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Bert Brechts Lyrik. Außenansichten - im Shop von Narr Francke ...

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Ein lyrisch-politisches Programm <strong>im</strong> Exil 17<br />

Denke den Gedanken.<br />

Kostet er dich Geld,<br />

Verlangt er dein Haus<br />

Denke ihn, denke ihn.<br />

Du darfst es!<br />

[. . .]<br />

Für die Zukunft der Menschheit<br />

Zu deinem eigenen Wohlbefinden<br />

Darfst du.<br />

(136/11.172)<br />

Man sieht, wie hier <strong>im</strong> Grunde alle traditionellen Elemente, „Ruinen-Denken“,<br />

„heilsgeschichtliche Perspektive“, ja „Haus der Wahrheit“, bereits<br />

versammelt sind. Aber es muss das Exil gewesen sein, das diese Elemente<br />

zu quasi-allegorischer Präzision verdichtete. 19 Und das Gedicht Zeit meines<br />

Reichtums (1934; 804/14.278) scheint genau diesen Bedeutungs-Wechsel zu<br />

markieren. Es hält fest, wie Brecht sein nur sieben Wochen bewohntes Haus in<br />

Utting am Ammersee verlassen musste. In seinem Tagebuch beschreibt Brecht<br />

fast nur den neuen großen Garten. 20 Im Gedicht dagegen steht vor allem die<br />

Gediegenheit des Hauses <strong>im</strong> Mittelpunkt. Erst das Exil und die übertragene<br />

„geistige“ Bedeutung scheinen dem „Haus“ Interesse zu verleihen. Noch<br />

deutlicher in diesem Sinne lesen lässt sich der Schluss des Gedichtes Ich habe<br />

lange die Wahrheit gesucht (um 1933): „Als ich über die Grenze fuhr, dachte ich: /<br />

Mehr als mein Haus brauche ich die Wahrheit [. . .] Und seitdem ist die<br />

Wahrheit für mich wie ein Haus“ – allerdings ein Haus, beweglich, auf<br />

Widerruf und vom Verlust bedroht –„ist die Wahrheit für mich wie ein<br />

Haus und ein Wagen. / Und man hat sie genommen“ (739/14.192, Hervorhebung<br />

<strong>von</strong> mir).<br />

Es scheint also gerade der Gedanke beweglicher, unruhiger, problematischer<br />

und distanzierter Identifikation mit ideologischen Wahrheiten zu sein,<br />

der dominiert in der Parallelsetzung <strong>von</strong> „Haus (der Wahrheit)“ und „Schiff<br />

(eigener dichterischer Praxis)“ –die Allegorie, die sich noch weiter bestätigen<br />

wird, vorerst einmal angenommen – am Anfang <strong>von</strong> Warum soll mein Name<br />

genannt werden. Wie präzise nun auch Letzteres, also das „Schiff“-Motiv so zu<br />

lesen ist, zeigt zum Beispiel das spätere, 1941 entstandene Gedicht auf den<br />

Freitod des Allegorie-Theoretikers Walter Benjamin Die Verlustliste, das<br />

beginnt: „Flüchtend vom sinkenden Schiff, besteigend ein sinkendes / – Noch<br />

ist in Sicht kein neues [. . .]“ (982/14.43). Und wie eine barocke emblematische<br />

19 Vgl. zum allgemeinen Kontext z. B. Reinhold Jaretzky, <strong>Bert</strong>olt Brecht. Reinbek 2006, S. 79 ff.<br />

oder Klaus-Detlef Müller, <strong>Bert</strong>olt Brecht. Epoche – Werk – Wirkung. München 2009, S. 21 f. und<br />

S. 175 ff.<br />

20 <strong>Bert</strong>olt Brecht, Tagebücher 1920 – 1922. Autobiographische Aufzeichnungen 1920 – 1954. Hrsg.<br />

<strong>von</strong> Herta Ramthun, Frankfurt/M. 1975, S. 218.

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