2&3 2008 - Evangelische Kirchengemeinde Winnenden
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Psalm 145 fällt mir ein: „Aller<br />
Augen warten auf dich, und du<br />
gibst ihnen Speise zur rechten<br />
Zeit.“ Diese Worte werden gerne<br />
als Tischgebet gesprochen<br />
oder in dem schönen Chorsatz<br />
von Heinrich Schütz gesungen.<br />
Aber ich kenne auch Menschen,<br />
die das nicht beten können.<br />
Sie denken an die zahllosen<br />
Hungernden, die eben nicht<br />
gesättigt werden.<br />
Trotzdem: Wir Christen hören<br />
nicht auf zu beten. Jeden Sonntag<br />
halten wir Fürbitte im Gottesdienst<br />
und bleiben dabei<br />
nicht bei unseren persönlichen<br />
Anliegen stehen, sondern bitten<br />
für unsere Mitmenschen bis hin<br />
zu den Gequälten, Bedrohten<br />
und Unterdrückten in aller<br />
Welt. Wir bitten für die Mächtigen<br />
auf Erden, von deren Entscheidungen<br />
so viel abhängt.<br />
Wir lassen uns nicht beirren, an<br />
die Kraft des Gebets, an die<br />
Kraft des Heiligen Geistes zu<br />
glauben.<br />
Kaum jemand wird die Montagsgebete<br />
1989 in Leipzig vergessen<br />
können, die Kerzen, die<br />
kleinen, verletzlichen Flammen.<br />
Ohne Gewalt, aber mit<br />
der Kraft des Gebets haben sie<br />
sich verbreitet und eine Veränderung<br />
herbeigeführt, die zuvor<br />
niemand für möglich gehalten<br />
hätte.<br />
Das Gebet verändert den Betenden<br />
selbst. Wer hat es nicht<br />
schon erlebt, wie Kranke oder<br />
Leidende, die man meinte,<br />
trösten zu müssen, selbst Trost<br />
und Zuversicht weitergaben,<br />
die sie aus der Kraft des Gebetes<br />
erhalten haben? Wenn ich<br />
um eine bessere Beziehung zu<br />
einem schwierigen Mitmenschen<br />
bitte, werde ich dadurch<br />
nicht mein eigenes Verhalten<br />
ändern?<br />
Viele von uns kennen den eindrucksvollen<br />
Film über Martin<br />
Luther. Diese Szene war wohl<br />
die wichtigste: Martin Luther<br />
auf dem Reichstag zu Worms<br />
vor Kaiser Karl V., der seine<br />
Machtfülle demonstriert durch<br />
Ignoranz und gespielte Gleichgültigkeit<br />
dem kleinen Mönchlein<br />
gegenüber. Luther soll<br />
seine Schriften widerrufen, seinen<br />
Überzeugungen ab-schwören.<br />
Unsicher, verzagt bittet er<br />
um Aufschub, um Bedenkzeit.<br />
In der Nacht betet er, kämpft<br />
mit seinem Gott um die richtige<br />
Entscheidung, um die richtigen<br />
Worte. Am nächsten Tag<br />
steht ein völlig veränderter,<br />
starker Luther vor dem Kaiser:<br />
„Widerrufen kann und will ich<br />
nicht, denn es ist weder sicher<br />
noch heilsam, gegen das Gewissen<br />
zu handeln. Gott helfe<br />
mir, Amen.“<br />
Brigitte Gutemann