br />

und Vernunft geschenkt und gefor<strong>der</strong>t werden. Da ist vieles mehr in uns und um uns, und<br />

manches ist genauso wichtig und wertvoll, an<strong>der</strong>es sogar noch wichtiger. Und weil das so<br />

ist, schließt eine Predigt ja bekanntlich mit diesen Worten:<br />

Und <strong>der</strong> Friede Gottes, <strong>der</strong> höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne<br />

in Jesus Christus, unserem Herrn.<br />

Amen<br />

6

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