Bestandskraft / Rechtssicherheit / Vertrauensschutz versus Korrektur
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IV. <strong>Korrektur</strong> von Steuerverwaltungsakten<br />
1. Allgemeines<br />
– <strong>Bestandskraft</strong> / <strong>Rechtssicherheit</strong> / <strong>Vertrauensschutz</strong> <strong>versus</strong> <strong>Korrektur</strong> /<br />
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung<br />
außer<br />
§§ 164, 165<br />
(vgl. § 172 I)<br />
– Systematik der <strong>Korrektur</strong>vorschriften (weichenstellende Norm: § 172)<br />
Steuerbescheide<br />
(und gleichgestellte Bescheide)<br />
Fälle<br />
des<br />
§ 172<br />
Aufhebung /<br />
Änderung<br />
nur<br />
Sonstige<br />
gesetzliche<br />
Zulassung<br />
(§ 172 I 1 Nr. 2d)<br />
v.u. §§ 173-175<br />
– § 132 → § 367 Abs. 2 S. 3 / § 365 Abs. 3<br />
– § 351 Abs. 1<br />
– Literatur: Lühn, Die <strong>Korrektur</strong>vorschriften der Abgabenordnung, StuSt 2008,<br />
4; Fleischmann, Ausgewählte Änderungsmöglichkeiten nach der Abgaben-<br />
ordnung, StuSt 2004, 583<br />
2. <strong>Korrektur</strong> von Steuerbescheiden (§§ 172 – 177)<br />
§§ 172 ff. gelten nur<br />
für Steuerbescheide<br />
Berichtigung,<br />
§ 129<br />
§ 172 I Nr. 2d →<br />
§§ 130 f. gelten nicht!<br />
Umkehrschluss<br />
aus § 172 I 1<br />
Nr. 2d<br />
a) § 172 (Grundnorm; dazu: Möller, StuSt 2008, 331)<br />
insbes. die „schlichte Änderung“ zu ungunsten oder zugunsten des Steuer-<br />
pflichtigen auf entsprechenden Antrag hin, § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a<br />
Nur-Steuer-VA<br />
Rücknahme /<br />
Widerruf<br />
§§ 130, 131
Einspruch oder Antrag auf schlichte Änderung?<br />
(dazu: Fischer, StuSt 2008, 458)<br />
Unterschiede<br />
Schlichte Änderung Einspruch<br />
● formlos ● Form, § 357 Abs. 1<br />
● Keine Aussetzung der Vollziehung ● Antrag auf Aussetzung der<br />
möglich, aber u.U. Stundung Vollziehung möglich<br />
● keine Verböserung, aber u.U. ● Verböserung, § 367 Abs. 2<br />
Saldierung, § 177 Abs. 2 S. 2, aber Rücknahme des<br />
Einspruchs möglich<br />
● Begrenzung des Überprüfungsumfangs ● grundsätzlich volle Über-<br />
„soweit“ prüfung, § 367 Abs. 2 S. 1<br />
● Ermessen ● Pflicht zur Überprüfung<br />
Gemeinsamkeiten<br />
beide fristgebunden – beide kostenfrei – beide ohne Devolutiveffekt<br />
Was ist gewollt?<br />
– im Zweifel Einspruch, außer dessen Form ist nicht eingehalten oder eine<br />
Verböserung soll unbedingt verhindert werden<br />
– auch soweit Einspruch eingelegt ist, bleibt schlichte Abhilfe (ohne förmliche<br />
Einspruchsentscheidung) möglich, vgl. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a + § 132<br />
→ § 367 Abs. 2 S. 3<br />
b) § 173 (neue Tatsachen und Beweismittel)<br />
– Allgemeines<br />
● Abgrenzung zu § 175 Abs. 1 Nr. 2<br />
● § 173 ist kein Vehikel zur nachträglichen Durchsetzung geänderter<br />
Rechtsauffassungen (vgl. z.B. BFH, BStBl. 2009, 891)<br />
● zur teils geschriebenen, teils ungeschriebenen Bedeutung von<br />
Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen und Aufklärungspflichten der<br />
Steuerbehörden<br />
– im Einzelnen<br />
● Tatsachen und Beweismittel<br />
● nachträglich bekannt geworden<br />
● Erheblichkeit der neuen Tatsache<br />
● Änderung zuungunsten: § 173 Abs. 1 Nr. 1<br />
● Änderung zugunsten: § 173 Abs. 1 Nr. 2<br />
● kein grobes Verschulden<br />
● Zusammenhang mit Tatsachen nach Nr. 1<br />
● Saldierung oder Zerlegung?<br />
● grundsätzlich jede einzelne neue Tatsache getrennt betrachten<br />
● dies gilt auch für § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 2<br />
● soweit ganz neue Einkunftsart, die bislang gar nicht erklärt wurde,<br />
ist von vornherein nur der Saldo neue Tatsache<br />
● Saldierung mit sonstigen materiellen Fehlern nach § 177 bleibt<br />
unberührt<br />
● Änderungssperre nach Außenprüfung, Abs. 2
c) § 174 (widerstreitende Steuerfestsetzungen)<br />
– Abs. 1 / 2: Doppelberücksichtigung eines Sachverhalts in mehreren<br />
Steuerbescheiden<br />
– Abs. 3: Bewusste und erkennbare Nichtberücksichtigung im Blick auf einen<br />
anderen Steuerbescheid<br />
– Abs. 4: Folgeänderung nach <strong>Korrektur</strong> von Steuerbescheiden<br />
(dazu z.B. BFH, BStBl. 2009, 620)<br />
d) § 175 Abs. 1 Nr. 1 (Anpassung eines Folgebescheids an Grundlagenbescheid)<br />
e) § 175 Abs. 1 Nr. 2 (Rückwirkendes Ereignis)<br />
– Ereignis: bezieht sich auf der Besteuerung zugrunde liegenden Sachverhalt,<br />
nicht: (rückwirkende) Änderung der Rechtslage oder der Rechtsprechung<br />
– zum Problem der steuerrechtlichen Rückwirkung, insbes. bei periodischen<br />
Steuern (z.B. BFH, DStR 2005, 1359: nachträgliche Wahl der getrennten<br />
Veranlagung; BFH, DStR 2007, 1206: Verhältnis zu verstrichener<br />
Änderungsmöglichkeit nach § 165 Abs. 2)<br />
f) § 176 (<strong>Vertrauensschutz</strong>)<br />
g) § 177 (Saldierung mit gegenläufigem materiellen Fehlern)<br />
– § 177 berechtigt nicht selbst zur Änderung, sondern setzt <strong>Korrektur</strong>vorschrift<br />
voraus<br />
● §§ 172 – 175<br />
● nicht § 164 Abs. 2 (vgl. § 177 Abs. 4)<br />
● schon: § 165 Abs. 2 S. 2 (trotz missverständlichem § 177 Abs. 4)<br />
● strittig: § 129<br />
– Die Änderungstatbestände geben einen Änderungsrahmen vor. Die<br />
einzelnen Änderungsmargen, die sich aus den selbständigen<br />
Änderungstatbeständen ergeben, werden dabei nicht von vornherein saldiert,<br />
sondern im Gegenteil – zugunsten wie zuungunsten – addiert.<br />
– Berechnung der richtigen Steuer, hierbei Gesamtsaldierung der<br />
Änderungstatbestände sowie sonstiger materieller Fehler i.S.v. § 177 Abs. 3<br />
(nicht: § 176)<br />
– Bleibt richtige Steuer innerhalb des Änderungsrahmens?<br />
3. § 129 (Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten)<br />
– Gilt für Steuerbescheide und Nur-Steuer-Verwaltungsakte<br />
– der zu berichtigende Fehler: ein mechanisches Versehen; nicht: Rechtsirrtum<br />
– Evidenz; Achtung: anders als bei § 42 VwVfG („im Verwaltungsakt“) reicht<br />
es, dass Fehler „beim Erlass des Verwaltungsakts“ unterlaufen ist; d.h.<br />
Evidenz nach Aktenlage, nicht: Erkennbarkeit für Steuerpflichtigen; zum Teil<br />
kritisch: Tehler, DStR 2009, 1019<br />
4. Rücknahme und Widerruf von Nur-Steuer-Verwaltungsakten<br />
(§ 130, 131); dazu Hartmann, StuSt 2009, 15<br />
– gilt nicht für Steuerbescheide und gleichgestellte Bescheide<br />
(§ 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2d)<br />
– den §§ 48, 49 VwVfG nachgebildet<br />
– zum Teil strittig: verschärfende Abänderung / Neuerlass eines<br />
Geldleistungsverwaltungsakts