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BRIDGING Überbrückung der oralen Antikoagulation ... - Asklepios

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Nr. 11 Oktober 2007<br />

<strong>BRIDGING</strong><br />

<strong>Überbrückung</strong> <strong>der</strong> <strong>oralen</strong> <strong>Antikoagulation</strong><br />

BURNOUT<br />

das Laster <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne<br />

KONTRASTMITTEL-SONOGRAPHIE DER LEBER<br />

sensibel und spezifisch


Impressum<br />

Redaktion<br />

Jens Oliver Bonnet<br />

(verantw.)<br />

PD Dr. Oliver Detsch<br />

Dr. Birger Dulz<br />

PD Dr. Siegbert Faiss<br />

Dr. Christian Frerker<br />

Dr. Annette Hager<br />

PD Dr. Werner Hofmann<br />

Dr. Susanne Huggett<br />

Prof. Dr. Uwe Kehler<br />

Dr. Daniel Kleinschmidt<br />

Prof. Dr. Lutz Lachenmayer<br />

Dr. Jürgen Ma<strong>der</strong>t<br />

Dr. Ursula Scholz<br />

PD Dr. Karl Wagner<br />

Cornelia Wolf<br />

Herausgeber<br />

<strong>Asklepios</strong> Kliniken<br />

Hamburg GmbH<br />

Pressestelle<br />

Rudi Schmidt V. i. S. d. P.<br />

Friedrichsberger Straße 56<br />

22081 Hamburg<br />

Tel.: (040)1818-842008<br />

Fax: (040)1818-842046<br />

E-Mail:<br />

medtropole@asklepios.com<br />

Aufl age: 15.000<br />

Erscheinungsweise:<br />

4 x jährlich<br />

ISSN 1863-8341<br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

mit dieser Ausgabe än<strong>der</strong>n wir unser wie man mo<strong>der</strong>n sagt<br />

„outfi t“ – hin zu einer noch besseren Lesbarkeit <strong>der</strong> medtro-<br />

pole. Unser Veröffentlichungsformat haben wir den Bedürf-<br />

nissen von Leserinnen und Lesern angepasst, die uns durch<br />

viele Zuschriften dazu ermuntert haben. Viele fragten, ob<br />

es denn nicht noch pragmatischer, knapper, klarer und<br />

übersichtlicher ginge. Diese Anregung haben wir mit dieser<br />

Ausgabe aufgegriffen. Wir sind gespannt, wie Sie das Resul-<br />

tat bewerten. Das Konzept, zertifi zierte Fortbildung anzubieten, haben wir nicht<br />

aufgegeben, son<strong>der</strong>n konzentriert auf einen Artikel, in dem beson<strong>der</strong>s praxisre-<br />

levante Fragestellungen bearbeitet werden. Den zugehörigen Fragebogen – auch<br />

eine Anregung aus <strong>der</strong> Leserschaft – fi nden Sie von nun an nicht nur im Internet,<br />

son<strong>der</strong>n auch in <strong>der</strong> Fortbildungsbeilage im Heft.<br />

Ausgabe 11 von medtropole ist mit Themen aus den operativen und konserva-<br />

tiven Fächern bestückt wie auch aus <strong>der</strong> Psychiatrie: Neben herausragenden Ar-<br />

tikeln über neue herzchirurgische Verfahren und Interventionstechniken aus <strong>der</strong><br />

Kardiologie berichten wir über ein beson<strong>der</strong>s wichtiges und auch die Ärzteschaft<br />

betreffendes Problem, das in den Bereich <strong>der</strong> psychotherapeutischen Medizin<br />

reicht: Die Berufsbelastung im ärztlichen Beruf, aber auch in vielen an<strong>der</strong>en<br />

Bereichen hat heute ein Ausmaß erreicht, dass die Erholungsfähigkeit leidet und<br />

darüber Störbil<strong>der</strong> entstehen. Darüber zu berichten, ist uns beson<strong>der</strong>s wichtig.<br />

Großen Wert legen wir auch darauf, dass sich <strong>Asklepios</strong> in Hamburg dafür en-<br />

gagiert, weiter den Hamburger Preis für Persönlichkeitsstörungen zu stiften.<br />

Über die Einsendungen sind wir dieses Jahr beson<strong>der</strong>s glücklich gewesen und<br />

berichten in diesem Heft über die Preisträger.<br />

So entstand eine breite Themenpalette für das neue Heft. Sie zeigt, in welchem<br />

Ausmaß die Medizin sich gegenwärtig weiterentwickelt und dabei Gebiete er-<br />

obert, von denen man lange Zeit dachte, hier werde <strong>der</strong> therapeutische Fort-<br />

schritt auf sich warten lassen. Zögern Sie nicht, mit unseren Experten Kontakt<br />

aufzunehmen. Wir freuen uns darüber und wünschen uns weiter einen regen<br />

Austausch mit Ihnen!<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Ihr<br />

Dr. med. Jörg Weidenhammer<br />

Geschäftsführer Medizin und Qualitätsmanagement<br />

<strong>Asklepios</strong> Kliniken Hamburg GmbH


Inhalt<br />

452 | ONKOLOGIE<br />

Kontrastmittel-Sonographie <strong>der</strong> Leber –<br />

sensibel und spezifisch<br />

454 | VISZERALCHIRURGIE<br />

Die mo<strong>der</strong>ne Behandlung des Rektumkarzinoms<br />

456 | UROLOGIE<br />

Rekonstruktion von Harnröhrenstrikturen<br />

458 | HERZCHIRURGIE<br />

Mo<strong>der</strong>ne Konzepte <strong>der</strong> Aortenklappenchirurgie<br />

461 | MUND-, KIEFER- UND GESICHTSCHIRURGIE<br />

Kin<strong>der</strong> mit Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten im Kopfzentrum<br />

464 | GYNÄKOLOGIE<br />

Die laparoskopische Descensuschirurgie<br />

466 | PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE<br />

Burnout – das Laster <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne<br />

468 | UNFALLCHIRURGIE<br />

Diagnostik und Therapie von Halswirbelsäulenverletzungen<br />

472 | KARDIOLOGIE<br />

Vorhofflimmern und <strong>Antikoagulation</strong> – Reveal ® XT<br />

474 | LABORMEDIZIN / ANGIOLOGIE (CME)<br />

„Bridging“ – <strong>Überbrückung</strong> <strong>der</strong> <strong>oralen</strong> <strong>Antikoagulation</strong><br />

478 | AKTUELLES<br />

2. Hamburg-Preis Persönlichkeitsstörungen ging nach<br />

Freiburg, Chicago und Köln<br />

479 | PERSONALIA<br />

PD Dr. Christoph Terborg<br />

PD Dr. Christian Heinrich Flamme<br />

S. 458<br />

S. 461 468<br />

S. 472


Medtropole | Ausgabe Oktober 2007<br />

Kontrastmittel-Sonographie <strong>der</strong> Leber –<br />

sensibel und spezifisch<br />

Dr. Axel Stang, Dr. Handan Keles, Dr. Cay-Uwe von Seydewitz, Dr. Dietrich Braumann<br />

Die Sonographie spielt in <strong>der</strong> Diagnostik von Lebererkrankungen eine entscheidende Rolle. In etwa fünf Prozent<br />

aller Abdomensonographien werden Leberherde entdeckt – als Zufallsbefund o<strong>der</strong> im Rahmen einer gezielten<br />

Metastasensuche. Bei typischem Befund – etwa einer Zyste o<strong>der</strong> einem Hämangiom – ist durch die B-Bild-Sonographie<br />

eine definitive Diagnose möglich. Dennoch bleiben 40 Prozent <strong>der</strong> fokalen Leberläsionen unklar. Trotz<br />

deutlicher Fortschritte in <strong>der</strong> sonographischen Bildqualität werden 40–50 Prozent aller Lebermetastasen nicht<br />

entdeckt. Das gilt speziell für den Nachweis von kleinen (< 1 cm) Lebermetastasen. [1]<br />

Der Einsatz von Ultraschallkontrastmitteln<br />

steigert die Qualität <strong>der</strong> sonographischen<br />

Befun<strong>der</strong>hebung – analog zur Kontrastmittelgabe<br />

in den Schnittbildverfahren CT<br />

und MRT. [2,3] Die eingesetzten Ultraschallkontrastmittel<br />

sind kleine Gasbläschen<br />

in <strong>der</strong> Größe von Erythrozyten.<br />

Nach intravenöser Injektion zirkulieren<br />

sie fünf bis zehn Minuten in <strong>der</strong> Blutbahn,<br />

anschließend werden sie über die Lunge<br />

abgeatmet. Neue Ultraschalltechniken ermöglichen<br />

die kontinuierliche Darstellung<br />

<strong>der</strong> zirkulierenden Mikrobläschen und damit<br />

die Beurteilung <strong>der</strong> Mikrozirkulation<br />

von Organen und Tumoren. [1] Ein Vorteil<br />

<strong>der</strong> Sonographie ist die Echtzeitdarstellung<br />

des dynamischen Kontrastmittelverhaltens.<br />

Die Kontrastmittel-Sonographie ersetzt<br />

nicht die Schnittbilddiagnostik, reduziert<br />

aber diagnostische Kaskaden. Leitlinien für<br />

den Einsatz von Ultraschallkontrastmitteln<br />

hat die EFSUMB (European Fe<strong>der</strong>ation of<br />

Societies for Ultrasound in Medicine and<br />

Biology) herausgegeben. [4]<br />

Die Kontrastmittel-Sonographie verbessert<br />

die sonographische Erkennung und Diagnose<br />

von Lebertumoren beachtlich. [5,6]<br />

Die richtige Tumorartdiagnose aller Leberherde<br />

liegt bei 90 Prozent (Basis-Sonogra-<br />

452<br />

hie 60 Prozent, Zugewinn 30 Prozent). Der<br />

Nachweis von Lebermetastasen liegt bei<br />

über 90 Prozent (Basis-Sonographie 50–60<br />

Prozent, Zugewinn 40 Prozent). Die Treffsicherheit<br />

<strong>der</strong> kontrastmittelverstärkten<br />

Ultraschalldiagnostik <strong>der</strong> Leber ist mit den<br />

Ergebnissen <strong>der</strong> kontrastmittelgestützten<br />

CT und MRT vergleichbar. In Zweifelsfällen<br />

kann die Diagnostik unmittelbar um<br />

die ultraschallgezielte Punktion zur Histologiegewinnung<br />

erweitert werden.<br />

Die Kontrastmittel-Sonographie verbessert<br />

auch die Präzision und Sicherheit ultraschallgezielter<br />

Interventionen. Die kontrastmittelgestützte<br />

Punktion erhöht die<br />

Präzision für die Fälle, in denen Tumore in<br />

<strong>der</strong> Basis-Sonographie nicht klar erkennbar<br />

sind. Bei großen Tumoren mit nekrotischen<br />

Arealen erlaubt diese Technik die gezielte<br />

Probeentnahme aus vitalen Tumoranteilen.<br />

Für ablative Verfahren (Radiofrequenzablation)<br />

bietet die Kontrastmittel-Sonographie<br />

die Option des Therapiemonitorings nach<br />

Tumorablation. Vitale Rest-Tumoranteile<br />

können erkannt und direkt behandelt<br />

werden. [7]<br />

Alle zugelassenen Ultraschallkontrastmittel<br />

sind nahezu nebenwirkungsfrei.<br />

Als Kontraindikationen gelten: schwere<br />

pulmonale o<strong>der</strong> arterielle Hypertension,<br />

schwere Herzinsuffizienz, akutes Koronarsyndrom,<br />

Schwangerschaft und Stillzeit.<br />

Anaphylaktische Reaktionen sind eine<br />

Rarität. Schilddrüsenüberfunktion o<strong>der</strong><br />

Niereninsuffizienz stellen keine Kontraindikationen<br />

dar. Für den Patienten steht somit<br />

eine effektive und sichere bildgebende<br />

Methode zur Verfügung, die in etwa 90<br />

Prozent <strong>der</strong> Fälle eine definitive Diagnose<br />

von Leberherden ermöglicht.<br />

Fazit<br />

Die Qualität <strong>der</strong> diagnostischen und interventionellen<br />

Sonographie wird durch den<br />

Einsatz von Ultraschallkontrastmitteln<br />

gesteigert. Die Diagnose unklarer Leberherde,<br />

<strong>der</strong> Nachweis von Lebermetastasen<br />

und die Präzision ultraschallgezielter Interventionen<br />

(z. B. Radiofrequenzablation)<br />

werden erheblich verbessert. Die notwendige<br />

Ausbildung und Qualität <strong>der</strong> Untersucher<br />

wird durch das Mehrstufenmodell<br />

<strong>der</strong> DEGUM (Deutsche Gesellschaft für<br />

Ultraschall in <strong>der</strong> Medizin) gewährleistet.


Literatur<br />

[1] Stang A, Keles H, von Seydewitz C, Hentschke S,<br />

Braumann D. Kontrastmittel in <strong>der</strong> Abdomensonographie:<br />

Aktueller Stand und Perspektiven. Dtsch Med Wochenschr<br />

2006; 131: 1813-18.<br />

[2] Spangenberg HC, Thimme R, Blum HE. Der Leber-<br />

rundherd. Dtsch Ärztebl 2007; 104(33): A2279-88.<br />

[3] Boozari B, Lotz J, Galanski M, Gebel M. Bildgebende<br />

Diagnostik von Lebertumoren: Aktueller Stand. Internist<br />

2007; 48: 8–20.<br />

[4] EFSUMB Study Group. Guidelines for the use of<br />

contrast agents in ultrasound. Ultraschall in Med 2004; 25:<br />

249-56.<br />

Abb. 1: Hämangiom (a) Basis-Sonographie, kaum erkenn-<br />

barer Leberherd (b, c), nach 57 und 117 Sekunden zuneh-<br />

mende Kontrastmittelfüllung (Irisblendenphänomen)<br />

[5] Quaia E, Callida F, Bertolotto M et al. Characterization<br />

of focal liver lesions with contrast specific US modes and<br />

a sulfur hexafluorid-filled microbubble contrast agent:<br />

diagnostic performance and confidence. Radiology 2004;<br />

232: 420-30.<br />

[6] Bryant TH, Blomley MJ, Albrecht T et al. Liver phase<br />

uptake of a liver specific microbubble improves characte-<br />

risation of liver lesions: a prospective multicenter study.<br />

Radiology 2004; 232: 799–809.<br />

[7] Stang A, Keles H, von Seydewitz C, Teichmann W,<br />

Malzfedt E, Braumann D. Percutanous and intraoperative<br />

ultrasound-guided radiofrequency ablation of hepatic<br />

tumors. Ultraschall in Med 2007; 28: 181-8.<br />

Abb. 2: Lebermetastase (a) Basis-Sonographie, echoreicher<br />

Leberherd (b, c), nach 23 und 115 Sekunden zunehmende<br />

Kontrastmittelaussparung<br />

Kontakt<br />

Dr. Axel Stang<br />

2. Medizinische Abteilung – Schwerpunkt<br />

Hämatologie und Onkologie<br />

<strong>Asklepios</strong> Klinik Altona<br />

Paul-Ehrlich-Straße 1, 22763 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-81 13 08<br />

Fax (0 40) 18 18-81 49 04<br />

E-Mail: a.stang@asklepios.com<br />

Onkologie<br />

453


Medtropole | Ausgabe Oktober 2007<br />

Die mo<strong>der</strong>ne Behandlung<br />

des Rektumkarzinoms<br />

Prof. Dr. Eberhard Gross<br />

Die Heilungsaussichten des Rektumkar-<br />

zinoms sind nicht schlechter als die des<br />

Colonkarzinoms. So werden 65 bis 75 Pro-<br />

zent <strong>der</strong> Patienten nach kurativer Opera-<br />

tion geheilt, wenn bei <strong>der</strong> Behandlung die<br />

Kenntnisse <strong>der</strong> Tumorausbreitung berück-<br />

sichtigt werden. [4] Dabei ist es erstes Be-<br />

handlungsziel, ein lokales Rezidiv zu ver-<br />

meiden. Das lokale, in <strong>der</strong> Regel pelvine<br />

Rezidiv ist selten kurabel und begrenzt<br />

damit das Leben. Darüber hinaus verur-<br />

sacht es Schmerzen und schwere lokale<br />

Komplikationen, die einer aufwendigen<br />

Behandlung bedürfen. Gegenüber dem<br />

Colonkarzinom tangiert die Behandlung<br />

des Rektumkarzinoms auch immer Fragen<br />

<strong>der</strong> Lebensqualität: Lässt sich die Stuhl-<br />

kontinenz erhalten, kann eine dauerhafte<br />

Colostomie umgangen werden und lassen<br />

sich Störungen <strong>der</strong> Harnblasen- und Sexu-<br />

alfunktion verhin<strong>der</strong>n?<br />

Die mo<strong>der</strong>ne Rektumkarzinomchirurgie<br />

basiert auf zwei Charakteristiken des lo-<br />

kalen Tumorwachstums: Das Karzinom<br />

breitet sich zum einen im Mesorektum<br />

454<br />

(Abb. 1) kontinuierlich und diskontinuier-<br />

lich sowohl quer zur Darmachse als auch<br />

in Richtung <strong>der</strong> Darmachse bis zu fünf<br />

Zentimeter unterhalb des makroskopisch<br />

sichtbaren kaudalen Tumorrandes aus. [5]<br />

Zum an<strong>der</strong>en wächst <strong>der</strong> Tumor in <strong>der</strong><br />

Darmwand selbst selten über den sicht-<br />

baren Rand hinaus, und wenn, dann nur in<br />

einer Ausdehnung von einem Zentimeter.<br />

Daraus folgt, dass einerseits das Mesorek-<br />

tum bei Tumoren im mittleren und unteren<br />

Rektumdrittel, also bis zu einer Höhe von<br />

zwölf Zentimetern ab ano, vollständig ent-<br />

fernt werden muss und dass an<strong>der</strong>erseits<br />

<strong>der</strong> Anus immer dann erhalten werden<br />

kann, wenn <strong>der</strong> Tumor den Schließmus-<br />

kel nicht befallen hat, da bei Tumoren<br />

unmittelbar oberhalb des Analkanals ein<br />

Sicherheitsabstand von einem Zentimeter<br />

ausreicht (Abb. 2). Dieser Sicherheits-<br />

abstand erlaubt, bei über 90 Prozent <strong>der</strong><br />

Patienten auf einen dauerhaften künst-<br />

lichen Darmausgang zu verzichten, ohne<br />

die Chance auf eine Heilung zu gefährden.<br />

Selbst bei sehr tief sitzenden Tumoren,<br />

wie solchen in <strong>der</strong> Übergangszone vom<br />

Rektum zum Analkanal, kann durch eine<br />

sogenannte intersphinktäre Resektion die<br />

Kontinenz erhalten werden.<br />

Abb. 1: Charakteristische Ausbreitung<br />

des Rektumkarzinoms<br />

Das colorektale Karzinom gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen in den Län<strong>der</strong>n mit westlicher Zivilisation.<br />

Bei den Frauen steht es nach dem Mammakarzinom an zweiter Stelle und bei Männern an dritter Stelle nach dem<br />

Bronchial- und Prostatakarzinom. Etwa 30 Prozent <strong>der</strong> colorektalen Karzinome entstehen im Rektum.<br />

Die totale Exzision des Mesorektums<br />

(TME) bedeutet immer auch die weitge-<br />

hende o<strong>der</strong> totale Resektion des Rektums<br />

selbst. Wird die Darmkontinuität im Sinne<br />

einer colorektalen o<strong>der</strong> coloanalen Anas-<br />

tomose wie<strong>der</strong> hergestellt, leiden etwa<br />

50 Prozent <strong>der</strong> Patienten an Kontinenz-<br />

störungen. Diese lassen sich durch einen<br />

Rektumersatz wie den Colon-J-Pouch o<strong>der</strong><br />

Coloplastiepouch nicht immer vermeiden,<br />

in <strong>der</strong> Regel aber deutlich vermin<strong>der</strong>n.<br />

Bei <strong>der</strong> TME sollte daher immer die Kontinenz<br />

mit einem Colonpouch wie<strong>der</strong>hergestellt<br />

werden. [3]<br />

Die Einführung <strong>der</strong> TME in die Rektumkarzinomchirurgie<br />

vermin<strong>der</strong>te das Risiko<br />

des lokalen Rezidivs so weit, dass durch<br />

die Operation allein die Raten an Lokalrezidiven<br />

von 20 bis 30 Prozent und zum<br />

Teil darüber auf unter zehn Prozent und<br />

zum Teil sogar unter fünf Prozent gesenkt<br />

werden konnten.


Prostata<br />

Samenblasen<br />

Mesorektale<br />

Faszie<br />

Tumor<br />

Abb. 2: Resektion des Rektumkarzinoms unter Erhalt des Anus<br />

Der Erfolg <strong>der</strong> TME hängt wesentlich von<br />

<strong>der</strong> operativen Präzision ab. Diese wird<br />

daher von den Pathologen im Sinne einer<br />

Qualitätskontrolle beurteilt. Neben <strong>der</strong><br />

operativen Präzision wird die Heilungs-<br />

chance naturgemäß auch davon bestimmt,<br />

wie weit <strong>der</strong> Tumor in das Mesorektum<br />

eingewachsen ist. Das Lokalrezidivrisiko<br />

ist beson<strong>der</strong>s hoch, wenn <strong>der</strong> Tumor 1 bis<br />

2 mm an den flächigen, zirkumferentiellen<br />

Resektionsrand des Mesorektums heranreicht<br />

o<strong>der</strong> diesen überschritten hat. [7]<br />

Auch die Radiochemotherapie hat ihren<br />

Platz in <strong>der</strong> Behandlung des Rektumkarzinoms.<br />

Sie wird eingesetzt, wenn das Risiko<br />

eines Lokalrezidivs trotz TME als hoch<br />

eingestuft wird.<br />

Dabei ist die präoperative (neoadjuvante)<br />

Radiochemotherapie nach <strong>der</strong> deutschen<br />

Rektumkarzinomstudie <strong>der</strong> postoperativen<br />

(adjuvanten) vorzuziehen. [8] Sie ist<br />

nicht nur effektiver, son<strong>der</strong>n geht auch mit<br />

besseren funktionellen Ergebnissen einher.<br />

Mit <strong>der</strong> Magnetresonanztomographie<br />

(MRT) kann die lokale Tumorausdehnung<br />

sehr präzise klassifiziert werden (Abb.<br />

3). Die MRT ist damit für die Indikationsstellung<br />

zur neoadjuvanten Radiochemotherapie<br />

unentbehrlich. [2] Die in unmittelbarer<br />

Nachbarschaft des Mesorektums<br />

Mesorektum<br />

verlaufenden autonomen Nerven steuern<br />

die Harnblasen- und Sexualfunktion. Störungen<br />

<strong>der</strong> Harnblasenfunktion, überwiegend<br />

vorübergehen<strong>der</strong> Natur, und dauerhafte<br />

Störungen <strong>der</strong> Sexualfunktion sind<br />

typische und häufige Komplikationen <strong>der</strong><br />

Rektumkarzinomchirurgie. [6] Mithilfe einer<br />

neuen Dissektionstechnik, <strong>der</strong> Hydrojetdissektion,<br />

lassen sich mit einem kapillären<br />

Hochduckwasserstrahl verschiedene<br />

Gewebsarten präzise trennen. Damit werden<br />

die Nerven sicher identifiziert und geschont.<br />

[1] Die mo<strong>der</strong>ne Behandlung des<br />

Rektumkarzinoms führt nicht nur zu einer<br />

besseren Heilungsrate, son<strong>der</strong>n erlaubt<br />

auch vielen Patienten nach <strong>der</strong> Behandlung<br />

ein weitgehend normales Leben.<br />

Literatur<br />

Nervenfasern<br />

[1] Arndt A, Gross E. Die Hydrojetdissektion zur Schonung<br />

<strong>der</strong> autonomen Nerven bei <strong>der</strong> TAR und TME.<br />

Vortrag Kongress <strong>der</strong> Dt Ges. f Chir München 2005.<br />

[2] Brown G, Radcliffe AG, Newscombe RG, Dallimore<br />

NS, Bourne MW, Williams GT. Preoperative assessment of<br />

prognostic factors in rectal cancer using high-resolution<br />

magnetic resonance imaging. Br J Surg 2003; 90: 1628-36.<br />

[3] Gross E, Möslein G. Pouchanlage und an<strong>der</strong>e Maßnahmen<br />

zur Verbesserung <strong>der</strong> Kontinenz nach TME. Zentralb<br />

Chir, im Druck.<br />

[4] Havenga K, Enker WE, Norstein J, Moriya Y, Heald<br />

RJ, van Houwelingen HC, van <strong>der</strong> Velde CJ. Improved<br />

survival and local control after total mesorectal excision or<br />

Abb. 3: MRT zur präzisen Klassifizierung<br />

<strong>der</strong> lokalen Tumorausdehnung<br />

D3 lymphadenectomy in the treatment of primary rectal<br />

cancer – an international analysis of 1411 patients. Eur J<br />

Surg Oncol 1999; 25: 368-74.<br />

[5] Heald RJ, Husband EM, Ryall RD. The mesorectum in<br />

rectal cancer surgery-clou to pelvic recurrence. Br J Surg<br />

1982; 69: 613-6.<br />

[6] Nesbakken A, Nygaard K, Bull-Njaa T, Carlson E, Eri<br />

LM. Blad<strong>der</strong> and sexual function after mesorectal excision<br />

for rectal cancer. Br J Surg 2000; 87: 206-10.<br />

[7] Quirke P, Durdey P, Dixon MF, Williamson NS. Local<br />

recurrence of rectal adenocarcinoma due to inadequate<br />

surgical resection-histopathological study of lateral tumor<br />

spread and surgical excision. Lancet 1986 ii 996-9.<br />

[8] Sauer R. et al. Preoperative versus postoperative chemoradiotherapy<br />

for rectal cancer. New Engl J Med 2004;<br />

351: 1731-40.<br />

Kontakt<br />

Prof. Dr. Eberhard Gross<br />

I. Chirurgische Abteilung –<br />

Allgemein- und Viszeralchirurgie<br />

<strong>Asklepios</strong> Klinik Barmbek<br />

Rübenkamp 220, 22291 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-82 28 11<br />

Fax (0 40) 18 18-82 28 19<br />

E-Mail: e.gross@asklepios.com<br />

Viszeralchirurgie<br />

455


Medtropole | Ausgabe Oktober 2007<br />

Rekonstruktion von<br />

Harnröhrenstrikturen<br />

Dr. Kilian Röd<strong>der</strong>, Dr. Roland Dahlem, Prof. Dr. Margit Fisch<br />

Diagnostik<br />

Bei <strong>der</strong> Anamnese ist beson<strong>der</strong>s auf die<br />

Dauer <strong>der</strong> Beschwerden, Verletzungen und<br />

stattgehabte Infektionen zu achten. Die<br />

Sonographie gibt Auskunft über die Rest-<br />

harnmenge, den Zustand <strong>der</strong> Harnblase,<br />

hier vor allem Blasenwanddicke und die<br />

Morphologie <strong>der</strong> Nieren. Zur Lokalisation<br />

<strong>der</strong> Striktur ist eine retrograde Urethrogra-<br />

phie notwendig. In Kombination mit einem<br />

Miktionszysturethrogramm lässt sich fast<br />

jede Striktur hinreichend bezüglich Loka-<br />

lisation und Länge beurteilen (s. Abb. 2).<br />

Ist eine exakte Beschreibung dennoch nicht<br />

sicher möglich, sind Harnröhrensonogra-<br />

phie und Urethroskopie indiziert.<br />

Allgemeines zum operativen Verfahren<br />

bei Harnröhrenstrikturen – Urethrotomia<br />

interna<br />

Seit ihrer Einführung 1973 ist die Schlit-<br />

zung unter Sicht bei 12:00 Uhr nach Sachse<br />

456<br />

ein etabliertes Verfahren zur Therapie kurz-<br />

streckiger Harnröhrenstrikturen. Entschei-<br />

dend ist die komplette Inzision <strong>der</strong> Strik-<br />

tur, was bei kurzstreckigen Engen oft mit<br />

einem Schnitt, bei längerstreckigen nur mit<br />

vielen Schnitten gelingen kann. 50 – 60 Pro-<br />

zent <strong>der</strong> Patienten benötigen anschließend<br />

keinen weiteren Eingriff. Tritt die Striktur<br />

wie<strong>der</strong> auf, sinkt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Patienten,<br />

die mit einer erneuten Schlitzung geheilt<br />

werden können. Nach einem, spätestens<br />

aber beim zweiten Rezidiv nach Urethro-<br />

tomia interna sollte eine offene Operation<br />

erfolgen.<br />

Strikturresektion mit direkter<br />

End-zu-End-Anastomose<br />

Dieses Verfahren mit perinealem Zugangs-<br />

weg kommt vor allem bei bis zu 2 cm<br />

langen hinteren (bulbären o<strong>der</strong> membra-<br />

nösen) Harnröhrenengen zum Einsatz.<br />

Längere zu resezierende o<strong>der</strong> penile<br />

Strikturen lassen sich wegen zu großer<br />

Abb. 1: Verschiedene Stadien vor<strong>der</strong>er Harnröhrenstrikturen<br />

(Sagittalschnitte).<br />

A. Schleimhautfalte<br />

B. Ringförmige Enge<br />

C. Beginnende Spongiofibrose<br />

D. Komplette Spongiofibrose<br />

E. Begleitende entzündliche Umgebungsreaktion<br />

F. Komplexe Striktur (hier mit urethrokutaner Fistelbildung)<br />

Harnröhrenstrikturen können angeboren o<strong>der</strong> – deutlich häufiger – erworben sein. Neben postinfektiösen Ursa-<br />

chen spielen Traumata und vor allem iatrogene Ursachen (z. B. Kathetereinlage, Spiegelung <strong>der</strong> Harnröhre, trans-<br />

urethrale Blasen- o<strong>der</strong> Prostataresektion) eine bedeutende Rolle. In manchen Fällen bleibt die Ursache unklar.<br />

Leitsymptome sind in <strong>der</strong> Regel Miktionsbeschwerden wie ein abgeschwächter Harnstrahl (Uroflow < 10 ml/s),<br />

Restharnbildung o<strong>der</strong> ein fächerförmiger Strahl. Die Störung kann bis hin zum akuten Harnverhalt führen. Beste-<br />

hen solche Störungen über längere Zeit, kann es zu chronischen Verän<strong>der</strong>ungen wie Divertikelbildung in <strong>der</strong> Blase<br />

kommen. Auch Blasensteine, rezidivierende Harnwegsinfekte und Epididymitiden sind häufig.<br />

Spannungsbildung <strong>der</strong> Anastomose und<br />

nachfolgen<strong>der</strong> Penisverkrümmung mit<br />

diesem Verfahren nicht erfolgsverspre-<br />

chend operieren. Bei richtiger Indikati-<br />

onsstellung liegt die Erfolgsrate dieses<br />

Verfahrens bei mehr als 85 Prozent über<br />

10 Jahre. [3]<br />

Freie Transplantate (Mundschleimhaut)<br />

Mundschleimhaut wurde erstmals 1894<br />

und im Folgenden 1941 für die Harnröh-<br />

renrekonstruktion verwendet. Seit Beginn<br />

<strong>der</strong> 90er-Jahre erlebt die „Buccal-mucosa-<br />

Urethroplastik“ zunehmende Verbreitung.<br />

Die Zehnjahresdaten zum freien Mund-<br />

schleimhauttransplantat zeigen Erfolgsraten<br />

von bis zu 85 Prozent. [4]<br />

Meshgraft-Urethroplastik<br />

Die Meshgraft-Urethroplastik findet bei<br />

komplexen sowie bei komplizierten und<br />

rezidivierenden Harnröhrenstrikturen


Anwendung. [7] Dabei wird etwa 0,3 mm<br />

starke Spalthaut beidseits neben die längs<br />

eröffnete Harnröhre transplantiert. Nach<br />

völliger Epithelisation des frei transplan-<br />

tierten Meshgrafts wird aus dem Epithel-<br />

gewinn nach etwa drei Monaten in einer<br />

zweiten Sitzung eine neue Harnröhre<br />

gebildet.<br />

Differenzierte operative Therapie /<br />

Strategie<br />

Wissen über die Lokalisation und Länge<br />

<strong>der</strong> Striktur, den Grad <strong>der</strong> Spongiofibrose<br />

sowie die Anzahl und Art eventueller Vor-<br />

operationen ist nötig, um eine adäquate<br />

operative Strategie zu entwickeln. [6]<br />

Wichtige Faktoren für eine erfolgreiche<br />

Harnröhrenrekonstruktion sind geringe<br />

Gewebetraumatisierung, gute Visuali-<br />

sation <strong>der</strong> Strukturen (ggf. Lupenbrille),<br />

passende Wahl des Nahtmaterials (mono-<br />

fil-absorbierbar) sowie adäquates Instru-<br />

mentarium inklusive Retraktor (z. B.<br />

Scott-Sperrer).<br />

Eine offene Harnröhrenrekonstruktion<br />

ist meist notwendig bei narbigen kurz-<br />

streckigen Strikturen, längerstreckigen<br />

Strikturen sowie Strikturrezidiven. Die<br />

Wahl des Verfahrens ist abhängig von<br />

Lokalisation und Länge <strong>der</strong> Stenose sowie<br />

lokalen Konditionen. [5] Vor einer ge-<br />

planten Urethroplastik sollte 8–12 Wochen<br />

keine Manipulation an <strong>der</strong> Harnröhre<br />

Abb. 3: Strikturresektion, Darstellung des<br />

hochgeklappten Corpus spongiosum und <strong>der</strong><br />

Harnröhre, Planung <strong>der</strong> End-zu-End-Anasto-<br />

mosierung<br />

vorgenommen worden sein (Bougierung,<br />

Katheterismus, Schlitzung). Daher sollte<br />

bei zunehmenden Miktionsproblemen<br />

eine frühzeitige Harnableitung über eine<br />

Cystostomie erfolgen.<br />

Membranöse Harnröhrenstrikturen ent-<br />

stehen meist nach Beckentraumata und<br />

sind oft eine Herausfor<strong>der</strong>ung für den<br />

operierenden Urologen, da hierbei das<br />

Impotenz- und bei inkompetentem Bla-<br />

senhals auch das Inkontinenzrisiko erhöht<br />

ist. Methode <strong>der</strong> Wahl ist die membranöse<br />

End-zu-End-Anastomose (Abb. 3). [6]<br />

Bei kurzstreckigen bulbären Strikturen<br />

(bis max. 2 cm) ist die End-zu-End-Anas-<br />

tomose indiziert. Hierbei erfolgt nach<br />

Längsinzision am Perineum die Längsein-<br />

schneidung <strong>der</strong> Harnröhre mit Visualisie-<br />

rung <strong>der</strong> Striktur. Das verengte Segment<br />

wird reseziert und die beiden Enden <strong>der</strong><br />

Harnröhre werden end-zu-end reanasto-<br />

mosiert. Bei längerstreckigen bulbären<br />

Engen ist die Rekonstruktion mit freiem<br />

Mundschleimhauttransplantat heute<br />

Standard.<br />

Bei penilen Engen ist ein gestielter Onlay-<br />

Lappen, z. B. aus Penishaut o<strong>der</strong> Vorhaut<br />

o<strong>der</strong> ein „Mundschleimhaut-Inlay“ indi-<br />

ziert, [1,2,3] bei komplexen langstreckigen<br />

Strikturen mit tiefgreifen<strong>der</strong> Spongiofibro-<br />

se o<strong>der</strong> bei häufig voroperierten Patienten<br />

eine Meshgraft-Urethroplastik. [6]<br />

Abb. 2: Kombiniertes retrogrades Urethrogramm (RUG) und<br />

Miktionszysturethrogramm (MCU)<br />

Literatur<br />

Urologie<br />

[1] Andrich DE, Mundy AR (2001). Substitution urethro-<br />

plasty with buccal mucosal free grafts. J Urol 165: 1131-4.<br />

[2] Barbagli G, Selli C, Tosto A, Palminteri E (1996). Dorsal<br />

free graft urethroplasty. J Urol 155: 123-6.<br />

[3] Filipas D, Fisch M, Fichtner J, Fitzpatrick J, Berg K,<br />

Storkel S, Hohenfellner R, Thüroff JW (1999). The histology<br />

and immunohistochemistry of free buccal mucosa and full-<br />

skin grafts after exposure to urine. Br J Urol 84: 108-11.<br />

[4] Kessler TM, Schreiter F, Kralidis G, Heitz M, Olianas R,<br />

Fisch M (2003). Long-term results of surgery for urethral<br />

stricture: a statistical analysis. J Urol 170: 840-4.<br />

[5] Schlossberg SM (2006). A current overview of the<br />

treatment of urethral strictures: etiology, epidemiology,<br />

pathophysiology, classification, and principles of repair.<br />

In: Schreiter F, Jordan GH (Hrsg.) Reconstructive urethral<br />

surgery. Springer, Berlin Heidelberg New York, S. 60-5.<br />

[6] Schreiter F, Noll F (1987). Meshgraft urethroplasty.<br />

World J Urol 5: 41-6.<br />

[7] Schreiter F, Schönberger R, Olianas R (2006). Recon-<br />

struction of the bulbar and membranous urethra. In:<br />

Schreiter F, Jordan G. H. (Hrsg.). Reconstructive urethral<br />

surgery. Springer, Berlin Heidelberg New York, S. 107-20.<br />

Kontakt<br />

Dr. Kilian Röd<strong>der</strong><br />

Urologisches Zentrum Hamburg-Harburg<br />

Eißendorfer Pferdeweg 52, 21075 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-86 25 55<br />

Fax (0 40) 18 18-86 31 22<br />

E-Mail: k.roed<strong>der</strong>@asklepios.com<br />

457


Medtropole | Ausgabe Oktober 2007<br />

Mo<strong>der</strong>ne Konzepte <strong>der</strong><br />

Aortenklappenchirurgie<br />

Dr. Stephan Geidel, PD Dr. Michael Laß, Prof. Dr. Jörg Ostermeyer<br />

Pro Jahr werden in Deutschland mehr als 20.000 herzchirurgische Eingriffe im Bereich <strong>der</strong> Aortenklappe (AK) durch-<br />

geführt. [1] Etwa die Hälfte dieser Prozeduren sind komplexe Kombinationseingriffe (zusätzlich: z. B. Koronar-<br />

und/o<strong>der</strong> Mitralklappenchirurgie), die übrigen sogenannte isolierte AK-Operationen.<br />

Während die zahlenmäßige Bedeutung im-<br />

plantierter Homografts (= menschliches<br />

Klappenmaterial, bundesweit im Jahr 2005:<br />

n = 34) und <strong>der</strong> sogenannten Ross-Opera-<br />

tion (Pulmonalklappe in Aortenposition,<br />

2005: n = 125; Deutsches Ross-Register)<br />

verhältnismäßig gering geblieben ist (< 1<br />

Prozent), steigt <strong>der</strong> prozentuale Anteil ver-<br />

wendeter biologischer Klappenprothesen<br />

(porcin = „Schweineklappe“; bovin = „Rin-<br />

<strong>der</strong>perikardklappe“) kontinuierlich (2005:<br />

67 Prozent). Mechanische Kunstklappen<br />

werden immer seltener implantiert (30 Pro-<br />

zent). Die Gründe hierfür sind vielschich-<br />

tig und zum einen in <strong>der</strong> demografischen<br />

Entwicklung zu sehen: Je nach Region<br />

beträgt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> über 70-jährigen<br />

herzchirurgischen Patienten bereits zwi-<br />

schen 40–50 Prozent. Zum an<strong>der</strong>en ist von<br />

einer sehr langen Haltbarkeit (> 15 Jahre)<br />

und verbesserten hämodynamischen Be-<br />

dingungen biologischer Klappenprothese<br />

insbeson<strong>der</strong>e sogenannter Stentless- und<br />

Perikardklappen auszugehen, was die<br />

Implantation von Bioklappen (keine dau-<br />

erhafte <strong>Antikoagulation</strong>!) inzwischen auch<br />

bei jüngeren Patienten rechtfertigt. [2,3] Für<br />

einen Teil <strong>der</strong> Patienten kommen neuer-<br />

dings auch klappenerhaltende Verfahren<br />

(AK-Rekonstruktion) infrage. [2,4]<br />

Prä- und intraoperative Diagnostik<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> zugrunde liegenden Funk-<br />

tionsstörung werden AK-Fehler grund-<br />

sätzlich in Stenosen, Insuffizienzen und<br />

kombinierte Erkrankungen eingeteilt.<br />

Klinische Beschwerden (Dyspnoe, Angina<br />

458<br />

pectoris, Schwindelgefühl) treten in <strong>der</strong><br />

Regel spätestens bei einem Schweregrad<br />

III auf [2,5] und zeigen dann bereits eine<br />

als dringlich einzuschätzende Operations-<br />

indikation an. Die präoperative kardiale<br />

Diagnostik umfasst neben einer Elektro-<br />

und Echokardiographie auch die Herzka-<br />

theteruntersuchung. Die weitere präope-<br />

rative Diagnostik sollte, wenn es die Zeit<br />

erlaubt, eine Carotis-Doppleruntersuchung<br />

und eine Fokussuche (HNO-ärztliche und<br />

zahnärztliche Diagnostik) beinhalten. Bei<br />

zusätzlicher Erkrankung <strong>der</strong> Aorta ascen-<br />

dens, etwa einem Aneurysma o<strong>der</strong> einer<br />

chronischen Dissektion, sind eine Compu-<br />

ter- (CT) o<strong>der</strong> eine Magnetresonanztomo-<br />

graphie (MRT) zu for<strong>der</strong>n.<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> Ätiologie <strong>der</strong> AK-Fehler<br />

kommen vor allem post-rheumatische,<br />

degenerative und entzündliche Erkrankungen<br />

(Endokarditis) in Betracht, [2,5]<br />

wobei die Aortenklappe anatomisch pri-<br />

mär tricuspidal o<strong>der</strong> (in ganz seltenen<br />

Fällen) bicuspid angelegt sein kann (Abb.<br />

1). Einen eher seltenen Fall stellt die Pro-<br />

thesenendokarditis nach AK-Voroperation<br />

dar. Grundsätzlich muss bei jedem AK-<br />

chirurgischen Patienten das operative Ziel<br />

verfolgt werden, die Klappenfunktionsstö-<br />

rung vollständig zu beheben. Im Rahmen<br />

des AK-Eingriffs erfolgen außerdem alle<br />

weiteren notwendigen Maßnahmen (zum<br />

Beispiel Mitralklappenrekonstruktion, Ko-<br />

ronarrevaskularisation o<strong>der</strong> Ablationschi-<br />

rurgie bei Vorhofflimmern [VHF] [6-8] ).<br />

Die Prothesen-Implantation/-Rekonstruk-<br />

tion wird intraoperativ routinemäßig mit-<br />

tels transoesophagealer Echokardiographie<br />

(TEE) beurteilt.<br />

Der chirurgische Eingriff<br />

Die Aortenklappe wird üblicherweise nach<br />

medianer Sternotomie über eine supra-<br />

valvuläre Inzision <strong>der</strong> Aorta ascendens<br />

dargestellt. Die minimal-invasive AK-<br />

Chirurgie (partielle Sternotomie) nimmt<br />

mit nur 3,5 Prozent <strong>der</strong> isolierten Aorten-<br />

klappeneingriffe einen verhältnismäßig<br />

geringen Anteil ein. [1] Nach Anschluss<br />

<strong>der</strong> Extrakorp<strong>oralen</strong> Zirkulation (EKZ),<br />

Kardioplegiegabe (Myokardprotektion,<br />

z. B. kristalloide Bretschnei<strong>der</strong>-Lösung o<strong>der</strong><br />

Blutkardioplegie) erfolgen die Inzision<br />

<strong>der</strong> Aorta ascendens und anschließend die<br />

AK-Inspektion. Bei schwer verkalkten AK-<br />

Fehlern mit hochgradiger Stenose ist ein<br />

Klappenersatz Methode <strong>der</strong> Wahl, wobei<br />

die Implantation „kleiner“ Klappenpro-<br />

thesen möglichst vermieden wird. Durch<br />

sorgfältige Entkalkung des Klappenanulus<br />

und die Wahl von Prothesen mit beson<strong>der</strong>s<br />

gutem Öffnungs-/Schließungsverhalten (=<br />

niedriger Gradient, kein valvulärer Reflux,<br />

z. B. Stentless-Perikardklappe) soll ein<br />

möglichst optimales hämodynamisches Er-<br />

gebnis erzielt werden (Abb. 2). Dies hängt<br />

vor allem auch vom Konzept <strong>der</strong> assoziierten<br />

chirurgischen Maßnahmen ab. [6-8]<br />

Relevante Fortschritte <strong>der</strong> vergangenen<br />

Jahre sind vor allem in <strong>der</strong> Entwicklung<br />

mo<strong>der</strong>ner Bioklappenprothesen zu sehen:<br />

einfachere Implantation = kürzere OP-<br />

Zeiten bei Stentless-Klappen, verbesserte<br />

feingewebliche Vorbehandlung/Konservie-


Abb. 1: Verkalktes Aortenklappenvitium mit führen<strong>der</strong> Stenose (tricuspidale/bicuspide Anlage). Der intraoperative<br />

Befund mit stark eingeschränkter Gewebebeweglichkeit spricht für eine post-rheumatische Genese.<br />

Abb. 2: Stentless-Bioklappe vor und nach Implantation (Material: Rin<strong>der</strong>perikard). Die Implantation erfolgt in<br />

fortlaufen<strong>der</strong> Nahttechnik.<br />

rung des Klappenmaterials. Ein klappener-<br />

haltendes rekonstruktives Vorgehen kommt<br />

insbeson<strong>der</strong>e bei Patienten mit AK-Insuffi-<br />

zienz in Betracht. Ein bewährtes Verfahren<br />

stellt hier die sogenannte David-Operation<br />

dar (AK-Rekonstruktion, Ascendensersatz<br />

mittels Gefäßprothese und Koronarostien-<br />

implantation in die Gefäßprothese; Abb. 3).<br />

Die Aortenklappenrekonstruktion im Sinne<br />

einer Anulus-/Wurzelraffung im Rahmen<br />

primärer Aorta-ascendens-Operationen ist<br />

ebenfalls ein langjährig bewährtes Routine-<br />

verfahren (Abb. 4). Bei schweren Verkal-<br />

kungen des Anulus und <strong>der</strong> Aortenwurzel<br />

bleibt die Implantation von Klappenprothe-<br />

sen mit Stent Methode <strong>der</strong> Wahl (Abb. 5).<br />

Ergebnisse und Nachsorge<br />

Die Zahl <strong>der</strong> in unserer Klinik durchge-<br />

führten AK-Operationen beträgt <strong>der</strong>zeit<br />

etwa 300 Eingriffe pro Jahr. Bei fast 60<br />

Pro-zent <strong>der</strong> Patienten ist eine zusätzliche<br />

Rekonstruktion <strong>der</strong> Mitralklappe, eine<br />

Ablationsbehandlung bei Vorhofflimmern<br />

o<strong>der</strong> eine koronare Bypassoperation Teil<br />

<strong>der</strong> notwendigen chirurgischen Maßnah-<br />

men. Das Durchschnittsalter <strong>der</strong> Aorten-<br />

klappen-Patienten liegt <strong>der</strong>zeit bei fast 75<br />

Jahren, meist besteht bereits ein klinisches<br />

Stadium III–IV. Die Operationszeit beträgt<br />

im Durchschnitt etwas über drei Stunden,<br />

die Entlassung zur weiteren Rehabilitation<br />

ist meist schon nach 8–9 Tagen möglich.<br />

Die perioperative Letalität (< 30 Tage) bei<br />

isolierten AK-Operationen beträgt in un-<br />

serer Klinik 1,8 Prozent (2003–2007; Bun-<br />

desdurchschnitt: 3,6 Prozent [1] ), weitere<br />

Komplikationen (Wundinfektion, Schlag-<br />

anfall, Pneumonie) liegen zusammen unter<br />

fünf Prozent. Die Mehrzahl <strong>der</strong> Patienten<br />

ist schon kurz nach <strong>der</strong> Operation wie<strong>der</strong><br />

gut belastbar und beschwerdefrei. Das<br />

postoperative <strong>Antikoagulation</strong>sschema<br />

sieht bei stabilem Sinusrhythmus, Bioklap-<br />

penimplantation o<strong>der</strong> AK-Rekonstruktion<br />

eine Phenprocoumongabe für maximal drei<br />

Monate vor. Bei Risikopatienten kann <strong>der</strong><br />

INR-Level etwas höher liegen o<strong>der</strong> zu-<br />

sätzlich ASS gegeben werden, eine Dauer-<br />

antikoagulation wird nur in Einzelfällen<br />

durchgeführt.<br />

Fazit und Ausblick<br />

Zur chirurgischen Behandlung von Aor-<br />

tenklappenerkrankungen stehen inzwi-<br />

schen hoch standardisierte und bewährte<br />

herzchirurgische Konzepte zur Verfügung.<br />

Sie beinhalten die konsequente Mitversor-<br />

gung einer begleitenden relevanten Mi-<br />

tralklappenerkrankung, einer koronaren<br />

Herzkrankheit und/o<strong>der</strong> eines Vorhofflim-<br />

merns. Verlässliche Klappenersatz- und<br />

Rekonstruktionsmethoden haben zu einer<br />

Minimierung des operativen Risikos und<br />

verbesserten individuellen Langzeitergeb-<br />

nissen bei schweren Aortenklappenfehlern<br />

beigetragen. Künftig werden außerdem –<br />

möglicherweise sogar bei einem größeren<br />

Teil <strong>der</strong> Patienten mit isolierten AK-Erkran-<br />

kungen o<strong>der</strong> überdurchschnittlich hohem<br />

Risikoprofil für einen konventionellen Ein-<br />

griff – perkutane Klappen-Implantations-<br />

verfahren (Kathetertechnik) o<strong>der</strong> transa-<br />

pikale Prozeduren (chirurgische Implan-<br />

tation über eine Punktion <strong>der</strong> Herzspitze)<br />

durchgeführt werden können. [9]<br />

Literatur<br />

[1] Gummert JF, Funkat A, Beckmann A et al. Cardiac<br />

surgery in germany during 2005: A report on behalf of the<br />

german society for thoracic and cardiovascular surgery.<br />

Thorac Cardiov Surg 2006; 54: 362-71.<br />

[2] Kouchoukos NT, Blackstone EH, Doty DB et al. In:<br />

Kirklin JW/Barratt-Boyes B: Cardiac Surgery, Third Edition<br />

(Churchill Livingstone, Philadelphia, USA). Aortic valve<br />

disease. 2003: Volume 1: 554–656.<br />

[3] Repossini A, Kotelnikov I, Bouchikhi R et al. Single-su-<br />

ture line placement of a pericardial stentless valve. J Thorac<br />

Cardiovasc Surg 2005; I30: I265-9.<br />

Herzchirurgie<br />

[4] David TE, Feindel CM. An aortic valve-sparing operati-<br />

on for patients with aortic incompetence and aneurysm of<br />

459


Medtropole | Ausgabe Oktober 2007<br />

Abb. 3: David-Operation: Rekonstruktion <strong>der</strong> Aortenklappe mit Ersatz <strong>der</strong> Aorta ascendens durch eine Gefäßprothese<br />

und Implantation <strong>der</strong> Koronararterien.<br />

Abb. 4: AK-Rekonstruktion im Rahmen einer Aorta-ascendens-Operation bei Aneurysma und erheblicher Erweiterung<br />

<strong>der</strong> Aortenwurzel. Durch Raffung mittels einer Filzleistenmanschette wird wie<strong>der</strong> ein kompetenter Klappenschluss erzielt.<br />

Abb. 5: Bioklappe mit Stent vor und nach Implantation. Hier hat sich die Implantation in Einzelnahttechnik bewährt,<br />

da so eine bestmögliche Verankerung <strong>der</strong> Klappenprothese garantiert werden kann.<br />

460<br />

the ascending aorta. J Thorac Cardiovasc Surg 1992;<br />

103 (4): 617-21.<br />

[5] Ostermeyer J, Geidel S, Laß M. In: Berger M, Domschke<br />

W, Hohenberger W, Meinertz T, Reinhardt D, Possinger K.<br />

Therapie-Handbuch. Chirurgische Therapie erworbener<br />

Herzklappenfehler. Urban & Fischer München 2005; C9: 1–6.<br />

[6] Geidel S, Laß M, Ostermeyer J. Operative Techniken<br />

<strong>der</strong> rekonstruktiven Mitralklappenchirurgie. Hamburger<br />

Ärzteblatt 2005; 2: 60-4.<br />

[7] Geidel S, Ostermeyer J, Laß M et al. Permanent atrial<br />

fibrillation ablation surgery in CABG and aortic valve pati-<br />

ents is at least as effective as in mitral valve disease. Thorac<br />

Cardiovasc Surg 2006; 54: 91-5.<br />

[8] Geidel S, Ostermeyer J. In: Berger M, Domschke W,<br />

Hohenberger W, Meinertz T, Possinger K, Reinhardt D.<br />

Therapie-Handbuch. Koronare Herzkrankheit: Chirur-<br />

gische Therapie. Urban & Fischer München, Jena 2007;<br />

C1.2: 1–13.<br />

[9] Walther T, Falk V, Kempfert J et al. Transapical minimal-<br />

ly invasive aortic valve implantation. Thorac Cardiovasc<br />

Surg 2007; 55, Suppl. 1, S. 37. [Presented at the 36th<br />

Annual Meeting, German Society of Thoracic, Cardiac and<br />

Vascular Surgery; Hamburg 11.-14.02.2007.]<br />

Kontakt<br />

Dr. Stephan Geidel<br />

PD Dr. Michael Laß<br />

Prof. Dr. Jörg Ostermeyer<br />

Hanseatisches Herzzentrum Hamburg<br />

Abteilung für Herzchirurgie<br />

<strong>Asklepios</strong> Klinik St. Georg<br />

Lohmühlenstraße 5, 20099 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-85 41 50/41 51 (Sekretariat)<br />

Tel. (0 40) 18 18-85 22 61 (Normalstation)<br />

Tel. (0 40) 18 18-85 22 62 (Intensivstation)<br />

Tel. (0 40) 18 18-85 22 85 (Privatstation)<br />

Fax (0 40) 18 18-85 41 84<br />

E-Mail: s.geidel@asklepios.com


Abb. 5: LKG-Operation unter dem OP-Mikroskop in <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> Klinik Nord (Kopfzentrum)<br />

Kin<strong>der</strong> mit Lippen-, Kiefer-,<br />

Gaumenspalten im Kopfzentrum<br />

Prof. Dr. Dr. Thomas Kreusch<br />

Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten sind eine <strong>der</strong> häufigsten Fehlbildungen bei Kin<strong>der</strong>n und treten mit einer Spaltbil-<br />

dung auf 500 Neugeborene auf. [1] Damit werden allein im Hamburger Raum pro Jahr fast 40 Kin<strong>der</strong> mit Lippen-,<br />

Kiefer-, Gaumenspalten geboren.<br />

Das Ausmaß <strong>der</strong> Spaltbildung kann variabel<br />

sein, es reicht von <strong>der</strong> Lippenkerbe o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

gespaltenen Uvula bis zur doppelseitigen<br />

breiten Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalte.<br />

Dabei ist die Lippe in ihrer Kontinuität unterbrochen,<br />

<strong>der</strong> harte und weiche Gaumen<br />

sowie <strong>der</strong> Alveolarfortsatz sind gespalten.<br />

Eine räumliche Trennung zwischen Mundund<br />

Nasenhöhle ist aufgehoben, die Zunge<br />

kann sich in die Spalte einlagern.<br />

Die Probleme für ein Spaltkind sind vielfältig:<br />

Ist <strong>der</strong> Gaumen betroffen, kann das Kind<br />

keinen Unterdruck aufbauen, um an <strong>der</strong><br />

Brust zu saugen – eine normale Ernährung<br />

ist oft nicht möglich.<br />

Durch Spalten, die den weichen Gaumen<br />

betreffen, kommt es zu einer Belüftungs-<br />

störung des Mittelohres. Chronische<br />

Mittelohrergüsse und daraus folgende<br />

Hörstörungen drohen.<br />

Die Sprachfunktion ist durch einen nicht<br />

möglichen velopharyngealen Abschluss<br />

beeinträchtigt.<br />

Es kann zu Zahn- und Kieferfehlstel-<br />

lungen kommen, seitliche Schneide-<br />

zähne können nicht angelegt sein.<br />

Hinzu kommt die ästhetische Beeinträch-<br />

tigung.<br />

Der Vielzahl <strong>der</strong> Beeinträchtigungen ent-<br />

sprechend, sollen Kin<strong>der</strong> mit LKG-Spalten<br />

in einem Spaltzentrum wie dem Kopfzen-<br />

trum <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> Klinik Nord betreut<br />

werden, um alle Folgen <strong>der</strong> Spaltbildung<br />

gut zu korrigieren.<br />

Häufig wird eine LKG-Spalte bereits bei<br />

<strong>der</strong> Ultraschalluntersuchung in <strong>der</strong> 20.<br />

Herzchirurgie | Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie<br />

Schwangerschaftswoche erkannt. Natürlich<br />

erschrecken die Eltern zunächst über<br />

so eine Diagnose, aber sie bekommen<br />

sofort einen Termin in <strong>der</strong> Abteilung für<br />

Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Hier<br />

werden sie ausführlich über die Fehlbildung<br />

aufgeklärt und über die Behandlungsschritte<br />

informiert, sodass ihnen die<br />

großen Sorgen um ihr ungeborenes Kind<br />

abgenommen werden. Auf Bil<strong>der</strong>n hier<br />

operierter Kin<strong>der</strong> erkennen sie, dass sich<br />

LKG-Spalten gut korrigieren lassen.<br />

Die Geburt von Kin<strong>der</strong>n mit Lippen-, Kiefer-,<br />

Gaumenspalten verläuft völlig normal<br />

und wird durch die Spalte nicht beeinflusst.<br />

Direkt nach <strong>der</strong> Geburt besucht <strong>der</strong> Mund-,<br />

Kiefer-, Gesichtschirurg die Mutter und das<br />

Neugeborene, untersucht das Kind gründ-<br />

461


Medtropole | Ausgabe Oktober 2007<br />

Abb. 1: Breite LKG-Spalte präoperativ Abb. 2: Breite LKG-Spalte postoperativ<br />

lich und stellt die endgültige Diagnose.<br />

Gemeinsam mit <strong>der</strong> Stillberaterin, die die<br />

Mutter bereits vor <strong>der</strong> Geburt beim ersten<br />

Gespräch kennengelernt hat, wird entschie-<br />

den, ob eine kleine Trinkplatte angefertigt<br />

werden muss. Damit wird in vielen Fällen<br />

auch bei Spaltkin<strong>der</strong>n die Ernährung an<br />

<strong>der</strong> Brust möglich. Gerade für Kin<strong>der</strong><br />

mit Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten ist<br />

die Ernährung mit Muttermilch wichtig,<br />

um eine möglichst gute Immunsituation<br />

aufzubauen.<br />

Nachdem die Kin<strong>der</strong>ärzte das Kind auf<br />

eventuelle weitere Fehlbildungen unter-<br />

sucht haben, übernimmt die Spaltsprech-<br />

stunde <strong>der</strong> Abteilung für Mund-, Kiefer-<br />

und Gesichtschirurgie nach Entlassung aus<br />

<strong>der</strong> Geburtsabteilung die weitere Betreu-<br />

ung. Dazu gehören weitere Beratungen<br />

und gegebenenfalls Kontrollen des Trink-<br />

plättchens.<br />

Um den dritten Lebensmonat herum er-<br />

folgt <strong>der</strong> Verschluss <strong>der</strong> Lippe als erster<br />

462<br />

operativer Eingriff. Vor <strong>der</strong> Operation<br />

inspiziert <strong>der</strong> HNO-Arzt in <strong>der</strong> gleichen<br />

Narkose die Trommelfelle und legt bei Be-<br />

darf kleine Drainageröhrchen ein. Danach<br />

operiert <strong>der</strong> MKG-Chirurg die Lippe unter<br />

dem Mikroskop und stellt sie durch Verla-<br />

gern <strong>der</strong> nicht verschlossenen Muskel- und<br />

Hautanteile in ihrer ursprünglichen Form<br />

wie<strong>der</strong> her. Gleichzeitig wird eine primäre<br />

Korrektur <strong>der</strong> Nase durchgeführt.<br />

Zwischen dem neunten und dem zwölften<br />

Monat erfolgt <strong>der</strong> Verschluss des Gaumens.<br />

In vielen Fällen können harter und weicher<br />

Gaumen gemeinsam verschlossen werden,<br />

sodass danach wesentliche Teile <strong>der</strong> Spalte<br />

endgültig verschlossen sind. Bei allen Ope-<br />

rationen von LKG-Kin<strong>der</strong>n wird immer<br />

ein Elternteil mit aufgenommen, damit<br />

die kleinen Patienten möglichst wenig<br />

aus ihrem normalen Rhythmus und ihrer<br />

normalen Umgebung herausgenommen<br />

werden.<br />

Bei Spaltbildungen, die den zahntra-<br />

genden Kieferteil umfassen, erfolgt um<br />

den zehnten Geburtstag <strong>der</strong> Verschluss <strong>der</strong><br />

Kieferspalte mit Knochen vom Becken-<br />

kamm. Damit wird sichergestellt, dass sich<br />

auch <strong>der</strong> Eckzahn, <strong>der</strong> häufig nicht normal<br />

durchbricht, in die Zahnreihe einstellen<br />

kann. In den meisten Fällen ist nach Wachs-<br />

tumsabschluss noch eine Nasenkorrektur<br />

erfor<strong>der</strong>lich, zum Beispiel die Korrektur<br />

<strong>der</strong> Nase auf Symmetrie, eine Verlängerung<br />

des Nasenstegs o<strong>der</strong> die Begradigung <strong>der</strong><br />

Nasenscheidewand.<br />

Alle operativen Eingriffe werden so geplant,<br />

dass das Wachstum möglichst wenig<br />

durch Narbenbildung beeinträchtigt wird.<br />

Zugleich soll <strong>der</strong> Verschluss <strong>der</strong> Spalte früh<br />

erfolgen, damit die ästhetische und funktionelle<br />

Rehabilitation möglichst perfekt<br />

gelingt.<br />

Alle Kin<strong>der</strong> werden in <strong>der</strong> Spaltsprechstunde<br />

durch das interdisziplinäre Team<br />

bis zum 18. Geburtstag regelmäßig betreut.<br />

Zwischen den jährlichen Kontrolluntersuchungen<br />

werden bei Bedarf weitere Kontrollen<br />

vereinbart. Alle Probleme und be-


Abb. 3: Doppelseitige LKG-Spalte präoperativ Abb. 4: Doppelseitige LKG-Spalte postoperativ<br />

handlungsbedürftigen Befunde, die mit <strong>der</strong><br />

LKG-Spalte zusammenhängen, werden<br />

hier in <strong>der</strong> Sprechstunde behandelt o<strong>der</strong><br />

die Behandlung wird organisiert.<br />

Eine erste logopädische Befun<strong>der</strong>hebung<br />

erfolgt bereits ab dem ersten Geburtstag.<br />

Bei Bedarf wird den Eltern <strong>der</strong> Kontakt<br />

zu mit Spaltkin<strong>der</strong>n erfahrenen Logo-<br />

päden vermittelt. Die kieferorthopä-<br />

dische Betreuung erfolgt ebenfalls durch<br />

Kieferorthopäden in Wohnortnähe <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong>. Alle mitbehandelnden Ärzte und<br />

Therapeuten werden mit regelmäßigen<br />

Arztbriefen über das weitere Vorgehen<br />

informiert.<br />

Auch erwachsene Patienten mit Lippen-,<br />

Kiefer-, Gaumenspalten können sich<br />

je<strong>der</strong>zeit im Kopfzentrum <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong><br />

Klinik Nord vorstellen. Die Behandlung<br />

von Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten ist<br />

eine gesetzliche Leistung <strong>der</strong> Krankenkas-<br />

sen, in diesem Fall übernehmen sie sogar<br />

die Kosten von Zahnimplantaten.<br />

Fazit<br />

Erfolgt die Behandlung <strong>der</strong>artiger Fehl-<br />

bildungen konsequent und frühzeitig in<br />

einem dafür ausgerüsteten Behandlungs-<br />

team, entwickeln sich Gesichtsweichteile<br />

und Kiefer normal, die Sprache ist in den<br />

meisten Fällen ungestört und das Hörver-<br />

mögen ist bei regelmäßiger Betreuung<br />

durch den Hals-, Nasen-, Ohrenarzt nor-<br />

mal. Das Problem <strong>der</strong> Lippen-, Kiefer-,<br />

Gaumenspalten ist aus dem öffentlichen<br />

Bewusstsein ein wenig verschwunden,<br />

weil die früher häufig durch von außen er-<br />

kennbare Narben und Funktionsstörungen<br />

entstellten Patienten durch frühzeitige<br />

perfekte Behandlung heute kaum noch<br />

zu erkennen sind. Obwohl die Häufigkeit<br />

von Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten<br />

weiter zunimmt, sind diese Fehlbildungen<br />

immer besser zu behandeln – solange die<br />

Betreuung in einem dafür ausgerüsteten<br />

Zentrum erfolgt.<br />

Literatur<br />

Kontakt<br />

Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie<br />

[1] Hagberg C, Larson O, Milerad J. Incidence of Cleft<br />

Lip and Palate and risk of additional malformations, Cleft<br />

Palate Craniofacial J 1997; 35(1): 40-5.<br />

[2] Hausamen JE, Machtens E, Reuther J. Mund-, Kiefer-,<br />

Gesichtschirurgie. Berlin: Springer 1995.<br />

[3] Kreusch Th. Aktuelles Behandlungskonzept <strong>der</strong><br />

Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten. Chir Praxis 1999; 56:<br />

121-35.<br />

Prof. Dr. Dr. Thomas Kreusch<br />

Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie,<br />

Plastische Operationen<br />

<strong>Asklepios</strong> Klinik Nord – Heidberg<br />

Tangstedter Landstraße 400<br />

22417 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-87 34 91<br />

Fax (0 40) 18 18-87 37 67<br />

E-Mail: t.kreusch@asklepios.com<br />

463


Medtropole | Ausgabe Oktober 2007<br />

Abb. 1: Descensus vornehmlich des ventralen Kompart-<br />

ments<br />

Die laparoskopische<br />

Descensuschirurgie<br />

Dr. Christiane Thein<br />

Die Descensuschirurgie gewinnt durch die demografische Entwicklung erheblich an Bedeutung, da die Senkungs-<br />

problematik vor allem das höhere Lebensalter betrifft. Es ist davon auszugehen, dass 6,4 Prozent aller Frauen über<br />

60 Jahre aufgrund einer Descensusproblematik operiert werden. Die Ursachen des Descensus sind vielfältig, ein<br />

disponieren<strong>der</strong> Faktor ist <strong>der</strong> erhöhte intraabdominale Druck bei chronischen Atemwegserkrankungen wie auch<br />

bei Adipositas, aber auch eine genetisch bedingte o<strong>der</strong> eine aufgrund des Östrogendefizites im Alter bestehende<br />

Bindegewebsschwäche spielt eine wichtige Rolle.<br />

Die durch die Möglichkeiten <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>-<br />

nen Medizin gesteigerte Lebensaktivität<br />

lässt die früher beliebte Pessartherapie<br />

immer mehr in den Hintergrund bzw. in<br />

das höhere Alter zurücktreten. Wichtige<br />

Argumente bei <strong>der</strong> Wahl eines operativen<br />

Verfahrens sind somit auch die Dauer des<br />

stationären Aufenthaltes und <strong>der</strong> postope-<br />

rativen subjektiven Beeinträchtigung <strong>der</strong><br />

Patientin. Hier liegt <strong>der</strong> Schwerpunkt <strong>der</strong><br />

laparoskopischen Verfahren.<br />

Zur Korrektur eines apikalen o<strong>der</strong> posteri-<br />

oren Descensus <strong>der</strong> Vaginalwand stünden<br />

neben <strong>der</strong> laparoskopischen Sacropexie die<br />

abdominale Sacropexie, die vaginale sacro-<br />

spinale Fixation nach Amreich-Richter o<strong>der</strong><br />

die Verankerung des Vaginalstumpfes an<br />

<strong>der</strong> vor<strong>der</strong>en Bauchwand über Faszien-<br />

streifen nach Williams und Richardson zur<br />

464<br />

Abb. 2: Präsentation des Promontorium Abb. 3: Das Lig. sacrouterinum als Leitstruktur <strong>der</strong><br />

Verfügung (Tab. 1). Eine weitere Möglich-<br />

keit bietet die infracoccygeale Sacrope-<br />

xie nach Petros mit Verwendung eines<br />

PDF-Bandes. Die abdominalen Verfahren<br />

sind durch die Laparotomiewunde stets<br />

mit entsprechendem Diskomfort für die<br />

Patientin verbunden. Sie bieten sich bei<br />

Kombinationseingriffen mit ausgedehnter<br />

Beckenbodenrekonstruktion an. Ebenso<br />

ermöglicht die vaginale Vorgehensweise<br />

nach Amreich-Richter weitergehende<br />

rekonstruktive Eingriffe, die häufig doch<br />

erfor<strong>der</strong>lich sind. Sie hat aber bei einsei-<br />

tiger Fixation des Vaginalstumpfes den<br />

Nachteil, dass die Vagina zur fixierten<br />

Seite abweicht. Hier würden die beidsei-<br />

tige Fixation o<strong>der</strong> die infracoccygeale Sa-<br />

cropexie Alternativen bieten. Die Fixation<br />

des Vaginalstumpfes nach Williams und<br />

Richardson bewirkt dagegen eine unphy-<br />

Präparation<br />

siologische Verlagerung des Apex vaginae<br />

nach ventral. Wir haben deshalb und we-<br />

gen <strong>der</strong> komplikationsträchtigen extrape-<br />

ritonealen Verlagerung <strong>der</strong> Faszienstreifen<br />

diese Form <strong>der</strong> Korrektur sowohl apikaler<br />

Defekte als auch Enterocelenkorrektur<br />

gänzlich verlassen.<br />

Die laparoskopische Sacropexie beschrie-<br />

ben Nezhat et al. erstmalig 1994. [1] Ihre<br />

Vorgehensweise bestand in <strong>der</strong> Anheftung<br />

eines alloplastischen Streifens an den Vagi-<br />

nalstumpf über nicht resorbierbare Fäden<br />

und Anheftung des cranialen Streifenendes<br />

an <strong>der</strong> Faszie des Os sacrum mit Klammer-<br />

o<strong>der</strong> konventioneller Naht. In dieser Serie<br />

wurden allerdings auch vor<strong>der</strong>e und hin-<br />

tere Kolporrhaphien als unterstützende<br />

Maßnahmen durchgeführt. Hier liegt auch<br />

das Problem <strong>der</strong> alleinigen sacrospinalen


Abb. 4: Physiologische Zugrichtung auf die Vagina bei<br />

sacrospinaler Fixation<br />

Fixation: das Auftreten von Rectocelen im<br />

weiteren Verlauf. Die laparoskopische Rec-<br />

tocelenbehandlung beschrieben Lyons und<br />

Winer 1997 mit Einlage eines Polyglaktinnetzes<br />

an <strong>der</strong> Scheidenhinterwand. [2]<br />

Eine weitere Lösung beschrieben Cutner<br />

und Spiteri mit <strong>der</strong> laparoskopischen Ap-<br />

plikation eines zusätzlichen resorbierbaren<br />

Meshes an <strong>der</strong> Vaginalhinterwand. [3] Wir<br />

bevorzugen das breitflächige Eröffnen des<br />

Peritoneums an <strong>der</strong> Scheidenhinterwand<br />

und das tiefe Ansetzen des Meshes mit<br />

Weiterführung bis zum Promontorium,<br />

um nicht ein weiteres Mesh einbringen zu<br />

müssen.<br />

Verfahren<br />

Die Lagerung <strong>der</strong> Patientin erfolgt in typi-<br />

scher Weise nach Trendelenburg. Ein umbi-<br />

likaler Trokar, ein 10-mm- und zwei 5-mm-<br />

Unterbauchtrokare werden eingebracht.<br />

Zur intraoperativen Darstellung und Prä-<br />

sentation des Scheidenstumpfes wird ein<br />

Manipulator in die Vagina appliziert. Das<br />

Peritoneum wird caudal des Ligamentum<br />

sacrouterinum breitflächig gespalten und<br />

das Promontorium dargestellt. Zunächst<br />

wird das Netz an <strong>der</strong> Scheidenhinterwand<br />

mit mehreren Nähten fixiert – durch ein<br />

Beckenbodendefekt<br />

Apikaler Defekt<br />

Lateraler Defekt ventral<br />

Zentraler Defekt ventral<br />

Defekt dorsal<br />

Tabelle 1<br />

tieferes Präparieren und schließlich auch<br />

Ansetzen des Meshes kann ein Descensus<br />

des posterioren Kompartments mitthe-<br />

rapiert werden – anschließend folgt die<br />

Annäherung des Vaginalstumpfes an das<br />

Promontorium. Die Fixierung wird hier<br />

mit Titanspiralklammern vorgenommen.<br />

Die konventionelle Annaht ist ebenfalls<br />

möglich, aber technisch erheblich aufwen-<br />

diger. Um einen theoretisch denkbaren<br />

mechanischen Ileus zu vermeiden folgt<br />

<strong>der</strong> Verschluss des Peritoneums, <strong>der</strong> aber<br />

nach Cutner und Spiteri nicht unbedingt<br />

erfor<strong>der</strong>lich sein soll.<br />

Die endgültige Fixierung des Netzstreifens<br />

darf nicht unter Spannung erfolgen. Es<br />

könnte sonst zum Ausreißen des Netzes<br />

o<strong>der</strong> zur Arrosion des Materials in die Va-<br />

gina kommen. Im Wesentlichen folgt die<br />

laparoskopische Technik somit dem kon-<br />

ventionellen Verfahren <strong>der</strong> abdominalen<br />

Sakropexie.<br />

Fazit<br />

Der Vorteil <strong>der</strong> laparoskopischen Sacro-<br />

pexie liegt klar auf <strong>der</strong> Seite des Pati-<br />

entenkomforts mit kurzem stationärem<br />

Aufenthalt und guter postoperativer<br />

Klinischer Aspekt<br />

Rekonvaleszenz bei einem ausgewählten<br />

Descensus uteri /<br />

Scheidenstumpfdescensus<br />

Traktionscystocele<br />

Pulsionscystocele<br />

Entero-Rectocele<br />

Gynäkologie<br />

Patientengut. Die möglichen Komplika-<br />

tionen entsprechen dem abdominalen<br />

Vorgehen mit Blutungen aus den para-<br />

sakralen Venenplexus, Periostschmerzen<br />

sowie Verletzung <strong>der</strong> Iliakalgefäße und<br />

des rechten Ureters.<br />

Literatur<br />

[1] Nehzat CH, Nezhat F, Nezhat CR. Laparoscopic sacral<br />

colpopexy for vaginal fault prolapse. Obstet Gynecol 1994;<br />

84: 885-8.<br />

[2] Lyons TL, Winer WK. Laparoscopic rectocele repair<br />

using polyglactin mesh. J Am Assoc Gynecol Laparosc<br />

1997; 4/3: 381-4.<br />

[3] Cutner A, Spiteri M. The use of submucosal small inte-<br />

stinal mesh in laparoscopic sacrocolpopexy and posterior<br />

vaginal repair. Gynecol surg 2005; 2: 187-9.<br />

Kontakt<br />

Hausinterne Therapie<br />

Sacrospinale Fixation /<br />

Infracoccygeale Sacropexie<br />

Lateral repair<br />

Anteriores mesh<br />

Anteriore Kolporrhaphie<br />

Hoher Douglasverschluss<br />

Posteriore Kolporrhaphie<br />

Dr. Christiane Thein<br />

Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe<br />

<strong>Asklepios</strong> Klinik Wandsbek<br />

Alphonsstraße 14, 22043 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-83 14 63<br />

Fax (0 40) 18 18-83 16 33<br />

E-Mail: c.thein@asklepios.com<br />

465


Medtropole | Ausgabe Oktober 2007<br />

Burnout – das Laster <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne<br />

Prof. Dr. Michael Sadre Chirazi-Stark<br />

Daten <strong>der</strong> Krankenkassen zeigen eine extreme Zunahme [1] psychischer Erkrankungen vor allem bei Menschen<br />

zwischen dreißig und fünfzig, die auf <strong>der</strong> Höhe ihrer körperlichen Kräfte stehen und ihre Leistungsfähigkeit und<br />

Belastbarkeit viele Jahre bewiesen haben.<br />

Nach sechs Jahren spürte Herr K., Mana-<br />

ger, die ersten Symptome. Rückblickend<br />

fiel ihm auf, dass es im Urlaub immer län-<br />

ger dauerte, bis er abschalten konnte. Nach<br />

längerem Joggen und anschließen<strong>der</strong> Sau-<br />

na spürte er eines Tages plötzliches Herz-<br />

rasen: das erste somatische Warnzeichen.<br />

Der Notarzt konnte kardiologisch keinen<br />

auffälligen Befund erheben. Später erlitt K.<br />

Schwindelanfälle, manchmal wurden seine<br />

Arme taub, nachts suchten ihn Schwitz-<br />

attacken heim. Sein Leben setzte er wie<br />

gewohnt fort: Sorge um seine Frau, die seit<br />

Jahren immer wie<strong>der</strong> lebensbedrohliche<br />

Darmkoliken entwickelte, um seine beiden<br />

Töchter – die jüngere leidet an einem Auf-<br />

merksamkeitsdefizit-Syndrom – und vor<br />

allem um Job und Karriere. Er arbeitete<br />

rastlos, nahm regelmäßig Akten mit nach<br />

Hause, arbeitete fast bis Mitternacht und<br />

stand um fünf Uhr wie<strong>der</strong> auf. Nach einem<br />

Urlaub in Kalifornien, in dem er sich nicht<br />

erholt gefühlt hatte, erkrankte plötzlich<br />

seine Frau schwer, musste sofort operiert<br />

werden. Da kippte er und beschrieb ein<br />

Gefühl von Ausgeliefertsein, Angst, totaler<br />

Erschöpfung, das nicht mehr wich. Auch<br />

als seine Frau wie<strong>der</strong> zu Hause war, bekam<br />

er sich nicht mehr „in den Griff“. Eines<br />

Morgens schaffte er es nicht mehr, sich<br />

die Zähne zu putzen. Der Hausarzt wies<br />

ihn in die psychiatrische Klinik ein unter<br />

<strong>der</strong> Diagnose eines schweren depressiven<br />

Syndroms mit latenter Suizidalität.<br />

466<br />

Soziologen nennen den biografischen Ab-<br />

schnitt zwischen dem Ende <strong>der</strong> Ausbil-<br />

dung und <strong>der</strong> Lebensmitte griffig „Rush-<br />

hour des Lebens“. In dieser Zeit dränge<br />

sich alles zusammen: Familiengründung,<br />

Kin<strong>der</strong>betreuung und Berufseinstieg, dazu<br />

häufig <strong>der</strong> Erwerb eines Eigenheims und<br />

die Sorge um alt gewordene Eltern. Die<br />

Tücke dieser Lebensphase: eigentlich Unvereinbares<br />

müsse vereint werden. [4]<br />

Der Psychoanalytiker Herbert Freuden-<br />

berger prägte 1974 in einem Aufsatz den<br />

Begriff „Burnout“, <strong>der</strong> in den USA in kür-<br />

zester Zeit populär wurde. Es handelt<br />

sich nicht um eine gewöhnliche Arbeits-<br />

müdigkeit, son<strong>der</strong>n um einen Zustand<br />

wechselhafter Gefühle <strong>der</strong> Erschöpfung<br />

und Anspannung. [1] Der Begriff Burnout<br />

beschreibt etwas, das die klassische psychi-<br />

atrische Nomenklatur nicht vorhält, in <strong>der</strong><br />

er als Diagnose nicht existiert. Dort spricht<br />

man von einer „Anpassungsstörung“, „Be-<br />

lastungsstörung“ o<strong>der</strong> „depressiven Stö-<br />

rung“. Aber in dieser Terminologie hat im-<br />

mer <strong>der</strong> Patient Schuld – er ist ‚„gestört“.<br />

Burnout dagegen vermittelt das Gefühl,<br />

Ursache seien die Umstände, er klingt nach<br />

kollektivem Schicksal. [7,5] Das entlastet.<br />

Pathogenese<br />

Burnout beginnt mit Überaktivität, „über-<br />

triebenem“ Engagement, Hyperaktivität,<br />

einem Gefühl <strong>der</strong> Unentbehrlichkeit, Ver-<br />

leugnung eigener Bedürfnisse und das<br />

gesteigerte Engagement wird von Erschöp-<br />

fungssymptomen wie chronischer Mü-<br />

digkeit und Energiemangel begleitet. Der<br />

überaktiven Phase folgen ein emotionaler,<br />

geistiger und verhaltensmäßiger Rückzug<br />

von <strong>der</strong> Arbeit und <strong>der</strong> sozialen Umwelt<br />

allgemein. Emotional beschreiben Betrof-<br />

fene den Verlust positiver Gefühle, eine<br />

emotionale Distanzierung, die Stereoty-<br />

pisierung an<strong>der</strong>er Personen, Schuldzuwei-<br />

sung auf an<strong>der</strong>e, ein allgemeines Gefühl<br />

abzustumpfen und härter/zynischer zu<br />

werden. Die Folge sind Kontaktverlust,<br />

Verlust von Idealismus, eine negative Ein-<br />

stellung zur Arbeit und erhöhte Ansprü-<br />

che als Folge <strong>der</strong> „inneren Kündigung“.<br />

Dann folgen ein tatsächlicher Abbau <strong>der</strong><br />

Leistungsfähigkeit, <strong>der</strong> Konzentration, <strong>der</strong><br />

Motivation und <strong>der</strong> Kreativität. Konzen-<br />

trationsschwächen bei <strong>der</strong> Arbeit führen<br />

zur Desorganisation, zu unsystematischer<br />

Arbeitsplanung, Entscheidungsunfähigkeit<br />

und insgesamt verringerter Initiative, da-<br />

mit Fehlen von Erneuerungsvorschlägen,<br />

einer verringerten Flexibilität. Letztlich<br />

entsteht ein rigides Schwarz-Weiß-Denken,<br />

Dienst nach Vorschrift und Wi<strong>der</strong>stand ge-<br />

gen Verän<strong>der</strong>ungen aller Art.<br />

Schließlich droht eine ausgeprägte de-<br />

pressive Reaktion mit Verzweiflung, ver-<br />

stärkten Hilflosigkeitsgefühlen bis hin zu


Wie erkenne ich Burnout?<br />

Psychosomatische Reaktionen<br />

Unfähigkeit zur Entspannung in <strong>der</strong><br />

Freizeit<br />

Schlafstörungen<br />

Muskelverspannungen<br />

Kopfschmerzen<br />

Magen-Darm-Beschwerden<br />

Vegetative Folgen (Herzklopfen,<br />

erhöhter Blutdruck)<br />

Engegefühl in <strong>der</strong> Brust<br />

Reduzierte Immunabwehr<br />

existenzieller Verzweiflung, allgemeiner<br />

Hoffnungslosigkeit und dem Gefühl <strong>der</strong><br />

Sinnlosigkeit des Lebens. [3]<br />

Wer ist gefährdet?<br />

Gefährdet sind Personen mit fast immer<br />

Mehrfachbelastungen, Tätigkeiten mit<br />

hohem Zeit-, Kosten- und Termindruck bei<br />

gleichzeitig „schlechtem Arbeitsklima“,<br />

sowie mit Berufen, die in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

relativ geringe Anerkennung finden<br />

(z. B. sozialen, pflegerischen o<strong>der</strong> päda-<br />

gogischen Berufen).<br />

Ursachen<br />

Beim Burnout lassen sich persönliche Ur-<br />

sachen unterscheiden wie ungünstiges<br />

Stressmanagement, hohe Erwartungen und<br />

Ansprüche an sich selbst, starke Emotiona-<br />

lität, labiles Selbstwertgefühl, ausgeprägter<br />

Wunsch nach Anerkennung, unrealistische<br />

Situationswahrnehmung.<br />

Zu den sozialen und organisationspsy-<br />

chologischen Ursachen gehören unklare<br />

Erfolgskriterien, fehlendes Feedback, we-<br />

nig Anerkennung, Mangel an Autonomie,<br />

Handlungs- und Entfaltungsspielraum,<br />

Überfor<strong>der</strong>ung und Zeitdruck, negatives<br />

Betriebsklima, allgemeine Unzufrieden-<br />

heit, gleichförmige Routine und wenig<br />

soziale Unterstützung.<br />

Behandlungsansätze<br />

Die Behandlungsansätze richten sich da-<br />

nach, welche Problematik im Vor<strong>der</strong>grund<br />

steht. Dabei reichen die Interventionen von<br />

Folgen des Burnout<br />

sozialer Beratung bis zur Notwendigkeit<br />

einer fundierten Psychotherapie und Psy-<br />

chopharmakatherapie.<br />

Arbeitsplatz: Kreative und herausfor<strong>der</strong>n-<br />

de Arbeitsmilieus suchen, Verantwortung<br />

übernehmen, Begeisterung (wie<strong>der</strong>) her-<br />

stellen, Coaching für effektivere Arbeits-<br />

abläufe.<br />

Stress: Stressmanagement entwickeln,<br />

Überlastungszeichen erkennen, Balance<br />

zwischen Spannung und Entspannung<br />

herstellen, Hobbys pflegen.<br />

Persönlichkeit: Mentale Einstellungen zu<br />

Arbeit und Leistung klären, Motive für<br />

persönliches Engagement analysieren,<br />

Kränkbarkeiten bearbeiten, Gratifikationen<br />

und Anerkennung außerhalb des Berufs<br />

suchen.<br />

Stationäre, teilstationäre und ambulante<br />

therapeutische Angebote im <strong>Asklepios</strong><br />

Westklinikum Hamburg bieten die Abtei-<br />

lung für Psychosomatik (Chefarzt: Prof.<br />

Dr. Dr. Stephan Ahrens), wenn somatische<br />

Komplikationen im Vor<strong>der</strong>grund stehen,<br />

und die Abteilung für Psychiatrie und<br />

Psychotherapie (Chefarzt: Prof. Dr. Micha-<br />

el Sadre Chirazi-Stark), wenn latente bis<br />

akute Suizidalität das Erleben bestimmt.<br />

Literatur<br />

Verflachen <strong>der</strong> Freizeitaktivitäten:<br />

TV-Konsum<br />

Alkohol- und Zigarettenkonsum<br />

Missbrauch von Beruhigungs-<br />

mitteln<br />

Gestörtes Essverhalten<br />

Ehe- und Familienprobleme<br />

Häufiger Arbeitsplatzwechsel<br />

o<strong>der</strong> Ausstieg aus dem Beruf<br />

[1] Bauer J, Häfner St, Kächele H, Wirsching M, Dahl-<br />

ben<strong>der</strong> R. Burn-out und Wie<strong>der</strong>gewinnung seelischer<br />

Gesundheit am Arbeitsplatz. Psychother Psych Med 2003;<br />

53(5): 213-22.<br />

[2] Cohen DJ, Tallia AF, Crabtree BF, Young DM. Imple-<br />

menting health behavior change in primary care: lessons<br />

Psychiatrie und Psychotherapie<br />

from prescription for health. Annals of family medicine.<br />

2005; 3(0): S. 12-9.<br />

[3] De Vente W, Olff M, Van Amsterdam JGC, Kamphuis<br />

JH, Emmelkamp PMG. Physiological differences between<br />

burnout patients and healthy controls: blood pressure,<br />

heart rate, and cortisol responses. Occupational and envi-<br />

ronmental medicine. 2003; 60(0): i54–61.<br />

[4] Hillert & Marwitz. Die Burnout Epidemie o<strong>der</strong>: Brennt<br />

die Leistungsgesellschaft aus? Beck Verlag, 2007.<br />

[5] Reime B, Steiner I. Ausgebrannt o<strong>der</strong> depressiv? PPmP<br />

Psychother Psychosom med Psychol 2001; 51(8): 304-7.<br />

[6] Stark & Sandmeyer. Wenn die Seele SOS funkt. Fitness-<br />

kur gegen Stress und Überlastung. rororo Taschenbuch, 2004.<br />

[7] Weber A; Jaekel-Reinhard A. Burnout syndrome:<br />

a disease of mo<strong>der</strong>n societies? Occupational medicine<br />

(Oxford, England) 2000; 50(7): 512-7.<br />

Kontakt<br />

Prof. Dr. Michael Sadre Chirazi-Stark<br />

Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

<strong>Asklepios</strong> Westklinikum Hamburg<br />

Suurheid 20, 22559 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-28 65<br />

Fax (0 40) 18 18-28 20<br />

E-Mail: m.stark@asklepios.com<br />

Prof. Dr. Dr. Stephan Ahrens<br />

Abteilung für Psychosomatische Medizin<br />

Tel. (0 40) 18 18-25 00<br />

E-Mail: s.ahrens@asklepios.com<br />

Weitere Informationen:<br />

www.burnon.de<br />

www.prof-stark.de<br />

www.tagesklinik-ulmenhof.de<br />

467


Medtropole | Ausgabe Oktober 2007<br />

Abb. 1: Inkompl. Kopfluxation nach dorsal Abb. 3: CT-Kontrolle nach Reposition<br />

Diagnostik und Therapie von<br />

Halswirbelsäulenverletzungen<br />

Dr. Norbert Hennig, Dr. Jürgen Ma<strong>der</strong>t<br />

Frakturen und Instabilitäten <strong>der</strong> Halswirbelsäule sind seltene, jedoch mit einer hohen neurologischen Komplika-<br />

tionsrate einhergehende schwerwiegende Verletzungen, die eine auf das einzelne Verletzungsmuster abgestimmte<br />

spezielle Therapie erfor<strong>der</strong>n. Circa 60 Prozent aller Querschnittslähmungen betreffen Menschen im Alter zwischen<br />

15 und 30 Jahren. Während 15–20 Prozent aller BWS-/LWS-Verletzungen neurologische Ausfallserscheinungen<br />

aufweisen, liegt die Rate im Bereich <strong>der</strong> Halswirbelsäule bei 40 Prozent. Im Chirurgisch-Traumatologischen Zen-<br />

trum <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> Klinik St. Georg werden pro Jahr rund 1.000 Wirbelsäuleneingriffe bei traumatologischen und<br />

degenerativen Krankheitsbil<strong>der</strong>n durchgeführt, <strong>der</strong> Anteil verletzungsbedingter Frakturen o<strong>der</strong> Instabilitäten <strong>der</strong><br />

HWS liegt hier bei etwa drei bis vier Prozent (30–40/Jahr).<br />

Erste Hilfe<br />

Bei Verdacht auf eine HWS-Verletzung<br />

sind brüske Manöver und starke Bewe-<br />

gungsausschläge <strong>der</strong> HWS zu vermeiden.<br />

Angestrebt wird eine „In-Line“-Lage-<br />

rung: Die HWS sollte in anatomischer<br />

Achse gelagert und dann mit einer festen<br />

Stütze („Stiff-Neck“) stabilisiert werden.<br />

Kontraindikationen sind Spasmus <strong>der</strong><br />

Nackenmuskulatur sowie Zunahme von<br />

Schmerzen o<strong>der</strong> neurologischen Ausfällen.<br />

Bei Beachtung dieser Maßnahmen kommt<br />

468<br />

es in <strong>der</strong> Regel zu keiner Zunahme <strong>der</strong><br />

WS-Pathologie.<br />

Verletzungsarten<br />

Zu unterscheiden sind Verletzungen <strong>der</strong><br />

oberen (C0–C2) und unteren (C3–C7)<br />

HWS. Während die Wirbel HWK-3 bis<br />

LWK-5 die gleiche anatomische Grund-<br />

struktur aufweisen, zeigen HWK-1 und<br />

-2 Beson<strong>der</strong>heiten. So fehlt zum Beispiel<br />

bei Atlas und Axis <strong>der</strong> Wirbelkörper, <strong>der</strong><br />

Axis hat einen zahnartigen Fortsatz (Dens)<br />

etc., was sich auch im Verletzungsmuster<br />

nie<strong>der</strong>schlägt.<br />

Die Frakturklassifikation <strong>der</strong> unteren HWS<br />

orientiert sich an <strong>der</strong> Einteilung von Verlet-<br />

zungen <strong>der</strong> BWS und LWS nach Magerl et<br />

al. [1] (A = Kompressionsverletzungen, B<br />

= Distraktionsverletzungen, C = Rotati-<br />

onsverletzungen), die an <strong>der</strong> oberen HWS<br />

wird individuell auf die Höhe bezogen.<br />

Typische Verletzungen <strong>der</strong> oberen HWS:<br />

Luxation des Kopfes (atlanto-occipitale


Abb. 2: Behandlung im Halo-Fixateur Abb. 4: Pathologische HWK-2 Fraktur Abb. 5: Distraktionsspondylodese<br />

Dislokation, meist letal)<br />

Fraktur des Atlas inkl. Berstungsbruch<br />

(= Jefferson-Fraktur)<br />

Fraktur des Dens axis (Einteilung nach<br />

An<strong>der</strong>son/D’Alonzo) [2]<br />

HWK-2-Bogenfraktur inkl. Segment-<br />

instabilität (= Hangman-fracture besser<br />

Hanged-man-fracture, Einteilung nach<br />

Effendi)<br />

Während bei jüngeren Patienten typi-<br />

scherweise Verkehrsunfälle bzw. Rasanz-<br />

traumen für Verletzungen <strong>der</strong> HWS<br />

verantwortlich sind, finden sich im Alter<br />

bei bereits bestehenden degenerativen<br />

Vorschäden oft Bagatelltraumen als Ursa-<br />

che von Verletzungen, häufig begleitet mit<br />

neurologischen Ausfällen und im oberen<br />

HWS-Bereich angesiedelt (Densfraktur =<br />

häufigste isolierte HWS-Frakturen bei Pat.<br />

> 70 Jahre).<br />

Symptome und Diagnostik<br />

Wesentlich für die Einschätzung <strong>der</strong> Ver-<br />

letzungsschwere sind Anamnese bzw.<br />

Unfallhergang, <strong>der</strong> klinische Befund und<br />

die bildgebende Diagnostik.<br />

Bei sedierten polytraumatisierten Patienten<br />

fehlen häufig klinische Zeichen, damit ist<br />

die Gefahr einer nicht erkannten Instabili-<br />

tät mit möglicherweise schwerwiegenden<br />

Folgen gegeben. Hier gilt <strong>der</strong> Grundsatz: je<br />

vigilanzgemin<strong>der</strong>ter <strong>der</strong> Verletzte ist, desto<br />

mehr bildgebende Diagnostik ist indiziert.<br />

Bei jedem Verdacht auf eine Verletzung<br />

<strong>der</strong> Halswirbelsäule muss daher eine ab-<br />

gestufte Diagnostik erfolgen. Neben <strong>der</strong><br />

Anamnese wird eine gründliche Unter-<br />

suchung <strong>der</strong> HWS durchgeführt, wobei<br />

auf Prellmarken, Abschürfungen geachtet<br />

wird. Kann ein vigilanter Patient be-<br />

schwerdefrei bzw. -arm die HWS bewegen,<br />

ist die Gefahr einer Verletzung gering. Zur<br />

Untersuchung gehört weiter das Auslö-<br />

sen von Schmerzen bei Druck, passivem<br />

Nachbewegen, Stauchung und Rotation.<br />

Eine neurologische Untersuchung mit<br />

Kraftgradmessungen und Sensibilitätsprü-<br />

fung ist selbstverständlich. Im Regelfall<br />

erfolgt als weitere diagnostische Stufe das<br />

Röntgen nativ: HWS ap und seitlich sowie<br />

Unfallchirurgie<br />

Dens-Zielaufnahme. Die klassische Ver-<br />

letzungshöhe <strong>der</strong> HWS ist <strong>der</strong> Übergang<br />

vom flexibel zum starren WS-Abschnitt<br />

also HWK 6–7, <strong>der</strong> allerdings auf den Rö-<br />

Aufnahmen auch dargestellt sein sollte.<br />

Zeigen diese Rö-Bil<strong>der</strong> keine Frakturzei-<br />

chen, keine WK-Verschiebungen, ist <strong>der</strong><br />

Weichteilschatten normal, dann muss noch<br />

die discoligamentäre Instabilität mittels<br />

Funktionsaufnahmen ausgeschlossen wer-<br />

den. Das CT ist Röntgen mit feineren Mit-<br />

teln und an<strong>der</strong>er Ebene und natürlich die<br />

eigentliche Grundlage zur Beurteilung von<br />

Frakturen und Luxationen. Das MR bleibt<br />

unklaren neurologischen Ausfällen, dem<br />

Screening (z. B. Alter <strong>der</strong> Fraktur) und mit<br />

Vorsicht auch Bandrupturen vorbehalten.<br />

Therapiegrundsätze<br />

Das Ziel <strong>der</strong> Therapie bei HWS-Verlet-<br />

zungen besteht in <strong>der</strong><br />

1. Reposition von Fraktur o<strong>der</strong> Luxation<br />

2. Behandlung bzw. Prophylaxe neurologischer<br />

Komplikationen (Dekompression)<br />

3. Stabilisierung bzw. dauerhaften Fusion<br />

469


Medtropole | Ausgabe Oktober 2007<br />

Abb. 6: HWK-2-Bogenfraktur mit erheblicher<br />

Dislokation<br />

Abb. 10: HWK-5-Fraktur mit Bandscheibenzerreißung Abb. 7: Dorsale Fusion über Knochenspan und transartikuläre Verschraubung<br />

des instabilen HWS-Segments.<br />

Eine konservative Behandlung ist gerecht-<br />

fertigt bei stabilen Frakturformen bzw.<br />

Frakturen mit <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> konse-<br />

quenten äußeren Ruhigstellung im sog.<br />

Stiff-Neck o<strong>der</strong> Halo-Fixateur, häufig<br />

möglich bei Verletzungen im oberen HWS-<br />

Bereich.<br />

Konservative Therapie ist im Regelfall<br />

angezeigt bei<br />

470<br />

Frakturen <strong>der</strong> occipitalen Condylen ohne<br />

Instabilität<br />

Inkompletten Kopfluxationen<br />

(atlanto-occipitale Luxation)<br />

Nicht verschobenen, einfachen Atlas-<br />

bogenfrakturen<br />

Frakturen des Dens im Bogenbereich<br />

(Typ III) o<strong>der</strong> Spitze (Typ I nach An<strong>der</strong>-<br />

son/D’Alonzo)<br />

N0icht dislozierten HWK-2-Bogenfrakturen<br />

(Typ I nach Effendi) [3]<br />

Deckplattenimpressionen sowie isolier-<br />

ten Quer- und Dornfortsatzfrakturen <strong>der</strong><br />

unteren HWS<br />

Indikationen zur operativen Therapie<br />

bestehen bei<br />

Kompletten atlanto-occipitalen Luxa-<br />

tionen<br />

Densfrakturen im Bereich <strong>der</strong> Basis (Typ<br />

II nach An<strong>der</strong>son/D’Alonzo) [2]<br />

Berstungsbrücken des Atlas (= Jefferson-<br />

Fraktur)<br />

HWK-2-Bogenfrakturen mit Dislokation<br />

vor allem des ventralen Bogenanteils<br />

(Typ II u. III nach Effendi) [3]<br />

Discoligamentären Instabilitäten<br />

Frakturen mit Hinterkantenbeteiligung<br />

und/o<strong>der</strong> Bandscheibenzerreißung <strong>der</strong><br />

unteren HWS<br />

Bei offenen Verletzungen, hochgradigen<br />

Instabilitäten und zunehmenden neurolo-<br />

gischen Ausfällen o<strong>der</strong> Ausfällen im Inter-<br />

vall ist die sofortige Versorgung indiziert.<br />

Ein geringer Zeitaufschub ist möglich bei<br />

Verletzungen ohne neurologische Ausfälle<br />

und möglicher Reposition bei sicherer<br />

Retention z. B. im Stiff-Neck.<br />

Operationstechniken<br />

Abhängig von den verschiedenen Fraktur-<br />

bzw. Instabilitätstypen haben sich für die<br />

einzelnen Indikationen spezielle Operati-<br />

onsmethoden etabliert.<br />

Bei <strong>der</strong> inkompletten Kopfluxation bietet<br />

sich die Versorgung mit dem Halo-Fixa-<br />

teur an (Abb. 1–3), bei <strong>der</strong> kompletten und<br />

damit hochinstabilen Luxation („<strong>der</strong> Kopf<br />

ist abgerissen“) die dorsale kurzstreckige<br />

Spondylodese. Atlasberstungsfrakturen<br />

mit Dislokation (Jefferson-Fraktur), bei<br />

denen die eingeleitete axiale Kraft die<br />

Kondylen nach lateral verschiebt, können<br />

mit einem Halo-Fixateur versorgt werden,<br />

einer winkelstabilen Distraktionsspondylo-<br />

dese (Abb. 4 + 5) o<strong>der</strong> einer transarti-<br />

kulären Verschraubung HWK 1/2 mit<br />

dorsaler Fusion durch einem Knochenspan<br />

und Drahtschlinge (Abb. 6 + 7). Bei <strong>der</strong><br />

Densfraktur stellt die ventrale direkte<br />

Verschraubung die Standardmethode<br />

beim Typ II dar, bei älteren Patienten mit<br />

hochgradiger Osteoporose bevorzugen<br />

wir in <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> Klinik St. Georg die


transartikuläre Verschraubung C1/C2<br />

über den wenig belastenden ventralen<br />

Zugang (Abb. 8 + 9). Bei <strong>der</strong> dislozierten<br />

HWK-2-Bogenfraktur (Typ II u. III n. Ef-<br />

fendi), Frakturen und discoligamentären<br />

Instabilitäten in allen möglichen Kombi-<br />

nationen <strong>der</strong> unteren HWS hat sich seit<br />

Jahren die Reposition mit winkelstabiler<br />

Plattenspondylodese und corticospon-<br />

giöser Span-Implantation (Abb. 10 + 11)<br />

über einen ventralen Zugang etabliert,<br />

wobei grobe Instabilitäten insbeson<strong>der</strong>e<br />

mit dorsaler Gelenkverhakung zum Teil<br />

ein kombiniertes ventrales und dorsales<br />

Vorgehen erfor<strong>der</strong>lich machen.<br />

Fazit<br />

Frakturen beziehungsweise instabile Verlet-<br />

zungen <strong>der</strong> Halswirbelsäule sind schwer-<br />

wiegende Verletzungen, bei denen insbe-<br />

son<strong>der</strong>e bei unklarer Anamnese und Klinik<br />

o<strong>der</strong> beim mehrfachverletzten Patienten<br />

die Gefahr einer Fehleinschätzung gegeben<br />

ist. Deshalb ist eine weitgehende Diagnos-<br />

tik unerlässlich. Für die verschiedenen<br />

Abb. 11: Ventrale Plattenspondylodese mit Knochenspan<br />

Verletzungsformen an oberer und unterer<br />

Halswirbelsäule ist die richtige Interpre-<br />

tation <strong>der</strong> klinischen und radiologischen<br />

Befunde von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung,<br />

um das weitere Vorgehen zu planen.<br />

Neben den üblichen Standardtherapien<br />

empfiehlt sich häufig auch ein individuell<br />

angepasstes Vorgehen zum Beispiel in Zu-<br />

sammenarbeit mit <strong>der</strong> neurochirurgischen<br />

Abteilung des Hauses. Die definitive Ver-<br />

sorgung schwerwiegen<strong>der</strong> Verletzungen<br />

<strong>der</strong> Halswirbelsäule sollte daher möglichst<br />

spezialisierten Zentren vorbehalten bleiben,<br />

wobei <strong>der</strong> Primärdiagnostik und Versor-<br />

gung im erstbehandelnden Krankenhaus<br />

bereits eine entscheidende Rolle zukommt.<br />

Literatur<br />

[1] Magerl F, Aebi M. A comprehensive classsification of<br />

thoracic and lumbar injuries in: Aebi M, Thalgott JS, Webb<br />

JK. AO ASIF Principles in Spine Surgery. Springer-Verlag<br />

1998.<br />

[2] An<strong>der</strong>son LD, D‘Alonzo RT. Fractures of the odontoid<br />

process of the axis. J Bone Jt Surg 1974; 56A: 1663-74.<br />

[3] Effendi BD, Roy D, Corsinsh B, Dussault RG, Lauring<br />

CA. Fractures of the ring of the axis: a classification based<br />

Kontakt<br />

Dr. Norbert Hennig<br />

Unfallchirurgie<br />

on the analysis of 131 cases. J Bone Jt Surg 1981; 63B:<br />

319-27.<br />

Abb. 8: Dislozierte Denzbasis-Fraktur<br />

Abb. 9: Ventrale transartikuläre Schrauben-<br />

osteosynthese<br />

[4] Blauth M. Obere und untere HWS in Tscherne H, Blau-<br />

th M. Unfallchirurgie Wirbelsäule. Springer-Verlag 1998.<br />

[5] Bühren V. Frakturen und Instabilitäten <strong>der</strong> Halswirbel-<br />

säule. Unfallchirurg 2002; 73; 1049-66.<br />

Chirugisch-Traumatologisches Zentrum<br />

Abt. für Unfall- und Wie<strong>der</strong>herstellungs-<br />

chirurgie / Ltg. Prof. Dr. C. Eggers<br />

<strong>Asklepios</strong> Klinik St. Georg<br />

Lohmühlenstraße 5, 20099 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-85 42 95<br />

Tel. (0 40) 18 18-85 37 70<br />

E-Mail: n.hennig@asklepios.com<br />

471


Medtropole | Ausgabe Oktober 2007<br />

Vorhofflimmern und<br />

<strong>Antikoagulation</strong> – Reveal ® XT<br />

Dr. Christian Frerker, Dr. K. R. Julian Chun, Dr. Carsten Tack, Prof. Dr. Karl-Heinz Kuck<br />

Vorhofflimmern ist die <strong>der</strong>zeit häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung – mit steigen<strong>der</strong> Prävalenz im Alter.<br />

Nach Schätzungen sind gegenwärtig rund 4,5 Millionen EU-Bürger an Vorhofflimmern erkrankt [1] , wobei sich<br />

diese Zahl in den nächsten Jahren durch den demografischen Wandel noch deutlich erhöhen wird.<br />

Die Behandlung des Vorhofflimmerns ge-<br />

staltet sich oft schwierig, da einige Pati-<br />

enten einzelne Phasen nicht wahrnehmen<br />

und somit asymptomatisch bleiben. Eines<br />

<strong>der</strong> Hauptrisiken dieser Herzrhythmusstö-<br />

rung ist jedoch das bis zu siebenfach er-<br />

höhte Schlaganfallrisiko [1] , demzufolge<br />

immer wie<strong>der</strong> die Frage <strong>der</strong> <strong>oralen</strong> Anti-<br />

koagulation mit den entsprechenden Risi-<br />

ken und Compliancefragen kontrovers<br />

diskutiert wird.<br />

Gerade in <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>gelassenen ärztlichen<br />

Betreuung <strong>der</strong> betroffenen Patienten, zum<br />

Beispiel vor Zahnarztbesuchen o<strong>der</strong> Ope-<br />

rationen, kristallisiert sich die systemische<br />

<strong>Antikoagulation</strong> bei Vorhofflimmern als<br />

ein nicht unerhebliches Problem heraus.<br />

Viele Patienten sind durch ihr Vorhofflim-<br />

mern in ihrer Lebensqualität und allgemei-<br />

nen Belastbarkeit so stark eingeschränkt,<br />

dass das Wie<strong>der</strong>erlangen und Aufrecht-<br />

erhalten des Sinusrhythmus für sie einen<br />

deutlichen Gewinn an Lebensqualität be-<br />

deutet. [2]<br />

Die medikamentöse antiarrhythmische<br />

Therapie ist nur in rund 50 Prozent <strong>der</strong><br />

Fälle erfolgreich, zudem sind dabei die<br />

dauerhafte Einnahme von Medikamen-<br />

ten und mögliche Nebenwirkungen zu<br />

berücksichtigen. Als kurative Option ist<br />

die interventionelle Katheterablation im<br />

Therapiemanagement des Vorhofflim-<br />

merns nach internationalen Leitlinien <strong>der</strong><br />

fachkardiologischen Gesellschaften bereits<br />

nach einem frustranen antiarrhythmischen<br />

medikamentösen Versuch möglich. [1,3,4]<br />

Zunehmend lehnen – vor allem jüngere –<br />

Patienten eine dauerhafte antiarrhyth-<br />

472<br />

mische Medikamenteneinnahme ab und<br />

entscheiden sich für eine primäre Kathe-<br />

terablation.<br />

Die kurative Katheterablation von Vorhof-<br />

flimmern hat in den vergangenen Jahren<br />

entscheidende Fortschritte bezüglich re-<br />

produzierbarer und effektiver Therapie-<br />

strategien gemacht. [5] Neben <strong>der</strong> etablier-<br />

ten Hochfrequenzstromablation stehen<br />

heute neue Ablationsenergien wie zum<br />

Beispiel die Laser- und Ultraschallenergie<br />

o<strong>der</strong> die Kryothermie zur Verfügung. Die<br />

Abteilung für Kardiologie <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong><br />

Klinik St. Georg hat sich auf die Behand-<br />

lung von Vorhofflimmern spezialisiert.<br />

Hier wurde allein im Jahr 2006 bei 750<br />

Patienten eine primäre Katheterablation<br />

durchgeführt.<br />

Nachweis <strong>der</strong> effektiven Rhythmuskontrolle<br />

durch primäre Katheterablation<br />

Bislang standen zur postinterventionellen<br />

Erfolgskontrolle im Hinblick auf den Er-<br />

halt des Sinusrhythmus o<strong>der</strong> des erneuten<br />

Auftretens von Vorhofflimmer-Phasen nur<br />

begrenzte Möglichkeiten wie tägliche Tele-<br />

o<strong>der</strong> Langzeit-EKG-Aufzeichnungen zur<br />

Verfügung. [6] Diese Verfahren erfor<strong>der</strong>n je-<br />

doch nach wie vor eine nicht unerhebliche<br />

Compliance <strong>der</strong> Patienten. Eine kontinu-<br />

ierliche Überwachung des Herzrhythmus<br />

war bisher nicht möglich.<br />

Dabei gibt es Hinweise, dass vor erstma-<br />

liger Katheterablation symptomatische<br />

Patienten nach dem Eingriff das Auftreten<br />

erneuter Phasen von Vorhofflimmern nicht<br />

mehr bemerken und somit nunmehr als<br />

asymptomatisch gelten. [6,7] Ebenso pro-<br />

blematisch sind unbemerkt auftretende<br />

Phasen während des Schlafens. Der Nach-<br />

weis des kontinuierlichen Sinusrhythmus<br />

ist deshalb gerade zur Frage <strong>der</strong> Notwen-<br />

digkeit einer weiteren <strong>Antikoagulation</strong> von<br />

entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung.<br />

Um die Limitationen <strong>der</strong> herkömmlichen<br />

Geräte zu überwinden, wurde ein implan-<br />

tierbarer EKG-Rekor<strong>der</strong> (Cardiac Mo-<br />

nitor Reveal ® XT, Medtronic) entwickelt.<br />

Während bisher zur Verfügung stehende<br />

implantierbare EKG-Rekor<strong>der</strong> den Herz-<br />

rhythmus auf Basis <strong>der</strong> R-Zacken über-<br />

wachten, was zur Diagnostik von Syn-<br />

kopen auf dem Boden von Pausen o<strong>der</strong><br />

schnellen, regelmäßigen Tachykardien<br />

ausreichte, zeichnet das neue Gerät nun<br />

zusätzlich die elektrische Erregung <strong>der</strong><br />

Vorhöfe auf. Dies erlaubt erstmals die zu-<br />

verlässige Erkennung von Vorhofflimmern<br />

und damit die frühzeitige Identifizierung<br />

asymptomatischer Patienten. Das wenige<br />

Zentimeter große Gerät wird in lokaler<br />

Betäubung unter <strong>der</strong> Haut implantiert<br />

und kann auch vom Patienten selbst be-<br />

dient werden („Patient Assistant“). So<br />

können spürbare symptomatische Phasen<br />

markiert und in den Langzeitspeicher ab-<br />

gelegt werden. Die Speicherkapazität liegt<br />

bei bis zu drei Jahren.<br />

Der EKG-Rekor<strong>der</strong> kann individuell vom<br />

Implantationszentrum programmiert<br />

werden, sodass Anzahl und Dauer von<br />

Vorhofflimmer-Episoden auch unabhängig<br />

vom subjektiven Empfinden des Patienten<br />

dokumentiert werden. Das ermöglicht die


Niedrige RF<br />

Frauen<br />

Alter < 74 Jahre<br />

KHK<br />

Hyperthyreose<br />

Kein RF<br />

Ein mittlerer RF<br />

Mittlere RF<br />

Alter ≥ 75 Jahre<br />

Arterielle Hypertonie<br />

Herzinsuffizienz<br />

LVEF ≤ 35 %<br />

Ein hoher RF o<strong>der</strong> mehr<br />

als ein mittlerer RF<br />

Diabetes mellitus<br />

Hohe RF<br />

Früherer Apoplex, TIA,<br />

Embolie<br />

Mitralklappenstenose<br />

Vorhandensein einer<br />

künstlichen Herzklappe<br />

Tabelle 1: Aktuelle Empfehlung zur <strong>Antikoagulation</strong> bei Patienten mit Vorhofflimmern<br />

in Abhängigkeit von Risikofaktoren (RF)(1). International normalized ratio (INR);<br />

linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF); transitorische ischämische Attacke (TIA);<br />

koronare Herzerkrankung (KHK)<br />

Abb. 3: Reveal ® XT<br />

ASS 300<br />

ASS 300 o<strong>der</strong> orale<br />

Entscheidung über die Fortführung einer<br />

antiarrhythmischen Therapie und Antikoa-<br />

gulation anhand objektiver Kriterien.<br />

Literatur<br />

[1] Fuster V, Ryden LE, Cannom DS et al. ACC/AHA/ESC<br />

2006 Guidelines for the Management of Patients with<br />

Atrial Fibrillation: a report of the American College of Car-<br />

diology/American Heart Association Task Force on Practice<br />

Guidelines and the European Society of Cardiology Com-<br />

mittee for Practice Guidelines (Writing Committee to Re-<br />

vise the 2001 Guidelines for the Management of Patients<br />

With Atrial Fibrillation): developed in collaboration with<br />

the European Heart Rhythm Association and the Heart<br />

Rhythm Society. Circulation 2006; 114(7): e257-e354.<br />

[2] Singh BN, Singh SN, Reda DJn et al. Amiodarone<br />

versus sotalol for atrial fibrillation. N Engl J Med 2005;<br />

352(18): 1861-72.<br />

[3] Ouyang F, Ernst S, Chun J et al. Electrophysiological<br />

<strong>Antikoagulation</strong> (INR 2–2)<br />

Orale <strong>Antikoagulation</strong> (INR 2–3)<br />

Abb. 4: Patient Assistent zum Reveal ® XT<br />

Parameter<br />

Volumen<br />

Gewicht<br />

Abmes-<br />

sungen<br />

H x B x T<br />

Abstand<br />

zwischen<br />

Elektroden<br />

Batterie<br />

EKG-Ver-<br />

stärkung<br />

Wert<br />

9 cm 3<br />

15 g<br />

62 mm x 19<br />

mm x 8 mm<br />

40 mm<br />

Lithiumthio-<br />

nylchlorid<br />

50 x<br />

Tabelle 2: Technische Daten des<br />

Reveal ® XT<br />

findings during ablation of persistent atrial fibrillation<br />

with electroanatomic mapping and double Lasso catheter<br />

technique. Circulation 2005; 112(20): 3038-48.<br />

[4] Ouyang F, Bansch D, Ernst S, Schaumann A et al. Com-<br />

plete isolation of left atrium surrounding the pulmonary<br />

veins: new insights from the double-Lasso technique in<br />

paroxysmal atrial fibrillation. Circulation 2004; 110(15):<br />

2090-6.<br />

[5] Ernst S, Kuck KH. [Current status of catheter ablation<br />

for atrial fibrillation.] Herz 2006; 31(2): 113-7.<br />

[6] Senatore G, Stabile G, Bertaglia E et al. Role of tran-<br />

stelephonic electrocardiographic monitoring in detecting<br />

short-term arrhythmia recurrences after radiofrequency<br />

ablation in patients with atrial fibrillation. J Am Coll Cardi-<br />

ol 2005; 45(6): 873-6.<br />

[7] Hindricks G, Piorkowski C, Tanner H et al. Percep-<br />

tion of atrial fibrillation before and after radiofrequency<br />

catheter ablation: relevance of asymptomatic arrhythmia<br />

recurrence. Circulation 2005; 112(3): 307-13.<br />

Kontakt<br />

Dr. Christian Frerker<br />

Hanseatisches Herzzentrum Hamburg<br />

Abteilung für Kardiologie<br />

<strong>Asklepios</strong> Klinik St. Georg<br />

Lohmühlenstraße 5, 20099 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-85 23 05<br />

Fax (0 40) 18 18-85 44 44<br />

E-Mail: c.frerker@asklepios.com<br />

Vorhofflimmer-Ambulanz:<br />

Tel. (0 40) 18 18-85 36 16<br />

Fax (0 40) 18 18-85 44 35<br />

ICD-/Herzschrittmacher-Ambulanz:<br />

Tel. (0 40) 18 18-85 20 30<br />

Fax (0 40) 18 18-85 20 49<br />

Kardiologie<br />

Abb. 5: Reveal ® -XT-Größenvergleich zur Tele-EKG-Karte und zum Langzeit-EKG<br />

gegenüber Kugelschreiber<br />

Abb. 1: Kosmetisches Ergebnis (feminin)<br />

sechs Wochen nach <strong>der</strong> Implantation<br />

Abb. 2: Kosmetisches Ergebnis (maskulin)<br />

sechs Wochen nach <strong>der</strong> Implantation<br />

473


Medtropole | Ausgabe Oktober 2007<br />

„Bridging“ – <strong>Überbrückung</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>oralen</strong> <strong>Antikoagulation</strong><br />

Dr. Hala El Abd-Müller, Dr. Björn-Michael Schulenburg<br />

Unter Bridging versteht man die überbrückende Behandlung mit einem alternativen Antikoagulans während einer<br />

Unterbrechung <strong>der</strong> <strong>oralen</strong> <strong>Antikoagulation</strong> (OAK). Dies ist vor elektiven, interventionellen o<strong>der</strong> operativen Ein-<br />

griffen notwendig. In <strong>der</strong> Regel werden Heparin (UFH) o<strong>der</strong> nie<strong>der</strong>molekulare Heparine (NMH) verabreicht.<br />

Indikationen zur <strong>oralen</strong> <strong>Antikoagulation</strong>:<br />

Vorhofflimmern (VHF)<br />

VHF + Herzfehler/Kardiomyopathie<br />

Mechanische Herzklappen (MH)<br />

474<br />

Mechanische Aortenklappe (AKE)<br />

Mechanische Mitralklappe (MKE)<br />

Venöse Thromboembolie<br />

Bein-/Armvenenthrombose<br />

Lungenembolie<br />

Arterielle Thrombembolien<br />

Schlaganfall/TIA + VHF<br />

Intestinale und periphere Embolie<br />

+ VHF<br />

Periphere Bypassverschlusspro-<br />

phylaxe<br />

Persistierendes Lupus-Antikoagulanz<br />

Thrombophilie-Patienten mit Mehr-<br />

fachrezidiv<br />

Der Nutzen einer <strong>oralen</strong> <strong>Antikoagulation</strong><br />

mit Vitamin-K-Antagonisten bei Erkran-<br />

kungen mit einem thromboembolischen<br />

Risiko im arteriellen o<strong>der</strong> venösen System<br />

ist lange bekannt (Kasten 1).<br />

Etwa 700.000 Patienten in Deutschland<br />

nehmen Vitamin-K-Antagonisten ein.<br />

Für einen elektiven Eingriff muss auf-<br />

grund des Blutungsrisikos häufig die OAK<br />

vorübergehend unterbrochen werden.<br />

Nach Unterschreiten des therapeutischen<br />

INR-Bereichs (< 2) werden die Patienten<br />

auf ein kurz wirksames, gut steuerbares<br />

Antikoagulans wie UFH o<strong>der</strong> NMH um-<br />

gestellt. Dabei entsteht in <strong>der</strong> Phase um<br />

den OP-Termin bei Phenprocoumon eine<br />

ca. zehntägige Periode suboptimaler<br />

Kasten 1<br />

<strong>Antikoagulation</strong> mit erhöhten thrombo-<br />

embolischen Risiken. Eine gut steuerbare<br />

alternative <strong>Überbrückung</strong> („Bridging“) <strong>der</strong><br />

unterbrochenen <strong>Antikoagulation</strong>stherapie<br />

wird somit erfor<strong>der</strong>lich. Das intravenöse<br />

UFH mit Dosisanpassung anhand <strong>der</strong><br />

aPTT galt bis vor einigen Jahren als Stan-<br />

dard beim Bridging. Dieses traditionelle<br />

Konzept hat aber Nachteile:<br />

Durchführung nur unter stationären<br />

Bedingungen, daher kostenintensiv<br />

Bewegungseinschränkung <strong>der</strong><br />

Patienten (prothrombogen)<br />

Erhöhtes Risiko <strong>der</strong> Heparin-Induzier-<br />

ten Thrombozytopenie Typ II (HIT II)<br />

gegenüber <strong>der</strong> NMH<br />

Tägliche Kontrolle <strong>der</strong> aPTT<br />

Daher werden seit Mitte <strong>der</strong> 90er-Jahre<br />

vermehrt NMH eingesetzt, die in <strong>der</strong> Be-<br />

handlung <strong>der</strong> venösen Thromboembolien<br />

zumindest eine Gleichwertigkeit mit dem<br />

UFH gezeigt haben. Voraussetzung ist eine<br />

normale Nierenfunktion.<br />

Vorteile:<br />

Ambulante prästationäre Behandlung,<br />

daher Senkung <strong>der</strong> Kosten<br />

Subkutane Verabreichung<br />

Günstigere Bioverfügbarkeit<br />

Schnelles Erreichen des therapeuti-<br />

schen Spiegels<br />

Laborkontrolle nicht erfor<strong>der</strong>lich<br />

Vermin<strong>der</strong>tes Risiko <strong>der</strong> HIT II gegen-<br />

über UFH (< 0,5 %)<br />

Beim Einsatz <strong>der</strong> NMH zur Bridging-An-<br />

tikoagulation ergeben sich juristische Fra-<br />

gen. Da keines <strong>der</strong> verfügbaren NMH für<br />

diese Indikation zugelassen ist, handelt es<br />

sich somit um eine Off-Label-Anwendung.<br />

Hieraus können haftungsrelevante Kon-<br />

sequenzen für den verordnenden Arzt im<br />

Falle von Blutungs- o<strong>der</strong> thromboembo-<br />

lischen Komplikationen entstehen. Weiter<br />

verweigert das SGB-V die Erstattung <strong>der</strong><br />

Medikamentenkosten, wenn eine alterna-<br />

tiv zugelassene Medikation existiert. Die<br />

Verwendung von UFH zur Bridging-Anti-<br />

koagulation ist durch die Altzulassung „zur<br />

Prophylaxe und Therapie arterieller und<br />

venöser Thrombosen und Embolien“ abge-<br />

sichert. UFH wurden allerdings nicht nach<br />

mo<strong>der</strong>nen Standards in Studien geprüft.<br />

Die Anzahl <strong>der</strong> für UFH dokumentierten<br />

Fälle in <strong>der</strong> Indikation des Bridging in <strong>der</strong><br />

gesamten Fachliteratur beträgt im Vergleich<br />

zu NMH nicht einmal ein Zehntel. Dagegen<br />

wurden mittlerweile mehr als 4.000 Bridg-<br />

ing-Episoden mit NMH veröffentlicht.<br />

An<strong>der</strong>erseits schreibt das SGB-V ein gene-<br />

relles Wirtschaftlichkeitsgebot vor, das nur<br />

durch die kürzere Liegedauer <strong>der</strong> Patienten<br />

in <strong>der</strong> Bridging-<strong>Antikoagulation</strong> mit NMH<br />

erreicht wird. [11] Bridging ist unter Berück-<br />

sichtigung des individuellen Patientenrisi-<br />

kos eine individuelle Entscheidung.<br />

Zu beachten sind:<br />

Abwägung zwischen Dringlichkeit und<br />

möglichen Blutungskomplikationen des<br />

Eingriffs<br />

Abwägung <strong>der</strong> Möglichkeiten <strong>der</strong> Blut-<br />

stillung gegen die thromboembolischen<br />

Risiken <strong>der</strong> Grun<strong>der</strong>krankung<br />

Nachsorge


Klinische Risikoabschätzung für<br />

thromboembolische Ereignisse<br />

Hohes Thromboembolierisiko<br />

(circa 10 %/Jahr und mehr ohne <strong>Antikoagulation</strong>)<br />

Tiefe Beinvenenthrombose o<strong>der</strong> Lungenembolie im zurückliegenden<br />

Monat<br />

Künstliche Herzklappen<br />

Arterielle Embolie im zurückliegenden Monat<br />

Vorhofflimmern mit Z. n. ischämischem Ereignis,<br />

schwerer Herzinsuffizienz, Thrombus im linken Vorhof<br />

o<strong>der</strong> dichtem Spontanechos<br />

Mittleres Thromboembolierisiko<br />

(circa 4 bis 10 %/Jahr ohne <strong>Antikoagulation</strong>)<br />

Idiopathische tiefe Beinvenenthrombose o<strong>der</strong> Lungenembolie innerhalb<br />

des ersten Jahres<br />

Vorhofflimmern mit begleitendem Diabetes mellitus,<br />

arterieller Hypertonie o<strong>der</strong> höherem Lebensalter<br />

Bioprothesen (erste 3 Monate)<br />

Niedriges Thromboembolierisiko<br />

(unter 4 %/Jahr ohne <strong>Antikoagulation</strong>)<br />

Sekundäre tiefe Beinvenenthrombose o<strong>der</strong> Lungenembolie innerhalb<br />

des ersten Jahres<br />

Idiopathisches Vorhofflimmern<br />

Bioprothesen (nach 3 Monaten)<br />

Nach Datenlage <strong>der</strong> Kohortenstudien ist das<br />

perioperative Blutungsrisiko von größerer<br />

Bedeutung. Hierdurch kann aufgrund <strong>der</strong><br />

notwendigen Korrektur des Gerinnungssy-<br />

stems das Thromboembolierisiko steigen.<br />

Notwendige Fragen vor <strong>der</strong> Umstellung:<br />

Muss weiter antikoaguliert werden?<br />

Vor Absetzen <strong>der</strong> OAK müssen Patienten<br />

mit hohem thromboembolischem Risiko<br />

identifiziert werden, bei denen die Fortfüh-<br />

rung <strong>der</strong> <strong>Antikoagulation</strong> zwingend erfor-<br />

<strong>der</strong>lich ist. Diese Entscheidung ist komplex,<br />

da das Risiko bei den einzelnen Grun<strong>der</strong>-<br />

krankungen unterschiedlich ist (Kasten 2).<br />

Hinzu kommt, dass sich in manchen Er-<br />

krankungen Untergruppen mit differentem<br />

Thromboembolierisiko – z. B. bei mecha-<br />

nischen Herzklappen – evaluieren lassen.<br />

Ebenso kann nach Komorbiditäten das<br />

Embolierisiko bei nichtvalvulärem Vorhof-<br />

flimmern nach dem sogenannten CHADS<br />

Score unterschieden werden (Kasten 3<br />

und 4). Eine überbrückende Antikoagulati-<br />

on scheint bei Patienten mit einem CHADS<br />

Kasten 2<br />

CHADS-Stroke-Risk-Index<br />

Basiert auf 1.733 Patienten / 2.121 Patientenjahren<br />

Individuelle Apoplex-<br />

Risikofaktoren 1 Punkt<br />

Herzinsuffizienz 1 Punkt<br />

Hypertonie 1 Punkt<br />

Alter > 75 1 Punkt<br />

Diabetes mellitus 1 Punkt<br />

Z. n. Insult 2 Punkte<br />

Gage et al., JAMA 2001<br />

Schlaganfallrisiko pro Jahr ohne <strong>Antikoagulation</strong>/ASS<br />

Rate<br />

Score < 3 fakultativ. Allerdings empfehlen<br />

die gemeinsamen Leitlinien <strong>der</strong> amerika-<br />

nischen und europäischen kardiologischen<br />

Fachgesellschaften die überbrückende<br />

<strong>Antikoagulation</strong> bei Unterbrechung <strong>der</strong><br />

OAK über sieben Tage. [10]<br />

Welche Heparindosis? Therapeutisch o<strong>der</strong> halb-<br />

therapeutisch?<br />

Die Studien-Analysen zum Einsatz <strong>der</strong><br />

Bridging-<strong>Antikoagulation</strong> wurden im the-<br />

rapeutischen Bereich für das UFH (aPTT-<br />

Verlängerung > 1,5–2x) und für den NMH<br />

(Anti-Xa-Spiegel kontrolliert) durchgeführt.<br />

Dieser Bereich wurde entsprechend den<br />

Empfehlungen <strong>der</strong> einzelnen NMH und<br />

im Vergleich <strong>der</strong> Heparine für die Akutthe-<br />

rapie <strong>der</strong> tiefen Beinvenenthrombose und<br />

Lungenembolie festgelegt. Hierbei ergab<br />

sich kein signifikanter Unterschied in den<br />

Komplikationsraten (Tab. 2, 3). Es ergeben<br />

sich aber Hinweise, dass sowohl Patienten<br />

mit neueren mechanischen Herzklappen<br />

als auch VHF mit <strong>der</strong> halbtherapeutischen<br />

Dosis prophylaktisch behandelt werden<br />

können. [6] Der optimale Zeitpunkt <strong>der</strong><br />

CHADS Score<br />

National Registry of AF Adjusted Stroke<br />

0 1,9 %<br />

1 2,8 %<br />

2 4,0 %<br />

3 5,9 %<br />

4 8,5 %<br />

5 12,5 %<br />

6 18,2 %<br />

Gage et al., JAMA 2001<br />

Labormedizin | Angiologie (CME)<br />

letzten präoperativen Heparingabe des<br />

Kasten 3<br />

Kasten 4<br />

NMH ist ebenfalls unterschiedlich. Ein ver-<br />

tretbarer Kompromiss zwischen thrombo-<br />

embolischem Risiko und Blutung, insbe-<br />

son<strong>der</strong>e in Anbetracht <strong>der</strong> rückenmarkna-<br />

hen Anästhesie, scheint eine letzte Gabe<br />

24 h präoperativ zu sein. Postoperativ muss<br />

im Sinne eines Blutungsassessments die<br />

Aufnahme <strong>der</strong> <strong>Antikoagulation</strong> angepasst<br />

werden. Ein früherer Beginn < 6h scheint<br />

das Blutungsrisiko zu erhöhen.<br />

Identifizierung von Patienten mit erhöhtem Risiko<br />

für periinterventionelle Blutungen<br />

Das Blutungsrisiko hängt von dem geplan-<br />

ten Eingriff und patientenindividuellen<br />

Risiken ab. Ebenso ist die Komedikation<br />

bzgl. Thrombozytenfunktionshemmern<br />

zu beachten. So können Interventionen<br />

bei geringem Blutungsrisiko unter einer<br />

<strong>Antikoagulation</strong> mit INR-Werten um 2<br />

durchgeführt werden (Zahnextraktionen,<br />

OPs im vor<strong>der</strong>en Augenabschnitt ohne<br />

Regionalanästhesie, diagnostische gastrointestinale<br />

Untersuchungen. [12]<br />

475


Medtropole | Ausgabe Oktober 2007<br />

Zum Beispiel<br />

Welcher Kompromiss zwischen thromboembo-<br />

lischem Schutz und Blutungsgefahr ist möglich?<br />

Ein überschaubarer Vorschlag zum Bridg-<br />

ing wurde von <strong>der</strong> BRAVE-Arbeitsgruppe<br />

gemacht (Kasten 5). Dieses Schema verei-<br />

nigt das individuelle thromboembolische<br />

Risiko mit dem <strong>der</strong> Blutungsgefahr.<br />

Gibt es aktuelle Leitlinien und wie ist die aktu-<br />

elle Studienlage?<br />

Keines <strong>der</strong> verfügbaren UFH o<strong>der</strong> NMH<br />

ist für die Indikation <strong>der</strong> überbrückenden<br />

<strong>Antikoagulation</strong> zugelassen. Eine aktuelle<br />

Leitlinie für ein in <strong>der</strong> Praxis anwendbares<br />

Schema zur überbrückenden Antikoagu-<br />

lation wurde von keiner Fachgesellschaft<br />

festgelegt. Gemeinsame Empfehlungen<br />

wurden von <strong>der</strong> European Society of<br />

Cardiology, www.escardio.org/know-<br />

ledge/guidelines, mit den amerikanischen<br />

Gesellschaften gegeben. Eine dieser Emp-<br />

fehlungen wurde von den American<br />

College of Chest Physicians (ACCP) bei<br />

ihrer siebten Konferenz 2004 weiterentwi-<br />

ckelt. [13] Sie ist unter www.guideline.gov<br />

zu finden.<br />

Studienlage<br />

Seit Jahren arbeiten viele Forscher an für<br />

die Praxis anwendbaren Therapieschemata<br />

[1-9] , doch ein einheitliches Schema liegt<br />

bislang nicht vor. In unserer Übersicht<br />

476<br />

Künstlicher Herzklappenersatz<br />

Frische Thrombose<br />

Vorhofflimmern und<br />

Zustand nach Embolie o<strong>der</strong><br />

Thrombus im linken Herzrohr/<br />

spontaner Echokontrast o<strong>der</strong><br />

Herzinsuffizienz<br />

Vorhofflimmern plus<br />

Alter > 75 Jahre<br />

Alter < 75 Jahre o<strong>der</strong> plus Diabetes<br />

mellitus o<strong>der</strong> arterielle Hypertonie<br />

BRAVE: Bonn Registry for<br />

Alternativ Periprocedural<br />

Anticoagulation to Prevent<br />

Vascular Events<br />

TE-Risiko<br />

Hoch<br />

Intermediär<br />

Eingriffe, die nicht oben<br />

genannten Interventionen<br />

zuzuordnen sind<br />

Nichtchirurgische<br />

Interventionen, inklusive<br />

Herzkatheteruntersuchungen<br />

Endoskopie<br />

Bronchoskopie<br />

Arthoskopie<br />

Dosierung<br />

Therapeutisch<br />

Halbtherapeutisch<br />

stellen wir einige Studien und ihre Ergeb-<br />

nisse vor. 1978 erschien eine kleine, offene<br />

Studie mit begrenzter Fallzahl von Katho-<br />

li [1] zur perioperativen Bridging-Therapie<br />

mit UFH. Erst 2000 präsentierte Mehra [2]<br />

erneut eine Studie mit demselben Thema.<br />

Die Fallzahl war genauso klein und die<br />

Bridging-Indikation war nicht spezifiziert.<br />

Das klassische Konzept aus Tabelle 1<br />

zeigte eine Thromboserate von 0 Prozent.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> niedrigen Fallzahl ist ein<br />

thromboembolisches Risiko aber nicht<br />

auszuschließen. Die Blutungsrate lag bei<br />

insgesamt 8,5 Prozent, wobei die Anzahl<br />

leichter Blutungen überwog.<br />

Ab 2001 wurden mehrere Studien für ver-<br />

schiedene Indikationsbereiche mit hohen<br />

Patientenzahlen publiziert, die NMH (kör-<br />

pergewichtsadaptiert) als überbrückende<br />

<strong>Antikoagulation</strong> erhalten hatten.<br />

In den in Tabelle 2 dargestellten Studien<br />

lag die Thromboembolierate zwischen 0<br />

und 3,5 Prozent, die Rate schwerer Blu-<br />

tungen zwischen 0,2 und 6,7 Prozent.<br />

Zusätzlich gab es weitere klinische Ver-<br />

gleichsstudien zwischen UFH und NMH<br />

als Bridging-Therapie.<br />

Periinterventionell<br />

adaptiert<br />

Periinterventionell<br />

adaptiert<br />

Blutungsrisiko Nicht hoch<br />

Hoch<br />

Herzchirurgische Eingriffe<br />

Chirurgie großer Gefäße<br />

Große tumorchirurgische<br />

Eingriffe<br />

Operation an Niere/<br />

Prostata<br />

Hammerstingl C [14] Kasten 5<br />

Diese Vergleiche zeigen in Tabelle 3, dass<br />

die überbrückende <strong>Antikoagulation</strong> für die<br />

verschiedenen Krankheiten mit NMH min-<br />

destens so sicher und wirksam ist wie mit<br />

UFH. Das <strong>Antikoagulation</strong>s-Therapieziel<br />

ist mit NMH schneller erreicht und bleibt<br />

länger stabil. Die Verwendung von NMH<br />

ist wegen <strong>der</strong> Option des ambulanten Ein-<br />

satzes bei weitem kostengünstiger.<br />

Fazit:<br />

Patienten unter einer Dauertherapie mit<br />

OAK haben ein erhöhtes periinterventionel-<br />

les Risiko für Blutungen o<strong>der</strong> thromboem-<br />

bolische Ereignisse. Dieses muss anhand<br />

<strong>der</strong> individuellen und prozeduralen Risi-<br />

ken für den Einzelfall evaluiert werden.<br />

UFH und vermehrt NMH werden zur<br />

überbrückenden <strong>Antikoagulation</strong> emp-<br />

fohlen, wobei <strong>der</strong> Einsatz <strong>der</strong> NMH<br />

weitaus besser belegt ist.<br />

Nach aktuellem Studienstand bestehen<br />

keine übereinstimmenden Empfehlungen<br />

zum Dosisregime <strong>der</strong> NMH, meist wird<br />

die therapeutische Dosis ein o<strong>der</strong> zwei<br />

Mal täglich appliziert. Allerdings gibt es<br />

Hinweise, dass bei mo<strong>der</strong>nen Kunstherz-<br />

klappen in Aortenposition o<strong>der</strong> beim<br />

VHF auch die halbtherapeutische Dosis<br />

ausreichen kann.<br />

Bei vielen Eingriffen mit minimalem Blu-<br />

tungsrisiko durch den Eingriff muss die<br />

<strong>Antikoagulation</strong> mit OAK nicht unterbro-<br />

chen werden.<br />

Bei üblichen Blutungsrisiken und gerin-<br />

gem bis mäßigem Thromboembolierisiko<br />

sollte die orale <strong>Antikoagulation</strong> unterbro-<br />

chen werden. Nach dem Eingriff und ggf.<br />

auch zuvor ist die Anwendung fraktio-<br />

nierter Heparine in halbtherapeutischer<br />

Dosis zu erwägen.<br />

Bei hohem Thromboembolierisiko muss<br />

zur <strong>Überbrückung</strong> fraktioniertes Heparin<br />

in therapeutischer Dosierung gegeben<br />

werden. Für den Eingriff sollte die Hepa-<br />

rinantikoagulation so kurz wie möglich<br />

unterbrochen werden.<br />

Fraktionierte Heparine sind für das<br />

„Bridging“ nicht zugelassen. Es bedarf<br />

daher einer intensiven Aufklärung und<br />

Einwilligung des Patienten.


Tabelle 1<br />

Studie Indikation für<br />

Bridging<br />

Katho-<br />

li [1]<br />

Mehra [2]<br />

MH 13 x gr. OP<br />

13 x kl. OP<br />

Operation n Dosis Thrombo-<br />

embolien<br />

nicht spezif. Oralchirurgie 20 Bolus 80 U/kg<br />

i. v. dann<br />

18 U/kg/h<br />

i. v. dann aPTT<br />

gesteuert<br />

Blutungen<br />

gesamt<br />

Blutungen<br />

schwer<br />

39 0 3 1 2<br />

0 2 0 2<br />

Blutungen<br />

leicht<br />

Gesamt 59 0 5 (8,5 %) 1 (1,7 %) 4 (6,8 %)<br />

Tabelle 2<br />

Studie Indikation für<br />

Bridging<br />

Hammer-<br />

stingl [3]<br />

Kovacs [4]<br />

Douketis [5] MH/VHF<br />

Embolischer<br />

Insult<br />

Halbitter [6]<br />

Operation n Thrombo-<br />

embolien<br />

VHF/MH OP mit hoher (n = 34) u. niedriger<br />

(n = 166) Blutungsgefahr<br />

MH/VHF Herzkatheter Uro./Ortho-Chirurgie,<br />

Dentalchir./Endoskopie<br />

OP mit hoher (n = 108) u. niedriger<br />

(n = 542) Blutungsgefahr<br />

VTE/MH VHF Kathetereingriffe, Schrittmacherimplant,<br />

Endoskopien, Allg.<br />

Ortho.-, Cardiovasc.-Chir.<br />

Blutungen<br />

gesamt<br />

Blutungen<br />

schwer<br />

200 0 19 0 19<br />

224 8 (3,5 %) k. A. 15 (6,7 %) k. A.<br />

650 2 (0,3 %) 38 6 (0,9 %) 32<br />

286 3 (1,0 %) k. A. 5 (1,7 %) k. A.<br />

Blutungen<br />

leicht<br />

Gesamt 2002 17 (0,85 %) 86 (4,4 %) 37 (1,8 %) 81 (4,0 %)<br />

Tabelle 3<br />

Studie Patienten Ergebnisse<br />

Montalescot [7]<br />

Stellbrink [8]<br />

Herzklappenchirurgie<br />

UFH n = 106 / NMH n = 102<br />

Blutungen: 2 schwere in je<strong>der</strong> Gruppe<br />

VHF n = 496 Endpunkt Mortalität / schwere Blut. / Embolien: 2,8 % NMH vs.<br />

4,8 % UFH<br />

Omran VHF, Herzklappenersatz o. beides<br />

n = 68<br />

Spyropoulos [9]<br />

Zeit bis Erreichen effektiver <strong>Antikoagulation</strong> signif. kürzer unter NMH;<br />

Anteil <strong>der</strong> Tage mit effektiver <strong>Antikoagulation</strong> unter NMH signif. höher<br />

Künstliche Herzklappen n = 246 NMH genauso wirksam wie UFH mit kürzerer Hospitation<br />

Tabellen nach Bauersachs et al., DÄ 18 vom 04.05.2007 VTE: venöse Thromboembolie<br />

Literatur<br />

[1] Katholi RE, Nolan SP, Mcguire LB. The management of<br />

anticoagulation during noncardiac operations in patients<br />

with prosthetic heart valves. A prospective study. Am Heart<br />

J 1978; 96: 163-165.<br />

[2] Mehra P, Cottrell DA, Bestgen SC, Booth DF. Mana-<br />

gement of heparin therapy in the high risk, chronically<br />

anticoagulated, oral surgery patient: a review and a<br />

proposed nomogram. J Oral Maxillofac Surg 2000; 95:<br />

1717–1724.<br />

[3] Hammerstingl C, Schlang G, Bernhardt P, et al. Einsetz-<br />

barkeit nie<strong>der</strong>molekularer Heparine bei Umstellung einer<br />

<strong>oralen</strong> <strong>Antikoagulation</strong> vor Interventionen mit erhöhtem<br />

Blutungsrisiko: Das „Bonn-Register“ – Erfahrungen mit<br />

200 Patienten. Z. Kardiol 2004; 93 (Suppl): 281–282.<br />

[4] Kovacs MJ, Kearon C, Rodger M et al. Single-arm<br />

study of bridging therapy with low molecular-weight<br />

heparin for patients at risk of arterial embolism who<br />

require temporary interruption of warfarin. Circulation<br />

2004; 110: 1658–1663.<br />

[5] Douketis JD, Johnson Ja, Turpie AG. Low-molecu-<br />

lar-weight heparin as bridging anticoagulation during<br />

interruption of warfarin. Arch Intern Med 2004; 164:<br />

1319–1326.<br />

[6] Halbitter KW, Wawer A, Beyer J, et al. Bridging anti-<br />

coagulation for patients on long-term vitamin-K-anta-<br />

gonists. A prospective 1 year registry of 311 episodes. J<br />

Thromb Heamost 2005; 3: 2823–2825.<br />

[7] Montalescot G, Polle V, Collet JP et al. Low-mole-<br />

cular-weight Heparin after mechanical heart valve<br />

replacment. Circulation 2000: 101; 1083–1086.<br />

[8] Stellbrink C, Nixdorff U, Hofmann T et al. Safely<br />

and efficacy of enoxaparin compared with unfractio-<br />

nated heparin and oral anticoagulants for prevention<br />

of thromboembolic complications in cardioversion of<br />

nonvalvular arterial fibrillation: (ACE) trial. Circulation<br />

2004; 109: 997–1003.<br />

[9] Spyropulos A, Dunn A, Turpie A et al. Preoperative<br />

bridging therapy with unfractionated heparin or low-<br />

molecular-weight heparin in patients with mechanical<br />

Kontakt<br />

Labormedizin | Angiologie (CME)<br />

heart valves on long term oral anticoagulants: Results<br />

from the REGIMEN registry (Abstract A832). J Am Coll<br />

Cardiol 2005; 45: 352.<br />

[10] Bauersachs R., Schellong S, Haas S, et al. Überbrü-<br />

ckung <strong>der</strong> <strong>oralen</strong> <strong>Antikoagulation</strong> bei interventionellen<br />

Eingriffen. Deutsches Ärzteblatt, Jg. 104; Heft 18: 4. 5<br />

2007.<br />

[11] Doukatis J et al., <strong>Antikoagulation</strong> bei Patienten, die<br />

einer elektiven Operation unterzogen werden und einer<br />

temporären Unterbrechung <strong>der</strong> Vitamin K Antago-<br />

nisten-Therapie bedürfen: Ein praktischer Leitfaden<br />

für Kliniker. InnoMed Educational Service, Minerva<br />

Communications Group Inc. 2005.<br />

[12] Gastrointest. Endoscopy 2002; 55: 775–779.<br />

[13] The Seventh ACCP Conference on Antithrombotic<br />

and Thrombolytic Therapy: Evidence-Based Guidelines<br />

CHEST Volume 126/Number 3 Supplements / Septem-<br />

ber, 2004.<br />

[14] Hammerstingl C, Omran H. Nie<strong>der</strong>molekulare<br />

Heparine als Alternative beim Pausieren einer <strong>oralen</strong><br />

<strong>Antikoagulation</strong>. Der Bay Int 2006; 26 (4)<br />

Dr. med. Hala El Abd-Müller<br />

Spezialgerinnung<br />

MEDILYS c/o <strong>Asklepios</strong> Klinik Altona<br />

Tel. (0 40) 18 18-81 59 26<br />

Fax (0 40) 18 18-81 49 37<br />

E-Mail: h.el@asklepios.com<br />

Dr. Björn-Michael Schulenburg<br />

Sektion Angiologie/Gefäß Centrum<br />

Hamburg GCH<br />

Abteilung für Allgemein-, Gefäß- und<br />

Viszeralchirurgie<br />

<strong>Asklepios</strong> Klinik Harburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-86 33 91<br />

Fax (0 40) 18 18-86 33 06<br />

E-Mail: b.schulenburg@asklepios.com<br />

477


Aktuelles<br />

Medtropole | Ausgabe Oktober 2007<br />

2. Hamburg-Preis<br />

Persönlichkeitsstörungen ging nach<br />

Freiburg, Chicago und Köln<br />

Zum Abschluss des 4. Hamburger Sym-<br />

posiums Persönlichkeitsstörungen „Von<br />

Duetten und Duellen“ wurde Anfang Sep-<br />

tember zum zweiten Mal <strong>der</strong> aus zwei<br />

Kategorien bestehende „Hamburg-Preis<br />

Persönlichkeitsstörungen“ verliehen. Mit<br />

einem Preisgeld von insgesamt 15.000<br />

Euro gehört er zu den bundesweit höchst-<br />

dotierten Wissenschaftspreisen in <strong>der</strong><br />

Psychiatrie. Den mit 10.000 Euro dotierten<br />

„Hamburger Preis Persönlichkeitsstörun-<br />

gen 2007“ erhielt eine Arbeitsgruppe aus<br />

Freiburg und Chicago, vertreten durch Dr.<br />

Nicolas Rüsch. Die mit 5.000 Euro dotierte<br />

„Hamburger Fellowship Persönlichkeits-<br />

störungen 2007“ ging an Dr. Maya K.<br />

Krischer aus Köln.<br />

Der von <strong>der</strong> Gesellschaft zur Erforschung<br />

und Therapie von Persönlichkeitsstö-<br />

rungen (GePs) e. V. und <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong><br />

Kliniken Hamburg GmbH ausgeschriebene<br />

Preis wird jährlich für herausragende<br />

Arbeiten auf dem Gebiet <strong>der</strong> Persönlich-<br />

keitsstörungen verliehen und soll vor<br />

allem die klinische Forschung för<strong>der</strong>n.<br />

478<br />

„Für die Grundlagenforschung gibt es<br />

genügend För<strong>der</strong>ung, dieser Preis soll<br />

direkt den Patienten zugute kommen und<br />

insbeson<strong>der</strong>e auch junge Forscher för<strong>der</strong>n“,<br />

so Kongresspräsident Dr. Birger Dulz. Eine<br />

fünfköpfige Preisjury unter dem Vorsitz<br />

von Prof. Dr. Stephan Doering (Münster)<br />

hatte die beiden Arbeiten aus zahlreichen<br />

Bewerbungen aus Deutschland, Öster-<br />

reich und <strong>der</strong> Schweiz ausgewählt. Dr.<br />

Jörg Weidenhammer, Geschäftsführer <strong>der</strong><br />

<strong>Asklepios</strong> Kliniken Hamburg GmbH, und<br />

Prof. Doering überreichten Preisgel<strong>der</strong> und<br />

Urkunden während des Abschlussplenums<br />

an die Preisträger.<br />

Die Arbeitsgruppe aus Dr. Nicolas Rüsch<br />

(Universitätsklinikum Freiburg), Prof. Dr.<br />

Klaus Lieb (Mainz), Dr. Ines Göttler (Frei-<br />

burg), PD Dr. Christiane Hermann (Mann-<br />

heim), Dr. Elisabeth Schramm, Dr. Harald<br />

Richter, Dr. Gitta A. Jacob (alle Freiburg),<br />

Patrick W. Corrigan, PSy.D. (Chicago) und<br />

Prof. Dr. Martin Bohus (Mannheim) wurde<br />

ausgezeichnet für ihre Arbeit „Scham und<br />

implizites Selbstkonzept bei Frauen mit<br />

Bor<strong>der</strong>line-Störung“. Scham ist ebenso<br />

(v. l.): Dr. Birger Dulz, Kongresspräsident und Präsident<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft zur Erforschung und Therapie von Per-<br />

sönlichkeitsstörungen (GePs) e. V., Dr. Nicolas Rüsch,<br />

Träger des mit 10.000 Euro dotierten Hamburger Preises<br />

Persönlichkeitsstörungen 2007, Dr. Maya K. Krischer,<br />

Preisträgerin <strong>der</strong> mit 5.000 Euro dotierten Hamburger<br />

Fellowship Persönlichkeitsstörungen 2007, Prof. Dr.<br />

Stephan Doering, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Preisjury, und Dr.<br />

Jörg Weidenhammer, Geschäftsführer <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong><br />

Kliniken Hamburg GmbH<br />

wie Wut und Angst eine Schlüsselemoti-<br />

on <strong>der</strong> Bor<strong>der</strong>line-Störung. Die Autoren<br />

zeigten mit <strong>der</strong> ausgezeichneten Arbeit,<br />

dass Frauen mit Bor<strong>der</strong>line-Störungen<br />

weitaus mehr unter Schamgefühlen leiden<br />

als Patientinnen mit sozialer Phobie o<strong>der</strong><br />

gesunde Frauen. Sie fanden außerdem<br />

einen starken Zusammenhang zwischen<br />

hoher Scham und geringem Selbstwertge-<br />

fühl, niedriger Lebensqualität und einem<br />

hohen Maß an Ärger und Feindseligkeit.<br />

Damit liefert die im American Journal of<br />

Psychiatry publizierte Arbeit einen ersten<br />

empirischen Beleg für die zentrale Rolle<br />

<strong>der</strong> Scham bei Bor<strong>der</strong>line-Störungen. Dr.<br />

Maya K. Krischer aus Köln wurde für<br />

ihre Arbeit „Dimensionale Erfassung von<br />

Persönlichkeitspathologie bei delinquenten<br />

weiblichen und männlichen Jugendlichen“<br />

mit <strong>der</strong> „Hamburger Fellowship Persön-<br />

lichkeitsstörungen 2007“ geehrt. Die mit<br />

5.000 Euro dotierte Fellowship ist mit<br />

einem Studienaufenthalt in einem renom-<br />

mierten internationalen Institut verknüpft,<br />

das sich mit <strong>der</strong> Behandlung von Persön-<br />

lichkeitsstörungen befasst.


Personalia<br />

<strong>Asklepios</strong> Klinik Harburg:<br />

Neuer Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie<br />

Priv.-Doz. Dr. Christian Heinrich Flamme übernimmt als Nach-<br />

folger von Dr. Bernd-Joachim Rasch zum 1. November 2007 die<br />

bisherige Abteilung für Unfall- und Wie<strong>der</strong>herstellungschirurgie<br />

in <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> Klinik Harburg. Flamme wurde in Hannover ge-<br />

boren, ist verheiratet und Vater dreier Kin<strong>der</strong>. Er studierte Human-<br />

medizin an <strong>der</strong> Medizinischen Hochschule Hannover, wo er auch<br />

promovierte. Seine AiP-Zeit absolvierte Flamme in <strong>der</strong> Unfallchi-<br />

rurgie des Nordstadtkrankenhauses Hannover, seine Weiterbil-<br />

dung zum Facharzt für Orthopädie, für Orthopädie-Rheumatolo-<br />

gie sowie Orthopädie und Unfallchirurgie in <strong>der</strong> Orthopädischen<br />

Klinik <strong>der</strong> MH Hannover im Annastift unter Prof. Dr. C. J. Wirth,<br />

wo er im Anschluss als Oberarzt und schließlich leiten<strong>der</strong> Ober-<br />

arzt weiterarbeitete. Anfang 2003 übernahm Flamme die Leitung<br />

<strong>der</strong> Sektion Wirbelsäulenchirurgie im Annastift. Er erwarb die Teil-<br />

gebietsbezeichnung „spezielle orthopädische Chirurgie“ sowie die<br />

Zusatzbezeichnungen Chirotherapie und Sportmedizin. In seiner<br />

Habilitationsschrift befasste sich Flamme mit „Biomechanischen<br />

Untersuchungen zur Primärstabilität von dorsalen und ventralen<br />

monosegmentalen Spondylodesen an <strong>der</strong> bovinen Lendenwir-<br />

belsäule“. Des Weiteren hat er sich klinisch und wissenschaftlich<br />

mit <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Endoprothetik <strong>der</strong> großen Gelenke einschließ-<br />

lich minimalinvasiver Techniken unter Verwendung mo<strong>der</strong>ner<br />

Prothesendesigns beschäftigt. In <strong>der</strong> AK Harburg wird Flamme mit<br />

seinem Team die Neuausrichtung <strong>der</strong> Abteilung hin zur Ortho-<br />

pädie und Unfallchirurgie betreiben und dabei insbeson<strong>der</strong>e die<br />

Schwerpunkte Endoprothetik und Revisionsendoprothetik sowie<br />

konservative und operative Wirbelsäulenbehandlungen stärken<br />

und die Zusammenarbeit mit den Nie<strong>der</strong>gelassenen intensivieren.<br />

Kontakt<br />

Priv.-Doz. Dr. Christian Flamme<br />

Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie<br />

<strong>Asklepios</strong> Klinik Harburg<br />

Eißendorfer Pferdeweg 52, 21075 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-86 25 31<br />

Fax (0 40) 18 18-86 30 80<br />

E-Mail: c.flamme@asklepios.com<br />

<strong>Asklepios</strong> Klinik St. Georg:<br />

Neuer Chefarzt <strong>der</strong> Abteilung für Neurologie<br />

Priv.-Doz. Dr. Christoph Terborg leitet als Nachfolger von Prof. Dr.<br />

Peter Vogel seit dem 1. Juli 2007 die Abteilung für Neurologie in<br />

<strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> Klinik St. Georg. Terborg wurde in Siegen (NRW)<br />

geboren und ist verheiratet. Er studierte Humanmedizin an <strong>der</strong><br />

Philipps-Universität Marburg, wo er am Institut für Anatomie<br />

mit „magna cum laude“ promovierte. Seine AiP-Zeit absolvierte<br />

Terborg an <strong>der</strong> Neurologischen Klinik mit Poliklinik <strong>der</strong> Philipps-<br />

Universität unter Prof. Dr. Gerhard Huffmann mit dem Schwer-<br />

punkt Elektrophysiologie. Während seiner Weiterbildung zum<br />

Facharzt für Neurologie arbeitete Terborg an <strong>der</strong> Neurologischen<br />

Klinik des Klinikums Minden unter Prof. Dr. Otto Busse und am<br />

Nie<strong>der</strong>sächsischen Landeskrankenhaus Osnabrück (Psychiatrie)<br />

unter Prof. Dr. Wolfgang Weig. Anschließend wechselte Terborg<br />

als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an die Klinik für Neurologie<br />

<strong>der</strong> Friedrich-Schiller-Universität Jena unter Prof. Dr. Cornelius<br />

Weiller, wo er in den folgenden Jahren die Leitung des EMG- und<br />

EEG-Labors, später des Ultraschalllabors, <strong>der</strong> Intensivstation und<br />

<strong>der</strong> Stroke Unit übernahm und bis zum stellvertretenden und kom-<br />

missarischen Direktor <strong>der</strong> Abteilung aufstieg. Er hat sich intensiv<br />

mit <strong>der</strong> Diagnostik und Therapie neuromuskulärer Erkrankungen,<br />

Kopfschmerzen und Demenzen beschäftigt. 2005 habilitierte sich<br />

Terborg mit dem Thema „Optische Untersuchungen <strong>der</strong> zerebralen<br />

Hämodynamik mittels Nahinfrarot-Spektroskopie“. Er ist Mit-<br />

glied mehrerer Fachgesellschaften und Regionalbeauftragter <strong>der</strong><br />

Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. In St. Georg wird Terborg mit<br />

seinem Team die Schwerpunkte Schlaganfall und zerebrovaskuläre<br />

Risikofaktoren und zusammen mit <strong>der</strong> Klinik für Anästhesiologie<br />

eine neurologische Intensivstation aufbauen.<br />

Kontakt<br />

Priv.-Doz. Dr. Christoph Terborg<br />

Abteilung für Neurologie<br />

<strong>Asklepios</strong> Klinik St. Georg<br />

Lohmühlenstraße 5, 20099 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-85 22 67 o<strong>der</strong> -22 68<br />

Fax (0 40) 18 18-85 41 85<br />

E-Mail: c.terborg@asklepios.com<br />

479


ISSN 1863-8341<br />

Kommt ein Mann<br />

zum Arzt ...<br />

www.medtropole.de

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