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V. Dietz<br />

Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130:829–36<br />

Schweizerisches Paraplegikerzentrum,<br />

Universitätsklinik Balgrist, Zürich<br />

Summary<br />

Focus on current research:<br />

improved mobility for paraplegics<br />

Fortbildung<br />

Since the first paraplegic centre was established<br />

in 1945, life expectancy and life quality of<br />

paraplegics have considerably improved.<br />

However, endeavours to enhance the mobility<br />

of these patients have been less successful. The<br />

most promising approach, functional electric<br />

stimulation of paralysed muscles, is poorly accepted<br />

by patients at present because of technical<br />

problems. This study describes current<br />

approaches which may help to improve patients’<br />

mobility. A central motor lesion is perceived<br />

by the patient as a movement disorder<br />

of the legs, e.g. a gait disorder. Neurological investigation<br />

indicates, on the basis of exaggerated<br />

tendon reflexes and increased resistance<br />

of the non-activated leg muscles to stretching,<br />

that spastic paresis underlies the movement<br />

disorder. This combination of symptoms and<br />

clinical (physical) signs suggests that the exaggerated<br />

tendon tap reflexes are responsible for<br />

muscle hypertonia and the latter causes the<br />

movement disorder. However, electromyography<br />

during movement shows that the exaggerated<br />

short latency reflexes are associated<br />

with loss or attenuation of the functionally essential<br />

polysynaptic spinal reflexes. In the<br />

event of impaired supraspinal control there is<br />

<strong>Schwerpunkt</strong> <strong>aktueller</strong> <strong>Forschung</strong>:<br />

<strong>die</strong> Mobilitätsverbesserung<br />

Querschnittgelähmter<br />

loss of monosynaptic stretch reflex inhibition<br />

combined with reduced facilitation of polysynaptic<br />

spinal reflexes. Development of tension<br />

in tonically active calf muscles in patients with<br />

spastic paresis during gait occurs independently<br />

of spinal reflex activity. From electrophysiological<br />

and histological observations it<br />

can be assumed that transformation of motor<br />

units resulting in simple and less well adapted<br />

regulation of muscle tone allows movements<br />

such as gait. The reduction of muscle tone obtained<br />

with antispastic drugs is usually associated<br />

with paresis and may therefore hamper<br />

locomotion. Locomotor training represents a<br />

new attempt to improve the mobility of patients<br />

with incomplete paraplegia. It includes<br />

activation of neuronal circuits within the spinal<br />

cord below the level of the lesion. In incomplete<br />

paraplegics a coordinated leg muscle activation<br />

pattern and corresponding leg movements<br />

can be triggered and trained in patients<br />

standing on a treadmill with partial weight<br />

support. Improvement of training of the spinal<br />

cord locomotor centre can be expected from<br />

triggering of spinal cord reflexes and regeneration<br />

of spinal tract fibres, which is expected<br />

to be possible in the near future.<br />

Keywords: spinal cord injury; paraplegia;<br />

spinal reflexes; locomotor training; spasticity<br />

Korrespondenz:<br />

Prof. Dr. med. V. Dietz<br />

Para Care<br />

Schweizerisches Paraplegikerzentrum<br />

Universitätsklinik Balgrist<br />

Forchstrasse 340<br />

CH-8008 Zürich<br />

e-mail: <strong>die</strong>tz@balgrist.unizh.ch<br />

829


Zusammenfassung<br />

830<br />

Seit dem Aufbau der ersten Paraplegikerzentren<br />

nach 1945 hat sich <strong>die</strong> Situation der Querschnittgelähmten<br />

im Hinblick auf Lebenserwartung<br />

und Lebensqualität grundlegend verbessert.<br />

Weniger erfolgreich waren <strong>die</strong> Bestrebungen,<br />

<strong>die</strong> Beweglichkeit zu erhöhen. Der<br />

vielversprechende Ansatz der funktionellen<br />

elektrischen Stimulation der gelähmten Muskeln<br />

hat sich bis heute aus technischen Gründen<br />

nicht durchgesetzt. Hier sollen zwei aktuelle<br />

<strong>Forschung</strong>sthemen besprochen werden,<br />

<strong>die</strong> spastische Gangstörung und das Lokomotionstraining,<br />

<strong>die</strong> für <strong>die</strong> Behandlung Querschnittgelähmter<br />

von Bedeutung sind. Patienten<br />

mit zentral motorischer Läsion beeinträchtigt<br />

<strong>die</strong> Bewegungsstörung. Die neurologische<br />

Diagnose der Spastik beruht auf der Auslösung<br />

gesteigerter Reflexe und erhöhtem Muskeltonus.<br />

Diese Kombination von Symptomen und<br />

physikalischen Befunden führte zu der Annahme,<br />

dass <strong>die</strong> gesteigerten Reflexe für <strong>die</strong><br />

Muskelhypertonie verantwortlich sind und zur<br />

Bewegungsstörung führen. Es ist deshalb nicht<br />

erstaunlich, dass <strong>die</strong> meisten antispastischen<br />

Medikamente <strong>die</strong> Reflexaktivität vermindern<br />

sollen. Untersuchungen der Reflexaktivität<br />

und des Innervationsmusters beim Gehen<br />

konnten <strong>die</strong>se Annahme jedoch nicht bestätigen.<br />

Beim Patienten mit Spastik ist beim Gehen<br />

<strong>die</strong> reziproke Aktivierung antagonistischer<br />

Beinmuskeln erhalten. Neben gesteigerten<br />

Muskeleigenreflexen besteht eine Abschwächung<br />

der für funktionelle Bewegungsabläufe<br />

wesentlichen, d.h. über mehrere Zwischenzellen<br />

(Interneurone) verschalteten, polysy-<br />

Fortbildung Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130: Nr <strong>22</strong><br />

Spastik: Therapie der gesteigerten Reflexe oder der Bewegungsstörung?<br />

Eine Form der Reorganisation nach Läsionen<br />

im Bereich motorischer Zentren stellt <strong>die</strong> Entwicklung<br />

des «spastischen Syndroms» dar. Für<br />

den Patienten macht sich <strong>die</strong> Spastik als<br />

Störung funktioneller Bewegungen wie dem<br />

Gehen bemerkbar. Bei der klinischen Untersuchung<br />

stehen <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Spastik typischen<br />

Befunde im Vordergrund, wie Steigerung der<br />

Eigenreflexe, positives Babinski-Zeichen und,<br />

mehroderwenigerausgeprägt,einerhöhterWiderstand<br />

auf rasche passive Muskeldehnung.<br />

Auf der Grundlage <strong>die</strong>ser klinischen Befunde<br />

wurde <strong>die</strong> weithin akzeptierte Schlussfolgerung<br />

für <strong>die</strong> Pathophysiologie der Spastik abgeleitet,<br />

nämlich, dass <strong>die</strong> gesteigerten Eigenreflexe<br />

für <strong>die</strong> Muskelhypertonie und damit für<br />

<strong>die</strong> Bewegungsstörung verantwortlich sind.<br />

naptischen Rückenmarksreflexe. Die Spannungsentwicklung<br />

der Wadenmuskeln erfolgt<br />

während des Gehens unabhängig von <strong>die</strong>sen<br />

Reflexen bei geringer tonischer Muskelaktivität.<br />

Nach elektrophysiologischen und histologischen<br />

Befunden ist anzunehmen, dass es<br />

durch einen Umbau der motorischen Einheiten<br />

zu einer Muskeltonusregulation auf einfacher,<br />

d.h. vorwiegend muskulärer Ebene kommt und<br />

damit Bewegungsabläufe, wie das Gehen, möglich<br />

werden. Eine medikamentöse Therapie<br />

der Spastik sollte bei mobilen Patienten mit<br />

Zurückhaltung angewandt werden, da nach<br />

klinischen und elektrophysiologischen Befunden<br />

eine Verminderung gesteigerter Eigenreflexe<br />

keine Besserung der spastischen Bewegungsstörungen<br />

zur Folge hat. Eine medikamentös<br />

induzierte Tonusminderung geht mit<br />

einer Parese einher und ist daher bei immobilen<br />

Patienten sinnvoll. Ein neuer Versuch, <strong>die</strong><br />

Beweglichkeit von Patienten mit Querschnittslähmung<br />

zu erhöhen, das Lokomotionstraining,<br />

bezieht das Rückenmark unterhalb der<br />

Läsionsstelle in <strong>die</strong> koordinierte Muskelaktivierung<br />

mit ein. Bei inkomplett paraplegischen<br />

Patienten können koordinierte Aktivitätsmuster<br />

und Beinbewegungen auf dem Laufband<br />

ausgelöst und trainiert werden. Eine Verbesserung<br />

<strong>die</strong>ses Trainings von motorischen<br />

Rückenmarkszentren ist durch <strong>die</strong> Auslösung<br />

von Rückenmarksreflexen und besonders einer<br />

künftig möglich erscheinenden Teilregeneration<br />

von Rückenmarksfasern zu erwarten.<br />

Keywords: Rückenmarkläsion; Paraplegie;<br />

spinale Reflexe; Lokomotionstraining; Spastik<br />

Diese Hypothese hatte insofern auch therapeutische<br />

Konsequenzen, als <strong>die</strong> meisten antispastischen<br />

Medikamente darauf ausgerichtet<br />

sind, <strong>die</strong> Aktivität der Eigenreflexe zu vermindern.<br />

Die Frage nach der Funktion <strong>die</strong>ser<br />

Eigenreflexe bei natürlichen Bewegungsabläufen<br />

wie dem Gehen und damit nach einem<br />

tatsächlichen Zusammenhang zwischen gesteigerten<br />

Eigenreflexen und Bewegungsstörung<br />

blieb bei den meisten Untersuchungen der<br />

Spastik unberücksichtigt. Bereits klinische Beobachtungen<br />

lassen jedoch Zweifel an einem<br />

direkten Zusammenhang von gesteigerten Reflexen<br />

und Bewegungsstörung aufkommen: (1.)<br />

Bei akuten Lähmungen sind <strong>die</strong> Eigenreflexe<br />

früh gesteigert, während sich <strong>die</strong> spastische<br />

Muskelhypertonie erst nach Wochen ent-


Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130: Nr <strong>22</strong><br />

Fortbildung<br />

wickelt; (2.) Bei Gesunden ist kein Zusammenhang<br />

zwischen sehr lebhaften oder<br />

schwach auslösbaren Eigenreflexen und der<br />

Bewegungsdurchführung bekannt.<br />

Bei funktionellen Bewegungsabläufen wie dem<br />

Gehen besteht eine komplexe Wechselbeziehung<br />

zwischen verschiedenen Reflexmechanismen<br />

sowie spinalen und supraspinalen Regulationszentren:<br />

Die rhythmische Aktivierung<br />

der Beinmuskeln durch spinale Generatoren<br />

wird durch eine multisensorische, d.h. von<br />

Haut, Muskel, Gelenk stammende Afferenz<br />

moduliert und an <strong>die</strong> jeweiligen Erfordernisse<br />

angepasst. Sowohl zentrale Programmierung<br />

wie Reflexaktivität stehen unter supraspinaler<br />

Kontrolle. Bei Funktionsstörungen von Reflexen,<br />

Rezeptormechanismen oder der supraspinalen<br />

Kontrolle kommt es zu sehr charakteristischen<br />

Gangstörungen bei zerebellärer<br />

Läsion, extrapyramidalem Syndrom oder<br />

spastischer Parese (zur Übersicht s. [1]).<br />

Pathophysiologie<br />

Weder <strong>die</strong> zeitliche Abfolge der EMG-Aktivität<br />

noch <strong>die</strong> reziproke Form der Innervation antagonistischen<br />

Beinmuskeln zeigen einen grundsätzlichen<br />

Unterschied zwischen Patienten mit<br />

Spastik und Gesunden. Im Vergleich zu Gesunden<br />

ist <strong>die</strong> EMG-Aktivität der Wadenmuskeln<br />

bei Patienten mit Spastik in der Amplitude<br />

vermindert und weniger moduliert. Die geringe<br />

Modulation der Gastrocnemiusaktivität beim<br />

Gehen entspricht dem Fehlen einer raschen Regulation<br />

der Entladungsfrequenz motorischer<br />

Einheiten, <strong>die</strong> das gesunde motorische System<br />

charakterisiert [2, 3].<br />

Es wird gemeinhin angenommen, dass <strong>die</strong> gesteigerten<br />

Eigenreflexe für den spastischen<br />

Muskeltonus und konsequenterweise für <strong>die</strong><br />

Gangstörung verantwortlich sind. Beim Gehen<br />

sind jedoch eine Vielzahl von Reflexmechanismen<br />

beteiligt, deren Bedeutung durch <strong>die</strong><br />

Analyse der durch Störreize beim Gehen hervorgerufenen<br />

kompensatorischen Muskelantworten<br />

eingeschätzt werden kann. Während<br />

im gesunden Bein keine monosynaptische, hingegen<br />

starke polysynaptische Reflexantworten<br />

ausgelöst werden, erscheinen in spastischen<br />

Beinmuskeln monosynaptische Reflexe, <strong>die</strong><br />

funktionell wesentlichen polysynaptischen<br />

Reflexantworten aber fehlen. Die Gesamtaktivität<br />

in spastischen Muskeln ist trotz<br />

der «enthemmten» monosynaptischen Reflexpotentiale<br />

vermindert [4, 5].<br />

Die gesteigerten Eigenreflexe sind wahrscheinlich<br />

auf eine verminderte präsynaptische Hem-<br />

mung von Gruppe-Ia-Fasern zurückzuführen.<br />

Sonst findet sich experimentell kein Hinweis<br />

auf eine erhöhte Aktivität der Motoneurone<br />

bei der Spastik. Auch indirekte Hinweise auf<br />

eine gesteigerte neuronale Aktivität fehlen: Es<br />

bestehtkeinegesteigerteGamma-Motoneuronaktivität<br />

(d.h. der kleinen motorischen Neurone<br />

im Rückenmark, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Muskelspindeln<br />

innervieren) und ein dadurch verstärkter Impulseinstrom<br />

der Gruppe-Ia-Fasern, über <strong>die</strong><br />

der monosynaptische Dehungsreflex vermittelt<br />

wird [6], oder ein «Sprouting» von Gruppe-Ia-<br />

Fasern an den Motoneuronen, d.h. Aussprossen<br />

<strong>die</strong>ser Fasern nach spinaler oder supraspinaler<br />

Läsion, mit der Konsequenz gesteigerter<br />

Reflexe.<br />

Bei Patienten mit Spastik kann der pathologische<br />

Muskeltonus beim Gehen nicht durch <strong>die</strong><br />

EMG-Aktivität erklärt werden. Im Vergleich<br />

zu Gesunden ist <strong>die</strong> Beinmuskelaktivierung<br />

entsprechend dem Grad der Parese vermindert.<br />

Gesteigerte monosynaptische Dehnungsreflexe<br />

stellen nur einen kleinen Teil der Gesamtaktivierung<br />

der Beinmuskeln dar [4, 8]. Bei Patienten<br />

mit spastischer Hemiparese zeigt sich<br />

eine grundsätzlich unterschiedliche Spannung-/<br />

Kraftentwicklung im Triceps surae und dadurch<br />

Unterstützung des Körpers während des<br />

Gehens [4, 5, 9]: Am nicht betroffenen Bein<br />

korreliert <strong>die</strong> Spannungsentwicklung an der<br />

Achillessehne mit der Modulation der EMG-<br />

Aktivität (entsprechend gesunden Personen),<br />

während <strong>die</strong> Spannungsentwicklung am spastischen<br />

Bein an <strong>die</strong> Dehnung des gering tonisch<br />

aktivierten Wadenmuskels gekoppelt ist<br />

(Abb. 1). Es besteht keine sichtbare Verbindung<br />

der Spannungsentwicklung mit dem Auftreten<br />

der «gesteigerten» monosynaptischen<br />

Reflexpotentiale. Nach <strong>die</strong>sen Beobachtungen<br />

muss der spastische Muskeltonus und <strong>die</strong> Bewegungsstörung<br />

mit einer Veränderung der<br />

Spannungsentwicklung eines Muskels ohne<br />

verstärkte Aktivität der Mononeurone erklärt<br />

werden.<br />

Die Untersuchungen funktioneller Bewegungen<br />

bei der Spastik führen zu der Schlussfolgerung,<br />

dass es nach einer supraspinalen Läsion<br />

zu einer Veränderung der funktionellen Eigenschaften<br />

der motorischen Einheiten kommt,<br />

mit der Folge, dass <strong>die</strong> Muskelspannung auf<br />

einfacherer Ebene reguliert wird. Eine derartige<br />

Transformation von motorischen Einheiten<br />

ist insofern sinnvoll, als der Patient das<br />

Körpergewicht beim Gehen unterstützen kann.<br />

Eine schnelle Bewegungsdurchführung ist jedoch<br />

nicht mehr möglich. Eine derartige Muskeltransformation<br />

benötigt Zeit, weshalb es<br />

nicht verwunderlich ist, dass es nach einem<br />

831


832<br />

Abbildung 1<br />

Schematische Darstellung der Beziehung<br />

zwischen EMG-Aktivität und Spannungsentwicklung<br />

am gesunden und spastischen<br />

Muskel. Bei Dehnung eines aktiven Muskels<br />

kommt es beim Gesunden zu einer Muskelaktivierung<br />

über polysynaptische spinale<br />

Reflexe. Die Spannungsentwicklung wird<br />

durch <strong>die</strong> Muskelaktivierung bestimmt.<br />

Am spastischen Muskel kommt es zu einer<br />

geringen tonischen Muskelaktivierung<br />

und zum Auftreten von isolierten Reflexpotentialen<br />

kurzer Latenz. Die Spannungsentwicklung<br />

folgt hier dem Dehnungsverlauf<br />

des gering tonisch aktivierten Muskels.<br />

akuten Insult meist erst nach Wochen zur<br />

Entwicklung eines spastischen Muskeltonus<br />

kommt.<br />

Hinweise auf Veränderungen der mechanischen<br />

Eigenschaften der motorischen Einheiten<br />

bei der Spastik sind vielfältig:<br />

– verlängerte Kontraktionszeiten des Triceps<br />

surae [10];<br />

– Untersuchungen, bei denen Dehnungsreize<br />

am Tricep surae [11] oder Arm [12] appliziert<br />

wurden, weisen auf einen Beitrag der<br />

veränderten Muskelfasereigenschaften zum<br />

spastischen Muskeltonus hin;<br />

– morphometrische und histochemische Untersuchungen<br />

des spastischen Muskels zeigen<br />

spezifische Veränderungen der Muskelfasern<br />

[2].<br />

Therapeutische Konsequenzen<br />

Das Ziel jeder antispastischen Therapie ist, <strong>die</strong><br />

spastische Tonuserhöhung zu reduzieren, ohne<br />

<strong>die</strong> Willkürkraft zu vermindern [13]. Durch <strong>die</strong><br />

medikamentöse Therapie soll <strong>die</strong> Erregbarkeit<br />

spinaler Reflexe herabgesetzt und damit eine<br />

Verminderung der Spastik erreicht werden.<br />

Den verschiedenen Medikamenten werden<br />

hierbei unterschiedliche Wirkmechanismen<br />

zugrunde gelegt [14]:<br />

– verstärkte präsynaptische Hemmung von<br />

Gruppe-I-Fasern und damit eine Abschwächung<br />

der monosynaptischen Dehnungsreflexe<br />

(Baclofen, Diazepam);<br />

– Hemmung erregender Interneurone, <strong>die</strong> den<br />

spinalen Reflexschleifen zwischengeschaltet<br />

sind (Tizanidin, Glycin);<br />

– Verminderung der Empfindlichkeit peripherer<br />

Rezeptoren (Dantrolen, Phenothiazin)<br />

und Verminderung der Muskelkontraktion<br />

(Dantrolen).<br />

Nach Funktion und Bedeutung der mono- und<br />

polysynaptischen Reflexe beim spastischen<br />

Fortbildung Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130: Nr <strong>22</strong><br />

Gang ist eine Wirksamkeit besonders der unter<br />

1. und 2. genannten Medikamente nicht zu<br />

erwarten. Tatsächlich zeigen klinische Untersuchungen,<br />

dass <strong>die</strong>se Medikamente zwar <strong>die</strong><br />

Aktivität der Dehnungsreflexe vermindern, jedoch<br />

nicht zu einer Verbesserung funktioneller<br />

Bewegungsabläufe führen. Nach klinischen<br />

Untersuchungen geht <strong>die</strong> Minderung der Spastik<br />

mit einer Parese einher [15, 16].<br />

Ähnliche Überlegungen müssen auch für das<br />

peripher im Muskel wirksame Dantrolen angestellt<br />

werden. Da sich <strong>die</strong> Kontraktionsamplituden<br />

zwischen spastischen und normalen<br />

Muskeln nicht unterscheiden, ist bei einer medikamentösen<br />

Beeinflussung der Muskelkontraktion<br />

eine periphere Parese zu erwarten.<br />

Eine wirksame Verminderung des Muskeltonus<br />

hat zur Folge, dass <strong>die</strong> aktivierende physiotherapeutische<br />

Behandlung durch <strong>die</strong> auftretende<br />

Parese behindert wird. Dies zusammen<br />

mit den nicht unbeträchtlichen Nebenwirkungen<br />

<strong>die</strong>ser Medikamente führt dazu,<br />

dass <strong>die</strong> Patienten nach absehbarer Zeit <strong>die</strong>se<br />

medikamentöse Therapie meist nicht mehr<br />

tolerieren.<br />

Die Konsequenz <strong>die</strong>ser Ausführungen, <strong>die</strong> in einer<br />

sehr zurückhaltenden Anwendung antispastischer<br />

Medikamente besteht, gilt in erster Linie<br />

für mobile Patienten, da hier der spastische<br />

Tonus zur Kompensation der reduzierten Aktivitätsmodulation<br />

erforderlich ist, um den<br />

Körper beim Gehen zu unterstützen. Hierbei<br />

kann <strong>die</strong> Physiotherapie eine Verbesserung der<br />

Bewegungsfähigkeit bringen.<br />

Bei immobilen Patienten muss hingegen eine<br />

durch antispastische Medikamente induzierte<br />

Parese nicht nachteilig sein, sondern kann <strong>die</strong><br />

physiotherapeutische Behandlung und <strong>die</strong><br />

pflegerischen Massnahmen erleichtern sowie<br />

schmerzhafte Symptome wie Spasmen und<br />

Klonus lindern. In den letzten Jahren hat<br />

sich gezeigt, dass durch <strong>die</strong> intrathekale Gabe<br />

von Baclofen eine deutliche Reduktion der


Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130: Nr <strong>22</strong><br />

Gehen mit dem Rückenmark<br />

Abbildung 2<br />

Schematische Darstellung<br />

der beim Gehen involvierten<br />

Mechanismen. Die Beinmuskeln<br />

werden durch neuronale<br />

Rückenmarkszentren<br />

aktiviert. Diese Aktivität<br />

wird durch Informationen<br />

der Rezeptoren von Muskeln,<br />

Gelenken und Haut<br />

moduliert und an <strong>die</strong> aktuellen<br />

Erfordernisse angepasst<br />

(Unebenheiten des Bodens).<br />

Sowohl der Eigenapparat<br />

des Rückenmarks wie auch<br />

<strong>die</strong> Reflexmechanismen stehen<br />

unter der Kontrolle von<br />

Hirnstamm und Grosshirn.<br />

Fortbildung<br />

schmerzhaften Symptome erreicht werden<br />

kann, ohne wesentliche unerwünschte Nebenwirkungen<br />

[13, 17].<br />

Nach den pathophysiologischen Grundlagen<br />

der Spastik ist <strong>die</strong> Physiotherapie bei mobilen<br />

wie immobilen Patienten <strong>die</strong> wichtigste Behandlungsform.<br />

Sowohl aktivierende wie auch<br />

passiv durchbewegende Behandlungsmassnahmen<br />

sind bei beiden Patientengruppen von entscheidender<br />

Bedeutung. Dadurch soll einerseits<br />

<strong>die</strong> noch mögliche Muskelaktivierung bei einem<br />

natürlichen Bewegungsablauf mobilisiert<br />

und trainiert werden; andererseits sollen früh<br />

einsetzende und später nur noch schwer behandelbare<br />

Kontrakturen vermieden werden.<br />

Das Rückenmark stellt nicht nur ein Leitungsorgan<br />

für Kommandosignale vom Gehirn zu<br />

den Extremitätenmuskeln dar. Vielmehr ist aus<br />

Untersuchungen, zuerst an der Katze, später<br />

auch am Menschen, bekannt, dass das Rückenmark<br />

einen neuronalen Eigenapparat besitzt,<br />

der auf äussere Reize hin eine komplexe Muskelaktivierung<br />

auslöst (Abb. 2). So kann zum<br />

Beispiel bei neugeborenen Säuglingen <strong>die</strong><br />

Berühung der Fusssohlen Schreitbewegungen<br />

der Beine auslösen. Im Vergleich zur rückenmarkverletzten<br />

Katze zeigen paraplegische Patienten<br />

üblicherweise jedoch keine lokomotionsähnliche<br />

Aktivität. Dies wurde auf eine<br />

grössere Dominanz der motorischen Zentren<br />

des Gehirns über das Rückenmark zurückge-<br />

Es scheint unerheblich zu sein, welche Formen<br />

der Physiotherapie bei den Patienten angewandt<br />

werden. Fragwürdig erscheinen dagegen<br />

spezifische Behandlungsansätze verschiedener<br />

«Schulen», da deren Behandlungsgrundlagen<br />

«auf neurophysiologischer Basis» auf<br />

heute nicht mehr haltbaren Analysen von Reflexmechanismen<br />

beruhen. Die <strong>die</strong>sen Behandlungsformen<br />

zugrundeliegenden Modelle stimmen<br />

nicht mit den aktuellen Kenntnissen der<br />

physiologischen Grundlagen von Bewegungsabläufen<br />

überein. Eine tatsächliche Überlegenheit<br />

einer <strong>die</strong>ser Methoden gegenüber anderen<br />

konnte zudem nie demonstriert werden.<br />

führt. Trotzdem konnten auch beim paraplegischen<br />

Menschen gewisse Formen einer vom<br />

Rückenmark koordinierten rhythmischen<br />

Aktivität unter bestimmten Bedingungen hervorgerufen<br />

werden. Unwillkürliche Schreitbewegungen<br />

wurden in den letzten Jahren mehrfach<br />

bei Patienten mit inkompletter Rückenmarksläsion<br />

beschrieben, d.h. bei Patienten,<br />

bei denen unterhalb der Läsion noch sensible<br />

und/oder motorische Restfunktionen erhalten<br />

sind. Ausserdem konnte gezeigt werden, dass<br />

bei komplett paraplegischen Patienten das<br />

Rückenmark unterhalb der Verletzungsstelle<br />

Informationen aus der Peripherie, wie <strong>die</strong> von<br />

Kraftrezeptoren, adäquat verarbeiten und in<br />

eine funktionell sinnvolle Muskelaktivierung<br />

umsetzen kann.<br />

Vor einigen Jahren wurde begonnen, <strong>die</strong> von<br />

motorischen Hirnzentren abgekoppelten für<br />

<strong>die</strong> Stand- und Gangregulation wesentlichen<br />

Rückenmarkszentren durch periphere Reize zu<br />

aktivieren, um eine Bewegungsverbesserung zu<br />

erreichen [18]. Gegenüber der direkten elektrischen<br />

Stimulation der gelähmten Muskeln hat<br />

<strong>die</strong>ser Behandlungsansatz den Vorteil einer<br />

natürlichen Form der Muskelaktivierung.<br />

Aus tierexperimentellen Untersuchungen ist<br />

bekannt, dass beim Säugetier eine Fortbewegung<br />

auf Rückenmarksebene möglich ist. Nach<br />

einer kompletten Rückenmarksläsion kann<br />

eine erwachsene Katze so trainiert werden,<br />

dass sie wieder ein Bewegungsmuster entwickelt,<br />

das in vielen Aspekten dem des intakten<br />

Tieres gleicht [18].<br />

Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass<br />

unter bestimmten Voraussetzungen auch bei<br />

Patienten mit inkompletter QuerschnittslähmungFortbewegungsmusteraufRückenmarks-<br />

833


834<br />

Abbildung 3<br />

Ausrüstung mit Laufband und Aufhängung<br />

mit Entlastung des Körpers für das Auslösen<br />

von Schreitbewegungen bei Patienten mit<br />

Querschnittlähmung.<br />

ebene ausgelöst und trainiert werden können.<br />

Bei Patienten mit Querschnittlähmung, <strong>die</strong> auf<br />

ein Laufband gestellt werden und deren Körper<br />

durch Gurte unterstützt wird (Abb. 3), können<br />

koordinierte Schreitbewegungen durch das<br />

sich bewegende Laufband ausgelöst werden.<br />

Das Gangmuster kann trainiert werden, und<br />

<strong>die</strong> Patienten profitieren von einem derartigen<br />

Training [19, 20]. Diese und ähnliche Untersuchungen<br />

haben gezeigt, dass sich durch das<br />

Laufbandtraining bei Patienten mit Rückenmarksverletzungen<br />

ein «normaleres» Fortbewegungsmuster<br />

entwickelt.<br />

Wo liegen <strong>die</strong> Bewegungsschaltkreise?<br />

Die Frage nach der Lokalisation von Lokomotionszentren<br />

im Rückenmark ist wesentlich,<br />

um ein erfolgreiches Fortbewegungstraining<br />

bei para-/tetraplegischen Patienten durchzuführen.<br />

Auskunft geben können Patienten mit<br />

unterschiedlicher Lokalisation der Verletzung<br />

(Läsionshöhe). So wurden bei motorisch komplett<br />

paraplegischen Patienten mit unterschiedlicher<br />

Läsionshöhe (d.h. Lenden-, Brustoder<br />

Halsmarkbereich) von extern assistierte<br />

Schreitmuster unter Körperentlastung auf dem<br />

Laufband ausgelöst. Es zeigte sich, dass das<br />

Gangmuster bezüglich der Stärke und Modulation<br />

der neuronalen Beinmuskelaktivierung<br />

um so «normaler» ist, je höher <strong>die</strong> Rückenmarksläsion<br />

lokalisiert ist. Daraus ergibt sich,<br />

Fortbildung Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130: Nr <strong>22</strong><br />

dass grosse Teile des Rückenmarks am der<br />

Lokomotion zugrundliegenden, neuronalen<br />

Netzwerk beteiligt sind. Die für den Vierfüsslergang,<br />

z.B. der Katze, verständliche Ausdehnung<br />

persistiert offenbar auch beim Zweibeingang<br />

des Menschen. Das koordinierte Mitschwingen<br />

der Arme beim Gehen des Menschen<br />

könnte auch Ausdruck <strong>die</strong>ser ausgedehnten<br />

Rückenmarksaktivität sein. Diese Beobachtungen<br />

haben insofern Bedeutung, als<br />

Patienten mit hoher Rückenmarksläsion von<br />

einer künftig möglich erscheinenden Regenerationstherapie<br />

voraussichtlich mehr profitieren<br />

würden als <strong>die</strong> mit einer tiefen Läsion.<br />

Die Ratte als Modell<br />

Ein wesentliches Ziel derzeitiger <strong>Forschung</strong> ist<br />

– wie bei der Ratte bereits gelungen – auch<br />

beim para-/tetraplegischen Patienten eine<br />

funktionell wirksame Teilregeneration verletzter<br />

Rückenmarksfasern. Als Grundlage hierfür<br />

ist zu klären, inwieweit das Modell des Rattenrückenmarks<br />

auf den Menschen übertragbar<br />

ist. Auf Fragen wie <strong>die</strong> der Grenzen möglicher<br />

Regenerationsfähigkeit und der Erfordernis<br />

funktionsfähiger Rückenmarksfasern für das<br />

Gehen sind Antworten zu finden. Bei Patienten<br />

mit frischer Rückenmarksläsion wurden<br />

im Hinblick darauf über Jahre systematisch<br />

elektrophysiologische Verlaufsuntersuchungen<br />

durchgeführt. Sie brachten eine objektive Er-


Literatur<br />

Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130: Nr <strong>22</strong><br />

Fortbildung<br />

fassung quantitativer Aussagen über <strong>die</strong> verbliebene<br />

Impulsleitfähigkeit des verletzten<br />

Rückenmarks bei para-/tetraplegischen Patienten<br />

und mit einem Vergleich mit dem klinischen<br />

Verlauf. Dadurch wurden schon kurz nach<br />

dem Trauma prognostische Aussagen über <strong>die</strong><br />

zu erreichende Bewegungsfähigkeit möglich<br />

[21]. Ausserdem konnten früh gezielte Behandlungsmassnahmen<br />

eingeleitet werden.<br />

Zudem wurden in einem gemeinsamen <strong>Forschung</strong>sprojekt<br />

mit dem Institut für Hirnforschung<br />

der Universität Zürich entsprechende<br />

Verhaltens- und elektrophysiologische sowie<br />

morphologische Untersuchungen bei der Ratte<br />

mit verletztem Rückenmark durchgeführt. Es<br />

zeigte sich bei Patienten und Ratte eine enge<br />

Korrelation zwischen dem Ausmass der<br />

Störung in der Impulsleitfähigkeit, der Gehfähigkeit<br />

und der Schwere der Rückenmarksschädigung.<br />

Bei der Ratte konnte also, wie<br />

beim Patienten mit Rückenmarksverletzung,<br />

durch eine kombinierte Verhaltens- und elektrophysiologische<br />

Untersuchung <strong>die</strong> Entwicklung<br />

der Bewegungsstörung vorausgesagt werden.<br />

Dementsprechend ist auch zu erwarten,<br />

dass elektrophysiologische Untersuchungen<br />

bei einer therapeutischen Intervention zur Erzielung<br />

einer Regeneration von Nervenfasern<br />

im Rückenmark ausreichend empfindlich sind,<br />

um <strong>die</strong>se Verbesserung objektiv zu erfassen.<br />

1 Dietz V. Human neuronal control of automatic functional<br />

movements. Interaction between central programs and afferent<br />

input. Physiol Rev 1992;72:33–69.<br />

2 Dietz V, Ketelsen VP, Berger W, Quintern J. Motor unit involvement<br />

in spastic paresis: relationship between leg muscle<br />

activation and histochemistry. J Neurol Sci 1986;75:89–103.<br />

3 Rosenfalck A, Andreassen S. Impaired regulation of force<br />

and firing pattern of single motor units in patients with spasticity.<br />

J Neurol Neurosurg Psychiatry 1980;43:907–16.<br />

4 Berger W, Horstmann G, Dietz V. Tension development and<br />

muscle activation in the leg during gait in spastic hemiparesis:<br />

independence of muscle hypertonia and exaggerated<br />

stretch reflexes. J Neurol Neurosurg Psychiatry 1984;47:<br />

1029–33.<br />

5 Berger W, Horstmann GA, Dietz V. Spastic paresis: impaired<br />

spinal reflexes and intact motor programs. J Neurol Neurosurg<br />

Psychiatry 1988;51:568–71.<br />

6 Vallbo AB, Hagbarth KE, Torebjörk HE, Wallin BG. Somatosensory,<br />

proprioceptive and sympathetic activity in human<br />

peripheral nerves. Physiol Rev 1979;59:919–7.<br />

7 Ashby P. Discussion. In: Emre M, Benecke R, eds. Spasticity.<br />

The Current Status of Research and Treatment. Camford:<br />

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8 Dietz V, Quintern J, Berger W. Electrophysiological stu<strong>die</strong>s<br />

of spasticity and rigidity: evidence that altered mechanical<br />

properties of muscle contribute to hypertonia. Brain 1981;<br />

104:431–49.<br />

Regenerationsmöglichkeiten<br />

Eine ganz wesentliche Verbesserung des Lokomotionstrainings<br />

könnte durch eine teilweise<br />

Regeneration von Rückenmarksfasern erreicht<br />

werden, wie sie in der Ratte durch Einsatz von<br />

spezifischen Antikörpern möglich ist, <strong>die</strong> gegen<br />

das von Stützzellen des Rückenmark (Oligodendrozyten)<br />

exprimierte, das Nervenwachstum<br />

hemmende Protein gerichtet sind [<strong>22</strong>]. Ein<br />

anderer Weg, Regeneration verletzter Rückenmarksbahnen<br />

zu erreichen, ist <strong>die</strong> Überbrükkung<br />

der Verletzungsstelle von der weissen zur<br />

grauen Substanz durch periphere Nerven [23].<br />

Sollte bei Querschnittsgelähmten auch nur ein<br />

Teil der Rückenmarksfasern regenerieren und<br />

Anschluss an seine Zielzellen finden, so wäre<br />

mit einem wesentlich grösseren Erfolg des Trainings<br />

von motorischen Rückenmarkszentren<br />

zu rechnen.<br />

Ein neuer Versuch, <strong>die</strong> Beweglichkeit von Patienten<br />

mit Querschnittslähmung zu erhöhen,<br />

wird sich also darauf beziehen, das Rückenmark<br />

unterhalb der Verletzungsstelle in <strong>die</strong> koordinierte<br />

Muskelaktivierung miteinzubeziehen.<br />

Bei inkomplett paraplegischen Patienten<br />

können koordinierte Aktivitätsmuster und<br />

Beinbewegungen ausgelöst und trainiert werden.<br />

Ein grösserer Effekt <strong>die</strong>ses Trainings motorischer<br />

Rückenmarkszentren kann durch<br />

eine künftig möglich erscheinende Teilregeneration<br />

von Rückenmarksfasern erwartet werden.<br />

9 Dietz V, Berger W. Normal and impaired regulation of muscle<br />

stiffness in gait: a new hypothesis about muscle hypertonia.<br />

Exp Neurol 1983;79:680–7.<br />

10 Dietz V, Berger W. Interlimb coordination of posture in<br />

patients with spastic paresis. Impaired function of spinal<br />

reflexes. Brain 1984;110:965–78.<br />

11 Sinkjaer T, Magnussen H. Passive, intrinsic and reflex-mediated<br />

stiffness in the ankle extensors of hemiparetic patients.<br />

Brain 1994;117:355–63.<br />

12 Ibrahim IK, Berger W, Trippel M, Dietz V. Stretch induced<br />

EMG-activity and torque in spastic elbow muscles: Differential<br />

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13 Latash ML, Penn RD, Carcos DM, Gottlieb GL. Short-term<br />

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in the treatment of spasticity in multiple sclerosis patients.<br />

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23 Cheng H, Cao Y, Olson L. Spinal cord repair in adult paraplegic<br />

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