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Leseprobe Schattenvögel 27.9.2013

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meist im Eingangsbereich. Im ganzen Haus kam<br />

es einem vor, wie wenn man in einem Mülleimer<br />

sitzt und auf eine Geröllhalde blickt. Monsch<br />

dachte immer mal wieder daran, wie er dieses<br />

Messigehabe beenden könnte, kam aber zu keiner<br />

Lösung.<br />

»Hallo Mama, wie geht’s dir?«<br />

»Es ginge mir sehr viel besser, wenn Du mich<br />

etwas öfter besuchen würdest.«<br />

Monsch kannte diesen Spruch nur zu gut,<br />

denn er hörte ihn schon seit vielen Jahren und<br />

er war immer der gleiche. »Du weißt ja, wie das<br />

ist, Mama. Aber sag mal, was willst Du denn mit<br />

dieser alten Stoßstange?«<br />

»Schön, nicht? Habe ich unten im Dorf gefunden,<br />

muss ein ziemlich alter Wagen gewesen<br />

sein, denn so richtige Stoßstangen gibt es ja<br />

heute kaum mehr.«<br />

»Und was willst Du damit?«<br />

»Das weiß ich jetzt noch nicht, aber mir wird<br />

schon was einfallen. Möchtest du einen Kaffee?«<br />

Monsch wusste, dass sie nur Pulverschnellkaffee<br />

trank und lehnte dankend ab.<br />

»Ist ja schrecklich, was da in Chur passiert.«<br />

»Du meinst die Morde?«<br />

»Ja, wer tut denn sowas?«<br />

»Das wüsste ich auch gern.«<br />

»Du solltest vorsichtig sein, mein Junge.«<br />

»Bin ich, Mama. Hast du ein Glas Wasser?«<br />

»Klar, setz dich doch.« Monsch räumte ein<br />

paar Schachteln zur Seite und setzte sich an den<br />

Küchentisch.<br />

»Du hättest nie Polizist werden dürfen, das ist<br />

viel zu gefährlich. Ich hatte schon damals, als<br />

dieser Kerl Dich mit dem Messer angriff, große<br />

Angst. Und jetzt das hier.«<br />

»Halb so wild Mama. Er hat‘s offensichtlich<br />

nur auf Mädchen und Geistliche abgesehen.«<br />

»Ich hoffe, du täuscht dich nicht. Hast du Hunger?«<br />

Monsch kannte Mutters Kochkünste, die im<br />

Öffnen von Dosen und dem Wärmen des Inhalts<br />

bestanden. Büchsen, die dann Eingang in eines<br />

ihrer ominösen Kunstwerke fanden und lehnte<br />

dankend ab.<br />

»Aber mein Junge, Du musst etwas essen.«<br />

»Ich habe aber schon gegessen.«<br />

»Hast Du etwas von deinem Vater gehört?«<br />

Das fragte sie jedesmal, wenn er bei ihr war<br />

und sie erhielt auch immer die gleiche Antwort.<br />

»Ja, es geht ihm gut.«<br />

Sie redeten noch zwei Stunden, so lange blieb<br />

Monsch normalerweise, wenn er nicht gerade<br />

eine Steuererklärung für sie ausfüllen musste,<br />

dann verabschiedete er sich mit den Worten:<br />

»Die Pflicht ruft.«<br />

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