Bert Brechts Lyrik. Außenansichten - im Shop von Narr Francke ...
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Ein lyrisch-politisches Programm <strong>im</strong> Exil 19<br />
Aber, und das ist doch bemerkenswert, auch den Dissens zu seinen eigenen<br />
Freunden, Schicksals- und Gesinnungsgenossen spricht Brecht fast mit denselben<br />
Wendungen an, mit denen er sich <strong>von</strong> Nazi-Deutschland und den USA<br />
abgegrenzt hatte:<br />
Die ich schicke, werden mit Verachtung behandelt<br />
Sie kehren zurück zu mir und sagen:<br />
Man scheint<br />
Dich dort nicht zu kennen.<br />
Von Leuten meines Faches (in dem ich ein Weiser bin)<br />
Werde ich aufgefordert<br />
Meinen Namen zu buchstabieren. Aber die Polizei<br />
Kennt mich.<br />
(249/14.248)<br />
Dieses erstmals <strong>im</strong> Supplement der (kleinen) Werkausgabe enthaltene Gedicht 24<br />
bezieht sich recht eindeutig auf <strong>Brechts</strong> linke und vor allem stalinistische<br />
„Freunde“ bzw. Konkurrenten. Zu solcher Verbitterung hatte er damals<br />
durchaus Anlass, und zwar in einer über die allgemeinen Zwänge, Behinderungen<br />
und Isolationen des Exils hinausgehenden Weise. 25 Die Uneinigkeit<br />
der Schriftsteller hatte sich gerade auf dem Kongress <strong>von</strong> 1935 in Paris wieder<br />
gezeigt; der Versuch, Die Mutter in New York zu inszenieren –„nur nichts zu<br />
tun haben mit den sogenannten linken Theatern“, schreibt Brecht 26 –, hatte<br />
tiefe Missverständnisse gerade bei den Freunden offen gelegt; die Begleitumstände<br />
bei der Publikation des Dreigroschenromans hatten Brecht geradezu<br />
verletzt; am tiefsten aber ging in diesen Jahren der fast unüberbrückbare<br />
Dissens zur offiziellen Kunstauffassung der kommunistischen Partei. Alfred<br />
Kantorowicz hatte in Unsere Zeit <strong>Brechts</strong> Dreigroschenroman gleichsam <strong>im</strong><br />
offiziellen Auftrag als „idealistisch“ und „bürgerlich dekadent“ abgelehnt. 27 Die<br />
so genannte „Expressionismusdebatte“ in der Zeitschrift Das Wort 28 zeigte<br />
zentrale, tiefgehende Widersprüche auf, insbesondere zwischen den Auffassungen<br />
<strong>von</strong> Georg Lukács und denen <strong>von</strong> Brecht. Die vielen Aufzeichnungen,<br />
die Brecht sich dazu gemacht hat, aber auch seine Gespräche mit Walter<br />
24 Vgl. <strong>Bert</strong>olt Brecht, Supplementbände zur Werkausgabe. Bd. 4, Gedichte aus dem Nachlaß. Hrsg.<br />
<strong>von</strong> Herta Ramthun, Frankfurt/M. 1982, S. 296.<br />
25 <strong>Brechts</strong> Briefe aus dem Exil sprechen <strong>im</strong>mer wieder <strong>von</strong> „Gegeneinanderarbeiten, Mißtrauen,<br />
Skepsis oder Illusionen“. <strong>Bert</strong> Brecht, Briefe. Hrsg. <strong>von</strong> Günter Glaeser, Frankfurt/M. 1981,<br />
Bd. 1, S. 164; vgl. z. B. auch S. 189 ff., 213 ff., 253 ff. oder 291, wo Brecht sich beklagt, „daß<br />
unsere Leute öffentlich [. . .] gute Miene machten, aber intern böses Spiel trieben“. Zu <strong>Brechts</strong><br />
Isolation allgemein in dieser Zeit vgl. z. B. Alexander Stephan, Die deutsche Exilliteratur<br />
1933 – 1945. München 1979, S. 163 ff.<br />
26 <strong>Bert</strong>olt Brecht, Briefe, Bd. 1, S. 278.<br />
27 Zu <strong>Brechts</strong> Verärgerung darüber vgl. ebd. S. 231 ff.<br />
28 Bequem nachzulesen in Hans-Jürgen Schmitt (Hrsg.), Die Expressionismusdebatte. Materialien<br />
zu einer marxistischen Realismuskonzeption. Frankfurt/M. 1973.