Johannisburger Heimatbrief 1967 - Familienforschung S c z u k a
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Archiv der Kreisgemeinschaft Johannisburg e.V. – <strong>Johannisburger</strong> <strong>Heimatbrief</strong> <strong>1967</strong> (Abschrift)<br />
tens, weil die lange, baum-bestandene<br />
Straße, die aus Stadt dahin führt, sich<br />
gut für eine Promenade eignet — nicht<br />
nur für Liebespärchen!<br />
Und schon gehen wir an der Molkerei<br />
vorbei und sehen links das nagelneue<br />
Amtsgerichtsgebäude, schräg gegenüber<br />
den „Königlichen Hof”. Wie oft tanzten<br />
wir dort nach den ein-schmeichelnden<br />
Weisen der bekannten Kapelle Lux!<br />
Freundlich grüßt der Schmiedemeister<br />
Paschereit, und an der nächsten Ecke<br />
winkt uns Meister Strojek zu. Wir eilen<br />
durch die Bahnhofstraße am Friseursalon<br />
Dzewas, Frau Aßmanns Zigaretten- und<br />
Konfitürengeschäft, an Galdas Fleischerladen<br />
vorbei auf die Drogerie Mex zu.<br />
Jetzt haben wir den Marktplatz vor uns:<br />
rechts das stolze Rathaus, links unsere<br />
alte Kirche und im großen Quadrat die<br />
vielen Häuser und Häuschen von Engler<br />
(„Hotel Kronprinz"), Kowalzik, Gesk,<br />
Fischhöder, Joswig, Faltin, Rattay,<br />
Nitschmann („Hotel Deutsches Haus"),<br />
Brosien, Kilimann und Hinz. Eine Verkürzung<br />
des Heimwegs bietet sich an: quer<br />
über den Marktplatz nach Hause — in die<br />
Stadtschule! Hier trat im Jahre 1921 unser<br />
Vater als junger Rektor sein Amt an.<br />
Wie alt wir damals waren, verraten wir<br />
nicht - jedenfalls sind wir im lieben Gehlenburg<br />
aufgewachsen und haben schöne<br />
Zeiten erlebt, von denen wir nun ein bißchen<br />
plaudern wollen.<br />
Zur Dienstwohnung unseres Vaters gehörte<br />
damals ein Morgen Land nebst einem<br />
stattlichen Garten, der aber total<br />
verkrautet war. Ein Bauer erbot sich, da<br />
einmal mit Pferd und Pflug Ordnung zu<br />
schaffen. Das Pferdchen ließ sich zwar<br />
an den Pflug spannen, aber ziehen wollte<br />
es nicht. Achselzuckend meinte sein Besitzer:<br />
„Herr Rektor, jeder Gaul is man<br />
nich zum Ziehen!” Große Heiterkeit erregte<br />
auch im Familienkreise eine Mutter,<br />
die im Amtszimmer unseres Vaters<br />
mit folgenden Worten erschien: „Sehr<br />
jeehrter Herr Oberrektor, wenn Se<br />
vleicht mechten Ihre lieben Augen<br />
schließen und meine Kinder wo noch eine<br />
Woche beurlauben?” Vater: „Aber es<br />
waren doch gerade drei Wochen Herbst-<br />
www.Kreis-Johannisburg.de<br />
ferien!” Darauf die gute Frau: „Das<br />
macht nuscht, se haben doch alle de Masern!”<br />
Die Mütter zweier Schüler lagen in Streit<br />
und schlugen sich auf dem gemeinsamen<br />
Hof. Der Sohn der Schwächeren eilte<br />
seiner Mutter zu Hilfe, indem er der Angreiferin<br />
seine Holzkorken auf den Kopf<br />
schlug. Vater sollte nun den Jungen bestrafen.<br />
Er ließ sich ausführlich von beiden<br />
Müttern den Sachverhalt schildern.<br />
Die Schwächere gab folgende Darstellung:<br />
„Herr Rektor, se packte mir am<br />
Schnauz, schmiß mir hin, zog mir an de<br />
Haare, und ich schrie: Herr Jesus, mein<br />
Heiland, mein Jungchen, se schlägt mir<br />
dot!”<br />
Zwei Brüder — beide schwach im Deutschen<br />
— verfügten nur über ein gemeinsames<br />
Lesebuch. Während der Ältere<br />
wenigstens einigermaßen lesen konnte,<br />
beherrschte der Kleine keinen Buchstaben.<br />
Auf Vaters Rat, doch mit dem kleineren<br />
Bruder zu üben, bekannte der<br />
Große treuherzig: „Ich will ja mit ihm<br />
ieben, Herr Rekter, aber wenn ich jelesen<br />
hab' und das Buch dem Paul jeben<br />
will, denn schreit er jleich: Willi, jibst,<br />
Willi, jibst, Willi, jibst? 1, 2, 3 — is schon<br />
zu spät!”<br />
Diese Episoden ließen sich natürlich endlos<br />
fortsetzen; aber wir wollen ja noch<br />
anderes von unserm lieben Gehlenburg<br />
berichten.<br />
Da wäre zunächst der Wochenmarkt am<br />
Donnerstag, der die Bauern aus den umliegenden<br />
Dörfern mit ihren Erzeugnissen<br />
in unser Städtchen führt. Er ist iso<br />
reichlich bestellt, daß er sich fast mit<br />
dem Fischmarkt an den Hamburger Landungsbrücken<br />
vergleichen ließe. Herrliche<br />
Zeiten, in denen ein Ei noch drei<br />
Pfennig, ein Pfund goldfrische Landbutter<br />
60 Pfennig und ein Pfund Gelböhrchen<br />
10 Pfennig kosteten! Ein reges Leben<br />
und Treiben entfaltet sich; sind Käufer<br />
und Verkäufer einig geworden, setzt der<br />
Ansturm auf die Geschäfte ein. Zur Vervollständigung<br />
ihrer Haushalte kaufen<br />
die Bäuerinnen bei Max und Walter Bi