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Bodenschätze – Fluch oder Segen? - Brot für alle

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EinBlick<br />

<strong>Bodenschätze</strong> <strong>–</strong> <strong>Fluch</strong> <strong>oder</strong> <strong>Segen</strong>?<br />

Das Rohstoffgeschäft bringt Reichtum <strong>für</strong> wenige<br />

und Elend <strong>für</strong> viele<br />

2/2010


Inhaltsverzeichnis<br />

Editorial 3<br />

Einführung ins Thema<br />

Rohstoffe <strong>–</strong> <strong>Bodenschätze</strong>, die Armut schaffen 4<strong>–</strong>7<br />

Rohstoffabbau und Menschenrechtsverletzungen gehen oft Hand in Hand 8<strong>–</strong>11<br />

Steuerflucht bringt Milliardenverluste <strong>für</strong> Rohstoffländer 12<strong>–</strong>14<br />

Fallbeispiele<br />

Einleitung<br />

Verschiedene Länder <strong>–</strong> gleiche Probleme 15<br />

Demokratische Republik Kongo<br />

Minenarbeiter/innen wie Tiere behandelt 16<strong>–</strong>18<br />

Peru<br />

Wirtschaftswachstum auf Kosten der indigenen Bevölkerung 19<strong>–</strong>21<br />

Südafrika<br />

Kampf <strong>für</strong> Menschenrechte und bessere Lebensbedingungen 22<strong>–</strong>24<br />

Elektronikindustrie<br />

Von der Mine zum Computer <strong>–</strong> ein undurchsichtiger Weg 25<br />

Fazit und Ausblick<br />

Wege hin zu einer nachhaltigen Ressourcengewinnung 26<strong>–</strong>29<br />

Links und Quellenhinweise 30<br />

Impressum 31<br />

Titelbild<br />

Harte und gefährliche Arbeit <strong>für</strong> wenig Geld: Kleinschürfer/innen in einer Mine im Süden der Demokratischen<br />

Republik Kongo. Dieses Bild stammt aus dem Dokumentarfilm «Katanga Business» (2009) des Belgiers Thierry Michel:<br />

www.katanga-lefilm.com


Editorial<br />

Ein Mobiltelefon benutzen, ein Fahrzeug auftanken<br />

<strong>oder</strong> einen Computer einschalten <strong>–</strong><br />

Tätigkeiten, die oft in Verbindung stehen mit<br />

Ungerechtigkeit, Ausbeutung und der Missachtung<br />

fundamentaler Menschenrechte.<br />

Im Grundsatz kann und soll die Rohstoff-<br />

Förderung dem Menschen dienen. Oft sind<br />

Nutzen und Profit jedoch sehr ungleich verteilt.<br />

Nebst den normalen Nutzniesser/innen<br />

gibt es skrupellose Profiteure und auf der anderen<br />

Seite sehr viele Verlierer/innen. Zu ihnen<br />

gehören vor <strong>alle</strong>m die armen Menschen<br />

in den Entwicklungs- und Schwellenländern.<br />

Mit diesem EinBlick führen wir die Thematik<br />

«Wirtschaft und Menschenrechte» (EinBlick<br />

2009) weiter. Er bietet Ihnen grundlegende<br />

Informationen zur gegenwärtigen Problematik<br />

des Rohstoffabbaus und seiner Wirkung<br />

auf die marginalisierten Bevölkerungsschichten<br />

in den Abbauregionen. Ein Thema, das<br />

bislang in der Öffentlichkeit wenig Beachtung<br />

gefunden hat. Darum haben sich <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong><br />

und Fastenopfer dazu entschlossen, diese Zusammenhänge,<br />

die Rolle der transnationalen<br />

Unternehmen und die Verantwortung der<br />

Konsument/innen zum Thema der ökumenischen<br />

Kampagne 2011 zu machen.<br />

Warum zwei kirchliche Werke sich diesem<br />

wirtschaftspolitischen Thema annehmen?<br />

Antonio Hautle<br />

Direktor, Fastenopfer<br />

Weil es um den Menschen als Geschöpf Gottes<br />

geht, dessen Würde nur zu oft mit Füssen<br />

getreten wird!<br />

Menschen werden durch ungerechte Wirtschaftsstrukturen<br />

und kriminelle Wirtschaftssyndikate<br />

ausgebeutet und ihrer fundamentalen<br />

Rechte beraubt. Regierungen,<br />

Bürokratien, Lokal<strong>für</strong>sten, internationale<br />

Kartelle und Unternehmen unterstützen sie<br />

dabei. Oft sind die Staaten unfähig <strong>oder</strong> unwillig,<br />

griffige und gerechte Gesetze durchzusetzen.<br />

Die internationalen Firmen profitieren<br />

davon <strong>–</strong> und nicht zuletzt auch wir: Wir nutzen<br />

billige Rohstoffe <strong>für</strong> unsere Wirtschaft,<br />

unsere Elektronikgeräte, unsere Industrie.<br />

Dass damit oft Leid, Ungerechtigkeit und Tod<br />

verbunden sind, bleibt uns verborgen.<br />

Für die und mit den Armen sollen und müssen<br />

die Kirchen hinschauen. Die Vaterunser-<br />

Bitten «Dein Reich komme, dein Wille<br />

geschehe» werden so zur konkreten Herausforderung:<br />

Hinschauen, aufklären, Druck auf<br />

Firmen, Handelsregeln, Regierungen erzeugen<br />

<strong>–</strong> und so dem Frieden, der Gerechtigkeit,<br />

den Menschenrechten und der Bewahrung<br />

der Schöpfung dienen.<br />

Wir hoffen, liebe Leserin, lieber Leser, dass<br />

dieser EinBlick auch Sie zum Nachdenken<br />

und zum Handeln anregt.<br />

Beat Dietschy<br />

Zentralsekretär, <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong><br />

3


Einführung ins Thema<br />

Rohstoffe <strong>–</strong> <strong>Bodenschätze</strong>, die Armut<br />

schaffen<br />

Daniel Hostettler, Fachverantwortlicher Menschenrechte, Fastenopfer<br />

Während die internationalen Rohstoffkonzerne Milliardengewinne machen … © Thierry Michel<br />

Trotz der weiterhin steigenden Nachfrage<br />

nach Rohstoffen gehören die ressourcenreichsten<br />

Länder zu den ärmsten und konfliktträchtigsten<br />

Staaten der Welt. Schwache<br />

Regierungen, verbreitete Korruption<br />

und die ungezügelte Macht multinationaler<br />

Unternehmen führen dazu, dass die<br />

Rechte und Ansprüche der Bevölkerung<br />

mit Füssen getreten werden.<br />

Der weltweite Wirtschaftsaufschwung der<br />

letzten zwei Jahrzehnte hat eine enorme<br />

Nachfrage nach <strong>Bodenschätze</strong>n mit sich gebracht.<br />

Aufstrebende Volkswirtschaften wie<br />

China, Indien <strong>oder</strong> Brasilien haben durch<br />

ihren Nachholbedarf an wirtschaftlicher<br />

Entwicklung den weltweiten Bedarf an Rohstoffen<br />

vervielfacht. So stiegen etwa die chinesischen<br />

Rohstoffimporte laut einer Studie<br />

der Deutschen Bank von 1986 bis ins Jahr<br />

4<br />

2006 um das Zwanzigfache an. 1 Die Umsätze<br />

des Rohstoffsektors verzeichneten entsprechende<br />

Zuwachsraten. Gleichzeitig führte<br />

die neoliberale Globalisierung mit ihren<br />

deregulierenden Tendenzen zum Abbau nationaler<br />

Gesetzesschranken. Sowohl Kapital<br />

wie auch Waren fliessen heute weitgehend<br />

ungehindert zwischen Ländern und Märkten<br />

hin und her.<br />

Die kontinuierlich grosse Nachfrage und der<br />

deregulierte Zugang haben in den letzten Jahren<br />

zu einer Preisentwicklung geführt, die den<br />

Rohstoffabbau auch noch in den unzugänglichsten<br />

Gebieten rentabel macht. Eine Folge<br />

davon sind Investitionen in immer fragilere<br />

Umgebungen und Länder mit schwachen<br />

staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen.<br />

Die aktuelle Abwärtsentwicklung der Rohstoffpreise<br />

als Resultat der Finanzkrise wird<br />

nur von kurzer Dauer sein. Sobald das Wachs-


tum in den industrialisierten Ländern und<br />

den Schwellenländern wieder anzieht, werden<br />

auch Rohstoffhunger und -preise wieder anziehen.<br />

Das Rennen nach Ausbeutung von<br />

noch nicht erschlossenen Gebieten wird weitergehen<br />

<strong>–</strong> mit <strong>alle</strong>n problematischen Effekten,<br />

die der beschleunigte Rohstoffabbau <strong>für</strong><br />

die betroffenen Bevölkerungen mit sich<br />

bringt.<br />

Armut trotz Ressourcenreichtum<br />

Einnahmen aus Steuern und Konzessionen<br />

<strong>für</strong> den Rohstoffabbau sind <strong>für</strong> viele Länder<br />

des Südens eine wichtige Einkommensquelle.<br />

In den lateinamerikanischen Ländern etwa<br />

machen die Einnahmen aus der Rohstoffindustrie<br />

durchschnittlich 28 Prozent des<br />

Bruttoinlandprodukts (BIP) aus. In Ländern<br />

wie Bolivien, Kolumbien, Panama und Venezuela<br />

gar bis zu 40 Prozent des BIP. 2 Der Ver-<br />

kauf ihres natürlichen Reichtums und die<br />

ausländischen Investitionen könnten <strong>für</strong> diese<br />

Länder also Ausgangspunkt einer raschen<br />

wirtschaftlichen Entwicklung sein und die<br />

Lebensbedingungen der Menschen markant<br />

verbessern.<br />

Paradoxerweise lebt aber weiterhin ein grosser<br />

Teil der Bevölkerung in vielen dieser Länder<br />

in Armut. So führen in Lateinamerika<br />

durchschnittlich 34,1 Prozent der Menschen<br />

ein Leben unter der Armutsgrenze. In stark<br />

von Rohstoffexporten abhängigen Ländern<br />

sind es zwischen 30 Prozent (Venezuela) und<br />

64 Prozent (Bolivien). 3 Diese Zahlen verdeutlichen,<br />

dass die Einnahmen aus den Rohstoffexporten<br />

offensichtlich nicht der breiten<br />

Bevölkerung zugute kommen. Vielmehr verstärkt<br />

der Rohstoffreichtum die Unterentwicklung<br />

eines Landes weiter. Laut der internationalen<br />

Nichtregierungsorganisation<br />

«Revenue Watch» leben zwei Drittel der<br />

… verdienen Kleinschürfer/innen, die auf eigenes Risiko nach Rohstoffen graben und an Zwischenhändler<br />

verkaufen, wenige Dollar am Tag. © Thierry Michel<br />

5


ärmsten Menschen in rohstoffreichen Ländern.<br />

4 Dies hat verschiedene Gründe:<br />

Einseitige Machtverteilung<br />

Viele Staaten des Südens verfügen nicht über<br />

den Willen und die Mittel, die Tätigkeiten<br />

transnationaler Konzerne effektiv zu regulieren<br />

und zu überwachen. Schwache Regierungsführung<br />

und mangelnde Rechtsstaatlichkeit,<br />

ungenügende Vollzugsorgane und<br />

Korruption sind Gründe da<strong>für</strong>, dass sich die<br />

Unternehmen oft in der stärkeren Verhandlungsposition<br />

befinden als die Regierungen<br />

der Rohstoffländer. Sowohl bei der Festlegung<br />

von Abbaurechten wie auch bei der<br />

effektiven Rohstoffgewinnung diktieren die<br />

Konzerne weitgehend die Konditionen.<br />

Hinzu kommt, dass viele Regierungen dringend<br />

auf externe Investitionen angewiesen<br />

sind. Die Preisentwicklung auf dem Rohstoffmarkt<br />

ermöglicht es ihnen, mit relativ geringem<br />

Aufwand an Kapital zu kommen und von<br />

Krediten unabhängiger zu werden. Auf die<br />

grosse Nachfrage reagieren sie deshalb mit<br />

einer Politik, die den Unternehmen sehr entgegenkommt.<br />

Mit dem Resultat, dass zwar Investitionen<br />

in die Länder fliessen, die Abgaben<br />

und Steuern der Unternehmen aber oft nur<br />

einen Bruchteil des Werts der ausgeführten<br />

Rohstoffe ausmachen (vgl. Seiten 12<strong>–</strong>14). Mit<br />

ihrer unternehmensfreundlichen Politik reduzieren<br />

die Staaten jedoch ihre Möglichkeiten,<br />

in entwicklungsrelevante Sektoren der Gesellschaft<br />

umfassend investieren zu können.<br />

Undurchsichtige Finanzflüsse<br />

Häufig sind es Zivilgesellschaft und Medien,<br />

die bei ungenügender Regierungsführung und<br />

fehlender Rechtsstaatlichkeit die Aufgabe<br />

6<br />

übernehmen, zusammen mit den betroffenen<br />

Gemeinden auf Mängel und Missbräuche im<br />

Bereich der Rohstoffindustrien hinzuweisen.<br />

Dies ist nicht einfach, da ihnen bezüglich<br />

Steuern und Konzessionsabgaben der Unternehmen<br />

oft die grundlegendsten Informationen<br />

fehlen. Entsprechende Daten werden von<br />

den Regierungen kaum freiwillig der Öffentlichkeit<br />

zugänglich gemacht. Für die Unternehmen<br />

besteht wiederum keinerlei Pflicht<br />

auszuweisen, was sie in welchem Land jeweils<br />

investiert, bezahlt und eingenommen haben.<br />

Informiert der Staat nicht transparent, hat die<br />

Bevölkerung also keine Möglichkeit in Erfahrung<br />

zu bringen, welche Gelder geflossen und<br />

ob diese vertragskonform sind (vgl. Seiten<br />

12<strong>–</strong>14).<br />

Menschenrechtsverletzungen alltäglich<br />

Es lässt sich nachweisen, dass Staaten mit<br />

schwachen Regierungen, einer hohen Armutsquote<br />

und einer Konflikt beladenen Geschichte<br />

überproportional von Missbräuchen<br />

durch Konzerne betroffen sind. Gerade in<br />

Ländern, wo gewalttätige Übergriffe zum<br />

Definition<br />

In diesem EinBlick wird der Begriff Rohstoffsektor/Rohstoffindustrien<br />

analog zum<br />

englischen Begriff «Extractive Industries»<br />

verwendet. Damit werden Unternehmen<br />

bezeichnet, die nicht erneuerbare Ressourcen<br />

(Erdöl und Erdgas, Mineralien und<br />

Met<strong>alle</strong>) erkunden und/<strong>oder</strong> deren Ausbeutung<br />

planen und durchführen. Nicht<br />

unter diese Bezeichnung f<strong>alle</strong>n Unternehmen,<br />

welche erneuerbare Ressourcen<br />

(Elektrizität, Sonnenkraft) fördern <strong>oder</strong><br />

die Rohstoffe weiterverarbeiten.


Düstere Aussichten: Minenarbeiter in der Kipushi Mine in Katanga, DR Kongo. © Patricio Frei, Fastenopfer<br />

Alltag gehören und der Staat selber Konfliktpartei<br />

ist, operieren transnationale Konzerne<br />

in rechtlichen Graubereichen und beeinflussen<br />

unausweichlich die Konfliktsituation mit<br />

ihren Interventionen. Die Missbräuche reichen<br />

von missachteten Landrechten bei Vertreibungen<br />

von Gemeinden <strong>oder</strong> ungenügender<br />

Abgeltung bis hin zu Trinkwasser- <strong>oder</strong><br />

Luftverschmutzungen als Nebeneffekt des<br />

Rohstoffabbaus (vgl. Seiten 8<strong>–</strong>11).<br />

Rohstoffabbau bringt arme Gemeinden in<br />

Entwicklungsländern in einen direkten Interessenskonflikt<br />

mit Konzernen, die zu den<br />

mächtigsten der Welt zählen. Ihnen gegenüber<br />

ihre Stimmen hörbar zu machen, ist angesichts<br />

der PR-Mittel, über welche die grossen<br />

Konzerne verfügen, sehr schwierig.<br />

Ausserdem schützen Staaten viel öfter die Interessen<br />

der Konzerne als diejenigen ihrer<br />

Bürger/innen <strong>–</strong> vor <strong>alle</strong>m wenn diese arm<br />

sind, in abgelegenen Gebieten wohnen und<br />

Minderheiten angehören.<br />

Menschen und Organisationen, die sich <strong>für</strong><br />

die Rechte der betroffenen Bevölkerung einsetzen,<br />

werden nicht selten selber zur Zielscheibe<br />

von Rufmordkampagnen, Bedrohungen<br />

und physischen Übergriffen. Viele werden<br />

aufgrund ihres Engagements gar durch staatliche<br />

<strong>oder</strong> parastaatliche Kräfte ermordet.<br />

Oft geht der Repression eine Diffamierung<br />

des Widerstands der betroffenen Bevölkerung<br />

voran, der soziale Protest wird kriminalisiert.<br />

Die Menschenrechte der Betroffenen bleiben<br />

auf der Strecke, während sich die Regierungen<br />

und die Unternehmen auf einen rechtlichen<br />

Rahmen berufen können, der auf die<br />

Bedürfnisse der unternehmerischen Profitmaximierung<br />

zugeschnitten worden ist. Die Unternehmen<br />

florieren, die Regierungen weisen<br />

Wachstumsraten vor, während die Kosten auf<br />

die Schwächsten abgewälzt werden.<br />

7


Rohstoffabbau und Menschenrechtsverletzungen<br />

gehen oft Hand in Hand<br />

Ester Wolf, Verantwortliche <strong>für</strong> das Dossier Recht auf Nahrung, <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong><br />

Ein Wandgemälde im Dorf einer indigenen Gemeinschaft ausserhalb von Guatemala City fordert den Rückzug<br />

internationaler Minenkonzerne. © Ulises Rodriguez / Keystone<br />

Die Übernahme immenser Landflächen,<br />

grossräumige Abholzungen und die Vergiftung<br />

von Böden und Grundwasser zerstören<br />

bei vielen Minenprojekten die Umwelt<br />

und die Lebensgrundlage der lokalen, oftmals<br />

indigenen Bevölkerung. Der Kampf gegen<br />

zahlreiche Menschenrechtsverletzungen<br />

und <strong>für</strong> grundlegende Rechte ist jedoch<br />

schwierig und teilweise lebensgefährlich.<br />

«Sie haben uns gesagt, dass nichts Schlechtes<br />

passieren wird. Das einzige, was komme, sei<br />

Entwicklungsfortschritt. Heute sind sich die<br />

Menschen hier bewusst, dass genau das Ge-<br />

8<br />

genteil wahr ist.» Delfino Tema, Bürgermeister<br />

der Gemeinde Sipacapa weiss, wovon er<br />

spricht. Seit «Montana Explorada», eine<br />

Tochterfirma der kanadischen «Goldcorp<br />

Inc.», im westlichen Hochland von Guatemala<br />

die Marlin Mine betreibt und dort jährlich<br />

2,5 Millionen Unzen Gold abbaut, hat sich<br />

das Leben der Gemeinden im Departement<br />

San Marcos drastisch verändert.<br />

Krankheiten und Wassermangel<br />

Lebte die indigene Bevölkerung hier einst am<br />

Fusse bewaldeter Berge mit einer vielfältigen


Flora und Fauna, bestimmen heute hässliche<br />

Kraterlandschaften, gerodete Waldstriche,<br />

ausgetrocknete und verseuchte Gewässer<br />

und der tägliche Lärm der Minenaktivitäten<br />

und Lastwagen die Umgebung und das Leben<br />

der Menschen. «Seit die Mine hier ist,<br />

leiden immer mehr Kinder an Husten, Herpes<br />

und Kopfweh», erzählt der Bauer Moises<br />

Bamaca.<br />

Grund da<strong>für</strong> ist die Verschmutzung der Gewässer<br />

mit Schwermet<strong>alle</strong>n, wie die Untersuchung<br />

der Kirchlichen Kommission <strong>für</strong> Frieden<br />

und Umwelt in einer Studie belegen<br />

konnte. 5 Diese hat auch bestätigt, dass viele<br />

Häuser der Anwohner/innen durch die Beben<br />

beschädigt wurden. Das Unternehmen selbst<br />

gibt an, dass die Mine 45 000 Liter Wasser<br />

pro Minute verbraucht. Dieser enorme Wasserverbrauch<br />

hat zur Austrocknung von Gewässern<br />

und akutem Wassermangel geführt.<br />

Grundlegende Rechte missachtet<br />

Die Situation der Marlin Mine ist kein Einzelfall.<br />

Zahlreiche Experten/innen bestätigen,<br />

dass kein Industriezweig eine solch zerstörerische<br />

Auswirkung auf die Umwelt und<br />

das soziale und kulturelle Gefüge hat wie Minen<br />

im Tagbau.<br />

So werden etwa beim Abbau von Gold grosse<br />

Flächen Land abgetragen und mit flüssigem<br />

Zyanid gefüllt, um das Gold aus dem Boden<br />

zu lösen. Der Boden bleibt auf viele Jahre vergiftet<br />

und <strong>für</strong> die Landwirtschaft unbrauchbar.<br />

Weitere Folgen des Tagbaus sind die Vergiftung<br />

von Wasserquellen, die Abholzung<br />

von Wäldern und damit verbundene negative<br />

Auswirkungen auf die Lebensgrundlage der<br />

Bevölkerung, Umwelt und Klima. Damit verletzen<br />

die Minenaktivitäten grundlegende<br />

wirtschaftliche, soziale und kulturelle Men-<br />

schenrechte wie etwa das Recht auf Nahrung,<br />

Wasser, Unterkunft <strong>oder</strong> Gesundheit. 6<br />

Oft ist die lokale Bevölkerung auch direkt<br />

von Vertreibungen <strong>oder</strong> Zwangsumsiedlungen<br />

und der Zerstörung ihrer Felder und<br />

Häuser betroffen. Geltende Landrechte werden<br />

in vielen Fällen ignoriert. Angemessene<br />

Entschädigungen gibt es selten und wenn,<br />

dann bieten diese den Betroffenen kaum langfristige<br />

Perspektiven, um ihren Lebensunterhalt<br />

zu bestreiten. Gleichzeitig schaffen die<br />

Minen nur wenige Arbeitsplätze.<br />

Betroffene übergangen<br />

Auch die zivilen und politischen Rechte wie<br />

das Recht auf Leben, auf Freiheit und Sicherheit<br />

sowie die Versammlungs- und Meinungsfreiheit<br />

werden häufig verletzt. Friedliche<br />

Proteste gegen Aktivitäten in Minen werden<br />

immer wieder gewaltsam niedergeschlagen.<br />

Morde, willkürliche Festnahmen und Drohungen<br />

durch Militär, Polizei und privates<br />

Sicherheitspersonal der Minen gehen dabei<br />

Hand in Hand mit der Kriminalisierung der<br />

Opfer und derjenigen, die sich <strong>für</strong> ihre Rechte<br />

einsetzen. Besonders oft missachtet werden<br />

auch die in verschiedenen internationalen<br />

Konvention 169 der Internationalen<br />

Arbeitsorganisation (ILO)<br />

Die Konvention 169 der ILO ist ein völkerrechtlich<br />

verbindliches Instrument zur<br />

Durchsetzung der Rechte indigener Völker.<br />

Ein wichtiger Punkt ist die Anerkennung<br />

der Landrechte (Artikel 14) und die<br />

Verpflichtung der Staaten, die indigene<br />

Bevölkerung bei Projekten, die sie direkt<br />

betreffen, zu konsultieren (Artikel 6.1a).<br />

www.ilo169.de<br />

9


Verträgen festgelegten spezifischen Rechte<br />

der indigenen Bevölkerung (siehe Kasten).<br />

Viele dieser Rechte sind nicht nur in internationalen<br />

Pakten, Erklärungen und Konventionen<br />

festgeschrieben, sondern auch in den<br />

nationalen Verfassungen verankert. Meist<br />

mangelt es jedoch an deren Umsetzung und<br />

am Zugang der betroffenen Menschen zu<br />

rechtlichen Mitteln <strong>für</strong> ihre Verteidigung.<br />

Staaten tragen Verantwortung<br />

Hauptverantwortlich <strong>für</strong> die Menschenrechtsverletzungen<br />

sind die Regierungen, die<br />

die Konzessionen <strong>für</strong> die Minen vergeben.<br />

Doch auch die Unternehmen sind völkerrechtlich<br />

dazu verpflichtet, die Menschenrechte<br />

zu achten. 7 «Goldcorp Inc.» liess immerhin<br />

eine Studie zu den Auswirkungen der<br />

Aktivitäten in den Minen auf die Menschenrechte<br />

durchführen. Diese Studie vom Mai<br />

2010 zeigt zahlreiche Menschenrechtsverletzungen<br />

durch das Unternehmen auf und empfiehlt<br />

dem Konzern, von einem reaktiven zu<br />

einem proaktiven Ansatz überzugehen. 8<br />

Weltweiter Druck nötig<br />

Bereits im Jahr 2005 kritisierte der damalige<br />

Uno-Sonderberichterstatter Jean Ziegler bei<br />

Die umstrittene Marlin Mine. © COPAE<br />

10<br />

Protestaktion der indigenen Gemeinschaft. © COPAE<br />

seiner Untersuchungsreise in Guatemala, dass<br />

die Regierung die Lizenz <strong>für</strong> die Marlin Mine<br />

vergeben habe, ohne die betroffene indigene<br />

Bevölkerung ausreichend in die Verhandlungen<br />

einzubeziehen. Hierzu ist Guatemala<br />

jedoch gemäss der von der Regierung unterzeichneten<br />

Konvention 169 der Internationalen<br />

Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen<br />

(ILO) verpflichtet (siehe Kasten Seite 9).<br />

Auch das <strong>für</strong> die Umsetzung der Konvention<br />

zuständige ILO-Expert/innenkomitee sowie<br />

der Uno-Sonderberichterstatter <strong>für</strong> die Rechte<br />

der indigenen Bevölkerung kritisierten die<br />

mangelnde Konsultation und die fehlende<br />

Dialogbereitschaft gegenüber der Bevölkerung.<br />

Im Mai 2010 forderte die Interamerikanische<br />

Kommission <strong>für</strong> Menschenrechte (CIDH) den<br />

guatemaltekischen Staat schliesslich auf, die<br />

Aktivitäten der Marlin Mine in Guatemala zu<br />

suspendieren und konkrete Massnahmen<br />

zum Schutz der indigenen Bevölkerung zu ergreifen.<br />

Prominente Unterstützung bekam die<br />

Kommission von der Friedensnobelpreisträgerin<br />

Rigoberta Menchú, Bischof Ramazzini<br />

sowie zahlreichen lateinamerikanischen Regierungen<br />

und Menschenrechtsorganisationen<br />

aus <strong>alle</strong>r Welt.


Auch Unternehmen müssen Menschenrechte respektieren<br />

John Ruggie, Uno-Sonderbeauftragter <strong>für</strong> Wirtschaft und Menschenrechte, hat im Jahr<br />

2008 gegenüber dem Uno-Menschenrechtsrat festgehalten, dass auch Unternehmen <strong>für</strong> die<br />

Respektierung der Menschenrechte verantwortlich sind. Die Verpflichtung des Menschenrechtsschutzes<br />

obliege zwar den Staaten. Unternehmen werden aber angehalten, bei ihren<br />

Aktivitäten mit nötiger Sorgfalt (due diligence) vorzugehen, um keine Menschenrechtsverletzungen<br />

zu begehen <strong>oder</strong> mitzuverschulden. Ruggie empfiehlt den Unternehmen eine<br />

genaue Untersuchung des Kontextes und eine vorgängige Risikoanalyse bezüglich der Rechte<br />

der betroffenen Bevölkerung. Weiter sollen die Unternehmen die Wirkung ihrer Tätigkeiten<br />

auf die Menschenrechte fortlaufend überprüfen und darüber Bericht erstatten.<br />

Zwar verfügen heute <strong>alle</strong> grossen internationalen Konzerne über Richtlinien, die ein verantwortungsbewusstes<br />

Handeln festschreiben. Sie dienen aber eher der Öffentlichkeitsarbeit<br />

als der konkreten Umsetzung.<br />

Nichtregierungsorganisationen wie <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong> und Fastenopfer kritisieren zudem, dass<br />

der Ansatz von Ruggie auf einem freiwilligen Engagement der Unternehmen beruht.<br />

Angesichts weltweiter Vergehen von Unternehmen und deren gravierenden sozialen und<br />

ökologischen Konsequenzen greift das Prinzip der Freiwilligkeit zu wenig. Um effektive<br />

Verhaltensänderungen zu erwirken, braucht es verbindliche internationale Rechtsnormen,<br />

mit denen die Unternehmensverantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können.*<br />

www.business-humanrights.org<br />

* EinBlick 1/2009, Wirtschaft und Menschenrechte. Der lange Prozess um die menschenrechtliche Verpflichtung<br />

von international tätigen Unternehmen.<br />

Die breite Unterstützung hatte Erfolg: Ende<br />

Juni 2010 kündigte die unter Druck geratene<br />

Regierung die Suspendierung der Mine an.<br />

Drohungen bleiben<br />

Für die betroffenen Gemeinden ist dieser Entscheid<br />

ein Meilenstein. Die Lage hat sich bis<br />

anhin jedoch <strong>alle</strong>s andere als normalisiert:<br />

«Es wurde uns damit gedroht, dass die Verteidigung<br />

unserer Rechte Folgen haben wird»,<br />

sagt Javier de León, Präsident der «Asociación<br />

de Desarrollo Integral de San Miguel Ixtahaucan»<br />

(ADSIMI), der deshalb weiterhin auf<br />

die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft<br />

hofft. Unbegründet ist die Besorg-<br />

nis von Javier de León nicht: Am 7. Juni 2010<br />

wurde die Aktivistin Diodora Hernández<br />

durch einen Kopfschuss lebensgefährlich verletzt<br />

<strong>–</strong> nachdem sie zuvor mehrmals aufgrund<br />

ihres Engagements gegen die Marlin Mine<br />

bedroht worden war. Die Polizei lässt sich mit<br />

der Aufnahme der Ermittlungen Zeit.<br />

11


Steuerflucht bringt Rohstoffländern<br />

Milliardenverluste<br />

Markus Brun, Leiter Entwicklungspolitik, Fastenopfer<br />

Trotz steigender Weltmarktpreise <strong>für</strong> Rohstoffe<br />

verlieren die Rohstoffländer im Süden<br />

jährlich Steuereinnahmen in Milliardenhöhe.<br />

Grund da<strong>für</strong> sind Steuerflucht<br />

und schädliche Steuerpraktiken der internationalen<br />

Rohstoffunternehmen. Länder<br />

wie die Schweiz fördern diese Missstände,<br />

indem sie solche Praktiken tolerieren.<br />

Auf mindestens 50 Milliarden US-Dollar<br />

schätzt das renommierte britische Hilfswerk<br />

«Oxfam» die Verluste, die Entwicklungsländer<br />

jährlich durch Steuerflucht, internationalen<br />

Steuerwettbewerb und schädliche Steuerpraktiken<br />

erleiden. Das entspricht deutlich<br />

mehr als der Hälfte des Betrags, den <strong>alle</strong><br />

Industrieländer zusammen pro Jahr <strong>für</strong> öffentliche<br />

Entwicklungszusammenarbeit ausgeben.<br />

Besonders transnationale Unternehmen<br />

verfügen über eine ganze Palette von<br />

Strategien, die es ihnen erlauben, Steuern zu<br />

sparen. Den Entwicklungsländern entgehen<br />

dadurch substanzielle Finanzmittel, die sie<br />

<strong>für</strong> Investitionen in die lokale Entwicklung<br />

dringend benötigen würden.<br />

Steuererlasse <strong>für</strong> Minenunternehmen<br />

In den Jahren zwischen 2003 und 2008 stiegen<br />

die Preise <strong>für</strong> viele Rohstoffe weltweit<br />

stetig an. Trotzdem erhöhten sich die Staatseinnahmen<br />

in den Rohstoff exportierenden<br />

Ländern nicht. Eine Studie der afrikanischen<br />

Sektion des globalen Netzwerkes <strong>für</strong> Steuergerechtigkeit<br />

«Tax Justice Network», dem<br />

auch Fastenopfer und <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong> angehö-<br />

12<br />

ren, analysierte die Ursachen <strong>für</strong> die sinkenden<br />

Steuereinnahmen. Dabei wurde deutlich,<br />

dass die Regierungen den Minenkompanien<br />

enorme Steuererleichterungen und Abgabenerlasse<br />

gewährt hatten <strong>–</strong> unter anderem in der<br />

von der Weltbank genährten Hoffnung, sich<br />

im Steuerwettbewerb eine bessere Ausgangslage<br />

<strong>für</strong> die eigenen Standorte zu sichern.<br />

Viele Verträge mit Minenunternehmen sind<br />

geheim und die Besitzverhältnisse oft schwer<br />

durchschaubar, denn meist gehören sie Unterfirmen<br />

von transnationalen Konzernen. Die<br />

Rechnungslegungsstandards sind so wenig<br />

harmonisiert, dass bei «kreativen» Buchhaltungspraktiken<br />

verschiedenste Möglichkeiten<br />

bestehen, um etwa Gewinne als Verluste auszuweisen<br />

und so Steuern zu sparen.<br />

Verluste im Kongo <strong>–</strong> Gewinne in der<br />

Schweiz<br />

Im Jahr 1980 machte der Minensektor in der<br />

Demokratischen Republik Kongo 25 Prozent<br />

der Steuereinnahmen und des Bruttoinlandprodukts<br />

(BIP) aus. Fünfundzwanzig Jahre<br />

später lieferte der Minensektor gerade noch<br />

27 Millionen US-Dollar an die Staatskasse,<br />

was 2,4 Prozent der Gesamtsteuereinnahmen<br />

entspricht. Der Anteil am BIP ist gar um den<br />

Faktor 100 geschrumpft. 9 Gründe <strong>für</strong> den<br />

drastischen Einnahmenrückgang gibt es viele:<br />

die Kleptokratie des Diktators Mobutu Sese<br />

Seko, die instabile politische Situation nach<br />

seinem Wegputsch im Jahr 1997, die Kriegsökonomie<br />

im Osten des Landes, die weit verbreitete<br />

Korruption, die marode Infrastruk-


tur, die Volatilität der Rohstoffpreise auf dem<br />

Weltmarkt und andere.<br />

Nicht zu unterschätzen sind aber auch die Intransparenz<br />

im Rohstoff- und Minensektor<br />

im Allgemeinen und die Steuervermeidungspraktiken<br />

transnationaler Konzerne im Besonderen.<br />

Traurige Berühmtheit erlangte der<br />

Steuerbetrugsskandal des in der Schweiz ansässigen<br />

Holzgrosshandelsunternehmens<br />

«Danzer». «Greenpeace» 10 zeigte im Jahr<br />

2008 in einer detaillierten Studie auf, wie<br />

«Danzer» und dessen Tochterunternehmen<br />

«Siforco» und «IFO» im Kongo grosse Verluste,<br />

in der Schweiz jedoch hohe Gewinne<br />

auswiesen. Gemäss «Greenpeace» verloren<br />

die beiden kongolesischen Staaten <strong>alle</strong>in<br />

durch «Danzers» Steuervermeidungspraktiken<br />

beinahe acht Millionen Euro. Diese Sum-<br />

me entspricht den Kosten von Impfungen <strong>für</strong><br />

700 000 kongolesische Kinder <strong>oder</strong> fünfzig<br />

Mal dem Gesamtbudget des Umweltministeriums<br />

der Demokratischen Republik Kongo.<br />

Interne Verrechnungspraktiken<br />

Nach Schätzungen der Organisation <strong>für</strong> wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

(OECD) werden inzwischen 60 Prozent<br />

des Welthandels konzernintern abgewickelt.<br />

Bei diesen internen Handelsaktivitäten von<br />

Waren, Rohstoffen und Lebensmitteln, aber<br />

auch von Dienstleistungen, können Mutterkonzerne<br />

und Tochterunternehmen Verrechnungspreise<br />

untereinander manipulieren. Gemäss<br />

Gesetzesvorschriften müssten solche<br />

Geschäfte unter marktüblichen Preisen abge-<br />

Trotz riesiger Gewinne wies das Schweizer Holzhandelsunternehmen «Danzer» im Abbauland Kongo grosse<br />

Verluste aus. © Markus Mauthe / Greenpeace / Keystone<br />

13


wickelt werden <strong>–</strong> dies entspricht jedoch nicht<br />

der gängigen Praxis.<br />

Schweiz leistet Beihilfe<br />

Diese verbreitete Tatsache führt dazu, dass<br />

reiche Industriestaaten wie die Schweiz auf<br />

der einen Seite Hilfe leisten in Form von Zahlungen<br />

<strong>für</strong> die Entwicklungszusammenarbeit.<br />

Auf der anderen Seite tolerieren sie jedoch,<br />

dass bei ihnen ansässige Konzerne den Ländern<br />

des Südens dringend notwendige entwicklungsrelevante<br />

Steuergelder entziehen.<br />

Die Schweiz toleriert schädliche Steuerpraktiken.<br />

© Rebecca Blackwell / Keystone<br />

Solchen Machenschaften gilt es vehement entgegenzutreten,<br />

zum Beispiel indem transnationale<br />

Konzerne zu mehr Transparenz<br />

gezwungen werden. Dazu müssten sie ihre<br />

Rechnungslegung nach Ländern (das so genannte<br />

«Country by Country Reporting» 11 )<br />

lückenlos offen legen. Sie müssten dabei angeben,<br />

in welchen Ländern sie und ihre Tochterfirmen<br />

tätig sind, unter welchen Namen sie<br />

dort auftreten und welche Finanzergebnisse<br />

sie in den jeweiligen Ländern erzielt haben.<br />

Auch die an die Behörden bezahlten Steuern<br />

am jeweiligen Standort, die Gehaltskosten<br />

und die Anzahl der Mitarbeitenden müssten<br />

aufgeführt werden. Solche Vorschriften kön-<br />

14<br />

nen national (auch in der Schweiz) und international<br />

eingeführt werden. Dazu braucht es<br />

aber den politischen Willen der Industrieund<br />

Schwellenländer.<br />

Tansania <strong>–</strong> <strong>Bodenschätze</strong> machen nur<br />

ausländische Firmen reich<br />

Tansania ist mit einem geschätzten Goldvermögen<br />

von 39 Milliarden US-Dollar<br />

Afrikas drittgrösster Goldproduzent. Von<br />

diesem <strong>Segen</strong> profitiert die einfache Bevölkerung<br />

jedoch wenig. Grosszügige Steuererlasse<br />

und geschickte Steuervermeidungspraktiken<br />

haben dem Staat (konservativ<br />

geschätzt) zwischen den Jahren 1997 und<br />

2005 Steuereinbussen von über 265 Millionen<br />

US-Dollar beschert.<br />

Dem Parlament wurde im Jahr 2007 ein<br />

Bericht vorgelegt, der bestätigt, dass der<br />

Minensektor in derselben Periode einen<br />

Gesamtverlust von über einer Milliarde<br />

US- Dollar ausgewiesen habe <strong>–</strong> und das bei<br />

steigenden Rohstoffpreisen.<br />

Vertreter/innen des Minensektors rechtfertigen<br />

sich immer wieder damit, neue Arbeitsplätze<br />

geschaffen und die Lebensumstände<br />

der Menschen im Umfeld der<br />

Minen verbessert zu haben. In Wahrheit<br />

verloren über 400 000 im Kleinstabbau<br />

schürfende Personen ihre Existenzgrundlage,<br />

während die grossen Minenunternehmen<br />

von 1990 bis 2000 nur gerade 10000<br />

neue Arbeitsplätze schufen. 10 Prozent der<br />

Stellen sind von nicht afrikanischen Ausländern<br />

besetzt, denen Tansania grosszügige<br />

Steuererlasse gewährt. 12


Fallbeispiele<br />

Verschiedene Länder <strong>–</strong> gleiche Probleme<br />

Daniel Hostettler, Fachverantwortlicher Menschenrechte, Fastenopfer<br />

Fehlende Mitsprache der betroffenen Bevölkerung,<br />

Menschenrechtsverletzungen<br />

und eine Politik im Interesse des Kapitals<br />

sind feste Konstanten beim Rohstoffabbau,<br />

wie folgende Fallbeispiele illustrieren.<br />

<strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong> und Fastenopfer unterstützen<br />

Gemeinden dabei, sich zu organisieren und<br />

sich gegen ihre Ausbeutung zu wehren.<br />

Rohstoffprojekte variieren in ihrer Planung<br />

und Durchführung teilweise erheblich <strong>–</strong> abhängig<br />

vom Rohstoff, dem Investitionsvolumen,<br />

den geologischen Gegebenheiten <strong>oder</strong><br />

den politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.<br />

Es gibt aber auch Phänomene, die bei <strong>alle</strong>n<br />

Projekten zu beobachten sind. So werden<br />

etwa die Rechte der betroffenen lokalen Gemeinschaften<br />

systematisch dem Profitstreben<br />

der Unternehmen untergeordnet. Die folgenden<br />

Fallbeispiele aus der Demokratischen<br />

Republik Kongo, aus Südafrika und Peru zeigen<br />

auf, dass die Bevölkerungen kaum jemals<br />

in die Planungs- und Entscheidungsprozesse<br />

der Rohstoffunternehmen einbezogen werden,<br />

obwohl ihre Mitsprache im internationalen<br />

Recht festgeschrieben ist. Auch die<br />

Staaten verletzen ihre völkerrechtlich verbindlichen<br />

Schutzpflichten, indem sie nicht<br />

Willens <strong>oder</strong> fähig sind, sich <strong>für</strong> die Interessen<br />

der Bevölkerung einzusetzen.<br />

Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht,<br />

dass stets die vom Rohstoffabbau betroffene<br />

Bevölkerung die sozialen Kosten zu tragen<br />

hat. Meist befindet sie sich in einer schwachen<br />

Trostloses Leben im Umfeld einer Mine in Indien.<br />

© Amnesty International<br />

und verletzlichen Position und ist auf sich selber<br />

angewiesen. Fastenopfer und <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong><br />

arbeiten in verschiedenen Ländern mit Betroffenen<br />

zusammen und unterstützen sie<br />

dabei, sich zu organisieren, an Informationen<br />

zu gelangen, sich zu wehren und Lösungen<br />

<strong>für</strong> die grossen Herausforderungen zu finden.<br />

Ziel ist es, den verletzlichen Gruppen gegenüber<br />

den ungleich mächtigeren Akteuren zu<br />

einer besseren Verhandlungsposition zu verhelfen.<br />

Damit werden der Rohstoffabbau und<br />

viele der damit verbundenen Konsequenzen<br />

zwar nicht verunmöglicht, doch die Chance<br />

wächst, dass die Bedürfnisse der Betroffenen<br />

stärker berücksichtigt werden.<br />

15


Demokratische Republik Kongo<br />

Minenarbeiter/innen wie Tiere behandelt<br />

Patricio Frei, Verantwortlicher Öffentlichkeitsarbeit, Fastenopfer<br />

Früher gab es <strong>für</strong> die Minenarbeiter in Kolwezi Maismehl und Schulen, heute sind sie auf sich <strong>alle</strong>ine gestellt.<br />

© Patricio Frei / Fastenopfer<br />

Ausländische Firmen plündern die <strong>Bodenschätze</strong><br />

der Demokratischen Republik<br />

Kongo und beuten die Bevölkerung aus.<br />

Nun setzt sich die katholische Kirche mit<br />

Unterstützung von Fastenopfer <strong>für</strong> Gerechtigkeit<br />

ein.<br />

Die Strapazen dieser Nacht sind ihm ins Gesicht<br />

geschrieben. Die Schicht dauerte von<br />

gestern 17 Uhr bis heute Morgen um 7 Uhr.<br />

14 Stunden ohne Pause. Jetzt ist Constantin<br />

Kabeya Kalombo müde und möchte schlafen<br />

gehen. Ihm brennen die Arme. Rund acht<br />

Tonnen Kupfererz haben er und sein Schichtkumpel<br />

diese Nacht in den Schmelzofen ge-<br />

16<br />

schaufelt, macht rund 4 Tonnen pro Arbeiter<br />

und Schaufel.<br />

Kabeya trägt eine Baumwolljacke, Jeans und<br />

eine Sonnenbrille. Sie bieten nicht ausreichend<br />

Schutz <strong>für</strong> die Arbeiten am 1200 Grad<br />

heissen Schmelzofen. «Die Hitze ist so gross,<br />

dass du die Kleidung nicht mehr spürst. Du<br />

spürst nur noch die Hitze in dir.» Kabeya<br />

zeigt auf eine verhornte Stelle auf seinem<br />

Handrücken: Eine der zahlreichen kleinen<br />

Verbrennungen, die er in seiner Zeit als Minenarbeiter<br />

erlitten hat. Einer seiner Kumpel<br />

hat sogar ein Auge verloren.<br />

Einmal im Jahr schickt sie das Kupferverarbeitungsunternehmen<br />

«Katanga Metals» in


Kolwezi zur medizinischen Kontrolle <strong>–</strong> zum<br />

Tierarzt. Dieser misst jedoch einzig Gewicht<br />

und Körpergrösse der Arbeiter. «Dann vergleicht<br />

er die Zahlen mit unseren Vorjahreswerten»,<br />

erklärt Kabeya.<br />

Keine Alternative zur Ausbeutung<br />

Constantin Kabeya spricht ruhig, wenn er auf<br />

Suaheli die Verhältnisse in der Fabrik beschreibt.<br />

Seine Wortwahl ist gemässigt. Obschon<br />

er weiss, dass er ausgebeutet wird. Kein<br />

Zorn, keine Verbitterung. Er erzählt ohne<br />

grosse Emotionen. Denn er weiss: Das Unternehmen<br />

findet bei einer nationalen Arbeitslosenquote<br />

von 40 Prozent problemlos Ersatz<br />

<strong>für</strong> ihn.<br />

Constantin Kabeya wirkt trotz der harten<br />

Arbeit und seinen 60 Jahren erstaunlich jung.<br />

Der Vater von 13 Kindern lebt in UZK. Das<br />

Dorf hat seinen Namen von der Zinkfabrik,<br />

die einst in der Nähe stand: Usine de Zinc de<br />

Kolwezi.<br />

Früher sei es besser gewesen, sagt Kabeya.<br />

Früher, da arbeiteten er und seine Kumpel <strong>für</strong><br />

das staatliche Bergbauunternehmen «Gécamines».<br />

Das Unternehmen finanzierte eine<br />

Schule <strong>für</strong> die Arbeiterkinder und Maismehl<br />

<strong>für</strong> jede Familie, bei sechs Kindern zwei Säcke<br />

à 50 Kilogramm. Bis die Fabrik vor fünf Jahren<br />

in private Hände überging.<br />

62­Stunden­Woche<br />

Jetzt ist <strong>alle</strong>s anders. Seitdem das Unternehmen<br />

einem Inder gehört, gibt es nur noch die<br />

staatliche Schule. Die Mehlsäcke, die an die<br />

Arbeiter abgegeben werden, sind nur noch<br />

halb so gross, und auch der Lohn wurde halbiert:<br />

Im Monat gerade mal 170 US-Dollar<br />

anstatt wie früher 300 US-Dollar.<br />

Constantin Kabeya © Patricio Frei / Fastenopfer<br />

62 Stunden Arbeit pro Woche sind keine Seltenheit,<br />

obwohl das kongolesische Arbeitsrecht<br />

dies verbietet. Das weiss auch Pfarrer<br />

Abbé Marcel Ngwesi Lwandanda. Er interessiert<br />

sich <strong>für</strong> Kabeyas Ausführungen. Im Dezember<br />

2009 hat ihn der Bischof von Kolwezi<br />

zum Beobachter <strong>für</strong> <strong>Bodenschätze</strong> ernannt.<br />

Nun ist er der Vertreter der «Commission<br />

Épiscopale pour les Ressources Naturelles»<br />

(Cern), die ihm das nötige Fachwissen über<br />

den Abbau von <strong>Bodenschätze</strong>n vermittelt hat.<br />

Kirche fordert Gerechtigkeit<br />

Cern wurde 2008 von der kongolesischen<br />

Bischofskonferenz ins Leben gerufen, um mit<br />

Unterstützung von Fastenopfer gegen Missbräuche<br />

beim Abbau von <strong>Bodenschätze</strong>n vorzugehen.<br />

Die Gewinne aus Kupfer, Koltan<br />

und anderen Erzen sollen zur Entwicklung<br />

17


Seit «Katanga Metals» in private Hände überging, erhalten die Arbeiter/innen gerade noch die Hälfte ihres<br />

früheren Lohnes. © Patricio Frei / Fastenopfer<br />

des Kongos beitragen. Eigentlich ist gesetzlich<br />

festgelegt, welcher Anteil des Gewinns dem<br />

Staat, der Provinz und letztlich auch der Bevölkerung<br />

zugute kommen sollte. Doch die<br />

Unternehmen machen oft falsche Angaben zu<br />

den Abbaumengen, <strong>oder</strong> das Geld versickert<br />

in den Taschen korrupter Beamter.<br />

Nun will die Kirche <strong>für</strong> Recht und Ordnung<br />

sorgen. In <strong>alle</strong>n 47 Diözesen des Kongos soll<br />

sich dereinst je ein Priester mit den <strong>Bodenschätze</strong>n<br />

befassen. «Gott hat uns die Erde<br />

gegeben, damit wir da<strong>für</strong> sorgen, dass der<br />

Reichtum <strong>für</strong> die Entwicklung der Bevölkerung<br />

genutzt wird. Stattdessen verursacht er<br />

Konflikte und Krieg», sagt Abbé Marcel.<br />

Der Pfarrer wird es nicht einfach haben, <strong>für</strong><br />

seine Mandanten Recht zu bekommen. Kolwezi<br />

gilt als der Ort mit den grössten und<br />

ertragreichsten Minen in der ganzen Demokratischen<br />

Republik Kongo. Den wirtschaft-<br />

18<br />

lichen Interessen der hier tätigen transnationalen<br />

Konzerne können und wollen sich die<br />

lokalen Behörden nicht entziehen. So ist die<br />

Bürgermeisterin schon einmal vor Ort, wenn<br />

eine Bergbaufirma mit Bulldozern hektarweise<br />

Felder <strong>für</strong> neue Lagerh<strong>alle</strong>n niederwalzt <strong>–</strong><br />

ohne vorgängig die Kleinbauernfamilien zu<br />

informieren, die dort seit 25 Jahren ihr Gemüse<br />

angepflanzt haben.<br />

Die Rechte der Kleinbäuerinnen und der Arbeiter<br />

interessieren in Kolwezi kaum jemanden,<br />

wenn es ums grosse Geschäft geht. Abbé<br />

Marcel und die Cern versuchen, dies nun zu<br />

ändern.


Peru<br />

Wirtschaftswachstum auf Kosten der<br />

indigenen Bevölkerung<br />

Daniel Hostettler, Fachverantwortlicher Menschenrechte, Fastenopfer<br />

Das Amazonasbecken in Peru ist reich an<br />

zahlreichen <strong>Bodenschätze</strong>n. Jahrelang hat<br />

die Regierung versucht, die Rechte der indigenen<br />

Gemeinschaften an der Land­ und<br />

Ressourcennutzung zu Gunsten von privaten<br />

Investoren einzuschränken. Doch der<br />

Druck auf die Regierung, sich <strong>für</strong> bessere<br />

Lebensbedingungen und mehr Mitsprache<br />

der Indigenen einzusetzen, wächst.<br />

Am 5. Juni 2009 kam es in der Provinz<br />

Bagua im peruanischen Amazonasgebiet zu<br />

gewalttätigen Konfrontationen zwischen<br />

Indigenen und Polizeikräften. 23 Polizisten<br />

und 10 Zivilpersonen kamen dabei ums<br />

Leben. Den tragischen Ereignissen vorangegangen<br />

war eine zweijährige Auseinandersetzung<br />

zwischen der Regierung von<br />

Präsident Alan García und der indigenen<br />

Bevölkerung um den Zugang zu Land und<br />

Ressourcen in der Region. Per Dekret wollte<br />

die Regierung im Zuge ihrer radikalen Freihandelspolitik<br />

den Zugang <strong>für</strong> transnationale<br />

Konzerne zu den Rohstoffen im Amazonasgebiet<br />

vereinfachen. Dazu sollten auch<br />

die national und international verbrieften<br />

Rechte der indigenen Bevölkerung auf Mitsprache<br />

bei Verhandlungen eingeschränkt<br />

werden.<br />

Investoren vor Grundrechten<br />

Das peruanische Amazonasgebiet birgt grosse<br />

natürliche Reichtümer an Erzen, Erdöl,<br />

Holz und Wasser. Transnationale Konzerne<br />

Denkmal <strong>für</strong> die Opfer der Ausschreitungen.<br />

© Ronar Espinoza / Vicariato de Jaen<br />

sichern sich mittels Konzessionen die Ausbeutung<br />

dieser Ressourcen. Dank der hohen<br />

Weltmarktpreise stieg Peru auf diese Weise in<br />

wenigen Jahren an die Spitze der Länder<br />

Lateinamerikas mit dem höchsten Wirtschaftswachstum.<br />

Die Rechte von Kleinbauern<br />

und -bäuerinnen, indigenen Gemeinschaften<br />

und anderen Bevölkerungsgruppen<br />

haben in dieser Politik keinen Platz mehr.<br />

19


Entsprechend haben die beachtlichen Summen,<br />

die von den Konzernen <strong>für</strong> Konzessionen<br />

und Steuern bezahlt werden, in all den<br />

Jahren des Rohstoffbooms nicht zu einer Verbesserung<br />

der ökonomischen und sozialen<br />

Perspektiven der lokalen Bevölkerung beigetragen.<br />

Im Gegenteil: Seit den 1960er Jahren<br />

hat sich die Situation der indigenen Gemeinschaften<br />

angesichts verseuchten Trinkwassers<br />

und zerstörter Anbauflächen sowie der Verbreitung<br />

neuer Krankheiten und der Zerstörung<br />

der ökologischen Vielfalt drastisch verschlechtert.<br />

Marginalisierung der Indigenen<br />

Die Kommission, die eingesetzt wurde, um<br />

die gewalttätigen Auseinandersetzungen in<br />

Bagua zu untersuchen, kam denn auch zum<br />

Schluss, dass die ökonomische, soziale und<br />

kulturelle Marginalisierung der indigenen<br />

Bevölkerung den Hintergrund <strong>für</strong> die sich<br />

zunehmend radikalisierte Bewegung gegen<br />

die Regierung gebildet hatte. Die eingeschränkte<br />

Mitsprache, welche die Regierung<br />

per Dekret durchsetzen wollte, verletzt die in<br />

der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation<br />

(ILO) garantierte Konsultation<br />

der indigenen Bevölkerung (vgl. Kasten<br />

Seite 9). Zwar hatte sich der peruanische<br />

Staat bis anhin ohnehin nicht um die Einhaltung<br />

dieser Garantie geschert. Aufgrund der<br />

Dekrete be<strong>für</strong>chteten die Indigenen aber,<br />

auch noch die letzte Möglichkeit zu verlieren,<br />

bei der Entwicklung ihrer Regionen mitentscheiden<br />

zu können.<br />

Eskalierter Konflikt<br />

Mitte 2008 begannen die Indigenen-Organisationen,<br />

Aktionen gegen die Regierungsbe-<br />

20<br />

Sicherheitskräfte gehen gewaltsam gegen Protestierende<br />

vor. © Thomas Quirynen / Amnesty International<br />

schlüsse durchzuführen. Anfangs 2009 forderte<br />

die ILO den peruanischen Staat auf, die<br />

Konvention 169 einzuhalten. Und auch die<br />

Bischöfe der Amazonasregion riefen die Regierung<br />

dazu auf, die Dekrete zurückzunehmen<br />

und das indigene Recht auf Konsultation<br />

zu respektieren. Da die Regierung keinerlei<br />

Willen zeigte, sich der Frage grundsätzlich zu<br />

stellen, begannen die Indigenen-Organisationen<br />

des Amazonasgebiets Anfang April 2009<br />

einen Generalstreik. Dieser wurde begleitet<br />

von Strassen- und Flussblockaden, der Besetzung<br />

von Landeplätzen und der Lahmlegung<br />

unternehmerischer Infrastruktur. Anfang<br />

Mai 2009 rief die Regierung den Notstand <strong>für</strong><br />

die Region aus und entsandte zusätzliche Sicherheitskräfte.<br />

Die Spannung stieg weiter an.


Wie es genau zu den gewalttätigen Zusammenstössen<br />

vom 5. Juni kam, ist bis heute<br />

nicht abschliessend geklärt. Berichte von verschiedenen<br />

Seiten kommen zu widersprüchlichen<br />

Ergebnissen. Auch die Nacharbeit in<br />

vier gemischten Kommissionen brachten<br />

kaum konkrete Resultate. Laut dem «Centro<br />

Amazónico de Antropología y Aplicación<br />

Práctica» (CAAA), einer Partnerorganisation<br />

von Fastenopfer, welche die marginalisierte<br />

Bevölkerung bei Organisations- und Rechtsfragen<br />

begleitet, bleibt der Druck auf das<br />

Amazonas-Gebiet und dessen Rohstoffreichtum<br />

weiterhin bestehen, da die Vergabe von<br />

Konzessionen an transnationale Konzerne<br />

nicht gestoppt wurde.<br />

Druck auf Regierung bleibt nötig<br />

Der einzige Lichtblick nach den gewalttätigen<br />

Konfrontationen ist die Verabschiedung eines<br />

Gesetzes, das den Indigenen gemäss ILO-<br />

Konvention 169 das Recht auf Konsultation<br />

bei Projekten, die ihre Lebensweise tangieren,<br />

zuerkennt. Zwar hat Präsident García seine<br />

Unterschrift verweigert und das Gesetz an<br />

den Kongress zurückgewiesen. In einer zweiten,<br />

noch ausstehenden Abstimmung kann<br />

der Kongress dem Gesetz jedoch definitiv zustimmen.<br />

Aber auch in diesem Fall wird sich noch weisen<br />

müssen, wie das Gesetz in der Praxis<br />

umgesetzt wird und ob es sich bewährt. Entsprechender<br />

Druck von unten und auf internationaler<br />

Ebene wird wohl weiterhin nötig<br />

sein, um die Regierung und die Konzerne<br />

dazu zu bringen, ihre Verpflichtungen einzuhalten.<br />

Ursache der Ausschreitungen: Die Marginalisierung der indigenen Bevölkerung zu Gunsten internationaler<br />

Rohstoffkonzerne. © Thomas Quirynen / Amnesty International<br />

21


Südafrika<br />

Kampf <strong>für</strong> Menschenrechte und bessere<br />

Lebensbedingungen<br />

Miges Baumann, Leiter Entwicklungspolitik, <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong><br />

In der Hüttensiedlung Ikemeleng vermögen es nur wenige, ihre Kinder zur Schule zu schicken.<br />

© Miges Baumann / <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong><br />

Die «Bench Marks Foundation», eine Partnerorganisation<br />

von <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>, kämpft im<br />

südlichen Afrika da<strong>für</strong>, dass Minengesellschaften<br />

ihren Menschenrechtsverpflichtungen<br />

nachkommen. Sie befähigt betroffene<br />

Gemeinschaften, von den<br />

Unternehmen den nötigen Beitrag zur Verbesserung<br />

ihrer Lebensbedingungen und<br />

zur Beendigung der Umweltzerstörung<br />

einzufordern.<br />

Phindile Boitumelo (30) steht vor einem im<br />

Boden vergrabenen Ölfass und zeigt auf den<br />

22<br />

Inhalt: «Das ist eine unserer Wasserstellen<br />

hier in Ikemeleng, Rustenberg. Das Wasser<br />

ist aber sehr schmutzig, und oft hat es überhaupt<br />

kein Wasser.» In der informellen Hütten-<br />

und Wellblech-Siedlung Ikemeleng wohnen<br />

ein paar tausend Menschen. Einige<br />

arbeiten in den umliegenden Minengesellschaften,<br />

viele sind arbeitslos. Die hygienischen<br />

Verhältnisse sind äusserst prekär. Wasserstellen<br />

<strong>oder</strong> Toiletten gibt es nur wenige.<br />

Das Wasser im nahegelegenen Bach ist verschmutzt<br />

und vergiftet, meistens ist er ausgetrocknet.


Die himmelschreienden hygienischen Zustände<br />

in Ikemeleng sind nur eines der Probleme<br />

der Hüttensiedlung. Umweltverschmutzung<br />

durch die sie umgebenden Platin-Minen,<br />

Luftverschmutzung durch Schmelzanlagen,<br />

Vergiftungen, Gesundheitsprobleme, fehlende<br />

Arbeitsrechte, tiefe Löhne, Landraub,<br />

soziale Ausgrenzung und die völlige Vernachlässigung<br />

durch die Behörden der Stadt Rustenberg<br />

gehören ebenfalls zum Alltag in Ikemeleng.<br />

Die Wellblechsiedlung ist geradezu<br />

typisch <strong>für</strong> die Situation rund um die Bergbauunternehmen<br />

in Südafrika.<br />

«95 Prozent der Jugendlichen hier sind arbeitslos»,<br />

sagt Phindile, die selber einmal als<br />

Spreng-Assistentin in einer Mine gearbeitet<br />

hat. «Das bringt grosse Probleme <strong>für</strong> uns Junge.<br />

Mädchen müssen ihren Körper verkaufen<br />

und Jungen beginnen zu stehlen.» Der Grossteil<br />

der Minenarbeiter/innen komme aus dem<br />

Ausland. Sie können sich noch weniger <strong>für</strong><br />

ihre Rechte wehren als die Einheimischen.<br />

International hörbare Stimme<br />

Phindile ist eine von zehn jungen Erwachsenen,<br />

die 2009 erstmals an einem Training im<br />

Rahmen des «Monitoring Action»-Projekts<br />

der südafrikanischen Nichtregierungsorganisation<br />

«Bench Marks Foundation» (siehe<br />

Kasten) teilnehmen konnten. Die Idee des<br />

Programms ist so simpel wie bestechend: Je<br />

zwei junge arbeitslose Menschen, die von<br />

einer Siedlungsgemeinschaft ausgewählt werden,<br />

erhalten eine Ausbildung. Diese befähigt<br />

sie, über die Situation in ihrer Siedlung und<br />

in den Minen zu schreiben und die Berichte<br />

als Blogs im Internet zu veröffentlichen. So<br />

erhalten die Gemeinschaften erstmals eine<br />

Stimme: Berichte über Vorfälle in der Siedlung<br />

<strong>oder</strong> in den Minengesellschaften sind<br />

Phindile Boitumelo zeigt eine Wasserstelle.<br />

© Miges Baumann / <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong><br />

sofort <strong>für</strong> die ganze Weltöffentlichkeit zugänglich.<br />

Die neue Aufgabe stärkt auch das Selbstvertrauen<br />

und die Fähigkeiten der jungen Menschen.<br />

Sie lernen, ihre Situation zu analysieren,<br />

die Hintergründe und Ursachen <strong>für</strong> die<br />

Armut und Probleme in ihrer Gemeinschaft<br />

zu verstehen und Lösungen zu formulieren. In<br />

einer zweiten Trainingsphase müssen die<br />

Monitoring-Aktivist/innen in ihrer Gemeinschaft<br />

eine Gruppe gründen, gemeinsam einen<br />

Aktionsplan formulieren und eine Aktion<br />

durchführen. Die Aktionen und allfälligen<br />

Treffen der Gruppe mit Behörden <strong>oder</strong> Vertreter/innen<br />

der Minengesellschaften werden<br />

protokolliert und via Internet veröffentlicht.<br />

Werden gemachte Vereinbarungen <strong>oder</strong> Ver-<br />

23


Wellblech-Siedlung Ikemeleng.<br />

© Miges Baumann / <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong><br />

sprechungen nicht eingehalten, ist theoretisch<br />

die ganze Welt darüber informiert.<br />

Viel beachtetes Modell<br />

In Ikemeleng hat das Projekt bereits erste<br />

bescheidene Resultate erzielt: einige Wassertanks<br />

und Toiletten wurden aufgestellt. Sie<br />

helfen, die hygienischen Verhältnisse etwas<br />

zu verbessern. Der Weg ist jedoch noch lang<br />

und beschwerlich. Eine friedliche Demonstration<br />

im August 2009 wurde von der Poli-<br />

24<br />

zei gewaltsam aufgelöst. Schüsse fielen, es gab<br />

Verletzte.<br />

Obschon die Monitoring-Aktivist/innen nach<br />

der Ausbildung keine finanzielle Unterstützung<br />

erhalten, sind die Vertreter/innen der<br />

«Bench Marks Foundation» davon überzeugt,<br />

dass ihr viel beachtetes Modell in den<br />

Gemeinschaften zu Veränderungen führen<br />

kann und sie dazu befähigt, eine bessere Verhandlungsposition<br />

gegenüber Behörden und<br />

Minengesellschaften einzunehmen. Die im<br />

Internet veröffentlichten Erfahrungsberichte<br />

ermöglichen es, auch international Druck gegenüber<br />

der jeweiligen Unternehmen aufzubauen.<br />

Das Ziel: die Minengesellschaften sollen ihre<br />

soziale Verantwortung und ihre menschenrechtlichen<br />

Verpflichtungen gegenüber den<br />

Arbeitenden und ihren Angehörigen in den<br />

Gemeinden wahrnehmen, damit sich das Los<br />

der Minenarbeiter/innen und die Lebensqualität<br />

in den Hüttensiedlungen verbessert.<br />

«Bench Marks Foundation» <strong>–</strong> eine Stiftung, die Unternehmen auf die Finger schaut<br />

Die von verschiedenen Kirchen in Südafrika gegründete Stiftung hat zum Ziel, dass die<br />

Unternehmen, speziell die Minengesellschaften im südlichen Afrika, mehr zur Entwicklung<br />

der Gesellschaft und zur Einhaltung der Menschenrechte beitragen. Arbeitsschwerpunkte<br />

der unabhängigen Nichtregierungsorganisation sind die Befähigung von Gemeinschaften<br />

rund um Minengesellschaften zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen und die Verpflichtung<br />

von Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte und Umweltnormen.<br />

Mit ihren «Policy Gap»-Studien zur Situation in bestimmten Rohstoffunternehmen <strong>oder</strong><br />

Bergbaugegenden dokumentiert die Stiftung die Lücken zwischen den beschönigenden PR-<br />

Aussagen von Firmen und den davon massiv abweichenden realen Zuständen vor Ort. Die<br />

«Bench Marks Foundation» ist eine von <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong> direkt unterstütze Partnerorganisation.<br />

Sie ist als wichtige Stimme im Bereich der menschenrechtlichen Verantwortung und<br />

Verpflichtungen von Unternehmen weltweit anerkannt. «Monitoring Action» ist ein Projekt<br />

der Stiftung.<br />

www.bench-marks.org.za<br />

http://sites.google.com/site/monitoringaction


Elektronikindustrie<br />

Von der Mine zum Computer <strong>–</strong><br />

ein undurchsichtiger Weg<br />

Chantal Peyer, Verantwortliche <strong>für</strong> Unternehmen und Menschenrechte, <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong><br />

Valérie Trachsel, Verantwortliche «High Tech <strong>–</strong> No Rights», Fastenopfer<br />

22 Kilo Rohstoffe sind nötig <strong>für</strong> die Herstellung eines<br />

PCs. © Patrik Kummer / <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong><br />

Was verbindet Phindile Boitumelo, Bewohnerin<br />

der Wellblechsiedlung Ikemeleng in Südafrika,<br />

mit dem iPad in der Auslage eines<br />

Schweizer Warenhauses? Das Platin, ein korrosionsresistentes<br />

Edelmetall, das <strong>für</strong> elektronische<br />

Schaltungen gebraucht wird. Platin ist<br />

einer von vielen Rohstoffen aus dem afrikanischen<br />

Boden, die <strong>für</strong> die Herstellung von<br />

Handys, Computern, iPods und anderen<br />

Elektrogeräten benötigt werden. Dazu gehören<br />

auch Kupfer, Aluminium, Blei, Gold,<br />

Zink, Nickel, Zinn, Silber, Eisen, Palladium,<br />

Quecksilber und Kobalt. Rund 22 Kilo Rohstoffe<br />

braucht es <strong>für</strong> die Herstellung eines<br />

einzigen Computers und dessen Zubehör.<br />

Der Rohstoffabbau und -handel ist in der<br />

Hand von Firmen, deren Namen den Konsument/innen<br />

und oftmals auch den westlichen<br />

Markenfirmen nicht bekannt sind. Die Rohstoffindustrie<br />

ist eine undurchsichtige Branche<br />

und die Produktionskette eines Computers<br />

äusserst komplex. Die Folge davon:<br />

Firmen wie «Apple» <strong>oder</strong> «Dell» können<br />

nicht sagen, aus welchen Minen die Met<strong>alle</strong><br />

stammen, die sie <strong>für</strong> ihre Produktion verwenden.<br />

Damit wächst auch die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen,<br />

wie verschiedene<br />

Studien des holländischen Forschungsinstituts<br />

SOMO, einem Partner von <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>,<br />

belegen. 13<br />

So wurde etwa die Mine in Bisie im Osten der<br />

«Demokratischen» Republik Kongo bis vor<br />

wenigen Jahren von einem einflussreichen<br />

Lokalherrscher geführt. Heute ist sie in den<br />

Händen von Splittergruppen der Kongolesischen<br />

Armee, die zahlreicher Verbrechen gegen<br />

die Menschlichkeit angeklagt ist. Aufgrund<br />

von fehlenden Sicherheitsvorkehrungen<br />

sind schlimme Unfälle in der Mine an der<br />

Tagesordnung. Auch die Dörfer in der Region<br />

leiden unter den Minen: Schwermet<strong>alle</strong>, die<br />

sich im Grundwasser und in Flüssen sammeln,<br />

führen zu Krebserkrankungen, Atembeschwerden<br />

und anderen schweren Krankheiten.<br />

Wegen der vergifteten Böden verlieren<br />

die lokalen Bauern und Bäuerinnen ihre Lebensgrundlage.<br />

Für Nichtregierungsorganisationen wie <strong>Brot</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>alle</strong> und Fastenopfer müssen solche Missstände<br />

von der Elektronikindustrie anerkannt<br />

und jedes Glied der Produktionskette dazu<br />

angehalten werden, ihren Teil der Verantwortung<br />

<strong>für</strong> die Verbesserung der Situation zu<br />

übernehmen. Dieser Forderung werden wir<br />

mit der ökumenischen Kampagne 2011 Nachdruck<br />

verleihen (siehe Seiten 26<strong>–</strong>29).<br />

25


Fazit und Ausblick<br />

Wege hin zu einer nachhaltigen Ressourcengewinnung<br />

Chantal Peyer, Verantwortliche <strong>für</strong> Unternehmen und Menschenrechte, <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong><br />

Das Haus dieser Frau in Papua Neuguinea wurde abgebrannt, weil die Porgera Goldmine das Land <strong>für</strong> sich<br />

beansprucht. © Amnesty International<br />

Die Rohstoffindustrie ist geprägt von Interessenskonflikten<br />

zwischen lokalen Ge­<br />

meinschaften, Regierungen und Unternehmen.<br />

Menschenrechte und Umwelt­<br />

schutz sind dabei zweitrangig. Reformen,<br />

die zu mehr Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit<br />

und einer verbesserten Transparenz bei<br />

den Finanzflüssen führen, sind daher<br />

dringend notwendig. <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong> und<br />

Fastenopfer setzen sich mit der ökumeni­<br />

26<br />

schen Kampagne 2011 u.a. <strong>für</strong> folgende<br />

Massnahmen ein.<br />

1. Einführung fairer Konsultationsmechanismen<br />

Minenunternehmen agieren oftmals in Drittländern.<br />

Dort sind sie Gäste, die auf fremder<br />

Erde Investitionen tätigen und daraus wert-


volle Rohstoffe gewinnen. Deshalb sind sie<br />

dazu verpflichtet, <strong>für</strong> die lokalen Gemeinschaften<br />

faire und nachhaltige Lösungen zu<br />

ermöglichen. In der Realität ist dies bis anhin<br />

kaum der Fall.<br />

In Südafrika gehörten zur Zeit der Apartheid<br />

78 Prozent des fruchtbarsten Landes der weissen<br />

Bevölkerung. Für die indigenen Gemeinschaften<br />

blieben lediglich 13 Prozent kargen<br />

Landes übrig. Heute werden diese Gemeinschaften,<br />

zu denen auch Ikemeleng (Seite 22<strong>–</strong><br />

24) gehört, von ihren Grundstücken vertrieben,<br />

weil sie sich als äusserst ressourcenreich<br />

erwiesen haben. Die Kompensationszahlungen,<br />

die sie da<strong>für</strong> von den Unternehmen erhalten,<br />

sind lächerlich. De facto haben die Dorfbewohner/innen<br />

keine andere Wahl als ihr Land zu<br />

verlassen, ihre Friedhöfe umzuplatzieren und<br />

Zeugen der unaufhaltsamen Verschlechterung<br />

ihrer Lebensbedingungen zu werden.<br />

Die so genannten Konsultationen der lokalen<br />

Gemeinschaften durch die Minenunternehmen<br />

sind absolut ungenügend. Sie finden<br />

in der Regel am Abend statt, weit entfernt<br />

und schwer erreichbar <strong>für</strong> die Dorfbewohner/innen.<br />

Abgehalten werden Sie in einer<br />

sehr technischen Sprache ohne ausgewogene<br />

Vertretung <strong>alle</strong>r betroffenen Gemeinden<br />

und die Meinungen unterschiedlicher Personen.<br />

<strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong> und Fastenopfer fordern, dass<br />

keine Konzessionen an Rohstoffunternehmen<br />

vergeben werden dürfen, ohne ein vorangehendes,<br />

freies und auf umfassenden Informationen<br />

beruhendes Einverständnis («free prior<br />

and informed consent») der lokalen Gemeinschaften.<br />

Es liegt in der Verantwortung der<br />

Unternehmen, neue Konsultationsmechanismen<br />

einzuführen <strong>–</strong> vor, während und nach<br />

den Investitionstätigkeiten.<br />

Die ökumenische Kampagne 2011 von <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong> und Fastenopfer<br />

Die Rolle der Rohstoffindustrie und ihre Auswirkungen auf die Umwelt und die marginalisierten<br />

Bevölkerungen in den Ländern des Südens und insbesondere in Afrika wird im<br />

Zentrum der ökumenische Kampagne 2011 von Fastenopfer und <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong> stehen. Nebst<br />

der Sensibilisierung einer breiten Öffentlichkeit und von Schweizer Unternehmen <strong>für</strong> die<br />

Problematik richten sich die Werke mit ihren Forderungen in erster Linie an die Schweizer<br />

Regierung.<br />

Mit einer Unterschriftensammlung per Internet soll diese dazu aufgefordert werden, ihre<br />

Aussenwirtschaftspolitik mit ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen besser in Einklang<br />

zu bringen. Ausserdem soll sie sich im Rahmen der Gesetzgebung <strong>für</strong> die Einführung<br />

eines «Country by Country»-Reporting durch Unternehmen einsetzen sowie <strong>für</strong> die Haftbarkeit<br />

von Mutterunternehmen <strong>für</strong> Menschenrechtsverletzungen ihrer Tochtergesellschaften<br />

(vgl.Text).<br />

Durch eine breite Beteiligung an der Unterschriftensammlung kann den Forderungen<br />

gegenüber der Schweizer Regierung genügend Gewicht verliehen werden, um im Bereich<br />

Wirtschaft und Menschenrechte endlich auch in der Schweiz zu substanziellen Resultaten<br />

zu gelangen.<br />

www.rechtaufnahrung.ch (ab Januar 2011)<br />

27


Die Pflicht der Regierungen ist es, da<strong>für</strong> zu<br />

sorgen, dass die ILO-Konvention 169 eingehalten<br />

wird.<br />

<strong>–</strong> Die Regierungen müssen die betreffenden<br />

Völker durch geeignete Verfahren und<br />

insbesondere durch ihre repräsentativen<br />

Einrichtungen konsultieren, wann immer<br />

gesetzgeberische <strong>oder</strong> administrative Massnahmen,<br />

die sie unmittelbar berühren können,<br />

erwogen werden (Artikel 6a).<br />

<strong>–</strong> Die Eigentums- und Besitzrechte der betroffenen<br />

Völker an dem von ihnen von<br />

alters her besiedelten Land sind anzuerkennen<br />

(Artikel 14).<br />

2. Mehr Transparenz bei Finanzflüssen<br />

Die Erträge aus den <strong>Bodenschätze</strong>n kommen<br />

in den wenigsten Fällen der Bevölkerung zu<br />

Gute (Seiten 12<strong>–</strong>14). Die Gewinne machen die<br />

internationalen Rohstoffkonzerne, während<br />

die lokalen Gemeinschaften leer ausgehen.<br />

Schwache Regierungen, instabile politische<br />

Situationen, Krieg, Korruption und volatile<br />

Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt sind<br />

Gründe da<strong>für</strong>. Am meisten fällt jedoch die<br />

Steuerflucht der internationalen Rohstoffunternehmen<br />

ins Gewicht, die auf 50 Milliarden<br />

US-Dollar jährlich geschätzt werden (siehe<br />

Seiten 12<strong>–</strong>14). Riesige Summen, die in Gesundheits-<br />

<strong>oder</strong> Schulprogramme <strong>oder</strong> in die<br />

Entwicklung der lokalen Landwirtschaft investiert<br />

werden könnten.<br />

Um diesen Praktiken der Steuervermeidung<br />

einen Riegel zu schieben, braucht es mehr<br />

Transparenz im Rohstoffsektor. Die USA haben<br />

einen ersten Schritt in diese Richtung<br />

gemacht: Am 16.Juli 2010 hat der Senat die<br />

«Dodd-Frank Wall Street»-Reform angenommen<br />

und den Consumer Protection Act genehmigt.<br />

Damit müssen künftig <strong>alle</strong> Erdöl-,<br />

28<br />

Gas- <strong>oder</strong> Rohstoffunternehmen öffentlich<br />

und nach Land unterteilt die Abgaben deklarieren,<br />

die sie an die Regierungen in den<br />

jeweiligen Abbauländern getätigt haben. Ein<br />

entscheidender rechtlicher Schritt, der es den<br />

Behörden der Entwicklungsländer, Nichtregierungsorganisationen,<br />

der Bevölkerung und<br />

Forschungsinstituten ermöglicht, Steuerflucht<br />

aufzudecken.<br />

<strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong> und Fastenopfer fordern, dass<br />

die Schweiz dem amerikanischen Beispiel<br />

folgt und sich <strong>für</strong> entsprechende Reformen<br />

einsetzt, z.B. im Rahmen der Revision der<br />

OECD-Richtlinien <strong>für</strong> multinationale Unternehmen.<br />

Das Parlament seinerseits soll bei der<br />

aktuellen Revision des Rechnungslegungsgesetzes<br />

darauf hinarbeiten, dass die Rechnungslegung<br />

nach Land («country by country<br />

reporting») integriert wird.<br />

3. Juristische Verantwortung von<br />

Mutterunternehmen <strong>für</strong> ihre Tochtergesellschaften<br />

Gemäss Schweizerischem Handelsrecht können<br />

Mutterunternehmen <strong>für</strong> die Aktivitäten<br />

ihrer Tochtergesellschaften nicht zur Rechenschaft<br />

gezogen werden. Dazu ein Beispiel:<br />

Das Schweizer Unternehmen «Glencore» mit<br />

Sitz in Baar (Kanton Zug) ist im Rohstoffabbau<br />

und -handel tätig. Im Jahr 2009 belief<br />

sich der Umsatz des grössten Schweizer Unternehmens<br />

dank den Aktivitäten seiner<br />

Tochtergesellschaften weltweit auf 106 Milliarden<br />

US-Dollar. Eine der Gesellschaften<br />

hat ihren Sitz in Sambia und besitzt rund 73<br />

Prozent der Kupfer und Kobalt-Mine in Mopani.<br />

In einem der ärmsten Länder des südlichen<br />

Afrikas gelegen, beschäftigt die Mine<br />

7800 Arbeiter/innen. Hätte das Unternehmen<br />

illegale Vertreibungen, die Vergiftung von


Wo brennende Ölpipelines zum Alltag gehören: Kinder im Niger-Delta. © George Osodi / Keystone<br />

Flüssen, Kinderarbeit <strong>oder</strong> ungenügende Sicherheitsvorkehrungen<br />

bei den Arbeiter/innen<br />

zu verantworten, gäbe es juristisch gesehen in<br />

der Schweiz keine Möglichkeit, das Mutterunternehmen,<br />

das seinerseits die Gewinne<br />

einsteckt, da<strong>für</strong> verantwortlich zu machen.<br />

In der aktuellen Schweizer Gesetzgebung<br />

werden Mutterunternehmen und ihre Tochtergesellschaften<br />

als juristisch unabhängige<br />

Einheiten behandelt. Auch fehlt im Schweizerischen<br />

Handelsrecht eine Klausel, die Konzernchefs<br />

zu Massnahmen verpflichten würde,<br />

Menschenrechtsverletzungen und Verstössen<br />

gegen Umweltgesetzgebungen der Tochtergesellschaften<br />

vorzubeugen. Damit unterstützt<br />

die Schweiz multinationale Unternehmen darin,<br />

sich ihrer Verantwortung zu entziehen.<br />

<strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong> und Fastenopfer fordern, dass<br />

das bestehende Schweizer Handelsrecht um<br />

folgende Pflichten ergänzt wird:<br />

<strong>–</strong> Eine Haftpflicht <strong>für</strong> Mutterunternehmen<br />

bezüglich der Tätigkeiten ihrer Tochtergesellschaften.<br />

<strong>–</strong> Eine Sorgfaltspflicht, welche die Unternehmensführer/innen<br />

von transnationalen<br />

Unternehmen dazu verpflichtet, Massnahmen<br />

zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen<br />

durch ihre Tochtergesellschaften<br />

und ihre wichtigsten Zulieferer zu<br />

ergreifen.<br />

In der Europäischen Union arbeitet eine<br />

Koalition von Nichtregierungsorganisationen<br />

bereits in diese Richtung.<br />

www.corporatejustice.org<br />

29


Links und Quellenhinweise<br />

Quellenhinweise<br />

1 Deutsche Bank Research: Chinas Rohstoffhunger,<br />

Auswirkungen auf Afrika und Lateinamerika. www.<br />

dbresearch.com/PROD/DBR_INTERNET_EN-PROD/<br />

PROD0000000000200146.pdf<br />

2 Christian Aid: Undermining the poor: Mineral Taxation<br />

Reforms in Latin America, 2009. Die Studie<br />

stützt sich auf den Latin America Economic Outlook<br />

2009 der OECD.<br />

3 ECLAC: Social Panorama of Latin America, 2008,<br />

S.9. www.eclac.cl/publicaciones/xml/3/34733/<br />

PSI2008-SintesisLanzamiento.pdf<br />

4 The Revenue Watch Institute: Transforming Resource<br />

Wealth into Well-Being, 2010.<br />

5 www.resistance-mining.org<br />

6 Uno-Pakt <strong>für</strong> wirtschaftliche, soziale und kulturelle<br />

Menschenrechte (wsk-Pakt) sowie Rechtskommentare<br />

Nr. 12 und Nr. 15 zum Pakt.<br />

7 Uno-Rechtskommentar Nr.12 zum wsk-Pakt (Artikel<br />

20)<br />

8 Human Rights Assessment of Goldcorp’s Marlin<br />

Mine, Mai 2010: www.hria-guatemala.com<br />

9 http://eiti.org/DRCongo<br />

10 Greenpeace 2008, Conning the Congo: www.green<br />

peace.org/international/en/publications/reports/<br />

conning-the-congo<br />

11 www.taxjustice.net/cms/upload/pdf/Bilanzierungs<br />

regeln_Country-by-Country_deutsch_08.pdf<br />

12 Curtis M.,Lissu T., A golden opportunity: How Tanzania<br />

is failing to benefit from gold mining, Oktober<br />

2008: www.pambazuka.org/images/articles/407/<br />

goldenopp.pdf<br />

13 http://somo.nl/dossiers-en/sectors/extractives/extractives<br />

30<br />

Links<br />

Unternehmensverantwortung<br />

www.amnesty.ch<br />

www.business-humanrights.ch<br />

www.evb.ch<br />

www.humanrights.ch<br />

www.multiwatch.ch<br />

www.bench-marks.org.za<br />

www.corporatejustice.org<br />

www.icj.org<br />

www.oecdwatch.org<br />

www.transparency.org<br />

Rohstoff­ und Elektronikindustrie<br />

www.fair-computer.ch<br />

www.eiti.org<br />

www.makeitfair.org<br />

www.somo.nl<br />

Weitere Partner<br />

www.cisde.org<br />

Ökumenische Kampagne 2011<br />

www.rechtaufnahrung.ch


Impressum<br />

Herausgeber: <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong> / Fastenopfer, Bern / Luzern, September 2010<br />

Redaktion: Pascale Schnyder<br />

Autor/innen: Miges Baumann, Markus Brun, Patricio Frei, Daniel Hostettler,<br />

Chantal Peyer, Valérie Trachsel, Ester Wolf<br />

Korrektorat: Sylvia Garatti<br />

Grafik: Cavelti AG, Druck und Media, Gossau<br />

Auflage: 8600 (deutsch), 3800 (französisch)<br />

Bestellungen: <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>, Monbijoustrasse 29, Postfach 5621, 3001 Bern<br />

Telefon 031 380 65 65, Fax 031 380 65 63, materialstelle@bfa-ppp.ch<br />

Preis: CHF 5.<strong>–</strong><br />

Fastenopfer, Alpenquai 4, Postfach 2856, 6002 Luzern<br />

Telefon 041 227 59 59, Fax 041 227 59 10, mail@fastenopfer.ch


Viele Länder in Asien, Lateinamerika und Afrika verfügen über immense <strong>Bodenschätze</strong>. In<br />

den seltensten Fällen trägt dieser Reichtum zur Entwicklung der Länder bei <strong>–</strong> im Gegenteil:<br />

Die ressourcenreichsten Länder gehören oftmals zu den ärmsten und konfliktträchtigsten<br />

Staaten der Welt.<br />

Dieser EinBlick zeigt die Auswirkungen des exzessiven Rohstoffabbaus auf Menschen und<br />

Umwelt auf, beleuchtet die Problematik der Steuerflucht und der fehlenden Regulierung internationaler<br />

Rohstoffkonzerne und präsentiert Lösungsansätze, wie der Rohstoffreichtum der<br />

nationalen Entwicklung und der lokalen Bevölkerung zu Gute kommen könnte.<br />

<strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong> ist der Entwicklungsdienst der Evangelischen Kirchen der Schweiz. Er unterstützt<br />

rund 350 Projekte in Asien, Lateinamerika und Afrika, die Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Entwicklungspolitisch<br />

engagiert sich <strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong> <strong>für</strong> ein faires internationales Weltwirtschaftssystem,<br />

<strong>für</strong> das Recht auf Nahrung, <strong>für</strong> Gerechtigkeit im Klimawandel, <strong>für</strong> soziale und ökologische<br />

Unternehmensverantwortung und <strong>für</strong> faire und transparente Finanzbeziehungen.<br />

<strong>Brot</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>, Monbijoustrasse 29, Postfach 5621, 3001 Bern<br />

Telefon 031 380 65 65, Fax 031 380 65 64<br />

www.brotfuer<strong>alle</strong>.ch, bfa@bfa-ppp.ch<br />

Fastenopfer ist das Hilfswerk der Katholikinnen und Katholiken in der Schweiz. Die 350<br />

Projekte in 16 Ländern weltweit bauen auf die Stärkung lokaler Gemeinschaften, in denen<br />

sich Menschen zusammenschliessen und Lösungen <strong>für</strong> bessere Lebensbedingungen suchen.<br />

Fastenopfer engagiert sich auf nationaler und internationaler Ebene <strong>für</strong> bessere entwicklungspolitische<br />

Rahmenbedingungen und mehr Gerechtigkeit.<br />

Fastenopfer, Alpenquai 4, Postfach 2856, 6002 Luzern<br />

Telefon 041 227 59 59, Fax 041 227 59 10<br />

www.fastenopfer.ch, mail@fastenopfer.ch

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