3. EVU-Verkehrssicherheitsseminar in Österreich ... - EVU e.V.
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<strong>EVU</strong> – Ländergruppe <strong>Österreich</strong><br />
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> - <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
Kurzfassungen<br />
zu den Fachvorträgen<br />
Samstag, 26. Februar 2005, 9:30 – 16:00 Uhr<br />
Bundesanstalt für Verkehr, Wien Strebersdorf<br />
veranstaltet von der <strong>EVU</strong> – <strong>Österreich</strong>
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Inhalt:<br />
MR DI Dr. Günter BREYER<br />
Bundesm<strong>in</strong>isterium für Verkehr, Innovation und Technologie II/ST 2<br />
Leiter der Abteilung ST 2 - Technik<br />
Verkehrssicherheitsarbeit <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> ............................................................... 2<br />
DI Michael WEBER<br />
Vorsitzender des <strong>EVU</strong>-Dachverbandes<br />
Inhalt Seite 1<br />
Seite<br />
Unfallrekonstruktion <strong>in</strong> Europa – Unterschiede und Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />
Erkenntnisse aus dem EU-Projekt QUERY ........................................................... 8<br />
Prof. Dr.-Ing. habil. Egon-Christian VON GLASNER<br />
Präsidialratsvorsitzender des <strong>EVU</strong>-Dachverbandes<br />
Wahre Sicherheit von Fahrerassistenzsystemen ............................................... 20<br />
Univ.-Prof. DI Dr. Peter LUGNER<br />
Technische Universität Wien<br />
Möglichkeiten der Simulation des dynamischen Verhaltens von KFZ ............. 23<br />
Univ.-Prof. DI Dr. Hermann STEFFAN<br />
DSD L<strong>in</strong>z, Technische Universität Graz – Institut für Fahrzeugsicherheit<br />
Probleme durch den SUV bei der Seitenkollision .............................................. 28<br />
Mag. Dr. Werner GRATZER<br />
DWG Sachverständigenbüro Gratzer<br />
Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen –<br />
Tunnelunfall <strong>in</strong> St. Gotthard u.a. .......................................................................... 35<br />
Univ.-Prof. DI Dr. Ernst PFLEGER / DI Hannes GLASER<br />
EPIGUS-Institut für ganzheitliche Unfall- und Sicherheitsforschung<br />
Blicktechnische und fahrdynamische Grenzbereiche bei Kurvenfahrten<br />
zur Aufklärung von Abkommensunfällen ........................................................... 59
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
MR DI Dr. tech. Günter BREYER<br />
Bundesm<strong>in</strong>isterium für Verkehr, Innovation und Technologie II/ST 2<br />
Leiter der Abteilung ST 2 - Technik<br />
Verkehrssicherheitsarbeit <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
<strong>Österreich</strong>isches Verkehrssicherheitsprogramm 2002 – 2010<br />
Verkehrssicherheit <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
• Seit den 1970er Jahren ist Verkehrssicher-<br />
heit e<strong>in</strong> zentrales Thema <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
• Seit 1970<br />
- Zunahme des Straßenverkehrs um 300%<br />
- Abnahme der Zahl der Verkehrstoten um<br />
70%<br />
• 2003<br />
- Getötete: 931<br />
- Verletzte: ~ 57.000<br />
- Unfälle: ~ 4<strong>3.</strong>000<br />
• Seit 2000<br />
=> <strong>Österreich</strong> ist nicht unter den Spitzenreitern der EU<br />
- Wichtiger Impuls durch das „White Paper on European Transport Policy: Time to<br />
Decide“ (2001)<br />
- Österr. Verkehrssicherheitsprogramm 2002-2010<br />
- Revision im Jahr 2004<br />
• Schwerpunkte <strong>in</strong> den Bereichen<br />
- Geschw<strong>in</strong>digkeit/Abstand<br />
- Alkohol/Drogen<br />
- Sicherheitsgurt/K<strong>in</strong>dersitz<br />
• Ziel für das Jahr 2010: -50% Getötete<br />
• Zwischenergebnis 2004: -13% Getötete<br />
BREYER, Günter – Verkehrssicherheitsarbeit <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> Seite 2
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
<strong>Österreich</strong>isches Unfallgeschehen<br />
Entwicklung der Unfallkenngrößen 1961-2003 (Index 1961 = 100%)<br />
Anzahl der bei Verkehrsunfällen Getöteten pro Mio. E<strong>in</strong>wohner 2003 (Quelle: IRTAD)<br />
Getötete nach Verkehrsbeteiligung 2003 Getötete nach Straßenart 2003<br />
BREYER, Günter – Verkehrssicherheitsarbeit <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> Seite 3
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Verkehrssicherheitsprogramm 2002-2010<br />
• Regierung verabschiedet VSP im Jahr 2002<br />
• VSP be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>en umfangreichen Maßnahmenkatalog<br />
zur Erhöhung der Verkehrssicherheit<br />
• 28 Schwerpunkte mit mehr als 100 konkreten Maßnahmen<br />
• Jährliche Reduktionspotentiale werden – soweit möglich -<br />
angegeben<br />
• Umsetzung der Maßnahmen begann 2002<br />
• „Startpaket“ wurde Ende 2003 abgeschlossen<br />
• 7. April 2004 (Weltverkehrssicherheitstag „Road Safety is no<br />
Accident“): Präsentation der 2. Auflage des VSP <strong>in</strong> Deutsch<br />
und Englisch<br />
• Evaluation der Maßnahmen <strong>in</strong> regelmäßigen Abständen<br />
Ziele des VSP<br />
Grundsätze:<br />
• Jeder Tote und Schwerverletzte im Verkehr ist e<strong>in</strong>er zuviel<br />
• Die nachhaltige Sicherheitsarbeit im Bereich der Bahn und der Luftfahrt soll für die<br />
Straße als Vorbild dienen<br />
• E<strong>in</strong>e gesunde Sozialwirtschaft hat schon alle<strong>in</strong> aus ökonomischer Sicht die Pflicht,<br />
Unfallfolgekosten zu m<strong>in</strong>imieren<br />
Ziele bis 2010:<br />
Volkswirtschaftliche Kosten<br />
Wichtigste Kostenarten:<br />
m<strong>in</strong>us 50 % Getötete<br />
m<strong>in</strong>us 20 % Unfälle mit Personenschaden<br />
• Mediz<strong>in</strong>ische Behandlungskosten<br />
• Verlust an Leistungspotential<br />
• Schmerzensgeldzahlungen<br />
• Kosten von Sachschäden<br />
• Rechtskosten<br />
Gesamtkosten für Unfälle<br />
im Straßenverkehr:<br />
~ <strong>3.</strong>6 Mrd. Euro/Jahr<br />
BREYER, Günter – Verkehrssicherheitsarbeit <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> Seite 4
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Ergebnis der österreichischen Kostenträgerrechnung (Metelka et al., 1997)<br />
Schwerpunkte des VSP<br />
Kostenträger Kosten (<strong>in</strong> Euro)<br />
Getöteter 805.215,-<br />
Schwerverletzter 4<strong>3.</strong>605,-<br />
Leichtverletzter <strong>3.</strong>695,-<br />
Schwerer Sachschaden 4.870,-<br />
Leichter Sachschaden 1.242,-<br />
BREYER, Günter – Verkehrssicherheitsarbeit <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> Seite 5
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Handlungsfeld „Mensch“<br />
Jährliches Reduktionspotential im Bereich Alkohol und Drogen:<br />
bis zu 100 Getötete bis 2010<br />
Maßnahmen:<br />
erhöhte Alkohol-Überwachungsdichte (“Alko-Vortester”), Schulung im<br />
Bereich Drogenerkennung, Durchführung e<strong>in</strong>er “BOB”-Kampagne, …<br />
Jährliches Reduktionspotential im Bereich Führersche<strong>in</strong>ausbildung, Fahrtra<strong>in</strong><strong>in</strong>g:<br />
bis zu 130 Getötete bis 2010<br />
Maßnahmen:<br />
E<strong>in</strong>führung des Vormerksystems, regelmäßige Erneuerung des Führersche<strong>in</strong>s<br />
<strong>in</strong> Abstimmung mit der EU,…<br />
BREYER, Günter – Verkehrssicherheitsarbeit <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> Seite 6
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Rechtliche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
Zusammenarbeit<br />
• Innen-, Justiz-, Bildungs-, Gesundheitsm<strong>in</strong>isterium<br />
• Bundesländer, Städte, Geme<strong>in</strong>den<br />
• Kuratorium für Verkehrssicherheit<br />
• Automobil- und Mobilitätsclubs<br />
• Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer<br />
• Universitäten und Forschungse<strong>in</strong>richtungen<br />
F<strong>in</strong>anzierung<br />
<strong>Österreich</strong>ischer Verkehrssicherheitsfonds<br />
• KFG:<br />
- Gebühr für Wunschkennzeichen (~ 250.000, Euro 145,- für 15 Jahre)<br />
- Zweckgebunden für Verkehrssicherheitsarbeit<br />
• Volumen des Fonds: Euro 40 Mio. <strong>in</strong> den letzten 15 Jahren<br />
- 60 % Bundesländer<br />
- 40 % Bund<br />
• Dient der F<strong>in</strong>anzierung von Projekten zur Erhöhung der Verkehrssicherheit <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
MR DI Dr. tech. Günter BREYER<br />
Bundesm<strong>in</strong>isterium für Verkehr, Innovation und Technologie<br />
Sektion II – Infrastruktur; Leiter der Abteilung II/ST 2 - Technik und Verkehrssicherheit<br />
1010 Wien, Stubenr<strong>in</strong>g 1<br />
01 / 71 100 - 5419<br />
E-Mail: guenter.breyer@bmvit.gv.at<br />
BREYER, Günter – Verkehrssicherheitsarbeit <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> Seite 7
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
DI Michael WEBER<br />
Vorsitzender des <strong>EVU</strong>-Dachverbandes<br />
Unfallrekonstruktion <strong>in</strong> Europa – Unterschiede und Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />
Erkenntnisse aus dem EU-Projekt QUERY<br />
Die <strong>EVU</strong> und ihre Ländergruppen im Wandel – Weiterbildung und Berufsbild<br />
1 Die Vere<strong>in</strong>igung <strong>EVU</strong> als Zusammenschluss der Unfallanalytiker <strong>in</strong> ganz Europa ....... 8<br />
2 Abgrenzung der Berufsbilder ..................................................................................... 11<br />
3 <strong>EVU</strong> Projekt QUERY ................................................................................................. 11<br />
<strong>3.</strong>1 Def<strong>in</strong>ition ............................................................................................................ 12<br />
<strong>3.</strong>2 E<strong>in</strong>führung ......................................................................................................... 12<br />
<strong>3.</strong>2.1 Prävention .............................................................................................. 12<br />
<strong>3.</strong>2.2 Gerechte Aufteilung der zivilrechtlichen Kosten ...................................... 12<br />
<strong>3.</strong>2.3 Satisfaktionen ......................................................................................... 13<br />
<strong>3.</strong>2.4 Verbesserung der Sicherheit an Kraftfahrzeugen im Straßenraum ......... 13<br />
<strong>3.</strong>3 Projektziele ........................................................................................................ 13<br />
<strong>3.</strong>4 Erwartete Ergebnisse von QUERY .................................................................... 14<br />
<strong>3.</strong>5 QUERY - Phase 1 .............................................................................................. 15<br />
<strong>3.</strong>6 Europäische Dimension der Recherche.............................................................. 17<br />
4 Weiterbildung der Sachverständigen durch die Knowledge Base <strong>EVU</strong>onl<strong>in</strong>e.org ....... 18<br />
1 Die Vere<strong>in</strong>igung <strong>EVU</strong> als Zusammenschluss der Unfallanalytiker <strong>in</strong> ganz<br />
Europa<br />
Die <strong>EVU</strong> wurde 1991 von dem Unfallanalytiker Dr. Burg für Sachverständige aus dem<br />
Bereich der Unfallanalyse und Unfallforscher gegründet. Die erste Tagung fand 1992 <strong>in</strong><br />
Wien statt.<br />
Da die Mitgliederzahl stetig wuchs, wurde die Vere<strong>in</strong>igung im Jahr 2000 neu strukturiert: Es<br />
gibt e<strong>in</strong>en Dachverband der <strong>EVU</strong> mit Sitz <strong>in</strong> Hamburg, (kurz <strong>EVU</strong> genannt) und die<br />
Ländergruppen, z.B. Ländergruppe Ungarn, (kurz <strong>EVU</strong>-Ungarn). Jedes europäische Land<br />
WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion <strong>in</strong> Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 8
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
hat die Möglichkeit, e<strong>in</strong>e eigene Ländergruppe zu gründen. Hiervon haben schon viele<br />
Länder der EU und auch die Schweiz Gebrauch gemacht. Zur Zeit hat die gesamte<br />
Vere<strong>in</strong>igung <strong>EVU</strong> rund 500 Mitglieder.<br />
Gemäß der Satzung hat die <strong>EVU</strong> den Zweck, Verbesserungen von Grundlagen der Unfall-<br />
forschung und Methodik der Unfallanalyse zu fördern und damit zur Erhöhung der<br />
Rechtssicherheit beizutragen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten verbessert sie die<br />
Verkehrssicherheit, <strong>in</strong>dem Informationen über Unfallabläufe publiziert und Konzepte zur<br />
Verbesserung der aktiven und passiven Sicherheit aus den Erkenntnissen realer<br />
Unfallabläufe abgeleitet werden. Zudem betreibt die <strong>EVU</strong> e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Schulung und<br />
Weiterbildung ihrer Mitglieder. Führende Mitarbeiter aus der europäischen Fahrzeug-<br />
<strong>in</strong>dustrie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diese Weiterbildung <strong>in</strong>tegriert und <strong>in</strong>formieren über modernste Techniken.<br />
Die <strong>EVU</strong> leistet eigene Forschungsarbeit oder beteiligt sich an geeigneten Projekten. Die<br />
Ergebnisse werden <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie den Mitgliedern zur Verfügung gestellt. Jedoch auch der<br />
Allgeme<strong>in</strong>heit werden solche Erkenntnisse <strong>in</strong> Form von Publikationen und Kongresse<br />
weitergegeben.<br />
Von der <strong>EVU</strong> benannte Mitglieder wirken <strong>in</strong> nationalen und <strong>in</strong>ternationalen Fachgremien mit<br />
und br<strong>in</strong>gen so die Fachkunde des Vere<strong>in</strong>s e<strong>in</strong>. Die <strong>EVU</strong> bemüht sich um die Förderung der<br />
<strong>in</strong>ternationalen Zusammenarbeit zur Weiterentwicklung von Wissenschaft und Forschung im<br />
Bereich Verkehrssicherheit und Unfallforschung. Der Vere<strong>in</strong> engagiert sich auch bei der<br />
Harmonisierung der Ausbildung und Bestellung von Sachverständigen.<br />
Die <strong>EVU</strong> führt e<strong>in</strong>e Mitgliederliste, die im Internet unter www.<strong>EVU</strong>onl<strong>in</strong>e.org für jedermann<br />
zugänglich ist. Die Liste hilft dabei, e<strong>in</strong>en geeigneten Unfallanalytiker an e<strong>in</strong>em bestimmten<br />
Unfallort zu f<strong>in</strong>den. Die <strong>EVU</strong> gibt eigene technische Unterlagen heraus und prüft Werke, die<br />
von den Ländergruppen oder den Fachausschüssen erarbeitet werden. Über den<br />
geschützten Bereich von www.<strong>EVU</strong>onl<strong>in</strong>e.org werden diese Informationen allen Mitgliedern<br />
kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Vere<strong>in</strong>igung arbeitet auf nationaler Ebene mit den<br />
Autorisierungs- und Zertifizierungsstellen zusammen und treibt die europäische Harmoni-<br />
sierung des Berufsbildes voran. Die Ländergruppen kümmern sich um die nationalen<br />
Interessen des Berufsstandes und s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den entsprechenden Gremien vertreten.<br />
Die <strong>EVU</strong> organisiert <strong>in</strong> jedem Jahr e<strong>in</strong>e ordentliche Mitgliederversammlung. Sie f<strong>in</strong>det immer<br />
im Rahmen der <strong>EVU</strong>-Jahrestagungen <strong>in</strong> wechselnden Ländern statt. Sie beruft außerdem<br />
Fachausschüsse e<strong>in</strong> und betreut deren Arbeit, Internationale Veranstaltungen zur Aus- und<br />
Weiterbildung werden kritisch geprüft und ggf. weiterempfohlen. Der Dachverband ist auch<br />
WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion <strong>in</strong> Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 9
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der <strong>EVU</strong> und für die Genehmigung der Satzungen der<br />
Ländergruppen.<br />
Generell können natürliche und juristische Personen Mitglieder der <strong>EVU</strong> werden. Ist e<strong>in</strong>e<br />
Ländergruppe bereits gebildet, kann e<strong>in</strong>e Person nur über die Ländergruppe <strong>in</strong> die <strong>EVU</strong><br />
aufgenommen werden. Nur <strong>in</strong> Ländern, <strong>in</strong> denen noch ke<strong>in</strong>e Ländergruppe gebildet ist, kann<br />
die Mitgliedschaft direkt über den <strong>EVU</strong>-Hauptverband <strong>in</strong> Hamburg erworben werden.<br />
Organe der <strong>EVU</strong> s<strong>in</strong>d der Vorstand, der Präsidialrat und die Mitgliederversammlung. Der<br />
Vorstand besteht aus dem Vorsitzenden, se<strong>in</strong>em Stellvertreter, dem Schatzmeister und dem<br />
Schriftführer e<strong>in</strong>erseits (engerer Vorstand) und den Vorsitzenden der Ländergruppen<br />
andererseits, die mit den Mitgliedern des engeren Vorstandes den erweiterten Vorstand<br />
bilden.<br />
Jahrestagungen der <strong>EVU</strong> - Die<br />
Term<strong>in</strong> zur Jahrestagung 2005<br />
liegt fest: 21.10.2005 bis<br />
22.10.2005 <strong>in</strong> Bratislava<br />
Der Präsidialrat, der sich aus besonders profilierten Persönlichkeiten aus Wissenschaft,<br />
Politik, Verwaltung und Industrie zusammensetzt, besteht aus m<strong>in</strong>destens drei und <strong>in</strong> der<br />
Regel nicht mehr als elf Personen. Die Wahl erfolgt durch die Mitgliederversammlung auf<br />
Vorschlag des erweiterten Vorstandes. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre und endet erst, wenn<br />
e<strong>in</strong>e Neuwahl wirksam geworden ist. Wiederwahl und Zuwahl s<strong>in</strong>d jederzeit zulässig. Der<br />
Präsidialrat hat die Aufgabe, den Vorstand <strong>in</strong> wichtigen Vere<strong>in</strong>sangelegenheiten und<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der E<strong>in</strong>haltung der wesentlichen Ziele der <strong>EVU</strong> zu beraten. Der Präsidialrat wählt<br />
aus se<strong>in</strong>er Mitte e<strong>in</strong>en Präsidenten und mehrere Vizepräsidenten. Der Präsident oder an<br />
se<strong>in</strong>er Stelle e<strong>in</strong>er der Vizepräsidenten führt im Präsidialrat den Vorsitz.<br />
WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion <strong>in</strong> Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 10
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
2 Abgrenzung der Berufsbilder<br />
In den deutschsprachigen Ländern hat sich <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten e<strong>in</strong>e neue<br />
Berufssparte herausgebildet. Es handelt sich um den forensisch tätigen Unfallanalytiker<br />
(Unfallrekonstrukteur) für Straßenverkehrsunfälle. Er wird von Gerichten oder auch von<br />
streitenden Parteien, z. B. Versicherungen, damit beauftragt, den Ablauf e<strong>in</strong>es Unfalls<br />
anhand objektiver Spuren zu rekonstruieren. Auch <strong>in</strong> anderen europäischen Ländern gibt es<br />
diesen Berufszweig, jedoch wird er <strong>in</strong> der Regel von Gerichten nur selten angefragt.<br />
In den USA und Großbritannien hat sich dieser Berufszweig parallel entwickelt. Im<br />
Unterschied zu den meisten europäischen Ländern wird er dort aber nicht vom Gericht<br />
sondern von den Parteien beauftragt. Jede Partei hat ihren eigenen Sachverständigen, die<br />
dann vor dem Gericht ihre meist unterschiedlichen Standpunkte austauschen.<br />
Der Unfallanalytiker verfügt europaweit <strong>in</strong> aller Regel über e<strong>in</strong>e akademische Ausbildung als<br />
Ingenieur oder Physiker.<br />
Unfallforscher beschäftigen sich weniger mit der Rekonstruktion von Verkehrsunfällen als<br />
mit dem eigentlichen Ablauf. Meist s<strong>in</strong>d sie an forschenden Institutionen wie den<br />
Entwicklungsabteilungen der Automobil<strong>in</strong>dustrie oder an Universitäten tätig. Ihr Ziel ist es,<br />
die passive und aktive Sicherheit von Fahrzeugen zu verbessern. Für ihre Arbeit ist es<br />
wichtig, auf die Erfahrungen der Unfallanalytiker zurückgreifen zu können. Umgekehrt<br />
profitieren die eher praktisch tätigen Unfallanalytiker von den theoretischen Forschungs-<br />
ergebnissen der Unfallforscher <strong>in</strong> der Automobil<strong>in</strong>dustrie oder mit ihnen verbundenen<br />
Institutionen.<br />
Die außerdem noch auf diesem Gebiet tätigen Sachverständigen erfüllen andere Aufgaben:<br />
E<strong>in</strong>e sehr große Gruppe bilden die Sachverständigen für Fahrzeugschäden und -bewertung.<br />
Dabei handelt es sich um Experten, die sich mit der Schadenhöhe beschäftigen. Außerdem<br />
gibt es noch die Berufsgruppe der Sachverständigen für Fahrzeuguntersuchungen. Sie s<strong>in</strong>d<br />
überwiegend auf dem Gebiet der technischen Fahrzeugüberwachung tätig. Da jedes dieser<br />
Fachgebiete e<strong>in</strong>e besondere Spezialisierung benötigt, sollten die Berufsbilder <strong>in</strong> Zukunft<br />
besser vone<strong>in</strong>ander getrennt werden. Auch dies ist e<strong>in</strong> wesentliches Ziel des <strong>EVU</strong>.<br />
WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion <strong>in</strong> Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 11
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
3 <strong>EVU</strong> Projekt QUERY<br />
<strong>3.</strong>1 Def<strong>in</strong>ition<br />
Die <strong>EVU</strong> hat sich für die nächsten zwei Jahre das Ziel gesetzt, e<strong>in</strong> Unfallrekonstrukteur-<br />
Netzwerk <strong>in</strong> ganz Europa aufzubauen und zu erforschen, wie das Berufsbild des<br />
Sachverständigen für Unfallrekonstruktion <strong>in</strong> die unterschiedlichen Rechtssysteme <strong>in</strong>tegriert<br />
ist. Dieses Projekt trägt den deutschen Titel:<br />
Entwicklung der Richtl<strong>in</strong>ien für e<strong>in</strong> „Best Practices“ Berufsbildes<br />
In der englischen Übersetzung lautet er:<br />
<strong>3.</strong>2 E<strong>in</strong>führung<br />
des Unfallanalytikers.<br />
Develop<strong>in</strong>g Guidel<strong>in</strong>es for a „Best Practices“ Qualification<br />
of Accident Analysts (kurz QUERY)<br />
Auf den Straßen der Europäischen Union sterben jährlich ca. 40.000 Menschen, 1,5 mio<br />
werden <strong>in</strong> Folge von Straßenverkehrsunfällen verletzt. Nach e<strong>in</strong>em Verkehrsunfall stellt sich<br />
die Frage nach der Unfallursache und wie man ihn hätte vermeiden können. Die Antwort<br />
hierauf kann <strong>in</strong> den meisten Fällen nur e<strong>in</strong> entsprechend qualifizierter Unfallanalytiker<br />
liefern, der anhand des gesicherten Spurenmaterials den Unfallablauf rekonstruiert. Stich-<br />
probenartige Befragungen haben ergeben, dass das Berufsbild dieses Sachverständigen <strong>in</strong><br />
den verschiedenen Mitglieds- und Beitrittsländern der EU sehr unterschiedlich def<strong>in</strong>iert ist.<br />
Wie <strong>in</strong> anderen Berufsfeldern auch wäre es von Vorteil, wenn dieses Berufsfeld europaweit<br />
harmonisiert werden könnte. Dies ist zur Zeit das Hauptziel der <strong>EVU</strong>.<br />
Die Kenntnis des genauen Unfallablaufs ist e<strong>in</strong>e unabd<strong>in</strong>gbare Voraussetzung für die<br />
nachfolgend aufgezählten Reaktionen auf e<strong>in</strong> Unfallereignis:<br />
<strong>3.</strong>2.1 Prävention<br />
Die strafrechtliche Fahndung <strong>in</strong> Verkehrsfällen setzt voraus, dass der Unfallablauf<br />
rekonstruiert und e<strong>in</strong> mögliches Verschulden der Beteiligten bewiesen wird. E<strong>in</strong>e<br />
Präventionswirkung wird dadurch erreicht, dass schuldhaftes Handeln bestraft wird.<br />
<strong>3.</strong>2.2 Gerechte Aufteilung der zivilrechtlichen Kosten<br />
In den meisten europäischen Rechtssystemen zahlen die Versicherungen des Unfall-<br />
verursachers den materiellen Schaden, steht die Unabwendbarkeit für e<strong>in</strong>en Beteiligten fest,<br />
muss se<strong>in</strong>e Versicherung nicht haften. Zur gerechten Kostenverteilung ist es notwendig, den<br />
WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion <strong>in</strong> Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 12
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Verursachungsgrad verschiedener Beteiligter festzustellen. Hierzu muss der Unfall<br />
regelmäßig rekonstruiert werden.<br />
<strong>3.</strong>2.3 Satisfaktionen<br />
In der Regel trifft denjenigen, der e<strong>in</strong>en Unfall verursacht auch e<strong>in</strong> Verschulden. In diesen<br />
Fällen steht dem Opfer e<strong>in</strong>es Verkehrsunfalls auch e<strong>in</strong>e immaterielle Entschädigung zu<br />
(„Schmerzensgeld“). Der Grad des Verschuldens kann durch e<strong>in</strong>e Unfallrekonstruktion<br />
ermittelt werden.<br />
<strong>3.</strong>2.4 Verbesserung der Sicherheit an Kraftfahrzeugen im Straßenraum<br />
Die im Rahmen e<strong>in</strong>er Rekonstruktion gewonnenen Erkenntnisse zum Unfallablauf lassen<br />
sich auch <strong>in</strong> praktische Empfehlungen umsetzen, wie zukünftig Unfälle vermieden (aktive<br />
Sicherheit) oder zum<strong>in</strong>dest wie die Folgen e<strong>in</strong>es Unfalls gemildert werden können (passive<br />
Sicherheit). Der Sachverständige für Unfallrekonstruktion kann die gewonnenen<br />
Erfahrungen aus tatsächlichen Unfällen und aus Unfallversuchen <strong>in</strong> technische<br />
Empfehlungen umsetzen, mit deren Hilfe sich der Unfallschutz verbessern lässt.<br />
<strong>3.</strong>3 Projektziele<br />
In allen europäischen Staaten arbeiten hochqualifizierte Unfallanalytiker als Sach-<br />
verständige, die anhand der Unfallspuren den Hergang genau rekonstruieren können.<br />
Bisher s<strong>in</strong>d alle Regelungen zur Aus- und Weiterbildung des Unfallanalytikers, zur<br />
Zulassung bei den Gerichten und anderen Institutionen und zur Position des<br />
Sachverständigen bei Gericht <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Ländern unterschiedlich. Es existieren bisher<br />
ke<strong>in</strong>e Erhebungen darüber, wie groß die Unterschiede s<strong>in</strong>d und welche Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />
sich gebildet haben.<br />
Um diese mit QUERY gesteckten Ziele zu erreichen, wurden zunächst <strong>in</strong> allen EU-Ländern<br />
und den Beitrittsländern kompetente Ansprechpartner gesucht. Diese Phase war bis<br />
November 2004 abgeschlossen. In jedem Land wurde m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong> geeigneter Techniker<br />
als Partner für Query gefunden. Damit lässt sich die rechtliche Stellung des Sach-<br />
verständigen <strong>in</strong> dem jeweiligen Rechtssystem ermitteln und das Berufsbild grob umreißen.<br />
Nachdem <strong>in</strong> allen Ländern Kontaktpartner gefunden s<strong>in</strong>d, fand der erste Workshop „Query<br />
Phase 1“ am 4.11.2004 <strong>in</strong> Budapest statt (vgl. Abschnitt <strong>3.</strong>5). Bei diesem Workshop wurden<br />
die unterschiedlichen Berufsbilder an ausgewählten Beispielen von den jeweiligen<br />
Ländervertretern vorgestellt.<br />
WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion <strong>in</strong> Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 13
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Nach diesem Workshop erfolgt jetzt die eigentliche Datenerfassung durch vertiefende<br />
persönliche Gespräche und auf elektronischem Wege. Die Auswertung der Daten wird<br />
anschließend <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zwischenbericht festgehalten. Nach der Datenauswertung werden<br />
die Partner aus den e<strong>in</strong>zelnen Ländern zu e<strong>in</strong>em zweiten Workshop im Herbst 2005<br />
e<strong>in</strong>geladen. In diesem Workshop werden die Ergebnisse diskutiert und hieraus praktikable<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Inhalte abgeleitet, um das Berufsbild des Sachverständigen auf<br />
europäischer Ebene zu vere<strong>in</strong>heitlichen.<br />
Das Projekt QUERY wird von der DG-Tren der Europäischen Union (Generaldirektion<br />
Energie und Transport) mit 50% der Kosten bezuschusst. Mit diesem Zuschuss und<br />
Sponsor<strong>in</strong>g verschiedener Organisationen konnte e<strong>in</strong> Budget von 120.000.- € für die<br />
F<strong>in</strong>anzierung aufgebracht werden.<br />
<strong>3.</strong>4 Erwartete Ergebnisse von QUERY<br />
Mit den Daten und Informationen ist zum ersten Mal e<strong>in</strong> Überblick gegeben, wie der Sach-<br />
verständige <strong>in</strong> die verschiedenen Rechtssysteme e<strong>in</strong>gebunden ist, welchen Stellenwert er<br />
e<strong>in</strong>nimmt und über welche beruflichen Qualifikationen er <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Ländern verfügt.<br />
Aus diesen Resultaten kann das Berufsbild des europäischen Sachverständigen für<br />
Unfallrekonstruktion festgeschrieben werden:<br />
1. Über welche Ausbildung muss er verfügen?<br />
2. Welche M<strong>in</strong>destkenntnisse muss er haben, und wie kann man sie von e<strong>in</strong>er<br />
Zulassung (Zertifizierung) prüfen?<br />
<strong>3.</strong> Wie kann man nach der Zulassung noch e<strong>in</strong>e Qualitätskontrolle realisieren?<br />
4. Wie werden die Unfallanalytiker honoriert?<br />
Förderung durch<br />
Brüssel<br />
WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion <strong>in</strong> Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 14
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Alle Ergebnisse sollen mehrsprachig (Deutsch, Englisch, Französisch oder Spanisch) <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Buch oder e<strong>in</strong>er Broschüre publiziert werden. Die wichtigsten Daten werden<br />
zusätzlich <strong>in</strong> Fachzeitschriften (deutschsprachige Länder: Verkehrsunfall und Fahrzeug-<br />
technik, England: ITAI, USA: Accident Reconstruction Journal, etc.) und auch im Internet<br />
(www.<strong>EVU</strong>onl<strong>in</strong>e.org) publiziert.<br />
<strong>3.</strong>5 QUERY - Phase 1<br />
Am 04.11.2004 wurde <strong>in</strong> Budapest der erste Workshop zu dem Projekt QUERY<br />
durchgeführt. Hierzu waren Fachleute aus nahezu allen europäischen Ländern erschienen.<br />
Bis dah<strong>in</strong> war es gelungen, aus allen Staaten der EU 25 (bis auf Malta) ausführliche<br />
Beschreibungen der beruflichen Situation zu erhalten. Zusätzliche Informationen lagen aus<br />
der Schweiz und aus Norwegen vor. Die folgenden Themenbereich wurden <strong>in</strong> diesen<br />
schriftlichen Präsentationen vor dem Treffen abgefragt:<br />
• fachliche Voraussetzung<br />
• offizielle Zulassung<br />
• Position des Sachverständigen<br />
• Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />
• Arbeitsfelder<br />
• Verbände, Institutionen, Aktivität<br />
Es stellte sich heraus, dass dieser Beruf <strong>in</strong> allen europäischen Ländern existiert. Die<br />
westlichen (Spanien, Portugal, Frankreich und Italien) und die skand<strong>in</strong>avischen Länder<br />
setzen aber bei der Aufarbeitung von Verkehrsunfällen sehr viel seltener Sachverständige<br />
e<strong>in</strong> als die deutschsprachigen Länder. Im Westen werden sie überwiegend <strong>in</strong> Strafverfahren<br />
h<strong>in</strong>zugezogen. Zivilrechtliche Ause<strong>in</strong>andersetzungen über Verkehrsunfälle vor Gericht s<strong>in</strong>d<br />
dort eher selten, weil die Versicherungen Streitigkeiten vor Gericht vermeiden. In deutsch-<br />
sprachigen Ländern (Deutschland, <strong>Österreich</strong>, Schweiz) werden Sachverständige für Unfall-<br />
rekonstruktion auch häufig <strong>in</strong> zivilrechtlichen Ause<strong>in</strong>andersetzungen h<strong>in</strong>zugezogen, damit<br />
e<strong>in</strong>e gerechte Aufteilung der Kosten erreicht wird.<br />
Im englischen Rechtssystem, das ähnlich aufgebaut ist wie das amerikanische und<br />
australische, gibt es ke<strong>in</strong>en „Gerichtssachverständigen“. Dort treten <strong>in</strong> der Regel zwei oder<br />
sogar mehr Privatsachverständige gegene<strong>in</strong>ander an, die von den Parteien gestellt werden.<br />
In den meisten europäischen Staaten wird zwischen e<strong>in</strong>em Gerichtssachverständigen und<br />
e<strong>in</strong>em Privatsachverständigen unterschieden. Die Position des Gerichtssachverständigen ist<br />
<strong>in</strong> der Regel sehr viel stärker als die des Privatsachverständigen. Zur Auswahl e<strong>in</strong>es<br />
WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion <strong>in</strong> Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 15
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
geeigneten Gerichtssachverständigen stehen den Gerichten meist Listen zur Verfügung.<br />
Oftmals ist aber nicht klar, welche Kriterien es gibt, um <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e solche Liste aufgenommen zu<br />
werden.<br />
Die östlichen Länder Europas haben teilweise e<strong>in</strong>en überraschend hohen Standard <strong>in</strong> der<br />
Unfallrekonstruktion. Er liegt meist deutlich höher als der <strong>in</strong> den westlichen Ländern. Die dort<br />
tätigen Sachverständigen werden aber bei gerichtlicher Beauftragung außerordentlich<br />
schlecht bezahlt (3,- bis 11,- €) und müssen deshalb Privataufträge übernehmen, um ihr<br />
Auskommen zu haben.<br />
Zwischen den Teilnehmern bestand E<strong>in</strong>igkeit darüber, dass e<strong>in</strong>e universitäre Ausbildung mit<br />
e<strong>in</strong>em Ingenieurtitel <strong>in</strong> Masch<strong>in</strong>enbau oder e<strong>in</strong>er vergleichbaren Ausbildung M<strong>in</strong>dest-<br />
voraussetzung für die Berufsausübung se<strong>in</strong> muss. Wenn die Studienfächer die Grundlagen<br />
der Unfallrekonstruktion und der Automobiltechnik nicht e<strong>in</strong>schließen, sollten auch noch<br />
post-graduate-studies Voraussetzung se<strong>in</strong>. Für die Zulassung vor Gericht sollte außerdem<br />
noch mehrere Jahre Berufserfahrung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Büro zusätzlich vorgeschrieben werden.<br />
Die Zulassung sollte nicht auf Lebenszeit, sondern limitiert für zwei bis fünf Jahre vergeben<br />
werden. Bei der Zulassung soll auch die persönliche Integrität e<strong>in</strong>es Bewerbers geprüft und<br />
auch anschließend weiter überwacht werden.<br />
In den Niederlanden und <strong>in</strong> Großbritannien wird Unfallrekonstruktion teilweise auch von<br />
Polizeibeamten betrieben. (Im Projekt verstehen wir unter „Unfallrekonstruktion“: Mit<br />
wissenschaftlichen Methoden Rückschlüsse aus den Unfallspuren ziehen.) Die Teilnehmer<br />
von QUERY waren sich darüber e<strong>in</strong>ig, dass dies problematisch ist, weil die so verstandene<br />
Unfallrekonstruktion e<strong>in</strong>e solide akademische Ausbildung erfordert, die beim Polizeibeamten<br />
fehlt. Deshalb sollte <strong>in</strong> den Richtl<strong>in</strong>ien aufgenommen werden, dass Polizeibeamte nur für die<br />
Spurensicherung an der Unfallstelle zuständig s<strong>in</strong>d und auf diesem Gebiet besser aus-<br />
gebildet werden sollen. Nur ausnahmsweise soll es nach umfangreichen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmaß-<br />
nahmen möglich se<strong>in</strong>, dass Polizeibeamte auch e<strong>in</strong>fache Unfallrekonstruktionen, wie etwa<br />
die Geschw<strong>in</strong>digkeitsrückrechnung aus Bremsspuren, durchführen können. Diese beiden<br />
Länder äußerten Bedenken gegen e<strong>in</strong>e Richtl<strong>in</strong>ie, bei der die Polizei überhaupt ke<strong>in</strong>e<br />
Befugnisse zur Sachverständigentätigkeit haben soll.<br />
Von den westlichen Teilnehmern, den Skand<strong>in</strong>aviern und den Engländern wurde beklagt,<br />
dass kaum Austausch mit Mittel- und Osteuropa vorhanden ist. Die <strong>EVU</strong> ist die e<strong>in</strong>zige<br />
länderübergreifende Organisation <strong>in</strong> Europa. Wir werden jetzt unsere Aktivitäten <strong>in</strong> Richtung<br />
dieser Länder verstärken. Hierzu muss die <strong>EVU</strong> konsequent Englisch als hauptsächliche<br />
WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion <strong>in</strong> Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 16
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Verständigungssprache nutzen. (Bislang war die Hauptsprache im <strong>EVU</strong> Deutsch.) Als erstes<br />
konkretes Ergebnis aus dem Workshop wurde e<strong>in</strong>e Email-Diskussionsgruppe gegründet. Sie<br />
wurde bereits e<strong>in</strong>gerichtet, und zwar unter der Adresse<br />
http://uk.groups.yahoo.com/group/eurec/ .<br />
Nach Me<strong>in</strong>ung der Konferenzteilnehmer sollen <strong>in</strong>sbesondere folgende Punkte fest-<br />
geschrieben werden:<br />
• M<strong>in</strong>destanforderungen an die berufliche Ausbildung<br />
• erforderliche post-graduate-studies<br />
• erforderliche berufliche Erfahrung<br />
• weitere notwendige Kenntnisse (z. B. Führersche<strong>in</strong>e)<br />
• Kriterien zur Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Gerichtsliste<br />
• Qualitätssiegel für den europäischen Sachverständigen<br />
• Zusammensetzung e<strong>in</strong>er Fachkommission zur Prüfung von Sachverständigen<br />
• Prüfungskatalog für die Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Gerichtsliste<br />
• M<strong>in</strong>destanforderungen an die moralische Integrität<br />
• Limitierung der gerichtlichen Zulassung<br />
<strong>3.</strong>6 Europäische Dimension der Recherche<br />
E<strong>in</strong>e zuverlässige und genaue Rekonstruktion von Verkehrsunfällen ist nur möglich, wenn<br />
der Unfallanalytiker über e<strong>in</strong> möglichst großes Fachwissen verfügt. Die von uns erarbeiteten<br />
Empfehlungen lassen sich entweder auf europäischer Ebene oder Länderebene <strong>in</strong><br />
Richtl<strong>in</strong>ien oder <strong>in</strong> Gesetze umsetzen. Durch die zunehmende Internationalisierung des<br />
Verkehrs ist auch mit e<strong>in</strong>er zunehmenden Unfallzahl mit Beteiligung von Bürgern aus<br />
anderen Mitgliedsstaaten zu rechnen. Sowohl für die „zahlende Versicherung“ als auch für<br />
den Bürger ist es beruhigend zu wissen, dass der Unfall von e<strong>in</strong>em qualifizierten<br />
Unfallrekonstrukteur, der europaweit geltende Kriterien erfüllt, analysiert wird. Hierdurch wird<br />
auch die Rechtssicherheit <strong>in</strong> Europa erhöht.<br />
Dies gilt nicht nur für Verkehrsunfälle, sondern auch für die Überwachung von<br />
Verkehrsverstößen. In e<strong>in</strong>igen Ländern werden zur Zeit noch zweifelhafte Meßmethoden<br />
angewendet, die zu Fehlmessungen führen können. Zur Überprüfung dieser Messungen<br />
werden von den Gerichten häufig Sachverständige für Unfallrekonstruktion herangezogen.<br />
Deren kritische Berichte zu den Messmethoden hat schon zu vielen Verbesserungen<br />
geführt.<br />
WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion <strong>in</strong> Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 17
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Die Informationen, die im Rahmen des Projektes QUERY gewonnen werden, sollen mit<br />
weiteren EU-Projekten, die sich mit dem Bereich der Datensammlung und der<br />
Unfallursachenerforschung verzahnt werden. Die Teilnahme von Repräsentanten aus<br />
anderen Projekten an den QUERY-Workshops ist daher vorgesehen.<br />
Das Interesse der Unfallanalytiker an der Arbeit ihrer Berufskollegen <strong>in</strong> den EU-Staaten und<br />
<strong>in</strong> den Beitrittsländern ist groß. Das zeigen unter anderem die von uns jährlich durch-<br />
geführten Fachtagungen. Die Auslandsabteilungen der Versicherungen legen Wert darauf,<br />
dass die Unfälle <strong>in</strong> den anderen Ländern korrekt und nachvollziehbar abgewickelt werden.<br />
Sie s<strong>in</strong>d deshalb an Publikationen zu diesem Thema sehr <strong>in</strong>teressiert. Rechtsanwälte, die<br />
Auslandsschäden bearbeiten, benötigen qualifizierte Sachverständige vor Ort. Diese<br />
Gruppen können durch Fachpublikationen erreicht und <strong>in</strong>formiert werden. Sollte es <strong>in</strong><br />
Zukunft gel<strong>in</strong>gen, e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches Berufsbild des Sachverständigen für Unfallrekonstruktion<br />
festzuschreiben und e<strong>in</strong>e europäische Zertifizierung zu erreichen, dann kann auch e<strong>in</strong><br />
Sachverständigenverzeichnis für die gesamte EU im Internet veröffentlicht werden.<br />
4 Weiterbildung der Sachverständigen durch die Knowledge Base<br />
www.<strong>EVU</strong>onl<strong>in</strong>e.org<br />
Schon seit der Gründung des <strong>EVU</strong> wurde darüber nachgedacht, wie man Informationen<br />
zwischen den e<strong>in</strong>zelnen Ländern austauscht. Die Idee e<strong>in</strong>er europäischen Mitgliederzeitung<br />
ließ sich leider aus Kostengründen nicht verwirklichen. Mit den neuen Medien Internet und<br />
E-Mail stehen aber elegante und effiziente Werkzeuge zur Verfügung, um e<strong>in</strong>e europäische<br />
Wissensdatenbank für die Mitglieder zu <strong>in</strong>stallieren. Dieses Projekt wurde mittlerweile von<br />
der <strong>EVU</strong> erfolgreich abgeschlossen. Seit Jahresbeg<strong>in</strong>n 2004 steht die dynamisch<br />
aufgebaute Datenbank im Internet zur Verfügung. Sie umfasst folgende Bereiche:<br />
• Umfangreiche Datensammlungen mit Fachartikeln, Büchern, Arbeitsblättern,<br />
Programmen und Excel-Sheets<br />
• Versuchsdatenbank mit differenzierten Recherchemöglichkeiten<br />
• Veranstaltungskalender für Fachtagungen und Sem<strong>in</strong>are<br />
• Adressverzeichnis mit Experten und Organisationen (öffentlich)<br />
• Fachbezogene L<strong>in</strong>ksammlung<br />
Alle Informationen e<strong>in</strong>schließlich der downloadbaren Dokumente wie PDF, Excel, Word oder<br />
Fotos s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Access-Datenbank abgelegt. Für den Anwender wurden umfangreiche<br />
Such- und Recherchemöglichkeiten mit Suchmasken und Filtern e<strong>in</strong>gerichtet. Damit ist es<br />
möglich, <strong>in</strong> Sekundenschnelle nach Schlagwörtern, Autoren oder anderen Suchkriterien die<br />
WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion <strong>in</strong> Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 18
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
gewünschten Informationen aufzuspüren. Die Knowledge Base wird von den Mitgliedern<br />
selbst mit Daten gefüttert. Man kann Texte, Fotos und auch fertige Dokumente <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>fach zu bedienende Maskenstruktur e<strong>in</strong>geben und die Daten mit e<strong>in</strong>em Mausklick ohne<br />
jegliche Programmierkenntnisse auf den Server br<strong>in</strong>gen. Bed<strong>in</strong>gung hierfür s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs<br />
Redaktionsrechte über die nur e<strong>in</strong>ige der Mitglieder verfügen. Damit wird sichergestellt, dass<br />
ke<strong>in</strong>e ungeprüften Informationen dort veröffentlicht werden. Jedes Mitglied kann aber Inhalte<br />
an e<strong>in</strong>en der Redakteure schicken, der sie dann sofort publiziert.<br />
DI Michael WEBER<br />
Vorsitzender des <strong>EVU</strong>-Dachverbandes<br />
<strong>EVU</strong>-Geschäftsstelle,<br />
D - 22303 Hamburg, Borweg 6<br />
+49 (040) 636 099 88<br />
E-Mail: sv@unfallforensik.de<br />
www.evuonl<strong>in</strong>e.org<br />
Artikel zum Download<br />
<strong>in</strong> www.<strong>EVU</strong>onl<strong>in</strong>e.org<br />
WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion <strong>in</strong> Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 19
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Prof. Dr.-Ing. habil. Egon-Christian VON GLASNER<br />
Präsidialratsvorsitzender des <strong>EVU</strong>-Dachverbandes<br />
Wahre Sicherheit von Fahrerassistenzsystemen<br />
E<strong>in</strong> Statusreport der Europäischen Vere<strong>in</strong>igung für Unfallforschung:<br />
VORTRAGSGLIEDERUNG:<br />
„Zukünftige Fahrerassistenzsysteme - e<strong>in</strong> Beitrag<br />
zur Steigerung der aktiven Sicherheit“<br />
• Aktivitäten zu Fahrerassistenzsystemen weltweit<br />
• Bremssystemmanagement als Plattform für Assistenzsysteme<br />
• Existierende und zukünftige Fahrerassistenzsysteme<br />
- Bremssysteme mit <strong>in</strong>tegrierten Dauerbremsanlagen<br />
- Stabilitätssysteme mit Überschlagverh<strong>in</strong>derung<br />
- Koppelkraftregelung, aktive Kupplung für Anhängefahrzeuge<br />
- Bremsbelagverschleißharmonisierung<br />
- Bremsassistent<br />
- Abstandsregeltempomat<br />
- Spurassistent<br />
- Systeme zur Verbesserung der Nachtsicht<br />
- Kommunikation der Fahrzeuge untere<strong>in</strong>ander<br />
- Umfeldüberwachung<br />
- Verkehrsteilnehmer- und Verkehrszeichenerkennung<br />
- Autonomes Fahren mit X-by-Wire-Systemen<br />
• Fazit: Gedanken zu Fahrerassistenzsystemen<br />
VON GLASNER, Egon-Christian – Wahre Sicherheit von Fahrerassistenzsystemen Seite 20
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
AKTIVITÄTEN ZU FAHRERASSISTENZSYSTEMEN WELTWEIT<br />
• Elektronisches Bremssystem (EBS, als Plattform für Fahrerassistenzsysteme)<br />
mit Integration von ABS und ASR sowie Retarder- und/oder Motorbremssystem<br />
als M<strong>in</strong>imalausstattung,<br />
• Stabilitätssystem (ESP/FDR) mit Überschlagverh<strong>in</strong>derung (ROP),<br />
• Koppelkraftregelung zwischen Zug- und Anhängefahrzeug,<br />
• Anfahrregelung am Berg,<br />
• Bremsbelagverschleißregelung,<br />
• Bremsassistent,<br />
• Radar/Laser Abstandsregeltempomat,<br />
• Spurassistent,<br />
• Aktiver Fahrersitz,<br />
• Kraftschlussermittlung zwischen Reifen und Fahrbahn,<br />
• Regensensor,<br />
• Reifendruckkontrolle,<br />
• Warnh<strong>in</strong>weise basierend auf Informationen des Navigationssystems,<br />
• Systeme zur Verbesserung der Sicht (kurven- und kreuzungsabhängige<br />
Beleuchtung, Nachtsichthilfen),<br />
• Fußgänger-, Radfahrer- und Verkehrszeichenerkennung,<br />
• Parkassistent (E<strong>in</strong>parken und Rangieren),<br />
• Stabilitätssystem (ESP/FDR) und Spurassistent mit Lenke<strong>in</strong>griff,<br />
• Intelligenter Abstandsregeltempomat mit Stop-and-Go-Automatisierung,<br />
• Informationsaufnahme durch Kommunikation der Fahrzeuge untere<strong>in</strong>ander,<br />
• Überwachung des Fahrzeugumfelds (Kreuzungs- und Abbiegeassistent,<br />
Rückwärtsfahr- und Totw<strong>in</strong>kelüberwachung),<br />
• Autonomes Fahren mit elektronischer Deichsel („Platoon<strong>in</strong>g“), Autopilot,<br />
X-by-Wire Systemen (Power-by-Wire, Shift-by-Wire, Steer-by-Wire,<br />
Suspension-by-Wire und Brake-by-Wire), etc.<br />
VON GLASNER, Egon-Christian – Wahre Sicherheit von Fahrerassistenzsystemen Seite 21
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
FAZIT ZU FAHRERASSISTENZSYSTEMEN<br />
• Mechatronische (= mechanische + elektronische) Fahrerassistenzsysteme<br />
können die heutigen Unfallzahlen noch e<strong>in</strong>mal erheblich m<strong>in</strong>dern.<br />
• Der Schlüssel zur Unfallm<strong>in</strong>derung liegt <strong>in</strong> der Elektronik, da die<br />
Reaktionszeiten mechatronischer Systeme deutlich kürzer als die<br />
konventioneller, mechanischer Systeme s<strong>in</strong>d.<br />
• E<strong>in</strong> unkonzentrierter, übermüdeter Fahrer kann durch Fahrerassistenzsysteme<br />
rechtzeitig vor e<strong>in</strong>er möglichen Unfallsituation gewarnt werden. Notfalls<br />
kompensiert das System die fehlerhafte Reaktion des Fahrers durch<br />
selbständigen Regele<strong>in</strong>griff.<br />
• Die sichere Erkennung bei Tag und Nacht vor allem von Fußgängern und<br />
Radfahrern, aber auch von Verkehrszeichen, ist für zukünftige Fahrer-<br />
assistenzsysteme besonders wichtig, um rechtzeitig reagieren und Unfälle<br />
verh<strong>in</strong>dern zu können.<br />
• Stabilitätsregelungen, Spurhaltesysteme und Abstandsregelungen <strong>in</strong><br />
Komb<strong>in</strong>ation mit der “Elektronischen Knautschzone“ können Unfallzahlen<br />
dramatisch verr<strong>in</strong>gern.<br />
Dies würde den Forderungen der EU, bis 2010 die Anzahl der Toten auf<br />
unseren Straßen zu halbieren, stark entgegenkommen.<br />
• Der Fahrer muss von allen Aufgaben, die ihn ablenken oder stark<br />
belasten, entlastet werden. Vernetzte Fahrerassistenzsysteme werden ihm<br />
dabei helfen.<br />
Prof. Dr. Egon-Christian VON GLASNER<br />
Präsidialratsvorsitzender des <strong>EVU</strong>-Dachverbandes<br />
Senior Manager Daimler Chrysler AG (i.R.)<br />
D - 73650 W<strong>in</strong>terbach, Vogelsangweg 13<br />
+49 (0718) 17 18 82 oder +49 (0162) 903 55 66<br />
E-Mail: ecvonglasner@gmx.de<br />
VON GLASNER, Egon-Christian – Wahre Sicherheit von Fahrerassistenzsystemen Seite 22
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Univ.-Prof. DI Dr. Peter LUGNER<br />
Technische Universität Wien<br />
Möglichkeiten der Simulation des dynamischen Verhaltens von KFZ<br />
E<strong>in</strong>leitung<br />
Für die Analyse der Fahrdynamik e<strong>in</strong>es Kfz ist es wichtig zu wissen, welche Möglichkeiten<br />
heute gegeben s<strong>in</strong>d um das Verhalten rechnerisch zu rekonstruieren. Dabei werden hier<br />
nicht der Kollisionsvorgang und dessen Rekonstruktion betrachtet, sondern es soll<br />
aufgezeigt werden, wie und mit welchen Mitteln e<strong>in</strong>e Fahr- oder auch Auslaufbewegung<br />
e<strong>in</strong>es Fahrzeugs simuliert werden kann. Wie detailliert muss e<strong>in</strong> Rechenmodell se<strong>in</strong> um e<strong>in</strong>e<br />
beweiskräftige Aussage über das dynamische Verhalten des Fahrzeugs oder e<strong>in</strong>zelner<br />
Komponenten zu erhalten? Für den Sachverständigen (SV) ergibt sich daraus die<br />
Notwendigkeit zu beurteilen, ob die ihm zur Verfügung stehenden Mittel (und auch Daten)<br />
ausreichen, um e<strong>in</strong>e gegebene Aufgabenstellung s<strong>in</strong>nvoll lösen und brauchbare Ergebnisse<br />
erhalten zu können.<br />
Systemmodelle<br />
Mit der Betonung auf die Quer- und Längsdynamik des Fahrzeugs werden Modelle für die<br />
mathematische Simulation vorgestellt, deren unterschiedliche Komplexität die möglichen<br />
Anwendungsgebiete charakterisieren.<br />
Reifenmodelle<br />
Bedenkt man, dass abgesehen von den Luftkräften auf das Fahrzeug, alle das dynamische<br />
Fahrverhalten bestimmenden Kräfte über den Reifen bzw. dessen Aufstandsfläche auf das<br />
Fahrzeug übertragen werden, ist es offensichtlich, dass die mathematisch-mechanische<br />
Beschreibung dieser Kraftübertragung besonders wichtig ist. Allerd<strong>in</strong>gs muss auch hier<br />
erwähnt werden, dass oft nur dürftige Informationen über die Kontaktpaarung Reifen-<br />
Fahrbahn zur Verfügung stehen.<br />
LUGNER, Peter – Möglichkeiten der Simulation des dynamischen Verhaltens von KFZ Seite 23
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Die für e<strong>in</strong>e Simulation des Fahrverhaltens e<strong>in</strong>setzbaren Reifenmodelle lassen sich <strong>in</strong> etwa<br />
wie folgt e<strong>in</strong>teilen:<br />
a.) l<strong>in</strong>earisierte Beschreibung, mit oder ohne Sättigung der maximal übertragbaren<br />
Umfangs- und/oder Seitenkräfte<br />
b.) nichtl<strong>in</strong>eare Approximationen gemessener Kennfelder oder Kennl<strong>in</strong>ien<br />
c.) e<strong>in</strong>fache Deformationsmodelle nur Berücksichtigung der Bewegung des Gürtels<br />
gegen die Felge sowie des globalen Lasch-Fahrbahn Kontaktes<br />
d.) Strukturmodelle mit Darstellung der lokalen Reifen- und Latschstrukturen.<br />
Oft wird es ausreichen die e<strong>in</strong>facheren Modelle a.) b.) zu verwenden, für die im Allgeme<strong>in</strong>en<br />
mit wenigen Parametern e<strong>in</strong>e brauchbare Anpassung für die Untersuchung von aktuellen<br />
Bed<strong>in</strong>gungen möglich ist.<br />
Umfasst jedoch e<strong>in</strong>e Fragestellung auch Auswirkungen auf Radaufhängungskomponenten<br />
wobei die lokale Fahrbahnbed<strong>in</strong>gungen maßgeblich s<strong>in</strong>d, wird sich der E<strong>in</strong>satz der<br />
komplexeren Modelle (mit dem Nachteil der größeren Anzahl benötigter Kennwerte) kaum<br />
vermeiden lassen.<br />
Fahrzeugmodelle<br />
Für das e<strong>in</strong>fachste Modell e<strong>in</strong>es Pkw werden die Räder e<strong>in</strong>er Achse zu e<strong>in</strong>em „Ersatzrad“ <strong>in</strong><br />
Fahrzeugmitte zusammengesetzt, Abb. 1. Das System hat damit ke<strong>in</strong>e Aufbaubewegung,<br />
sondern nur e<strong>in</strong>e Quer- und Gierbewegung. E<strong>in</strong>e Längsdynamik (mit Radlastverlagerung<br />
vorne-h<strong>in</strong>ten) kann mit e<strong>in</strong>em um e<strong>in</strong> Antriebsystem erweitertes Modell berücksichtigt<br />
werden.<br />
LUGNER, Peter – Möglichkeiten der Simulation des dynamischen Verhaltens von KFZ Seite 24
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Abb. 1: „2-Rad Ersatzmodell“<br />
In Komb<strong>in</strong>ation mit e<strong>in</strong>em Reifenmodell der Art a.) können mit diesem Model Fahr-<br />
bewegungen des Gesamtfahrzeugs mit nicht zu großer Querbeschleunigung (ca. bis 0,4 g<br />
für Pkw auf trockener Fahrbahn) simuliert werden. Es ist auch e<strong>in</strong> wesentlicher Bestandteil<br />
von Fahrdynamik Regelsystemen wie z.B. dem ESP.<br />
E<strong>in</strong> 4-Rad-Fahrzeugmodell siehe z.B. Abb. 2 zusammen mit e<strong>in</strong>em Reifenmodell nach b.)<br />
oder c.) erlaubt die Erfassung der Bed<strong>in</strong>gungen an jedem e<strong>in</strong>zelnen Rad (z.B. blockiertes<br />
Rad, wechselnde Kraftschlussbed<strong>in</strong>gungen). Da über die Aufbaubewegung die möglichen<br />
Lastverlagerungen vorne-h<strong>in</strong>ten, l<strong>in</strong>ks-rechts erfasst werden können, ergeben sich ke<strong>in</strong>e<br />
Beschränkungen für die Dynamik des Gesamtfahrzeugs. Modelle dieser Art werden häufig<br />
<strong>in</strong> Unfallrekonstruktionsprogrammen e<strong>in</strong>gesetzt (z.B. PC-Crash)<br />
LUGNER, Peter – Möglichkeiten der Simulation des dynamischen Verhaltens von KFZ Seite 25
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Abb. 2: „4-Rad Ersatzmodell“<br />
Detaillierte 3D-Fahrzeugmodelle werden heute im Allgeme<strong>in</strong>en über Mehrkörpersystem-<br />
Programme erstellt und mit diesen (oder etwa auch Siml<strong>in</strong>k) die Simulationen durchgeführt.<br />
Das Modell be<strong>in</strong>haltet dabei e<strong>in</strong>e detaillierte Beschreibung der E<strong>in</strong>zelkomponenten z.B.<br />
Dämpfer von Radaufhängungen, Lenksystem mit Dämpfungseigenschaften und<br />
Elastizitäten, wobei auch die Flexibilität von Teilstrukturen (z.B. Lkw-Rahmen) berücksichtigt<br />
werden kann. Mit Reifenmodellen der Art d.) (aber auch noch c.)) können Analysen lokaler<br />
Bauteile oder auch E<strong>in</strong>flüsse von lokalen Fahrbahnstrukturen wie Schlaglöcher erfasst<br />
werden. Allerd<strong>in</strong>gs ist der nötige Aufwand zur Daten – und Parameterbeschaffung<br />
beträchtlich.<br />
LUGNER, Peter – Möglichkeiten der Simulation des dynamischen Verhaltens von KFZ Seite 26
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
<strong>3.</strong> Schlussfolgerungen<br />
Das <strong>in</strong> Abb. 3 aufgezeigte Schema will kurz charakterisieren, welche Möglichkeiten bzw.<br />
Notwendigkeiten sich bei der Beurteilung e<strong>in</strong>es Unfalls ergeben können.<br />
Unfall<br />
ja<br />
Rout<strong>in</strong>e Standardauswertung<br />
ne<strong>in</strong><br />
Systemanalyse ohne<br />
Spezial<strong>in</strong>formationen<br />
möglich<br />
ne<strong>in</strong><br />
Details zum Verhalten<br />
von Systemkomponenten<br />
Besondere Kapazitäten<br />
Personal, Programme<br />
nötig<br />
ja<br />
Erweiterte<br />
Auswertung<br />
Spezialauswertung<br />
Unfallbe-<br />
urteilung<br />
LUGNER, Peter – Möglichkeiten der Simulation des dynamischen Verhaltens von KFZ Seite 27<br />
ja<br />
ne<strong>in</strong><br />
Abb. 3: Auswahlschema zur Unfallanalyse<br />
Bezüglich der Simulation und Analyse des Fahrzeugverhaltens vor aber auch nach der<br />
Kollision wollen die vorgestellten Fahrzeug- und Reifenmodelle helfen e<strong>in</strong>e passende<br />
Auswahl zu treffen.<br />
Univ.-Prof. DI Dr. Peter LUGNER<br />
TU Wien, Institut für Mechanik und Mechatronik<br />
1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 8 / 325<br />
01 / 588 01 - 32 511<br />
E-Mail: peter.lugner@tuwien.ac.at
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Univ.-Prof. DI Dr. Hermann STEFFAN<br />
DSD L<strong>in</strong>z, Technische Universität Graz – Institut für Fahrzeugsicherheit<br />
Probleme durch den SUV bei der Seitenkollision<br />
Unfallstatistik EU - Jährliche Unfälle und Folgekosten:<br />
- 40.000 Unfalltote<br />
- 1,6 Millionen Verletzte<br />
- wirtschaftliche Gesamtkosten: 160 Mrd. €<br />
- jede 80. Person <strong>in</strong> der EU stirbt an e<strong>in</strong>em Verkehrsunfall<br />
Unfallstatistik weltweit - Jährliche Unfälle und Folgekosten:<br />
Todesursachen<br />
- >1.000.000 Unfalltote<br />
- Asien: +20% Unfalltote / Jahr<br />
Vergleich Wien Neu Dehli<br />
Fahrzeuge 1 300 000 2 000 000<br />
Tote/Jahr 40 4000<br />
STEFFAN, Hermann – Probleme durch den SUV bei der Seitenkollision Seite 28
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Entwicklung der Unfälle <strong>Österreich</strong><br />
Getötete Unfälle Verletzte<br />
Häufigkeit verschiedener Kollisionstypen<br />
STEFFAN, Hermann – Probleme durch den SUV bei der Seitenkollision Seite 29
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Problematik USA<br />
- Mehr als 50% der Neuzulassungen s<strong>in</strong>d SUV oder Pickup<br />
- 51% der tödlichen Verletzungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em PKW werden durch e<strong>in</strong>en<br />
Seitenanprall verursacht (31% im Jahr 1980)<br />
- In den USA sitzen zirka 60% der beim Seitenanprall tödlich Verletzten <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em PKW, der von e<strong>in</strong>em SUV oder Pickup getroffen wird<br />
- Im SUV/ Pickup deutlich ger<strong>in</strong>geres Risiko beim Seitenanprall<br />
Beispiel e<strong>in</strong>er Seitenkollision<br />
Testverfahren - Bsp.: EURONCAP<br />
(“New Car Assessment Program” – Unabhängiges Unternehmen)<br />
Testgeschw<strong>in</strong>digkeit: 50+/-1 km/h<br />
Schlittenmasse: 950 +/- 20 kg<br />
Aufprallw<strong>in</strong>kel: 90°<br />
Barriere: wie ECE R95<br />
Kriterien:<br />
- Insassenbelastung<br />
- Struktur des Fahrzeuges<br />
- Intrusionen<br />
Bewertung erfolgt nur zusammen mit Frontalaufprall (50/50)<br />
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26. Februar 2005, Wien<br />
Testverfahren - Bsp.: FMVSS<br />
(“Motor Vehicle Safety Standard” ~Gesetzgebung <strong>in</strong> den USA)<br />
FMVSS 214:<br />
Testgeschw<strong>in</strong>digkeit: 5<strong>3.</strong>9+/- 0.8 km/h<br />
Schlittenmasse: 1367 kg<br />
Aufprallw<strong>in</strong>kel: 27°<br />
Kriterien:<br />
- Insassenbelastung<br />
- Bergeverhalten<br />
- Struktur des Fahrzeuges<br />
Konventioneller Seitencrash (ECE R 95)<br />
Höhenvergleich der Fahrzeugfronten<br />
Problem: Intrusion Entfaltung Airbag<br />
STEFFAN, Hermann – Probleme durch den SUV bei der Seitenkollision Seite 31
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26. Februar 2005, Wien<br />
Problem: Kopfkontakt<br />
Barrierentest <strong>in</strong> Nordamerika<br />
IIHS Seitenanprall - Verwendete Dummies<br />
• ECE R95 (EuroSID)<br />
• LINCAP (USSID)<br />
• IIHS (SID2S) - deutlich kle<strong>in</strong>er<br />
• World SID noch nicht <strong>in</strong> Verwendung<br />
IIHS Beurteilung<br />
Insassen:<br />
- Kopf<br />
- Nacken<br />
- Thorax/ Abdomen<br />
- Becken, Be<strong>in</strong><br />
Fahrzeug:<br />
- Struktur<br />
STEFFAN, Hermann – Probleme durch den SUV bei der Seitenkollision Seite 32
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Notwendige Versteifungen der Struktur<br />
- Dachstruktur für Kraftpfad<br />
- Bodenstruktur für Kraftpfad<br />
- B-Säule für Biegemoment<br />
Zu imitierende Pulse Simulation Schlitten<br />
Kurvenbeispiel: Testverfahren LINCAP<br />
Sitzschlitten<br />
Türschlitten<br />
Zyl<strong>in</strong>der zur<br />
Sitzpulserzeugung<br />
Ersatzpuls: Beschleunigung Sitz Ersatzpuls: Intrusion<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Orig<strong>in</strong>ale Sitzbeschleunigung<br />
Beschleunigung durch Zyl<strong>in</strong>der bei p vor = 96[bar], Vorsp.weg=280[mm]<br />
0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 0.3<br />
Startverriegelung<br />
Kolbenstange<br />
der<br />
vorhandenen<br />
Anlage<br />
-50<br />
-0.02 0 0.02 0.04 0.06 0.08 0.1 0.12 0.14 0.16 0.18<br />
STEFFAN, Hermann – Probleme durch den SUV bei der Seitenkollision Seite 33<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Orig<strong>in</strong>al<strong>in</strong>trusion<br />
Ersatz<strong>in</strong>trusion<br />
Differenz der Intrusionen
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26. Februar 2005, Wien<br />
MADYMO® Simulation<br />
Zusammenfassung:<br />
Orig<strong>in</strong>alpuls<br />
simulierter Puls<br />
• Vor allem <strong>in</strong> den USA deutliche Zunahme von AIS3+ beim Seitencrash<br />
• Hauptursachen: höhere Kontaktzone, steifere Front, höhere Fahrzeugmasse<br />
• Alle 3 Kriterien treffen auf SUV zu<br />
• IIHS Seitencrash trägt diesem Umstand Rechnung<br />
Notwendige E<strong>in</strong>griffe für IIHS<br />
• Erhöhung der Struktursteifigkeit <strong>in</strong>sbesondere der B-Säule<br />
• Kopfabstützung über Airbag für fast alle Fahrzeuge notwendig<br />
• Separate Abstimmung des Rückhaltesystems<br />
• Triggerung des Airbags kritisch durch langsameren Anstieg der<br />
Beschleunigungen im Querträger<br />
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Hermann Steffan<br />
DSD – Dr. Steffan Datentechnik Ges.m.b.H., L<strong>in</strong>z<br />
4020 L<strong>in</strong>z, Salzburger Straße 34<br />
0732 / 34 32 00<br />
E-Mail: h.steffan@dsd.at<br />
Technische Universität Graz<br />
Institut für Fahrzeugsicherheit (Vehicle Safety Institute)<br />
8010 Graz, Inffeldgasse 21B/II<br />
0316 / 873 - 9400<br />
E-Mail: h.steffan@tugraz.at<br />
STEFFAN, Hermann – Probleme durch den SUV bei der Seitenkollision Seite 34
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Mag. Dr. Werner GRATZER<br />
DWG Sachverständigenbüro Gratzer<br />
Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen –<br />
Tunnelunfall <strong>in</strong> St. Gotthard u.a.<br />
DWG<br />
Dr. Werner Gratzer<br />
Sachverständigen-Büro für Unfallrekonstruktionen<br />
Softwareentwicklung für Unfallrekonstruktionen<br />
Konsequenzen aus den Unfällen zur Prävention und zur Bewältigung<br />
E<strong>in</strong>leitung .......................................................................................................................... 36<br />
Spezielle Probleme bei Unfällen mit LKW – Beteiligung .................................................... 36<br />
Zum Massenproblem ................................................................................................. 36<br />
Beispiel 1 ........................................................................................................... 36<br />
Beispiel 2 ........................................................................................................... 37<br />
Zum Formgebungsproblem ........................................................................................ 37<br />
Zum Anhängerproblem .............................................................................................. 37<br />
Zu den Reifenkräften ................................................................................................. 38<br />
Zu berücksichtigende Umstände ............................................................................... 38<br />
Unfälle <strong>in</strong> Alpen – Tunnel .................................................................................................. 39<br />
Untersuchungen vor Ort .................................................................................................... 40<br />
Vermessung der Deformationen ................................................................................ 41<br />
Untersuchung von Kontaktspuren .............................................................................. 42<br />
Spuren ....................................................................................................................... 44<br />
Mehrbildfotogrammetrie (RolleiMetric) und Computerauswertung ..................................... 46<br />
Grundlagen ....................................................................................................................... 48<br />
Struktursteifigkeiten von LKWs .................................................................................. 49<br />
Struktursteifigkeiten von LKWs (derzeitiger Stand: Mai 2002) .................................... 50<br />
Unfallrekonstruktion am Beispiel des „Tauerntunnel-Unfalles“<br />
Kollisionsreihenfolge .................................................................................................. 50<br />
Kollisionsgeschw<strong>in</strong>digkeit des auffahrenden Fahrzeuges .......................................... 51<br />
Unfallrekonstruktion am Beispiel des „St. Gotthard–Tunnel – Unfalles“ ............................. 53<br />
Zusammenfassung ............................................................................................................ 54<br />
Konsequenzen aus den Unfällen zur Prävention und zur Bewältigung .............................. 56<br />
Präventive Maßnahmen umfassen die folgenden Gebiete: ............................................... 56<br />
Verkehrsregelung ...................................................................................................... 56<br />
Signalisation .............................................................................................................. 57<br />
Verbesserungen an den Fahrzeugen ......................................................................... 57<br />
Maßnahmen zur Schadensbewältigung umfassen die folgenden Gebiete: ........................ 57<br />
Fluchtwege ................................................................................................................ 57<br />
Information der Verkehrsteilnehmer ........................................................................... 57<br />
Zusammenfassung ............................................................................................................ 58<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 35
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
E<strong>in</strong>leitung<br />
Unfälle mit LKWs zeichnen sich auf Grund ihrer großen Masse dadurch aus, dass sie<br />
wesentlich energiereicher ablaufen als solche mit PKWs.<br />
In den meisten Fällen stehen als Hilfsmittel zur Rekonstruktion die Auswertung der<br />
Tachografenscheibe zur Verfügung. Wenn e<strong>in</strong>e Auswertung nicht möglich ist, weil das<br />
Fahrzeug etwa e<strong>in</strong>em Brand zum Opfer fiel, oder weil sie vorsätzlich vernichtet wurde, so<br />
müssen andere rekonstruktive Methoden gefunden werden.<br />
Für die Ermittlung der kollisionsbed<strong>in</strong>gten Geschw<strong>in</strong>digkeitsänderung kann die Fahrzeug-<br />
deformation herangezogen werden.<br />
Spezielle Probleme bei Unfällen mit LKW - Beteiligung<br />
Aufgrund se<strong>in</strong>er großen Masse und steifen offenen Bauweise br<strong>in</strong>gt das Nutzfahrzeug<br />
Probleme beim Kollisionsablauf und auch bei dessen Rekonstruktion. Probleme, die etwa<br />
bei e<strong>in</strong>er PKW – PKW –Kollision nicht oder nicht <strong>in</strong> diesem Ausmaß auftreten.<br />
• Massenproblem<br />
• Steifigkeitsproblem<br />
• Formgebungsproblem<br />
• Anhängerproblem<br />
• Reifenkräfte<br />
Zum Massenproblem<br />
Der E<strong>in</strong>fluss der großen Masse e<strong>in</strong>es Nutzfahrzeuges lässt sich an den beiden folgenden<br />
Rechenbeispielen aufzeigen (Anm.: Berücksichtigt wurde bei den Berechnungen e<strong>in</strong>e Reifenreibung):<br />
Beispiel 1<br />
Die Geschw<strong>in</strong>digkeitsänderung e<strong>in</strong>es LKWs mit der Masse von 34.000 kg bei e<strong>in</strong>er Kollision<br />
gegen e<strong>in</strong>en stehenden PKW mit 1.300 kg errechnet sich bei e<strong>in</strong>er Kollisions-<br />
geschw<strong>in</strong>digkeit von 50 km/h zu rund 3 km/h. Die Auslaufgeschw<strong>in</strong>digkeit wäre etwa<br />
47 km/h gewesen. Für den PKW würde sich unter Berücksichtigung e<strong>in</strong>er Geschw<strong>in</strong>dig-<br />
keitsdifferenz von 4 km/h nach der Kollision e<strong>in</strong>e Auslaufgeschw<strong>in</strong>digkeit von knapp 51 km/h<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 36
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
und e<strong>in</strong> EES-Wert von etwas über 47 km/h errechnen. H<strong>in</strong>gegen berechnet sich der EES-<br />
Wert für den LKW nur zu rund 2 km/h.<br />
Bei e<strong>in</strong>er Struktursteifigkeit des PKWs von 700 kN/m und des LKWs von 16000 kN/m<br />
errechnet sich die Deformation des PKWs zu über 56 cm und die des LKWs zu 2,5 cm.<br />
Beispiel 2<br />
Bei e<strong>in</strong>er Kollision mit 50 km/h gegen e<strong>in</strong>en stehenden gleich schweren LKW wäre die<br />
Geschw<strong>in</strong>digkeitsänderung knapp 28 km/h. Bei e<strong>in</strong>er Struktursteifigkeit an der Front von<br />
16000 kN/m und am Heck von 35000 kN/m errechnet sich für die Deformation an der Front<br />
e<strong>in</strong> Wert von 37 cm (EES-Wert 29 km/h) und am Heck 17 cm (EES-Wert 19,5 km/h).<br />
Zum Formgebungsproblem<br />
Zum Anhängerproblem<br />
Abbildung 1<br />
Auf Grund se<strong>in</strong>er großen Masse hat der Anhänger e<strong>in</strong>en sehr großen E<strong>in</strong>fluss auf das<br />
Kollisionsgeschehen. Bereits kle<strong>in</strong>e Änderungen des W<strong>in</strong>kels zwischen Zugmasch<strong>in</strong>e und<br />
Anhänger bewirken e<strong>in</strong>en mitunter ganz anderen Ablauf. Dies schafft vor allem bei der<br />
Rekonstruktion Probleme, wenn ke<strong>in</strong>e Auslaufspuren vorhanden s<strong>in</strong>d. Wird die „Vorwärts-<br />
analyse“ das Impulsverfahren <strong>in</strong> Vorwärtsrechnung („Vorwärtsanalyse“) angewendet, so<br />
müssen noch zusätzliche anhängerspezifische Parameter berücksichtigt werden. Das heißt<br />
die Zahl der Parameter, die <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er zulässigen Bandbreite geändert werden können<br />
und müssen, vergrößert sich. Die Änderung der Anhängerw<strong>in</strong>kelstellung um z.B. 1° kann<br />
rechnerisch bereits zu e<strong>in</strong>em völlig anderen Auslauf der Fahrzeuge führen.<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 37
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Abbildung 2<br />
Für die Rekonstruktion bedeutet dies, dass e<strong>in</strong>erseits die Bandbreite des Ergebnisses<br />
gegenüber Solofahrzeuge vergrößert werden muss. Andererseits wird es notwendig se<strong>in</strong>,<br />
der Deformationsenergie als Kontrollgröße verstärkt Aufmerksamkeit zu widmen.<br />
Zu den Reifenkräften<br />
Erfolgt die Kollision bei gebremsten Fahrzeugen, so wird vor allem bei länger andauernden<br />
Kollisionen und bei kle<strong>in</strong>en Relativgeschw<strong>in</strong>digkeiten die Reifenreibung sowohl als Impuls-<br />
änderung (Reibungskraft * Stoßdauer) als auch als Reibarbeit (Reibungskraft * Weg<br />
während der Kollision) nicht mehr vernachlässigbar kle<strong>in</strong> und muss bei genauen<br />
Berechnungen daher berücksichtigt werden.<br />
Zu berücksichtigende Umstände<br />
Daraus resultieren bei der Unfallanalyse zu berücksichtigende Umstände:<br />
• Oft lange Stoßdauer<br />
• Reifenkräfte können oft groß werden<br />
• Die Auslaufbewegung kann durch Ladungsverschiebung, Bruch von Teilen der<br />
Radaufhängung u.s.w. bee<strong>in</strong>flusst werden<br />
• Stoßpunkt und Stoßkräfte s<strong>in</strong>d oft schwer abschätzbar<br />
• W<strong>in</strong>kelstellung e<strong>in</strong>es vorhandenen Anhängers oft nicht exakt bestimmbar.<br />
• Bewegung des Unfallgegners ist vielfach nicht eben. E<strong>in</strong> PKW kann unter den<br />
LKW gedrückt werden. Dabei treten große Reibungskräfte auf.<br />
In vielen Fällen stehen als Hilfsmittel zur Rekonstruktion die Auswertung der<br />
Tachografenscheibe zur Verfügung. Wenn e<strong>in</strong>e Auswertung nicht möglich ist, weil das<br />
Fahrzeug etwa e<strong>in</strong>em Brand zum Opfer fiel, oder weil die Tachoscheibe vorsätzlich<br />
vernichtet wurde, so müssen andere rekonstruktive Methoden gefunden werden.<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 38
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Unfälle <strong>in</strong> Alpen – Tunnel<br />
In den letzten Jahren ereigneten sich <strong>in</strong> Tunnel der Alpen e<strong>in</strong>ige schwere Verkehrsunfälle.<br />
Zu den beiden schwersten und folgenreichsten gehören der „Tauerntunnel-Unfall“ (Mai<br />
1999) und der Unfall im St. Gotthard – Tunnel (Oktober 2001). Bei beiden Unfällen brach e<strong>in</strong><br />
verheerender Brand aus, obwohl bei beiden Fällen ke<strong>in</strong> Gefahrengut transportiert wurde.<br />
Im Mai 1999 ereignete sich <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> im nicht richtungsgetrennten, sogenannten<br />
Tauerntunnel e<strong>in</strong> folgenschwerer Auffahrunfall, dem 12 Personen und 41 Fahrzeuge zum<br />
Opfer fielen. E<strong>in</strong> sich rasch ausbreitender Brand vernichtete sowohl alle Tachografen-<br />
scheiben als auch alle Spuren.<br />
Dieser Unfall war e<strong>in</strong> charakteristischer Serienunfall, an welchem e<strong>in</strong> LKW, vier PKWs und<br />
2 Sattelkraftfahrzeuge beteiligt waren.<br />
Der Unfall ereignete sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Abschnitt mit Gegenverkehr rund 600 m vor dem Ende<br />
des mehrere Kilometer langen Tunnels. Wegen e<strong>in</strong>er Bautätigkeit musste e<strong>in</strong>e Signal-<br />
lichtanlage e<strong>in</strong>gerichtet werden. Vor der Rotlicht zeigenden Ampel hielten Fahrzeuge an.<br />
Am Ende der stehenden Kolonne kam es zu e<strong>in</strong>em folgenschweren Auffahrunfall.<br />
E<strong>in</strong>e zentrale Frage war die Kollisionsgeschw<strong>in</strong>digkeit des letzten Fahrzeuges. Es handelte<br />
sich dabei um e<strong>in</strong>en 34 t schweren Sattelzug. Dieser kollidierte zunächst mit vier PKWs, von<br />
denen zwei zur Seite geschoben und zwei unter das Heck e<strong>in</strong>es davor bef<strong>in</strong>dlichen weiteren<br />
Sattelzuges gedrückt wurden. Dieser zweite Sattelzug wurde noch auf e<strong>in</strong>en davor<br />
bef<strong>in</strong>dlichen LKW geschoben.<br />
An objektiven Unterlagen waren nur die Endlagen der beiden Sattelzüge und der vier PKWs<br />
sowie deren Deformationen vorhanden. Der LKW wurde nach der Kollision vom Lenker<br />
etwas nach vorne gefahren, sodass se<strong>in</strong>e ursprüngliche Endlage nicht mehr festgestellt<br />
werden konnte.<br />
Anhaltspunkte für die Rekonstruktion lieferten die Aussagen des LKW-Lenkers und des<br />
Lenkers des vorderen Sattelzuges über die kollisionsbed<strong>in</strong>gte Verschiebestrecke bzw. über<br />
den ursprünglichen Tiefenabstand.<br />
Da die Kollisionspositionen der Fahrzeuge nicht objektivierbar waren, konnten die Auslauf-<br />
geschw<strong>in</strong>digkeiten nicht berechnet werden und es versagt daher die klassische<br />
Kollisionsanalyse (Rückwärtsanalyse). E<strong>in</strong>e Vorwärtssimulation konnte auch nicht<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 39
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
angewendet werden, da mit Sicherheit davon auszugehen ist, dass viele Sekundär-<br />
kollisionen der Fahrzeuge untere<strong>in</strong>ander und auch mit der Tunnelwand stattgefunden<br />
haben. Auch wird bei den zur Verfügung stehenden Rekonstruktionsprogrammen die<br />
Kollisionsdauer vernachlässigt. Diese wird im konkreten Fall aber e<strong>in</strong>en wesentlichen<br />
E<strong>in</strong>fluss gehabt haben, da vermutlich teilweise Kollisionen zeitlich e<strong>in</strong>ander überlappten. Die<br />
Berechnung der kollisionsbed<strong>in</strong>gten Geschw<strong>in</strong>digkeitsänderung musste daher aus den<br />
Deformationen erfolgen.<br />
Im Oktober 2001 ereignete sich <strong>in</strong> der Schweiz im nicht richtungsgetrennten St. Gotthard –<br />
Tunnel e<strong>in</strong> ähnlich schwerer Unfall. Auch hier gerieten die Fahrzeuge <strong>in</strong> Brand. Insgesamt<br />
kamen elf Personen ums Leben.<br />
Die Charakteristik dieses Unfalls war ganz anders. E<strong>in</strong> <strong>in</strong> Richtung Norden fahrender<br />
Sattelzug kam auf die Gegenfahrbahn und kollidierte mit e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> Richtung Süden<br />
fahrenden Sattelfahrzeug. Der Lenker dieses Fahrzeugs versuchte noch die Kollision durch<br />
e<strong>in</strong> Ausweichen nach l<strong>in</strong>ks zu vermeiden. Dennoch kam es zu e<strong>in</strong>er Kollision jeweils<br />
zwischen den rechten vorderen Ecken der Zugfahrzeuge.<br />
Auch bei diesen Fahrzeugen wurden durch Brand die Tachografenscheiben vernichtet.<br />
Die Problematik bei der Rekonstruktion war der große E<strong>in</strong>fluss den die Auflieger auf Grund<br />
ihrer großen Masse auf das Unfallgeschehen hatten.<br />
Untersuchungen vor Ort<br />
In vielen Fällen stehen als Hilfsmittel zur Rekonstruktion die Auswertungen der Tacho-<br />
grafenscheiben zur Verfügung. Auf die Problematik der Auswertung soll hier nicht im Detail<br />
e<strong>in</strong>gegangen werden. Es darf jedoch darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden, dass die Genauigkeit nur<br />
bei ± e<strong>in</strong>igen km/h und ± 1 s liegt. Wenn im Geschw<strong>in</strong>digkeitsaufschrieb die berühmte<br />
Rüttelmarke aufsche<strong>in</strong>t, so kann nicht e<strong>in</strong>fach der Schluss gezogen werden, dass die<br />
betreffende Geschw<strong>in</strong>digkeit auch mit der Kollisionsgeschw<strong>in</strong>digkeit übere<strong>in</strong>stimmt.<br />
Wenn e<strong>in</strong>e Auswertung nicht möglich ist, weil das Fahrzeug etwa e<strong>in</strong>em Brand zum Opfer<br />
fiel oder weil die Tachoscheibe unbrauchbar ist (z.B. mehrmals überschrieben) oder<br />
vorsätzlich vernichtet wurde, so müssen andere rekonstruktive Methoden gefunden werden.<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 40
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Um aus der Deformation die Deformationsenergie bestimmen zu können, muss die<br />
Struktursteifigkeit des deformierten Bereiches ermittelt / abgeschätzt werden. Zu diesem<br />
Zweck mussten mehrere Verkehrsunfälle und Crashtests ausgewertet werden.<br />
Es soll hier das Verfahren aufgezeigt werden, wie die Deformationsenergie berechnet<br />
werden kann.<br />
Vermessung der Deformationen<br />
Verformungen der gesamten Karosserie können sehr gut dadurch ermittelt werden, dass am<br />
Boden e<strong>in</strong>e Umrissl<strong>in</strong>ie und die Radaufstandspunkte mit e<strong>in</strong>em Markierungsspray<br />
aufgebracht werden. Mit Hilfe e<strong>in</strong>es Lotes kann e<strong>in</strong>e höhere Genauigkeit erzielt werden.<br />
Nachdem dann das Fahrzeug entfernt wurde, s<strong>in</strong>d Referenzpunkte zu vermessen und<br />
Lichtbilder zur fotogrammetrischen Auswertung anzufertigen. Die Deformation lässt sich<br />
dann grafisch ermitteln (Abbildung 3).<br />
Abbildung 3<br />
Weniger starke Verformungen lassen sich durch Vergleichsmessungen ermitteln. Liegt z.B.<br />
e<strong>in</strong>e Deformation an der Front vor, so wird der Abstand von ausgewählten Punkten zu nicht<br />
durch die Kollision bee<strong>in</strong>flussten Punkten der Karosserie oder Achsteilen vermessen. Die<br />
analogen Punkte s<strong>in</strong>d an e<strong>in</strong>em unbeschädigten typengleichen Fahrzeug zu vermessen.<br />
Aus dem Unterschied der Maße ergibt sich dann die Deformation.<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 41
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Die besten aber auch aufwendigsten Methoden s<strong>in</strong>d:<br />
• dreidimensionale Vermessung mittels e<strong>in</strong>es Messrahmens (Abbildung 4) oder<br />
Abbildung 4: Messrahmen<br />
• Aufbr<strong>in</strong>gung von Messpunkten und Anfertigung von Fotos aus verschiedenen<br />
Richtungen und Bearbeitung mittels geeigneter Software zur Anfertigung von<br />
dreidimensionalen Abbildungen (z.B. Fotomodeller, Abbildung 5)<br />
Untersuchung von Kontaktspuren<br />
Abbildung 5<br />
3 D Bild des l<strong>in</strong>ks abgebildeten Fahrzeuges<br />
S<strong>in</strong>d mehrere Fahrzeuge <strong>in</strong> die Kollision verwickelt und bewegten sie sich im Auslauf <strong>in</strong><br />
unterschiedliche Richtungen, so ist die Ermittlung der Reihenfolge, <strong>in</strong> welcher sich die<br />
Fahrzeuge der Unfallstelle näherten, aus der Endlage oft nicht möglich.<br />
Um prüfen zu können, welches Fahrzeug mit welchem <strong>in</strong> Kontakt kam, müssen Kontakt-<br />
spuren gesucht werden.<br />
• Die e<strong>in</strong>fachste Möglichkeit bieten Auftragspuren. Es muss aber berücksichtigt<br />
werden, dass unter dem Decklack auch andere Farbschichten se<strong>in</strong> können, das<br />
heißt e<strong>in</strong> zunächst augensche<strong>in</strong>licher Farbunterschied darf nicht sofort <strong>in</strong>terpretiert<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 42
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
werden. Auch muss berücksichtigt werden, dass auf Hochglanz polierte Farben<br />
e<strong>in</strong>en anderen Farbton haben können als die meist matte Abriebspur. Zur<br />
e<strong>in</strong>deutigen Identifizierung müssen im Zweifelsfall Proben genommen und<br />
chemisch untersucht werden.<br />
• Die nächste Möglichkeit bieten die Form der Deformation. An vielen Fahrzeugen<br />
gibt es charakteristische Formen, die bestimmte Abdrücke h<strong>in</strong>terlassen. Dazu<br />
gehören Anhängekupplungen, Abschleppösen, Auspuffendrohre, Türgriffe,<br />
Bullgitter und dergleichen mehr.<br />
Im Fall des „Tauerntunnel-Unfalles“ etwa wurde an e<strong>in</strong>em Fahrzeug e<strong>in</strong>e Anhängekupplung<br />
vorgefunden und dann von dieser entsprechende Kontaktspuren an zwei anderen<br />
Fahrzeugen gefunden (Abbildung 6).<br />
Abbildung 6: Kontakt mit PKW Mazda 626 (l<strong>in</strong>ks) bzw. LKW Scania (rechts)<br />
E<strong>in</strong>e wichtige Kontrolle ist der Höhenvergleich der Kontaktspuren.<br />
Zu berücksichtigen ist, dass Fahrzeuge auf Grund e<strong>in</strong>er Bremsung an der Front e<strong>in</strong>gefedert<br />
und am Heck ausgefedert se<strong>in</strong> können.<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 43
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Spuren<br />
Beim Unfall im St. Gotthard – Tunnel konnten<br />
verschiedene Spurenkomplexe gefunden und ausge-<br />
wertet werden:<br />
Vom Richtung Norden fahrenden Sattelschlepper<br />
waren vorkollisionäre Spuren verursacht worden, die<br />
es erlaubten, se<strong>in</strong>e Fahrt unmittelbar vor der Kollision<br />
spurenkundlich sehr genau zu rekonstruieren. Auf-<br />
grund e<strong>in</strong>er Felgenanprallspur am rechten Randste<strong>in</strong>,<br />
e<strong>in</strong>er Reifenspur am Straßenrand, der Kollision mit der<br />
„1 km“ Signalisation, der Schleuderspuren nach l<strong>in</strong>ks<br />
und der heftigen Kollision mit der l<strong>in</strong>ken Tunnelwand<br />
war die Fahrl<strong>in</strong>ie festgelegt.<br />
Abbildung 7: Vorkollisionäre Spuren auf der rechten Tunnelseite<br />
Aus den Lampen am Heck des unfallverursachenden Sattelschleppers konnten die Rück-<br />
lichter und die Bremslampen sichergestellt werden. Die Untersuchung der Glühwendeln der<br />
Bremslampen ergab kalte Brüche, sodass geschlossen werden konnte, dass an diesem<br />
Sattelschlepper die Bremslampen bei beiden Kollisionen nicht aktiviert gewesen waren.<br />
Abbildung 8: Kalt gebrochene Glühwendel der Bremslampe des unfallverursachenden Fahrzeuges<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 44
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Unter den Felgen der ausgebrannten Fahrzeuge waren noch Fragmente von Reifen<br />
vorhanden. Das rechte Vorderrad des <strong>in</strong> Richtung Norden fahrenden Sattelkraftfahrzeuges<br />
stand noch auf so e<strong>in</strong>em Fragment. Interessant dabei war, dass die Felge gegenüber der<br />
Lauffläche <strong>in</strong> Richtung Norden verschoben war.<br />
Abbildung 9: Rechtes Vorderrad und Reifenrest e<strong>in</strong>es beteiligten Fahrzeugs<br />
Daraus kann die Vermutung abgeleitet werden, dass sich dieses Fahrzeug über die<br />
Kollisionsstelle etwas h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> Richtung Norden, also <strong>in</strong> die ursprüngliche Fahrtrichtung<br />
weiter bewegt hat.<br />
Richtung Norden<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 45
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Mehrbildfotogrammetrie (RolleiMetric) und Computerauswertung<br />
(Dipl.-Ing. Jörg Arnold)<br />
Zur maßtechnischen Ermittlung der Unfallsituation und der Kollisionskonfiguration, setzten<br />
wir die Mehrbildfotogrammetrie e<strong>in</strong>. Unter dem Begriff Mehrbildfotogrammetrie wird e<strong>in</strong><br />
fotografisches bzw. fotogrammetrisches Aufnahme- und Auswerteverfahren bezeichnet, das<br />
kaum e<strong>in</strong>schränkende Bed<strong>in</strong>gungen an die Aufnahmekonfiguration stellt und dadurch sehr<br />
flexibel e<strong>in</strong>setzbar ist.<br />
E<strong>in</strong>e aufzunehmende Situation mit verschiedenen Objekten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er räumlichen Umgebung<br />
wird von mehreren Standorten und aus verschiedenen Blickrichtungen fotografiert.<br />
Dabei kam e<strong>in</strong>e kalibrierte Digitalkamera zur Anwendung, deren Fokussierung <strong>in</strong> diskreten<br />
Schritten (gerastert) e<strong>in</strong>gestellt werden kann. Da durch den CCD-Chip e<strong>in</strong>e sehr genau<br />
def<strong>in</strong>ierte Rasterung des Bildes erfolgt (Pixels), s<strong>in</strong>d die Positionen der e<strong>in</strong>zelnen Bildpunkte<br />
s<strong>in</strong>d sehr genau bekannt. Da sich der CCD-Chip h<strong>in</strong>ter dem Objektiv bef<strong>in</strong>det, s<strong>in</strong>d diese<br />
Positionen nicht durch die Objektivverzeichnungen verzerrt.<br />
Durch die Pixel wird e<strong>in</strong> Referenzsystem def<strong>in</strong>iert, welches der Vermessung der<br />
verschiedenen Bildpunkte dient. Die Lage des Projektionszentrums ist im Referenzsystem<br />
bekannt, ebenso die benutzte Brennweite des Objektivs.<br />
Z<br />
Abbildung 10: Pr<strong>in</strong>zip der Mehrbildfotogrammetrie<br />
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Fotografiert man nun e<strong>in</strong> genau bekanntes Objekt (z.B. e<strong>in</strong> Referenzmessfeld) unter genau<br />
bestimmten Bed<strong>in</strong>gungen mit den verschiedenen Objektiven, so kann aus den Positionen<br />
der Gitterpunkte und den Positionen des abgebildeten Referenzfeldes die Verzeichnung<br />
jedes Objektives bzw. se<strong>in</strong>e Abbildungscharakteristik sehr genau berechnet werden.<br />
Mit e<strong>in</strong>er solchen Messkamera können alle Möglichkeiten der Fototechnik genutzt werden.<br />
Anschließend erfolgt die Verzeichnungskorrektur. Diese Korrektur erfolgt im<br />
Auswertesystem "RolleiMetric" automatisch, sobald die Kalibrierwerte des verwendeten<br />
Kamerasystems <strong>in</strong> die Tabelle der Kameradaten e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d.<br />
Die Aufnahme e<strong>in</strong>er Unfallsituation erfolgt nach e<strong>in</strong>em Rasterschema, wobei pro Raster<br />
m<strong>in</strong>destens vier Fotografien aus vier verschiedenen Richtungen üblich s<strong>in</strong>d.<br />
Durch überlappende Raster können auch sehr ausgedehnte Unfallsituationen - im<br />
vorliegenden Fall über e<strong>in</strong>e Strecke von über 1,5 km - durch Zusammensetzen dieser<br />
Raster erfasst werden. In Bereichen, wo ke<strong>in</strong>e Identifikationspunkte vorhanden s<strong>in</strong>d,<br />
müssen zusätzliche Markierungen angebracht werden.<br />
Für die Skalierung der Unfallsituation (Festlegung des Maßstabes) wird die exakte Länge<br />
von m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>er Strecke mit e<strong>in</strong>er Länge von etwa e<strong>in</strong>em Drittel der Unfallsituation<br />
benötigt. E<strong>in</strong>e oder mehrere weitere Strecken dienen der Kontrolle der Skalierung.<br />
Durch das Markieren von korrespondierenden Objekt- oder Markierungspunkten<br />
(Identifikationspunkten) auf den verschiedenen Fotografien der Unfallsituation, kann die<br />
Unfallsituation nun rechnerisch rekonstruiert und die Genauigkeit der Rekonstruktion<br />
ermittelt werden.<br />
Die Anordnung der verschiedenen Objekte <strong>in</strong> der Unfallsituation kann somit durch<br />
Vermessung von wenigen Identifikationspunkten rechnerisch rekonstruiert werden.<br />
Messungen <strong>in</strong> den Bildern können nun mit hoher Genauigkeit zur Bestimmung der Position<br />
und Größe der Objekte verwendet werden.<br />
Die Unfallsituation kann aus den so berechneten Daten als maßstäbliche Planskizze oder<br />
als 3D-Bild aus den verschiedensten Blickw<strong>in</strong>keln dargestellt werden.<br />
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Abbildung 11: Auswertung mittels der Mehrbildfotogrammetrie<br />
Mit diesem System werden auf den Bildern sehr hohe Messgenauigkeiten erzielt.<br />
Grundlagen<br />
Für die rechnerische Berücksichtigung der bei e<strong>in</strong>er Kollision zwischen zwei Fahrzeugen<br />
aufgetretenen Deformationsenergie wird der kollisionsbed<strong>in</strong>gte Schaden anhand der<br />
bleibenden Deformationen beurteilt und e<strong>in</strong>gestuft. Der Schaden an e<strong>in</strong>em Fahrzeug kann<br />
mit e<strong>in</strong>em der Deformationsenergie äquivalenten EES-Wert beschrieben werden<br />
(EnergyEquivalentSpeed). Dieser Wert ist die Geschw<strong>in</strong>digkeit deren k<strong>in</strong>etische Energie der<br />
Deformationsenergie entspricht. Ungefähr entspricht der EES-Wert der Geschw<strong>in</strong>digkeit, mit<br />
der das Fahrzeug gegen e<strong>in</strong>e starre Barriere fahren müsste, um e<strong>in</strong>en vergleichbaren<br />
Schaden zu erhalten. Gewonnen wird der EES-Wert aus dem Vergleich e<strong>in</strong>es vorliegenden<br />
Schadens mit <strong>in</strong> Katalogen zusammengestellten Schadenbildern von Crashversuchen,<br />
Unfallversuchen und Auswertungen realer Verkehrsunfälle, bei denen der jeweilige EES-<br />
Wert mit Hilfe bekannter Randbed<strong>in</strong>gungen berechnet werden konnte.<br />
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Der EES-Wert kann auch aus der Deformation und der Struktursteifigkeit berechnet werden.<br />
Die Methode dieser Berechnungen wurde vom Verfasser <strong>in</strong> mehreren Artikel und Vorträgen<br />
bereits erläutert ( 1 und 2 ). Es wird daher an dieser Stelle auf e<strong>in</strong>e ausführliche Erläuterung<br />
verzichtet und der Zusammenhang nur kurz dargelegt.<br />
Wird e<strong>in</strong> l<strong>in</strong>earer Kraft-Weg-Zusammenhang angenommen, so gilt:<br />
E D<br />
=<br />
1<br />
2<br />
c s l<br />
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=<br />
1<br />
2<br />
m EES<br />
ED.........Deformationsenergie c ........Struktursteifigkeit<br />
s........ dynamische Deformation l .........bleibende Deformation<br />
m ...... Masse EES...EES-Wert<br />
Die dynamische Deformation wird erreicht am Ende der Kompressionsphase ehe sich das<br />
Fahrzeug etwas rückverformt. Näherungsweise gilt, dass die dynamische Deformation etwa<br />
5% größer als die bleibende Deformation ist.<br />
Zwischen der Struktursteifigkeit, der Deformation und dem EES-Wert gilt für den Fall, dass<br />
die Fahrzeuge e<strong>in</strong> von der Masse abhängiges, vergleichbares Rückverformungsverhalten<br />
aufweisen näherungsweise:<br />
2<br />
4<br />
( m1<br />
+ m2)<br />
⋅ m1<br />
⋅ EES1<br />
c1<br />
= 2 2 ′ 2<br />
2<br />
l ( m ⋅ ∆v<br />
+ ( m + m ) ⋅ EES )<br />
1<br />
2<br />
Als Struktursteifigkeit wird also der l<strong>in</strong>earisierte Zusammenhang zwischen Kraft und<br />
Deformation verstanden.<br />
Struktursteifigkeiten von LKWs<br />
Um aus der Deformation die Verformungsenergie berechnen zu können, muss die<br />
Struktursteifigkeit bekannt se<strong>in</strong>.<br />
Während für PKWs EES-Wert-Kataloge vorhanden s<strong>in</strong>d, existieren solche Hilfsmittel für<br />
LKWs nicht. Literaturrecherchen ergaben, dass zwar e<strong>in</strong>e Reihe von Crash-Test mit LKWs<br />
1 Gratzer, W. und Burg, H.: Analyse von Serienkollisionen und Berechnung der Insassenbeschleunigung im gestoßenen<br />
Fahrzeug, Artikel <strong>in</strong>: Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik, 1994, Heft 4, 1995, Heft 10.<br />
2 Gratzer, W. Kontrollparameter bei der Kollisionsanalyse, Vortrag gehalten anlässlich der 1. Europäische Fachtagung<br />
Unfallrekonstruktion Wildhaus 1999, Artikel <strong>in</strong>: Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 2000, Heft 2<br />
1<br />
2<br />
2<br />
2<br />
1
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gefahren wurden, jedoch unterblieben Berechnungen von Steifigkeitswerten. Aus diesem<br />
Grunde mussten nachträglich aus <strong>in</strong> der Vergangenheit durchgeführten Crash-Versuchen<br />
und aus rekonstruierbaren realen Unfällen Werte ermittelt werden.<br />
Struktursteifigkeiten von LKWs (derzeitiger Stand: Mai 2002)<br />
E<strong>in</strong>en wesentlichen E<strong>in</strong>fluss auf die Struktursteifigkeit hat die Anstoßposition, wobei bei<br />
LKWs auch die Lage <strong>in</strong> Bezug auf die Höhe e<strong>in</strong>e Rolle spielt.<br />
Es zeigte sich, dass im Bereich der Frontbeplankung oberhalb der Stoßstange Werte von<br />
4000 bis 7000 kN/m resultierten. Bei leichten Kollisionen mit kle<strong>in</strong>en und lokal begrenzten<br />
Deformationen können auch deutlich kle<strong>in</strong>ere Werte etwa im Bereich um 1300 kN/m<br />
auftreten.<br />
Erfolgte die Kollision gegen Stoßstange und Längsträger, so ergaben die Berechnungen<br />
wesentlich größere Struktursteifigkeitswerte von über 16000 kN/m.<br />
Noch größere Werte ergaben sich für den Heckbereich, wo auch Struktursteifigkeiten über<br />
50.000 kN/m und mehr ermittelt werden konnten.<br />
Im Vergleich zu PKWs liegt die Steifigkeit also um Faktor 10 - 15 darüber. Dies ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong><br />
H<strong>in</strong>blick auf die entsprechend größere Masse auch e<strong>in</strong>leuchtend.<br />
Unfallrekonstruktion am Beispiel des „Tauerntunnel-Unfalles“<br />
Beim Tauerntunnelunfalle waren auf Grund des Brandes weder Spuren noch Tachografen-<br />
scheiben vorhanden. So konnten sonst übliche Methoden nicht angewendet werden.<br />
Dieser Unfall ereignete sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Abschnitt mit Gegenverkehr rund 600 m vor dem Ende<br />
des mehrere Kilometer langen Tunnels. Wegen e<strong>in</strong>er Bautätigkeit musste e<strong>in</strong>e Signal-<br />
lichtanlage e<strong>in</strong>gerichtet werden. Vor der Rotlicht zeigenden Ampel hielten Fahrzeuge an.<br />
Am Ende der stehenden Kolonne kam es zu e<strong>in</strong>em folgenschweren Auffahrunfall.<br />
E<strong>in</strong>e zentrale Frage war die Kollisionsgeschw<strong>in</strong>digkeit des letzten Fahrzeuges. Es handelte<br />
sich dabei um e<strong>in</strong>en 34 t schweren Sattelzug. Dieser kollidierte zunächst mit vier PKWs, von<br />
denen zwei zur Seite geschoben und zwei unter das Heck e<strong>in</strong>es davor bef<strong>in</strong>dlichen weiteren<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 50
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Sattelzuges gedrückt wurden. Dieser zweite Sattelzug wurde noch auf e<strong>in</strong>en davor<br />
bef<strong>in</strong>dlichen LKW geschoben.<br />
An objektiven Unterlagen waren nur die Endlagen der beiden Sattelzüge und der vier PKWs<br />
sowie deren Deformationen vorhanden. Der LKW wurde nach der Kollision vom Lenker<br />
etwas nach vorne gefahren, sodass se<strong>in</strong>e ursprüngliche Endlage nicht mehr festgestellt<br />
werden konnte. Anhaltspunkte lieferten die Aussagen des LKW-Lenkers und des Lenkers<br />
des vorderen Sattelzuges über die kollisionsbed<strong>in</strong>gte Verschiebestrecke bzw. über den<br />
ursprünglichen Tiefenabstand.<br />
Da die Kollisionspositionen der Fahrzeuge nicht objektivierbar waren, können auch die<br />
Auslaufgeschw<strong>in</strong>digkeiten nicht berechnet werden und es versagt daher die klassische<br />
Kollisionsanalyse. E<strong>in</strong>e Vorwärtssimulation kann auch nicht angewendet werden, da mit<br />
Sicherheit davon auszugehen ist, dass viele Sekundärkollisionen der Fahrzeuge<br />
untere<strong>in</strong>ander und auch mit der Tunnelwand stattgefunden haben. Auch werden bei den zur<br />
Verfügung stehenden Rekonstruktionsprogrammen die Kollisionsdauer vernachlässigt.<br />
Diese wird im konkreten Fall aber e<strong>in</strong>en wesentlichen E<strong>in</strong>fluss gehabt haben, da vermutlich<br />
teilweise Kollisionen e<strong>in</strong>ander zeitlich überlappten. Die Berechnung der kollisionsbed<strong>in</strong>gten<br />
Geschw<strong>in</strong>digkeitsänderung musste daher aus den Deformationen erfolgen.<br />
Kollisionsreihenfolge<br />
Abbildung 12: Übersichtsskizze<br />
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Es ließ sich bereits an Ort und Stelle feststellen, dass e<strong>in</strong>e Hauptunfallstelle vorhanden war.<br />
In der Übersichtskizze s<strong>in</strong>d das die Fahrzeuge 28, 29, 30, 31, 32a, 32b und 3<strong>3.</strong> Die<br />
Fahrzeuge 32a und 32 b waren so zusammengedrückt unter dem Heck von Fahrzeug 29,<br />
dass es zunächst auch wegen der schlechten Sicht (Ruß, Staub und schlechte<br />
Beleuchtung) den Ansche<strong>in</strong> hatte, es wäre nur e<strong>in</strong> Fahrzeug, dem dann die Nummer 32<br />
zugewiesen wurde. So musste schließlich diese Nummer aufgeteilt werden.<br />
32 b<br />
Heck<br />
29<br />
Bordwand<br />
32 a<br />
Front<br />
Abbildung 13: Endlage der Fahrzeuge 29, 32b, 32a und 33<br />
Abbildung 14: objektiviert Endpositionen (Ausschnitt der Fotogrammetrie)<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 52<br />
33<br />
Front<br />
Hauptunfallstelle
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Aus den Schäden ließ sich daher folgende Reihenfolge der Kollisionen der Hauptkollisions-<br />
stelle herleiten:<br />
Fahrzeug Nr. 33 stößt gegen Nr. 31, dieses wurde gegen das stehende Fahrzeug 30<br />
geschoben, welches dann gegen Fahrzeug 32a prallte.<br />
30 und 31 werden nach rechts abgedrängt.<br />
In weiterer Folge stößt 33 gegen 32a und schiebt dieses gegen 32b.<br />
Die Front von 32a und das Heck von 32b bewegen sich nach l<strong>in</strong>ks, wobei sich Fahrzeug<br />
32b im Uhrzeigers<strong>in</strong>n dreht und 32a entgegen dazu. Dadurch klatschen die Karosserien mit<br />
den Seiten zusammen und werden durch das nachkommende Fahrzeug Nr. 33 unter das<br />
Heck von Nr. 29 gedrückt.<br />
Durch die Kollision von 30 gegen 32a wird das Heck von Fahrzeug 30 und die Front von<br />
Fahrzeug 31 hochgehoben. 30 überschlägt sich, fliegt nach rechts <strong>in</strong> den Zwischenraum<br />
zwischen Nr. 29 und der Tunnelwand und landet auf der Fahrertüre, die Front <strong>in</strong> Richtung<br />
Villach zeigend (nach rechts <strong>in</strong> der Skizze) also entgegengesetzt zur ursprünglichen<br />
Fahrtrichtung. Schließlich gerät 31 mit der Front gegen die Tunnelwand und mit dem Heck<br />
gegen die rechte Seite von 3<strong>3.</strong> Die dadurch entstehende Verkeilung bewirkt e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>e<br />
massive Stauchung des Fahrzeugs <strong>in</strong> Längsrichtung, andererseits kommt es zu e<strong>in</strong>em<br />
seitlichen Druck gegen Fahrzeug 33, die e<strong>in</strong>e Ablenkung der Fahrtrichtung nach l<strong>in</strong>ks<br />
bewirkt.<br />
Kollisionsgeschw<strong>in</strong>digkeit des auffahrenden Fahrzeuges<br />
E<strong>in</strong>en wesentlichen E<strong>in</strong>fluss auf den Ablauf der Kollision hatte die große Masse des<br />
Fahrzeuges 3<strong>3.</strong><br />
Bei der Analyse der Kollisionen ist zu berücksichtigen, dass Fahrzeug 33 die beiden<br />
Fahrzeuge 32a uns 32 b gegen und <strong>in</strong> weiterer Folge unter Fahrzeug 29 schob. Das<br />
bedeutet, dass diese Fahrzeuge sozusagen "im Paket" gegen 29 prallten. Rechnerisch kann<br />
dies dadurch berücksichtigt werden, dass die Fahrzeuge 32a, 32b und 33 zu e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen<br />
Fahrzeug mit e<strong>in</strong>er Masse, die der Summe der E<strong>in</strong>zelmassen entspricht, zusammengefasst<br />
werden.<br />
In die Kollisionsanalyse geht dann der aus der Summe der e<strong>in</strong>zelnen Deformationsenergien<br />
berechnete EES-Wert von 39 km/h e<strong>in</strong>.<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 53
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Das heißt also, man def<strong>in</strong>iert e<strong>in</strong> Fahrzeug mit der Gesamtmasse der drei Fahrzeuge 32a,<br />
32b und 3<strong>3.</strong> Dann werden die Deformationsenergien dieser Fahrzeuge addiert und daraus<br />
der EES-Wert für dieses fiktive Fahrzeug berechnet. Mit diesen Werten wird die Kollision<br />
gegen Fahrzeug 29 berechnet und weiter Fahrzeug 29 gegen Fahrzeug 28.<br />
Es resultierte dann e<strong>in</strong>e Kollisionsgeschw<strong>in</strong>digkeit von Fahrzeug 33 (eigentlich des fiktiven<br />
Fahrzeugs) gegen Fahrzeug 29 von 41 km/h. Bei der Berechnung wurde e<strong>in</strong>e Bremsung<br />
während dieser Kollision mit 4,5 m/s² berücksichtigt.<br />
Die Kollisionsgeschw<strong>in</strong>digkeit bei der ersten Kollision von Fahrzeug 33 gegen Fahrzeug 31<br />
lässt sich aus der k<strong>in</strong>etischen Energie der Kollisionsgeschw<strong>in</strong>digkeit von 41 km/h plus der<br />
Deformationsenergie von Fahrzeug 30 und 31 plus der Deformationsenergie der seitlichen<br />
Deformation von Fahrzeug 33 berechnen. Daraus berechnet sich e<strong>in</strong>e Geschw<strong>in</strong>digkeits-<br />
untergrenze von 50 km/h.<br />
Unbestimmt bleibt der Geschw<strong>in</strong>digkeitsabbau durch e<strong>in</strong>e mögliche Bremsung des<br />
Fahrzeuges 3<strong>3.</strong> Auf Grund der Zeugenaussagen, könnte davon ausgegangen werden, dass<br />
zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong> Teil der Strecke von der ersten Kollision bis zur letzten Kollision gegen<br />
Fahrzeug 29 bremsend zurückgelegt wurde. In der berechneten Kollisionsgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />
von 41 km/h (Kollision gegen 29) ist e<strong>in</strong>e Bremsstrecke von rund 3 m und e<strong>in</strong>e Bremsdauer<br />
von 0,5 s berücksichtigt.<br />
Unfallrekonstruktion am Beispiel des „St. Gotthard–Tunnel – Unfalles“<br />
Bei Kollisionen von Sattelkraftfahrzeugen kommt erschwerend die große Masse des<br />
Aufliegers dazu. Abweichungen von wenigen Graden verändern beträchtlich das Ergebnis.<br />
Da im vorliegenden Fall weder Vorkollisionsspuren noch Auslaufspuren vorhanden waren,<br />
konnten die E<strong>in</strong>laufs- und die Auslaufsrichtung nicht ermittelt, sondern nur vermutet werden.<br />
Bei beiden Fahrzeugen kann (und wird dies auch vermutet) vor der Kollision bereits e<strong>in</strong> von<br />
Null abweichender W<strong>in</strong>kel zwischen Zugfahrzeug und Auflieger vorhanden gewesen se<strong>in</strong>.<br />
Diese W<strong>in</strong>kelabweichung bewirkt, dass das Zugfahrzeug e<strong>in</strong>e andere Richtung des<br />
Impulses hatte als der Auflieger. Die große Gesamtmasse des Aufliegers hat nun zur Folge,<br />
dass bereits kle<strong>in</strong>e W<strong>in</strong>keländerungen große Auswirkung auf das berechnete Ergebnis<br />
haben.<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 54
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Das bedeutete, dass grundsätzlich größere Toleranzen im Ergebnis (vermutlich ± 5 km/h)<br />
akzeptiert werden müssen.<br />
Abbildung 15<br />
Abbildung 16<br />
Aus der Verschiebung der Felge des rechten Vorderrades von Fahrzeug 1 relativ zum<br />
Reifenfragment nach Norden ist abzuleiten, dass sich das Fahrzeug nach der Kollision noch<br />
weiter <strong>in</strong> Richtung Norden also <strong>in</strong> die ursprüngliche Fahrtrichtung bewegte.<br />
Daraus ergibt sich, dass Fahrzeug 1 gegenüber Fahrzeug 2 e<strong>in</strong>en erheblichen<br />
Geschw<strong>in</strong>digkeitsüberhang gehabt haben muss.<br />
Die Kollisionsanalyse lieferte als Kollisionsgeschw<strong>in</strong>digkeit für Fahrzeug 1 e<strong>in</strong>en Wert im<br />
Bereich von 40 km/h bis 45 km/h und für Fahrzeuge 2 e<strong>in</strong>en Wert im Bereich um 10 km/h.<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 55
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26. Februar 2005, Wien<br />
Zusammenfassung<br />
Ist bei e<strong>in</strong>em Unfall mit LKW-Beteiligung die Tachografenscheibe nicht auswertbar, so<br />
ergeben sich für den Unfallanalytiker erhöhte Anforderungen.<br />
Zusätzlich zur unumgänglich notwendigen technischen Untersuchung s<strong>in</strong>d sämtliche<br />
vorhandenen Spurenkomplexe von Bedeutung und <strong>in</strong>sbesondere auch die Deformationen<br />
zu vermessen. Als Hilfsmittel für die Berechnung der Deformationsenergien dienen die<br />
Struktursteifigkeiten.<br />
In Zukunft wäre es wünschenswert, auch für LKWs mehr Daten zu ermitteln und zu<br />
sammeln.<br />
Konsequenzen aus den Unfällen zur Prävention und zur Bewältigung<br />
Das Hauptrisiko im Verkehr und <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Tunnelsituationen ist der Mensch als<br />
Fahrzeuglenker. Kommen hohes Verkehrsaufkommen und dichter Schwerverkehr dazu,<br />
potenzieren sich die Risiken und das resultierende Gefährdungspotenzial bei e<strong>in</strong>em<br />
Zwischenfall nimmt sehr stark zu.<br />
Oberste Priorität muss also die Prävention haben, damit sich gar ke<strong>in</strong>e solchen<br />
Zwischenfälle ereignen. Die allgeme<strong>in</strong> gültige Regel, dass durch e<strong>in</strong>e den Verhältnissen<br />
angepasste Geschw<strong>in</strong>digkeit, genügend Abstand und Konzentration auf den Verkehr die<br />
oftmals entscheidenden zusätzlichen Sicherheitsreserven geschaffen werden können, tönt<br />
wie e<strong>in</strong>e B<strong>in</strong>senwahrheit, kann aber unter Umständen über Leben oder Tod entscheiden!<br />
Präventive Maßnahmen umfassen die folgenden Gebiete:<br />
Verkehrsregelung<br />
• Dosiersystem mit permanenter Videoüberwachung UND -aufzeichnung<br />
• Ke<strong>in</strong> Gegenverkehr <strong>in</strong> längeren Tunnels<br />
• M<strong>in</strong>imalabstand 150 m für den Schwerverkehr<br />
• (Halb-)Barrieren und Signalisation (Ampeln) zur Sperrung des Tunnels bei<br />
Unfall/Brand/evtl. Stau<br />
• Polizeibeamte vor Ort<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 56
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Signalisation<br />
• Abstandsmarkierungen auf den Fahrbahnen alle 50 m<br />
• Regelmäßige Anzeige der Distanzen bis zu den Tunnelenden<br />
• Auffälligkeit der Leitl<strong>in</strong>ien am Rand verstärken zur optischen Führung entlang des<br />
Fahrbahnrandes, ke<strong>in</strong>e Überbetonung der Mittelleitl<strong>in</strong>ien<br />
• Akustische Warne<strong>in</strong>richtung beim Be- und Überfahren der Leitl<strong>in</strong>ien („Ratterl<strong>in</strong>ien“,<br />
Sicherheitsl<strong>in</strong>ien mit Stufenmarkierungen)<br />
• Vermeiden von längeren monotonen Tunnelstrecken durch ändernde Beleuchtung,<br />
Gestaltung<br />
Verbesserungen an den Fahrzeugen<br />
• Abstandsmanager und Spurmanager für Lastwagen und Cars (z.B. Mercedes<br />
Actros)<br />
• Batterietrennschalter bei Kollision oder Überschlag (Tiltschalter wie bei<br />
Rallyefahrzeugen, Crashsensoren)<br />
• Brandunterdrückungssysteme auf Lastwagen und Cars<br />
• Unfalldatenschreiber für Schwerverkehr obligatorisch<br />
Maßnahmen zur Schadensbewältigung umfassen die folgenden Gebiete:<br />
Fluchtwege<br />
• Pannenstreifen <strong>in</strong> allen Tunnels vorsehen (Zugang für Rettungskräfte und<br />
Fluchtwege)<br />
• Blitzlichter zur optischen Führung bei Brand resp. Evakuierung<br />
• Beleuchtung der Bedienelemente der Türen<br />
Information der Verkehrsteilnehmer<br />
• RDS Tunnelradio mit Zwangse<strong>in</strong>schaltung des Autoradios<br />
• Automatisches Stauende-Warnsystem mit dynamischer Signalisation<br />
• Automatische Warndurchsagen durch Leitsystem ausgelöst (Brand, Evakuierung,<br />
Stau etc.)<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 57
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Zusammenfassung<br />
Das Hauptrisiko im Verkehr und <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Tunnelsituationen ist der Mensch als Fahr-<br />
zeuglenker. Durch die Bee<strong>in</strong>flussung se<strong>in</strong>es Verhaltens kann die beste Präventionswirkung<br />
erzielt werden.<br />
Daneben gilt es, alle möglichen technischen präventiven Maßnahmen zu ergreifen.<br />
Schlussendlich s<strong>in</strong>d die Maßnahmen zur Schadensbewältigung nach e<strong>in</strong>em Ereignis zu<br />
optimieren.<br />
Dr. Werner Gratzer<br />
DWG - Sachverständigenbüro Gratzer<br />
5110 Oberndorf, Weitwörth 10<br />
06272 / 77 363 oder 0664 / 34 22 155<br />
E-Mail: dwg@analyzer.at<br />
GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 58
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Univ.-Prof. DI Dr. Ernst PFLEGER / DI Hannes GLASER<br />
EPIGUS-Institut für ganzheitliche Unfall- und Sicherheitsforschung<br />
Blicktechnische und fahrdynamische Grenzbereiche bei<br />
Kurvenfahrten zur Aufklärung von Abkommensunfällen<br />
Allgeme<strong>in</strong>es zur Navigation <strong>in</strong> Kurven ............................................................................... 59<br />
Verbesserung der optischen Führung und<br />
Blickuntersuchungen mit dem viewpo<strong>in</strong>tsystem ........................................................... 61<br />
Simulationen zur Bestimmung der fahrdynamischen Grenzbereiche (Bsp. A2 - Wechsel) 65<br />
Bestimmung der Grenzgeschw<strong>in</strong>digkeiten.................................................................. 65<br />
Fahrstreifenwechselmanöver <strong>in</strong> Kurven ..................................................................... 68<br />
Ergebnis der Untersuchungen mithilfe der Simulation ................................................ 72<br />
Allgeme<strong>in</strong>es zur Navigation <strong>in</strong> Kurven<br />
Die Navigation <strong>in</strong> Kurven erfolgt über ständige Blicksprünge zwischen Fixationszielen, die<br />
entscheidend s<strong>in</strong>d, ob Fahrzeuglenker die Krümmungsverhältnisse im Streckenabschnitt<br />
richtig erkennen können. Dabei zeigen sich typische sägezahnartige Blickfolgen, um den<br />
Fahrraum und die weitere L<strong>in</strong>ienführung zu erfassen (siehe Abbildung 1).<br />
Es zeigen sich jedoch gerade <strong>in</strong> Bezug auf Kurvenfahrten immer wieder große Probleme,<br />
die <strong>in</strong> weiterer Folge zu Abkommensunfällen führen können. Ursachen dafür s<strong>in</strong>d nicht an<br />
die lokalen Verhältnisse angepasste Geschw<strong>in</strong>digkeiten aber auch wahrnehmungs-<br />
technische Mängel, die zu e<strong>in</strong>er Fehle<strong>in</strong>schätzung der Situation führen. Dabei werden<br />
e<strong>in</strong>erseits die Krümmungsverhältnisse unterschätzt – d.h. es wird e<strong>in</strong> größerer Radius<br />
erwartet – und andererseits der Krümmungsbeg<strong>in</strong>n nicht richtig erkannt wird, sodass die<br />
E<strong>in</strong>lenkung zu spät erfolgt.<br />
PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 59
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
19<br />
Legende:<br />
Fahrbahn nah<br />
Fahrbahn fern<br />
Fahrbahn Scheitelpunkt<br />
17<br />
14<br />
Ausfahrt<br />
15<br />
Ausfahrt<br />
12<br />
18<br />
8<br />
Straße<br />
16<br />
9<br />
5<br />
11<br />
1<br />
13<br />
6<br />
2<br />
4<br />
10<br />
Spiegel<br />
7<br />
3<br />
PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 60<br />
Feldweg<br />
Feldweg<br />
1<br />
3<br />
2<br />
5<br />
Feldweg<br />
Abbildung 1: typische Navigationsstrukturen <strong>in</strong> Kurven<br />
4<br />
6<br />
7<br />
8<br />
Leitschiene<br />
9<br />
10<br />
11<br />
12<br />
13<br />
15<br />
14<br />
Legende:<br />
Fahrbahn nah<br />
Fahrbahn fern<br />
Fahrbahn Scheitelpunkt<br />
Untersuchungen der Zusammenhänge zwischen Kurvenradius, Grenzgeschw<strong>in</strong>digkeiten<br />
und E<strong>in</strong>lenkverspätungen mithilfe der EDV-Simulation haben gezeigt, dass bereits sehr<br />
kurze E<strong>in</strong>lenkverspätungen im Bereich von mehreren Zehntelsekunden ausreichen, die<br />
Grenzgeschw<strong>in</strong>digkeit der sicheren Befahrbarkeit des Kurvenbereichs rapide herabzu-<br />
setzen. Dies ergibt sich bei E<strong>in</strong>lenkverspätungen aufgrund des wesentlich engeren<br />
Kurvenradius, der am Beg<strong>in</strong>n der Bogenfahrt gewählt werden muss, um die gewollte<br />
Fahrl<strong>in</strong>ie zu halten.<br />
In Abbildung 2 ist e<strong>in</strong> Beispiel dieser Simulationsreihen dargestellt, wobei folgende Grenz-<br />
Fahrzustände betrachtet wurden:<br />
1. Maximale Geschw<strong>in</strong>digkeit bei sicherer Kurvenfahrt (Kurvengrenzgeschw<strong>in</strong>digkeit)<br />
=> Fahrzeug bleibt steuerbar und Fahrspur wird nicht verlassen<br />
2. Mitbenützen des äußeren Fahrstreifens (Überfahren der Mittell<strong>in</strong>ie)<br />
=> Überragen der Mittell<strong>in</strong>ie bis 0,5 m<br />
<strong>3.</strong> Abkommen von der Straße (Überfahren des Banketts)<br />
=> H<strong>in</strong>ausgetragenwerden über den Gegenfahrstreifen
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Geschw<strong>in</strong>digkeit [km/h]<br />
130<br />
125<br />
120<br />
115<br />
110<br />
105<br />
100<br />
95<br />
90<br />
85<br />
80<br />
Grenzgeschw<strong>in</strong>digkeit für sicheres Fahren<br />
E<strong>in</strong>lenkverspätung [s}<br />
0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7<br />
R = 150 m R = 200 m R = 250 m<br />
R = 150 m y = -25x + 103 Bestimmtheitsmaß R 2 = 1<br />
R = 200 m y = -25x + 112 Bestimmtheitsmaß R 2 = 1<br />
R = 250 m y = -25x + 121 Bestimmtheitsmaß R 2 = 1<br />
Abbildung 2: Grenzgeschw<strong>in</strong>digkeit für sichere Kurvenfahrt <strong>in</strong> Abhängigkeit von der<br />
E<strong>in</strong>lenkverspätung für R = 150 m bis R = 250 m<br />
Die grundsätzliche Frage <strong>in</strong> diesem Zusammenhang ist, wodurch diese E<strong>in</strong>lenk-<br />
verspätungen entstehen können. Betrachtet man dabei den Zeit- und Wegbedarf zum<br />
Erkennen e<strong>in</strong>er Kurve, wird offensichtlich, dass die Krümmungsverhältnisse bei e<strong>in</strong>er<br />
Annäherungsgeschw<strong>in</strong>digkeit von 100 km/h spätestens 70 m vor dem Erreichen des<br />
Bogenanfangs erkannt werden müssen.<br />
1. Wahrnehmungsverzögerung 0,4 s 11 m<br />
2. Reaktion 1,0 s 28 m<br />
<strong>3.</strong> technische Aktion (Lenken) 1,0 s 28 m<br />
Summe 2,4 s 67 m<br />
S<strong>in</strong>d vor Ort unzureichende Informationen über die Krümmungsverhältnisse oder<br />
Fehlführungen vorhanden, ist die gesicherte Wahrnehmbarkeit und Erkennbarkeit der<br />
L<strong>in</strong>ienführung nicht mehr gegeben und Defizite entstehen, die im ungünstigsten Fall zu<br />
e<strong>in</strong>em Abkommensunfall führen.<br />
Verbesserung der optischen Führung und Blickuntersuchungen mit dem<br />
viewpo<strong>in</strong>tsystem<br />
R=250m<br />
R=200m<br />
R=150m<br />
Die Gefahr der unzureichenden Informationsdarbietung ist besonders bei Dunkelheit<br />
gegeben. Aufgrund des begrenzten ausgeleuchteten Bereichs vor dem Fahrzeug bei<br />
Nutzung des Abblendlichts und des Fernlichts können viele Informationsträger – die bei Tag<br />
zusätzliche Führungsmarken darstellen – nicht mehr erkannt werden. Speziell bei<br />
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L<strong>in</strong>ksbögen ergeben sich durch die asymmetrische Ausleuchtung des Abblendlichts weite<br />
Bereiche, die nicht e<strong>in</strong>gesehen werden können (Abbildung 3).<br />
Abbildung 3: Sicht unter Abblendlicht bei Kurvenfahrt sowie <strong>in</strong> der Annäherung am<br />
Beispiel R = 100 m und R = 150 m. Der e<strong>in</strong>getragene W<strong>in</strong>kel von 20° kennzeichnet<br />
den Bereich, <strong>in</strong> dem die Leuchtdichte ausreicht, um retroreflektierende Flächen aufgrund<br />
ihrer Leuchtstärke sowie aufgrund ihrer Position im Sichtfeld wahrzunehmen.<br />
Es zeigt sich bei Dunkelheit auch deutlich, dass die Entfernungen zu beachteten Punkten,<br />
die die Navigation unterstützen, deutlich abnehmen. Die Ergebnisse e<strong>in</strong>er Forschungsarbeit<br />
verdeutlichen diese Verschiebung <strong>in</strong> den fahrzeugnahen Bereich, der vom Sche<strong>in</strong>werfer-<br />
kegel ausgeleuchtet wurde (siehe Abbildung 4).<br />
Prozentuale Verteilung der<br />
Fahrbahnfixationen [%]<br />
100%<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
A01<br />
Tag Nacht<br />
Fahrbahn_nah<br />
Fahrbahn_SP<br />
Fahrbahn_fern<br />
Abbildung 4: Verschiebung der Fixationspunkte <strong>in</strong> den fahrzeugnahen Bereich bei Dunkelheit<br />
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In den besonders ungünstigen L<strong>in</strong>kskurven mit engen Krümmungsradien besteht die<br />
Möglichkeit der besseren Kennzeichnung nur mithilfe von selbstleuchtenden oder retro-<br />
reflektierenden Elementen, die e<strong>in</strong>e entsprechende optische Überschwelligkeit aufweisen.<br />
Weiters wurde im Rahmen der Blickuntersuchungen erkannt, dass dem Fahrzeuglenker<br />
m<strong>in</strong>destens 6 (besser noch 8) Führungselemente zur Verfügung stehen müssen, damit er<br />
den Krümmungsverlauf e<strong>in</strong>deutig und rechtzeitig erkennen kann. Die daraus resultierende<br />
Frage nach den optimalen Abständen wurde mithilfe e<strong>in</strong>es grafischen Verfahrens gelöst und<br />
ist <strong>in</strong> der folgenden Abbildung beispielhaft dargestellt.<br />
optimaler Abstand [m]<br />
50<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
Zweirichtungsverkehr: optimaler Abstand von<br />
Führungsmarken <strong>in</strong> Abhängigkeit vom Kurvenradius<br />
(6 bzw. 8 Elemente sichtbar)<br />
optimaler Abstand 6 Elemente<br />
optimaler Abstand 8 Elemente<br />
Trendl<strong>in</strong>ie (Potenziell) 6 Elemente<br />
Trendl<strong>in</strong>ie (Potenziell) 8 Elemente<br />
0<br />
0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600<br />
Kurvenradius [m]<br />
Trendl<strong>in</strong>ie (Potenziell) 6 Elemente: y = 0,8781 x 0,5423 R² = 1,0000<br />
Trendl<strong>in</strong>ie (Potenziell) 8 Elemente: y = 0,6272 x 0,5423 R² = 1,0000<br />
Abbildung 5: Optimaler Abstand der Führungsmarken <strong>in</strong> Abhängigkeit vom Kurvenradius<br />
Im Rahmen e<strong>in</strong>er weiteren Forschungsarbeit wurden die am Markt<br />
erhältlichen Modelle sowie e<strong>in</strong> neu entwickelter Reflektor<br />
(vps*DELTAmarker) getestet und bewertet (Abbildung 6), wobei besonderer<br />
Wert auf die Erkennbarkeit von Elementen im h<strong>in</strong>teren Kurvenbereich gelegt<br />
wurde. Aufgrund der großen Reflektorfläche und der Neigung der<br />
Seitenflächen hat das neuentwickelte Element die mit Abstand besten<br />
Ergebnisse erzielt. Die Anbr<strong>in</strong>gung dieses Reflektors kann<br />
auf normalen Leitpflöcken erfolgen, es können jedoch auch<br />
Betonleitwände ausgestattet werden.<br />
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„Gut Gut sichtbar“ sichtbar<br />
• vps*DELTA vps DELTAmarker marker<br />
• 3M Reflektor groß gro „BLR BLR 250“ 250<br />
• 3M Reflektor groß, gro , mit Pfeil „BLR BLR 250-W<strong>in</strong>kelbake<br />
250 W<strong>in</strong>kelbake“<br />
„Schlecht Schlecht sichtbar“ sichtbar<br />
• 3M Reflektor kle<strong>in</strong>, seitlich seitlich „BLR BLR 150“ 150<br />
• Swareflex Wallflex Wallflex<br />
• Swareflex Reflektor kle<strong>in</strong>, kle<strong>in</strong>, seitlich seitlich „3350 3350“<br />
Bodennägel Bodenn gel und Markierungskn<br />
Markierungsknöpfe pfe wurden aufgrund der<br />
schlechten Ergebnisse ausgenommen!<br />
Abbildung 6: Bewertung der getesteten Reflektoren<br />
Das folgende Beispiel zeigt die Wirkung dieser neuen Elemente anhand e<strong>in</strong>er umgestalteten<br />
Kurve auf der B 27 <strong>in</strong> Niederösterreich.<br />
vor der Maßnahmensetzung nach der Maßnahmensetzung<br />
Maßnahmensetzung<br />
Abbildung 7: Neuausstattung e<strong>in</strong>er Kurve der B 27 mit vps*DELTAmarkern<br />
<strong>in</strong> verdichteter Aufstellung<br />
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Simulationen zur Bestimmung der fahrdynamischen Grenzbereiche<br />
Aufgrund der großen Anzahl an Abkommensunfällen im Untersuchungsabschnitt wurden<br />
Reihensimulationen mit dem Programm PC-Crash durchgeführt. Dabei sollten folgende<br />
Fragestellungen geklärt werden:<br />
• Ermittlung der Grenzgeschw<strong>in</strong>digkeiten bei unterschiedlichen Fahrbahnzuständen<br />
<strong>in</strong> Abhängigkeit von der E<strong>in</strong>lenkverspätung.<br />
• Untersuchung des E<strong>in</strong>flusses ger<strong>in</strong>ger Ungenauigkeiten im E<strong>in</strong>lenkvorgang.<br />
• Simulation von Fahrstreifenwechselvorgängen zur Herausarbeitung spezieller<br />
Problematiken.<br />
In Summe wurden im Rahmen des Projekts 250 optimierte Simulationen auf e<strong>in</strong>em<br />
dreidimensionalen Geländemodell der ungünstigsten Kurve (R=450 m, Querneig. = 5,6%,<br />
Längsneig. = -3,4%) durchgeführt!<br />
Bestimmung der Grenzgeschw<strong>in</strong>digkeiten (Bsp. A2 - Wechsel)<br />
Basierend auf den zulässigen Höchstgeschw<strong>in</strong>digkeiten von 130 km/h auf trockener<br />
Fahrbahn und 80 km/h bei Nässe wurde die Geschw<strong>in</strong>digkeit e<strong>in</strong>es durchschnittlichen Pkw-<br />
Fahrzeuges <strong>in</strong> 10 km/h-Schritten erhöht und das Verhalten des Fahrzeugs untersucht. Als<br />
Beurteilungskriterien wurden das sichere Halten der Fahrl<strong>in</strong>ie ohne unkontrollierte<br />
Bewegungsabläufe des Fahrzeuges und ohne Spurenabzeichnung (e<strong>in</strong>gestellt auf 85% der<br />
zur Verfügung stehenden Bodenhaftung (0,85*mü*Fs0)) herangezogen.<br />
Als kritische Punkte, die zu e<strong>in</strong>er negativen Bewertung der Fahrl<strong>in</strong>ie führen, können die<br />
Szenarien „Abkommen vom Fahrstreifen nach rechts“ und „Abkommen auf den l<strong>in</strong>ken<br />
Fahrstreifen“ def<strong>in</strong>iert werden. Bei beiden Grenzfällen wird e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ges Überragen der<br />
Fahrstreifenbegrenzung von 50 cm toleriert. Der E<strong>in</strong>lenkpunkt und der Lenkw<strong>in</strong>kel werden<br />
vor der Berechnung manuell vorgegeben, <strong>in</strong> der Simulation wird dann programm<strong>in</strong>tern<br />
versucht, die Fahrl<strong>in</strong>ie unter Berücksichtigung e<strong>in</strong>er realistischen Fahrdynamik zu halten. Ist<br />
dies aufgrund der vorgegebenen Parameter (Geschw<strong>in</strong>digkeit, Radius, E<strong>in</strong>lenkpunkt,...)<br />
nicht möglich, führt die Bewegung des Fahrzeuges zu e<strong>in</strong>em Verlassen der Fahrspur.<br />
Das E<strong>in</strong>lenken <strong>in</strong> die Kurve erfolgt <strong>in</strong> der Weise, dass <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Sekunde nach Beg<strong>in</strong>n<br />
des E<strong>in</strong>lenkvorganges der angestrebte Lenkw<strong>in</strong>kel (und damit der angestrebte Kurven-<br />
radius) erreicht wird. Der Beg<strong>in</strong>n des E<strong>in</strong>lenkens wird damit abhängig von der<br />
Geschw<strong>in</strong>digkeit. Je schneller gefahren wird, desto früher muss mit dem E<strong>in</strong>lenken<br />
begonnen werden, um richtig <strong>in</strong> die Kreisbahn e<strong>in</strong>lenken zu können.<br />
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Wie bereits ausgeführt, ist der E<strong>in</strong>lenkpunkt bei konstanter E<strong>in</strong>lenkzeit von 1 s für jede<br />
Geschw<strong>in</strong>digkeit gesondert zu ermitteln. Dieser wird danach je nach Fahrgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />
und untersuchter E<strong>in</strong>lenkverspätung (<strong>in</strong> 0,1 s-Inkrementen) <strong>in</strong> Richtung Krümmungsbeg<strong>in</strong>n<br />
verschoben. Als E<strong>in</strong>lenkverspätung wird dabei jene Zeitspanne bezeichnet, die zwischen<br />
dem optimalen und dem für die jeweilige Simulation kennzeichnenden E<strong>in</strong>lenkzeitpunkt<br />
verstreicht.<br />
Um nicht nur den E<strong>in</strong>fluss e<strong>in</strong>es zu späten Lenkmanövers beurteilen zu können wurden<br />
weitere Simulationsreihen gefahren, bei welchen der ermittelte optimale Lenkw<strong>in</strong>kel um 10%<br />
erhöht wurde. In Anbetracht der ger<strong>in</strong>gen notwendigen Lenkraddrehungen ist diese<br />
Ungenauigkeit beim E<strong>in</strong>lenkvorgang durchaus zu erwarten.<br />
Die Simulationen wurden sowohl für trockene als auch für nasse Fahrbahn durchgeführt. Als<br />
Grundlage für die Simulationen bei trockenen Verhältnissen wurde e<strong>in</strong> globaler Reibbeiwert<br />
der Fahrbahn von 0,8 angenommen, bei Nässe 0,5. Lokale Störungszonen (z.B. Spur-<br />
r<strong>in</strong>nen) wurden im Simulationsprogramm durch Reibungspolygone vorgegeben, die e<strong>in</strong>en<br />
anderen als den globalen Reibwert aufweisen. Für die Simulationen mit wassergefüllten<br />
Spurr<strong>in</strong>nen wurde e<strong>in</strong> lokal begrenzter Wert von 0,1 angenommen.<br />
Die Untersuchungen für trockene Fahrbahn brachten das <strong>in</strong> Abbildung 8 dargestellte<br />
Ergebnis, auf nasser Fahrbahn wurden die Grenzgeschw<strong>in</strong>digkeiten der Abbildung 9<br />
erhalten (+/- 5 km/h).<br />
Grenzgeschw<strong>in</strong>digkeit [km/h]<br />
220<br />
200<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
Grenzgeschw<strong>in</strong>digkeiten bei trockener Fahrbahn<br />
und unterschiedlichen E<strong>in</strong>lenkverspätungen<br />
Trocken, optimierte Lenkung<br />
Trocken, zu starke Lenkung<br />
L<strong>in</strong>ear (Trocken, optimierte Lenkung)<br />
Polynomisch (Trocken, zu starke Lenkung)<br />
0<br />
0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0<br />
E<strong>in</strong>lenkverspätung [s]<br />
Trend L<strong>in</strong>ear (Trocken, optimierte Lenkung): y = -100x + 205 R² = 1,000<br />
Trend Polynomisch (Trocken, zu starke Lenkung): y = 40,793x 3 +1,7483x 2 -152,33x+208,43 R² = 0,9888<br />
Abbildung 8: Vergleich der Grenzgeschw<strong>in</strong>digkeiten auf trockener Fahrbahn<br />
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Grenzgeschw<strong>in</strong>digkeit [km/h]<br />
220<br />
200<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
Grenzgeschw<strong>in</strong>digkeiten bei nasser Fahrbahn<br />
Nass +10%<br />
Nass<br />
Nass mit Spurr<strong>in</strong>ne<br />
Polynomisch (Nass +10%)<br />
Polynomisch (Nass)<br />
Polynomisch (Nass mit Spurr<strong>in</strong>ne)<br />
0<br />
0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0<br />
E<strong>in</strong>lenkverspätung [s]<br />
Trend Polynomisch (Nass): y = -39,627x 2 - 27,646x + 166,33 R² = 0,9730<br />
Trend Polynomisch (Nass +10%): y = -17,483x 2 - 56,154x + 168,29 R² = 0,9836<br />
Trend Polynomisch (Nass mit Spurr<strong>in</strong>nen): y = -29,138x 2 + 4,5921x + 115,63 R² = 0,8990<br />
Abbildung 9: Vergleich der Grenzgeschw<strong>in</strong>digkeiten auf nasser Fahrbahn<br />
Als Ergebnis der Untersuchung der Grenzgeschw<strong>in</strong>digkeiten <strong>in</strong> Abhängigkeit von der<br />
E<strong>in</strong>lenkverspätung konnte folgendes festgestellt werden:<br />
• Unter E<strong>in</strong>haltung der vorgeschriebenen Höchstgeschw<strong>in</strong>digkeit von 130 km/h auf<br />
trockener Fahrbahn ist e<strong>in</strong> gefahrloses Durchfahren der Kurve mit optimal<br />
gewähltem Lenke<strong>in</strong>schlag auch bei E<strong>in</strong>lenkverspätungen von 0,7-0,8 s möglich.<br />
Erfolgt e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gfügig zu starke E<strong>in</strong>lenkbewegung, s<strong>in</strong>kt die maximal mögliche<br />
E<strong>in</strong>lenkverspätung auf e<strong>in</strong>en Wert von 0,5-0,6 Sekunden.<br />
• Unter E<strong>in</strong>haltung der vorgeschriebenen Höchstgeschw<strong>in</strong>digkeit von 80 km/h ist e<strong>in</strong><br />
sicheres Befahren der Kurve trotz E<strong>in</strong>lenkverspätungen von über 1,0 s möglich.<br />
• In Zusammenhang mit den Spurr<strong>in</strong>nen wirken sich E<strong>in</strong>lenkverspätungen bis zu<br />
e<strong>in</strong>er gewissen Größenordnung positiv aus, da dann der Bereich zwischen<br />
Fahrstreifenbegrenzung und Spurr<strong>in</strong>ne befahren wird.<br />
Es ist daher davon auszugehen, dass weniger die Geschw<strong>in</strong>digkeiten für die hohe<br />
Anzahl an Abkommensunfällen verantwortlich s<strong>in</strong>d, sondern dass andere<br />
Grenzbereiche im fahrdynamischen Ablauf überschritten werden! Aus diesem Grund<br />
wurden Fahrstreifenwechselvorgänge im Kurvenbereich im Detail untersucht!<br />
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Fahrstreifenwechselmanöver <strong>in</strong> Kurven<br />
Aufgrund der Ergebnisse der Grenzgeschw<strong>in</strong>digkeitsuntersuchung wurden weitere<br />
Simulationen durchgeführt, um auch die fahrdynamischen Zusammenhänge bei Fahr-<br />
streifenwechselvorgängen <strong>in</strong> Kurvenbereichen im Detail zu betrachten.<br />
Ausgehend von den höchstzulässigen Geschw<strong>in</strong>digkeiten für die Fahrbahnzustände<br />
„Trocken“ und „Nass“ wurden die Abhängigkeiten im Lenkverhalten bei der zulässigen und<br />
bei leicht überhöhten Geschw<strong>in</strong>digkeiten ermittelt. Als Grundannahme wurde dabei<br />
getroffen, dass der Fahrstreifenwechselvorgang erst im späteren Verlauf der Bogenfahrt<br />
stattf<strong>in</strong>det, wenn der Lenke<strong>in</strong>schlag und die Querbeschleunigung bereits konstant s<strong>in</strong>d.<br />
Als konstanter Wert für den Fahrstreifenwechsel wurde e<strong>in</strong>e Zeitspanne von 3 Sekunden<br />
angenommen, <strong>in</strong> welcher das Fahrzeug den Fahrstreifenwechsel praktisch beendet hat und<br />
sich bereits vollständig auf dem kurvenäußeren Fahrstreifen bef<strong>in</strong>det. Dieser Wert deckt sich<br />
mit Angaben aus der Sachverständigenliteratur (z.B. 3 ) für normale, nicht abrupt<br />
durchgeführte Fahrstreifenwechselmanöver und wurde mithilfe von Simulationen auf<br />
gerader Strecke verifiziert. Die zeitliche Verteilung der Lenkmanöver (Auslenken und<br />
Zurücklenken) wurde dabei gleichmäßig verteilt angenommen (1:1).<br />
Bei den Erstversuchen der Umsetzung dieser Vorsimulationen auf e<strong>in</strong> Fahrmanöver im<br />
Bogen hat sich gezeigt, dass e<strong>in</strong>e gleichmäßige Verteilung der Lenke<strong>in</strong>schläge und vor<br />
allem der Zeiten, <strong>in</strong> welchen der Lenke<strong>in</strong>schlag konstant gehalten wird, nicht s<strong>in</strong>nvoll ist.<br />
Durch die bereits wirksame Querkraft darf der erste Lenkvorgang (Auslenken) nur verkürzt<br />
ausgeführt werden, h<strong>in</strong>gegen muss das folgende stärkere E<strong>in</strong>schlagen auch die noch<br />
wirksame Querbeschleunigung überw<strong>in</strong>den und damit stärker ausfallen. Um diese<br />
Zusammenhänge zu berücksichtigen, wurde die zeitliche Verteilung der Lenke<strong>in</strong>schläge auf<br />
1 s für das Auslenken und 2 s für das Zurücklenken geändert (1:2). Danach wird wieder e<strong>in</strong><br />
Lenke<strong>in</strong>schlag gewählt, der e<strong>in</strong>e konstante Fahrt auf der Kreisbahn ermöglicht. Die<br />
Stellzeiten für die Lenkung wurden analog zu den Untersuchungen der E<strong>in</strong>lenkvorgänge mit<br />
1 s konstant vorgegeben.<br />
Es zeigen sich im Vergleich der unterschiedlichen zeitlichen Verteilungen von 1:1 und 1:2<br />
deutliche Änderungen im Verlauf der Querbeschleunigungen bei ansonsten identen<br />
Randbed<strong>in</strong>gungen. So nimmt der Maximalwert der auftretenden Querbeschleunigung durch<br />
das kürzere Auslenken um etwa 25% ab (siehe Abbildungen 10 und 11).<br />
3 Danner, M., Halm, J.: „Technische Analyse von Verkehrsunfällen“, Eurotax AG, Pfäffikon (CH) 1994<br />
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-0.50<br />
-1.00<br />
-1.50<br />
-2.00<br />
-2.50<br />
-<strong>3.</strong>00<br />
-<strong>3.</strong>50<br />
-4.00<br />
-4.50<br />
-5.00<br />
-5.50<br />
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18<br />
m/s²<br />
2<br />
Abbildung 10: Querbeschleunigungsverlauf des Fahrstreifenwechsels im Bogen mit gleichmäßig (1:1)<br />
verteilten Lenkmanövern (130 km/h, Auslenkw<strong>in</strong>kel 0,00°; max. Querbeschleunigung -5,70 m/s²)<br />
Abbildung 11: Querbeschleunigungsverlauf des Fahrstreifenwechsels im Bogen mit ungleichmäßig<br />
(1:2) verteilten Lenkmanövern (130 km/h, Auslenkw<strong>in</strong>kel 0,00°; max. Querbeschleunigung -4,30 m/s²)<br />
Anzumerken ist, dass bei dieser zeitlichen Verteilung das Zurücklenken bereits dann<br />
beg<strong>in</strong>nen muss, wenn das Fahrzeug noch nicht e<strong>in</strong>mal die Leitl<strong>in</strong>ie zwischen den<br />
Fahrstreifen erreicht hat (Abbildung 12)!<br />
Bei den Untersuchungen hat sich gezeigt, dass gerade auf trockener Fahrbahn bei höheren<br />
Geschw<strong>in</strong>digkeiten nahezu ke<strong>in</strong>e Fahrstreifenwechselmanöver <strong>in</strong>nerhalb von 3,0 s möglich<br />
s<strong>in</strong>d. Die stärkste Abhängigkeit ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang mit dem Lenke<strong>in</strong>schlag<br />
gegeben, der beim Auslenken am Beg<strong>in</strong>n des Manövers gewählt wird. Ist dieser nur<br />
ger<strong>in</strong>gfügig zu groß, muss der Folgee<strong>in</strong>schlag so stark erfolgen, dass die Quer-<br />
beschleunigung deutlich ansteigt und den vorgegebenen Grenzwert von 4,50 m/s²<br />
übersteigt oder unkontrollierte Bewegungsabläufe beim Zurücklenken die Folge s<strong>in</strong>d.<br />
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sec<br />
2 - 1 AQ
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konstante Bogenfahrt am<br />
rechten Fahrstreifen<br />
Beg<strong>in</strong>n Auslenkvorgang<br />
für 1 s, mit Stellzeit 1 s<br />
Beg<strong>in</strong>n Zurücklenken unmittelbar<br />
nach dem Erreichen des<br />
Auslenke<strong>in</strong>schlags für 2 s, mit<br />
e<strong>in</strong>er Stellzeit von 1 s<br />
Abgeschlossener<br />
Fahrstreifenwechsel nach 3 s<br />
und Änderung des Lenkw<strong>in</strong>kels<br />
auf den notwendigen<br />
Korrekture<strong>in</strong>schlag<br />
Abbildung 12: Aufteilung der Sequenzen im Fahrstreifenwechselmanöver (1:2)<br />
In Tabelle 1 s<strong>in</strong>d beispielsweise die Ergebnisse für e<strong>in</strong> Fahrstreifenwechselmanöver auf<br />
trockener Fahrbahn mit 130 km/h dargestellt. (Anm.: Lenkw<strong>in</strong>kel bei konst. Bogenfahrt: -0,31)<br />
Tabelle 1: Fahrstreifenwechselvorgänge mit 130 km/h auf trockener Fahrbahn mit<br />
Variation des Auslenkw<strong>in</strong>kels<br />
Lenkw<strong>in</strong>kel<br />
Auslenken [°]<br />
(Stellzeit 1 s)<br />
Spurkreisradius<br />
Auslenken [m]<br />
Lenkw<strong>in</strong>kel<br />
Rücklenken [°]<br />
(Stellzeit 1 s)<br />
Spurkreisradius<br />
Rücklenken [m]<br />
Sequenzdauer<br />
Rücklenken [s]<br />
Folgee<strong>in</strong>schlag<br />
für Fahrt auf<br />
Kreisbahn [°]<br />
maximale Querbeschl.<br />
[m/s²]<br />
-0,25 Re R=619 m ---- ---- ---- ---- +/-<br />
-0,20 Re R=774 m ---- ---- ---- ---- +/-<br />
-0,15 Re R=1032 m ---- ---- ---- ---- +/-<br />
-0,10 Re R=1567 m ---- ---- ---- ---- +/-<br />
-0,05 Re R=3094 m -0,44 Re R=352 m 2,0 -0,32 -3,90 +<br />
0,00 gerade -0,50 Re R=310 m 2,0 -0,25 -4,30 +<br />
+0,05 Li R=3094 m -0,56 Re R=277 m 2,0 -0,20 -4,75 -<br />
+0,10 Li R=1567 m -0,62 Re R=250 m 2,0 -0,15 -5,15 -<br />
+0,15 Li R=1032 m -0,74 Re R=214 m 2,0 +0,25 -5,85 --<br />
+0,20 Li R=774 m ---- ---- ---- ---- --<br />
Bewertung: +/- ........Auslenken zu ger<strong>in</strong>g, Fahrstreifenwechsel <strong>in</strong> 3 s nicht möglich<br />
+ ..........Fahrstreifenwechsel <strong>in</strong> 3 s ohne Gefährdung möglich<br />
-...........Überschreiten der Grenze der Querbeschl. von 4,50 m/s²<br />
-- ..........starkes Gegenlenken notwendig - Gefahr der Überreaktion<br />
In dieser Tabelle zeigt sich e<strong>in</strong>deutig, dass der mögliche Bereich der Lenkw<strong>in</strong>keländerung<br />
für e<strong>in</strong> Fahrstreifenwechselmanöver <strong>in</strong>nerhalb von 3 s sehr eng begrenzt ist. Besonders<br />
PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 70<br />
Bewertung
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
auffällig ist, dass bereits bei 1 s dauernden Auslenkvorgängen mit e<strong>in</strong>em W<strong>in</strong>kel von mehr<br />
als +0,10° (E<strong>in</strong>schlag nach L<strong>in</strong>ks) e<strong>in</strong> sicherer Fahrstreifenwechsel unmöglich wird.<br />
Zieht man als zusätzliches Bewertungskriterium die maximal auftretende Quer-<br />
beschleunigung heran, wird der günstige Bereich noch weiter e<strong>in</strong>geschränkt. Selbst bei<br />
ger<strong>in</strong>gen Auslenkw<strong>in</strong>keln von +0,05° bzw. +0,10° treten maximale Fliehbeschleunigungen<br />
größer 4,50 m/s² auf. Der günstige Bereich des Auslenkw<strong>in</strong>kels für den Fahrstreifenwechsel<br />
bei 130 km/h <strong>in</strong>nerhalb von 3,0 s umfasst nur noch Lenkbewegungen mit W<strong>in</strong>keln von<br />
-0,05°und 0,00° (geradeaus).<br />
Dies verdeutlicht, dass für Fahrstreifenwechselvorgänge <strong>in</strong> Kurvenbereichen<br />
vollkommen andere Gesetzmäßigkeiten <strong>in</strong> Bezug auf die Lenkmanöver gelten, als <strong>in</strong><br />
geraden Streckenabschnitten. Durch die wesentlich größere Häufigkeit von<br />
Fahrstreifenwechseln bzw. Überholvorgängen auf Geraden können somit die vom<br />
Fahrzeuglenker e<strong>in</strong>gelernten – auf gerade Bereiche optimierte – Handlungsabläufe zu<br />
großen Problemen und Sicherheitsgefährdungen führen. Dies gilt <strong>in</strong> besonderem<br />
Maße für unrout<strong>in</strong>ierte Fahrzeuglenkern!<br />
Als Ergebnis der Untersuchung der Fahrstreifenwechselmanöver können folgende<br />
Schlussfolgerungen getroffen werden:<br />
Trockene Fahrbahn - Untersuchte Geschw<strong>in</strong>digkeiten 130 / 140 / 150 km/h<br />
• Bereich der Lenkw<strong>in</strong>kel für das Auslenken, um den Fahrstreifenwechsel <strong>in</strong>nerhalb<br />
von 3,0 s abzuschließen, ist sehr kle<strong>in</strong>.<br />
• Bei 150 km/h ist ke<strong>in</strong> sicherer Fahrstreifenwechsel <strong>in</strong>nerhalb von 3,0 s möglich!<br />
• Beschränkender Faktor ist <strong>in</strong> den meisten Fällen der Grenzwert der<br />
Querbeschleunigung von 4,50 m/s².<br />
Nasse Fahrbahn - Untersuchte Geschw<strong>in</strong>digkeiten: 80 / 90 / 100 / 110 km/h<br />
• Bereich der Lenkw<strong>in</strong>kel für das Auslenken ist im Vergleich zu trockener Fahrbahn<br />
deutlich größer.<br />
• Beschränkender Faktor ist die sichere E<strong>in</strong>haltung der Fahrl<strong>in</strong>ie <strong>in</strong>nerhalb des<br />
Fahrstreifens und nicht die auftretende Querbeschleunigung.<br />
• Es zeigt sich e<strong>in</strong>deutig der große E<strong>in</strong>fluss der gefahrenen Geschw<strong>in</strong>digkeit!<br />
PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 71
<strong>3.</strong> <strong>EVU</strong> – <strong>Verkehrssicherheitssem<strong>in</strong>ar</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
26. Februar 2005, Wien<br />
Ergebnis der Untersuchungen mithilfe der Simulation<br />
• Weniger die hohen Geschw<strong>in</strong>digkeiten als die Lenkmanöver und<br />
Fahrstreifenwechselvorgänge führen zu den größten Gefährdungen<br />
im untersuchten Abschnitt der A2!<br />
• Für Fahrstreifenwechselmanöver müssen von den Fahrzeuglenkern<br />
neue Handlungsmuster erlernt werden, da die Erfahrungen auf<br />
geraden Streckenabschnitten im Bogen zu höheren Gefährdungen<br />
führen!<br />
• Aus diesen Gründen sollten speziell die Fahrstreifenwechsel-<br />
vorgänge <strong>in</strong> unfallträchtigen Kurvenabschnitten mit Radien < 500 m<br />
unterbunden werden!<br />
• Zu beachten ist, dass auch das Rechtsfahrgebot <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er engen<br />
L<strong>in</strong>kskurve zu Gefährdungen führen kann! Dieser Fahrvorgang<br />
entspricht fahrdynamisch dem Überholvorgang <strong>in</strong> Rechtskurven.<br />
• Empfohlen wird daher die Anbr<strong>in</strong>gung e<strong>in</strong>er Sperrl<strong>in</strong>ie anstelle der<br />
Leitl<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> den kritischen Bereichen!<br />
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Ernst Pfleger<br />
Vorsitzender der <strong>EVU</strong>-Ländergruppe <strong>Österreich</strong><br />
Leiter des EPIGUS-Instituts für ganzheitliche Unfall- und Sicherheitsforschung<br />
1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 81 / Stiege 4<br />
01 / 208 90 90 oder 0664 / 20 20 234<br />
E-Mail: epigus@chello.at bzw. sv.pfl@chello.at<br />
Dipl.-Ing. Hannes Glaser<br />
EPIGUS-Institut für ganzheitliche Unfall- und Sicherheitsforschung<br />
1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 81 / Stiege 4<br />
01 / 208 90 90<br />
E-Mail: hannes.glaser@unfallforschung.at<br />
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