1897 bis 1945 – Ein Blick in die Geschichte
1897 bis 1945 – Ein Blick in die Geschichte
1897 bis 1945 – Ein Blick in die Geschichte
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<strong>1897</strong> <strong>bis</strong> <strong>1945</strong> <strong>–</strong><br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> <strong>Blick</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong><br />
Die Neue Börse, Sitz der Leipziger Handelskammer um <strong>1897</strong>
Postkarte des nach Büsch später benannten Institutes <strong>in</strong> Hamburg<br />
51<br />
Der 11. Juni <strong>1897</strong> war e<strong>in</strong> schöner warmer Frühsommertag.<br />
Schon am späten Vormittag zog es<br />
viele Leipziger, wie schon an den Tagen und Wochen<br />
zuvor, mit K<strong>in</strong>d und Kegel <strong>in</strong> den König-Albert-Park<br />
(heute: Clara-Zetk<strong>in</strong>-Park), wo auf e<strong>in</strong>em eigens da für<br />
angelegten Gelände <strong>die</strong> erste SächsischThür<strong>in</strong>gische<br />
Industrie und Gewerbeausstellung als bee<strong>in</strong>druckende<br />
Leistungsschau der Wirtschaft beider<br />
Länder mit vielen Attraktionen für das Publikum zu<br />
besichtigen war.<br />
Die Herren, <strong>die</strong> im großen Sitzungssaal der Handelskammer<br />
im Gebäude der Neuen Börse <strong>in</strong> ihren<br />
Gehröcken schwitzten, hatten allerd<strong>in</strong>gs anderes im<br />
Kopf, als an e<strong>in</strong>en Spaziergang im kühlen Schatten<br />
des König-Albert-Parks zu denken. Die Teilnehmer am<br />
zweiten Kongress des Deutschen Verbandes für das<br />
kaufmännische Unterrichtswesen, der am 11. und 12.<br />
Juni <strong>1897</strong> <strong>in</strong> Leipzig tagte, befassten sich am Vormittag<br />
des 11. Juni nämlich gerade mit der Handelshochschulfrage.<br />
An der Beratung nahm e<strong>in</strong>e große Anzahl von Vertretern<br />
deutscher Handelskammern, Direktoren und<br />
Lehrern kaufmännischer Unterrichtsanstalten, praktischer<br />
Kauf leute und anderer Sachverständiger aus<br />
allen Teilen Deutschlands teil, für <strong>die</strong> Messestadt<br />
hatten Vertreter der Handelskammer und der Öffentlichen<br />
Handelslehranstalt am Verhandlungstisch Platz<br />
genommen.<br />
Die Herren Dr. Ehrenberg und Dr. Sombart referierten<br />
zum Thema Erweist sich <strong>die</strong> Errichtung von Handelshochschulen<br />
(Handelsakademien) als e<strong>in</strong> Bedürfnis und auf<br />
welcher Grundlage s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>selben eventuell e<strong>in</strong>zurichten.<br />
Beide hatten im Jahr zuvor im Auftrag des Verbandes<br />
e<strong>in</strong> Gutachten zum Gegenstand verfasst und<br />
erläuterten nun ausführlich <strong>die</strong> Ergebnisse e<strong>in</strong>er<br />
schriftlichen Befragung von deutschen Kauf leuten,<br />
Industriellen, kaufmännischen Vere<strong>in</strong>en, Professoren,<br />
Handelsschulmännern und anderen Sachverständigen.<br />
Geburtswehen <strong>–</strong> Vorgeschichte<br />
der Gründung. Wo stand <strong>die</strong> Wiege<br />
der Betriebswirtschaftslehre?<br />
Inspiriert von der überraschend großen <strong>E<strong>in</strong></strong>stimmigkeit<br />
der Ansichten über das Wünschenswerte, ja<br />
Notwendige der Errichtung von Handelshochschulen<br />
<strong>in</strong> Deutschland ermunterte <strong>die</strong> Leitung des Verbandes<br />
noch während der Konferenz <strong>die</strong> Leipziger<br />
Delegation, im <strong>E<strong>in</strong></strong>vernehmen mit der Universität<br />
Leipzig <strong>die</strong> Gründung der ersten deutschen Handelshochschule<br />
zu wagen.<br />
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem <strong>die</strong> Geburt der ersten<br />
deutschen Handelshochschule schließlich beschlossen<br />
und im Jahre 1898 <strong>in</strong> <strong>die</strong> Tat umgesetzt<br />
wurde, war es e<strong>in</strong> weiter Weg.<br />
Für unsere Zwecke soll es genügen, <strong>die</strong> wesentlichen<br />
Personen, deren gedankliche und praktische<br />
Vorleistungen und gesammelte Erfahrungen am<br />
Ende auch zum Gel<strong>in</strong>gen des Projektes Handelshochschule<br />
beigetragen haben zu nennen.<br />
Dazu zählen auf alle Fälle Paul Jacob Marperger,<br />
Johann Georg Büsch, Ernst Wilhelm Arnoldi, Arnold<br />
L<strong>in</strong>dwurm und Gustav von Mevissen. Dem Interessierten<br />
wird empfohlen, <strong>die</strong> genannten Quellen zu<br />
Rate zu ziehen.<br />
Die Kramer<strong>in</strong>nung beschloss während e<strong>in</strong>er Versammlung<br />
am 17. Februar 1830, an der immerh<strong>in</strong><br />
123 Innungsmitglieder teilnahmen, <strong>die</strong> Errichtung<br />
e<strong>in</strong>er Handelslehranstalt <strong>in</strong> Leipzig.<br />
Am achten April des gleichen Jahres reichte <strong>die</strong><br />
Innung dem Rat der Stadt e<strong>in</strong> von ihrem Konsulenten<br />
Dr. August Mothes verfasstes Gesuch zur Errichtung<br />
e<strong>in</strong>er Handelsakademie e<strong>in</strong>, das der Rat noch<br />
am gleichen Tage an den Sächsischen König Anton<br />
weiterleitete. Nach der Genehmigung durch den<br />
Sächsischen König fand dann am Sonntag, den 23. Januar<br />
1831, <strong>die</strong> feierliche Eröffnung der Handels-Lehranstalt<br />
statt. Das erste Direktorat übernahm David<br />
August Schiebe, der <strong>die</strong> Öffentliche Handelslehr anstalt<br />
zur ersten modernen Kaufmannsschule Deutschlands<br />
entwickelte.<br />
Die Grundlage der Expertise von Ehrenberg<br />
und Sombart bildete e<strong>in</strong> Fragebogen<br />
mit sieben allgeme<strong>in</strong>en und zehn besonderen<br />
Fragen. 301 von 400 Befragten<br />
antworteten, 83% von ihnen sprachen<br />
sich unbed<strong>in</strong>gt für <strong>die</strong> Gründung von<br />
Handelshochschulen aus, etwa 4% hatten<br />
gewisse <strong>E<strong>in</strong></strong>wände und nur e<strong>in</strong> Rest von<br />
13% war wirklich dagegen.<br />
Der Hamburger Mathematiker Johann<br />
Georg Büsch, Professor am dortigen<br />
Gelehrtengymnasium, hatte 1767 unter<br />
dem Namen Handelsakademie e<strong>in</strong>e Institution<br />
<strong>in</strong>s Leben gerufen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> etwa der<br />
späteren Höheren Abteilung der Öffentlichen<br />
Handelslehranstalt glich. Diese<br />
Schule besuchte u. a. Alexander von Humboldt.<br />
Wegen mangelnder Unterstützung<br />
musste <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>richtung aber bereits 1800<br />
wieder schließen.<br />
Pokal aus dem Kramerschatz<br />
um 1720/30, geschliffenes Glas<br />
mit Matt- und Klarschnitt,<br />
Darstellung vom Ende der<br />
S<strong>in</strong>tflut, Höhe 22,5 cm
<strong>1897</strong> <strong>bis</strong> <strong>1945</strong> <strong>–</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong> blick <strong>in</strong> diE GEschichtE 52 53<br />
GEburtswEhEn <strong>–</strong> VorGEschichtE dEr GründunG. wo stand diE wiEGE dEr bEtriEbswirtschaftslEhrE?<br />
Für <strong>die</strong> Entwicklung <strong>in</strong> Leipzig ist von<br />
Bedeutung, dass der hiesige Universitätsprofessor<br />
Treitschke bereits 1829 e<strong>in</strong>e<br />
Denkschrift Ideen zu e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> Leipzig zu<br />
errichtenden Handlungslehr anstalt veröffentlichte,<br />
<strong>die</strong> neben anderen Schriften<br />
<strong>die</strong> älteste kaufmännische Körperschaft<br />
Sachsens, <strong>die</strong> seit 1278 bestehende<br />
Leipziger Kramer<strong>in</strong>nung, zu e<strong>in</strong>er<br />
Initiative anregte.<br />
Besonders der Kramermeister und<br />
Bankier Karl Leberecht Hammer, Mitbegründer<br />
des Bankhauses Hammer &<br />
Schmidt, erkannte <strong>die</strong> Bedeutung e<strong>in</strong>er<br />
Handelsschule für Leipzig und gilt als<br />
der Initiator der Gründung. Nach ihm<br />
ist heute noch e<strong>in</strong>e Straße im Leipzig-<br />
Connewitz benannt.<br />
Die Sächsische Gewerbeordnung vom<br />
1. Januar 1862 ersetzte <strong>die</strong> <strong>bis</strong>her geltende<br />
Kramerordnung von 1484. Auf ihrer<br />
Grund lage konstituierte sich am 2. Au gust<br />
1862 <strong>die</strong> Handels- und Gewerbekammer<br />
Leipzig. Mit der Teilnahme von drei Deputierten<br />
der Handelskammer als Gäste an<br />
e<strong>in</strong>er Sitzung des Vorstandes der Öffentlichen<br />
Handelslehranstalt am 9. März 1869<br />
begann <strong>die</strong> schrittweise Übernahme der<br />
Schule durch <strong>die</strong> Handelskammer.<br />
Denkschrift von Professor Raydt<br />
(Titelblatt)<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>e Petition der Breslauer Handelskammer an<br />
<strong>die</strong> Preußische Regierung im Jahre 1870 um <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>richtung<br />
von Universitätslehrstühlen für Handelswissenschaften<br />
nahm <strong>die</strong> Handelskammer zum Anlass,<br />
den Leipziger Gymnasialprofessor Kühne um se<strong>in</strong>e<br />
Ansichten zu <strong>die</strong>ser Frage zu bitten.<br />
Dieser legte im Juli 1870 e<strong>in</strong>e Schrift mit dem Titel<br />
Über das Bedürfniß und <strong>die</strong> Organisation e<strong>in</strong>er Handels-<br />
Akademie vor, <strong>in</strong> der er sich ausführlich mit dem<br />
»Nachweis des Bedürfnisses e<strong>in</strong>er solchen <strong>E<strong>in</strong></strong>richtung«<br />
sowie derer »Inneren und Äußeren Organisation«<br />
beschäftigte. Weiter stellt er fest, dass <strong>die</strong> <strong>bis</strong>herigen<br />
Bildungsanstalten für angehende Kauf leute<br />
den aus der Entwicklung von Handel und Industrie<br />
entspr<strong>in</strong>genden Erfordernissen nicht mehr genügen,<br />
dass aber partielle Verbesserungen bei der Öffentlichen<br />
Handelslehranstalt das Problem nicht lösen<br />
könnten, vielmehr müsse <strong>die</strong> Handelskammer e<strong>in</strong>e<br />
separate Akademie <strong>in</strong>s Leben rufen. Dies würde aber<br />
<strong>die</strong> Nutzung von Dozenten der Universität und der<br />
Öffentlichen Handelslehranstalt nicht ausschließen. 1<br />
Offenbar löste <strong>die</strong> Schrift zum damaligen Zeitpunkt<br />
aber ke<strong>in</strong>e weiteren Aktivitäten aus. Ihr Gedankengut<br />
fand jedoch später bei der Gründung der<br />
ersten deutschen Handelshochschule <strong>in</strong> Leipzig gebührende<br />
Berücksichtigung.<br />
Am 17. März 1887 übergab <strong>die</strong> sich auf lösende Kramer<strong>in</strong>nung<br />
ihre gesamten Vermögenswerte an <strong>die</strong><br />
Handelskammer. Dazu gehörten 118 Ölgemälde und<br />
Porträts von Kramervorständen, der Jahrhunderte<br />
alte Gold, Silber, Glas und Porzellanschatz sowie<br />
<strong>die</strong> Archive der Kramer<strong>in</strong>nung. Die Kammer übernahm<br />
von <strong>die</strong>sem Zeitpunkt an auch <strong>die</strong> alle<strong>in</strong>ige<br />
Verwaltung der Öffentlichen Handelslehranstalt.<br />
Die Braunschweiger Handelskammer veranstaltete<br />
e<strong>in</strong>en ersten Fortbildungskurs mit 190 Teilnehmern zu<br />
Fragen der kaufmännischen Bildung, der vom 4. <strong>bis</strong><br />
5. Oktober 1895 stattfand. Sie reagierte damit unmittelbar<br />
auf aktuelle Entwicklungen <strong>in</strong> der deutschen Wirtschaft.<br />
Auf Anregung des Syndikus der Kammer, Dr.<br />
Richard Stegemann, entschloss man sich wegen der<br />
Bedeutung der diskutierten Fragen zu e<strong>in</strong>er Fortsetzung<br />
der Zusammenkünfte und wählte dazu e<strong>in</strong>en<br />
Ausschuss, dessen Vorsitz Stegemann übernahm. Der<br />
Ausschuss hielt noch vor Ort se<strong>in</strong>e erste Sitzung zur<br />
Vorbereitung der nächsten Versammlung ab.<br />
Ende des gleichen Jahres fand <strong>die</strong> zweite Sitzung<br />
des Ausschusses <strong>–</strong> <strong>die</strong> eigentliche konstituierende<br />
Sitzung <strong>–</strong> <strong>in</strong> Leipzig statt. Man gab sich den Namen<br />
Ausschuss für das kaufmännische Fortbildungswesen und<br />
wählte Dr. Stegemann zum Vorsitzenden.<br />
Zur dritten Sitzung des Ausschusses für das kaufmännische<br />
Fortbildungswesen trafen sich <strong>die</strong> Teil<br />
nehmer vom 7. <strong>bis</strong> 8. Oktober 1896 <strong>in</strong> Eisenach. Sie<br />
endete mit der Gründung des Deutschen Verbandes für<br />
das kaufmännische Unterrichtswesen, dessen Hauptziel<br />
<strong>in</strong> der Hebung und Förderung der kaufmännischen<br />
Erziehung bestand. (Dieses Treffen zählt als erster<br />
Kongress des Verbandes.)<br />
Der Verband beauftragte den Syndikus des Königlichen<br />
Kommerzkollegiums <strong>in</strong> Altona, Dr. Ehrenberg<br />
(später Professor an der Universität <strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen),<br />
mit der Abfassung e<strong>in</strong>er Denkschrift über <strong>die</strong><br />
Errichtung von Handelshochschulen.<br />
Im Dezember des gleichen Jahres richtete <strong>die</strong> Leipziger<br />
Handelskammer <strong>–</strong> zugleich im Namen der übrigen<br />
sächsischen Handels und Gewerbekammern <strong>–</strong><br />
an das Königlich Sächsische M<strong>in</strong>isterium für Kultus<br />
und Öffentlichen Unterricht <strong>die</strong> Bitte, bei der Leipziger<br />
Universität und dem Polytechnikum zu Dresden<br />
e<strong>in</strong>e Stellungnahme darüber e<strong>in</strong>zuholen, ob und<br />
unter welchen Voraussetzungen e<strong>in</strong>e Angliederung<br />
kaufmännischer Fächer an <strong>die</strong> akademische Lehre<br />
für ausführbar erachtet wird.<br />
In se<strong>in</strong>er Antwort vom 8. Januar <strong>1897</strong> auf <strong>die</strong> Anfrage<br />
empfahl das M<strong>in</strong>isterium e<strong>in</strong>e Anlehnung der<br />
geforderten ergänzenden Unterrichtskurse an <strong>die</strong><br />
Öffentliche Handelslehranstalt zu Leipzig.<br />
Durch <strong>die</strong> e<strong>in</strong>gangs schon erwähnte Unterstützung<br />
der Leipziger Gründungsabsichten von Seiten<br />
der leitenden Kräfte des Verbandes während der Tagung<br />
am 11. und 12. Juni <strong>1897</strong> verlagerte sich nun der<br />
Schwerpunkt der deutschen Handelshochschulbewegung<br />
nach Sachsen. Noch im Juli bildete sich auf<br />
Initiative der Handelskammer e<strong>in</strong> Schulverfassungsausschuss,<br />
der auf <strong>E<strong>in</strong></strong>ladung des Vorsitzenden der<br />
Kammer, Gustav Zwe<strong>in</strong>iger, am 27. d. M. zur wohl<br />
entscheidenden Besprechung zusammentrat. Die Universität<br />
Leipzig war durch Magnifizenz Professor<br />
Friedberg und <strong>die</strong> Professoren Bücher, Lamprecht<br />
und Hasse vertreten. Von der Öffentlichen Handelslehranstalt<br />
nahmen u. a. Professor Raydt und aus<br />
dem Schulvorstand Gustav Kreutzer und Julius Meissner<br />
teil. Protokoll führten <strong>die</strong> Sekretäre der Handelskammer<br />
Dr. Gensel und Dr. Wendtland.<br />
Basierend auf den <strong>bis</strong>herigen Diskussionen und<br />
der Stellungnahme des M<strong>in</strong>isteriums vom Januar<br />
besprachen <strong>die</strong> Teilnehmer zwei Modelle. Entweder<br />
e<strong>in</strong>e Angliederung der neuen kaufmännischen Un terrichtsfächer<br />
an <strong>die</strong> Universität oder <strong>die</strong> Gründung<br />
e<strong>in</strong>er Art Akademie, <strong>die</strong> sich von vornhere<strong>in</strong> auch<br />
nach außen als unabhängige <strong>E<strong>in</strong></strong>richtung darstellt.<br />
Im Verlaufe weiterer Erörterungen, <strong>die</strong> sich <strong>bis</strong><br />
Oktober h<strong>in</strong>zogen, und <strong>in</strong> Kontaktgesprächen mit<br />
dem Rat der Stadt Leipzig wurde Klarheit darüber geschaffen,<br />
dass <strong>die</strong> zu gründende Handelshochschule<br />
Auditorium Maximum der Universität Leipzig, um 1898<br />
e<strong>in</strong>e selbständige Organisation mit e<strong>in</strong>em Senat se<strong>in</strong><br />
sollte, an dessen Spitze der Vorsitzende der Handelskammer<br />
treten wird. Die Kammer erklärte sich bereit,<br />
für <strong>die</strong> ersten zwei <strong>bis</strong> drei Jahre <strong>die</strong> f<strong>in</strong>anzielle<br />
Garantie für <strong>die</strong> neue Anstalt zu übernehmen. Direkte<br />
Unterstützung erfuhr das Projekt ebenfalls<br />
durch Leipzigs Oberbürgermeister Otto Robert Georgi<br />
und se<strong>in</strong>en Amtsnachfolger Carl Bruno Tröndl<strong>in</strong>.<br />
In der Beratung des Schulverfassungsausschusses<br />
am 26. Oktober legte Professor Raydt se<strong>in</strong>e im Auftrag<br />
der Handelskammer zu Leipzig verfasste Denkschrift<br />
Zur Begründung e<strong>in</strong>er Handels-Hochschule <strong>in</strong><br />
Leipzig vor. Man beschloss den Druck der Schrift, vere<strong>in</strong>barte<br />
aber vertrauliche Behandlung.<br />
Am 2. November wurde der Ausschuss auf der<br />
Grundlage der Raydtschen Denkschrift zu Verhandlungen<br />
mit der Sächsischen Regierung über <strong>die</strong><br />
Gründung e<strong>in</strong>er Handelshochschule <strong>in</strong> Leipzig ermächtigt.<br />
Die Organisatoren erhielten am 14. Januar 1898<br />
<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Königlichen Verordnung <strong>die</strong> staatliche<br />
Bestätigung für <strong>die</strong> Eröffnung der Handelshochschule.<br />
Die zu gründende Institution sollte<br />
dem Königlich Sächsischen M<strong>in</strong>isterium des Inne<br />
<strong>Blick</strong> vom Innenhof auf das Albert<strong>in</strong>um<br />
ren und des Kultus und öffentlichen Unterrichts unterstehen.<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>e erneute Zusammenkunft des Schulverfassungsausschusses,<br />
an der Vertreter der Königlichen<br />
Kreishauptmannschaft, des Rates der Stadt, der Universität,<br />
des Vere<strong>in</strong>s der Buchhändler zu Leipzig, der<br />
Erste Sekretär der Handelskammer, der stellvertretende<br />
Direktor der Öffentliche Handelslehranstalt<br />
(ÖHLA) und deren Schulvorstand teil nahmen, befasste<br />
sich am 12. Februar mit der Dis kussion und<br />
Feststellung e<strong>in</strong>es von der Handelskammer erarbeiteten<br />
Entwurfs der Ordnung für <strong>die</strong> Handelshochschule.<br />
Am 18. Februar trat <strong>die</strong>se Ordnung <strong>in</strong> Kraft;<br />
e<strong>in</strong>e Immatrikulationsordnung folgte am 18. April.<br />
Im Auditorium Maximum der Leipziger Universität<br />
fand dann am 25. April unter Teilnahme vieler<br />
hoher Gäste <strong>die</strong> feierliche Eröffnung der ersten deutschen<br />
Handelshochschule statt.<br />
Den Leipzigern gebührt das Ver<strong>die</strong>nst, es als erste<br />
gewagt zu haben, trotz aller noch erwarteten Unwägbarkeiten<br />
aus der <strong>bis</strong>her nur gedachten Möglichkeit<br />
Wirklichkeit zu machen, obwohl der Ausgang des Experimentes<br />
zu jenem Zeitpunkt noch völlig ungewiss<br />
schien.<br />
Zur Eröffnung der Handelshochschule<br />
schrieben <strong>die</strong> Leipziger Neuesten Nachrichten<br />
am gleichen Tage: »Am heutigen Tage<br />
wird <strong>in</strong> der Aula der hiesigen Universität<br />
<strong>die</strong> erste deutsche Handelshochschule<br />
feierlich eröffnet. Wiederum ist unser<br />
Leipzig <strong>die</strong>jenige Stadt, <strong>in</strong> der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
geme<strong>in</strong>nützigen, <strong>die</strong> Wissenschaft und<br />
Praxis gleichmäßig berührenden Sache<br />
<strong>die</strong> Initiative ergriffen wurde, <strong>in</strong>dem hier<br />
der Versuch gewagt werden soll, <strong>die</strong><br />
schon lange <strong>in</strong> der deutschen Kaufmannschaft<br />
gehegte Liebl<strong>in</strong>gsidee, der Schaffung<br />
e<strong>in</strong>er Hochschule zur gründlichen<br />
Ausbildung des Kaufmannsstandes, <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />
Wirklichkeit umzusetzen.« 2<br />
Arwed Rossbach, der den Umbau des<br />
Albert<strong>in</strong>ums leitete, schloss se<strong>in</strong>e Arbeit<br />
im Jahre <strong>1897</strong> ab. Ansonsten hätte man<br />
mög licherweise für <strong>die</strong> Eröffnungsfeier<br />
der Handelshochschule andere Räumlichkeiten<br />
f<strong>in</strong>den müssen, denn erst 1898 war<br />
dann auch der Umbau des Augusteums<br />
beendet.
Das Leipziger Tageblatt vom 25. April 1898<br />
zur Handelshochschule: »Adm<strong>in</strong>istrativ<br />
aber gilt sie als eigene Organisation, mit<br />
eigenen Statuten, eigenem Senate und<br />
eigener Immatriku lationsordnung, f<strong>in</strong>anziell<br />
gesichert durch <strong>die</strong> Garantie der<br />
Leipziger Handelskammer und von Seiten<br />
der Königlichen Sächsischen Staatsregierung<br />
und der Stadtgeme<strong>in</strong>de Leipzig<br />
durch e<strong>in</strong>en Jahresbeitrag unterstützt.« 1<br />
Die seit 1874 <strong>in</strong> Leipzig ansässige Kreishauptmannschaft<br />
war als staatliche Mittelbehörde<br />
auch für <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
zuständig. <strong>E<strong>in</strong></strong> von ihr bestellter<br />
Staatskommissar vertrat <strong>die</strong> Königlich-<br />
Sächsische Regierung im Senat der Handelshochschule.<br />
Über ihn lief sämtlicher<br />
Schriftverkehr mit den zuständigen M<strong>in</strong>isterien<br />
<strong>in</strong> Dresden <strong>in</strong> beiden Richtungen.<br />
Gleichzeitig fungierte er als staatlicher<br />
Vertreter (königlicher Kommissar) <strong>in</strong> der<br />
Prüfungskommission der Handelshochschule.<br />
Vor dem Ersten Weltkrieg fanden<br />
sogar öfter Prüfungen <strong>in</strong> den Räumen der<br />
Kreishauptmannschaft am Rossplatz 11<br />
statt. Ab 1919 lautete <strong>die</strong> Bezeichnung<br />
Staatsvertreter bei der Prüfungskommission<br />
der Handelshochschule, später Vorsitzender<br />
der Staatlichen Prüfungskommission der<br />
Handelshochschule. Im Juni 1941 ernannte<br />
der zuständige Reichsm<strong>in</strong>ister den Oberbürgermeister<br />
der Stadt Leipzig zum<br />
Vorsitzenden des Prüfungsamtes an der<br />
Handelshoch schule.<br />
Die Funktion des Staatskommissars blieb<br />
<strong>bis</strong> 1. April 1929 erhalten, von da an durfte<br />
<strong>die</strong> Handelshochschule mit dem zuständigen<br />
Wirtschaftsm<strong>in</strong>isterium <strong>in</strong> Dresden<br />
direkt verkehren. Ab Juni 1933 fungierte<br />
der Kreishauptmann wieder als Staatskommissar<br />
für <strong>die</strong> Handelshochschule.<br />
Im April 1939 übertrug man <strong>die</strong> Geschäfte<br />
des Staatskommissars dem Regierungspräsidenten,<br />
der von da an dem Kuratorium<br />
der Handelshochschule angehörte.<br />
Leitungsstruktur und <strong>in</strong>nere<br />
Organisation der Handelshochschule<br />
Bereits <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Rede, <strong>die</strong> er anlässlich der Eröffnung<br />
der Handelshochschule hielt, äußerte sich<br />
Hermann Raydt zur <strong>in</strong>neren <strong>E<strong>in</strong></strong>richtung der neuen<br />
Institution. Er beschrieb sie als e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> sich selbständige<br />
Organisation, auch wenn sie vorläufig noch ke<strong>in</strong><br />
eigenes Gebäude und ke<strong>in</strong>en eigenen Lehrkörper besäße.<br />
Gerade wegen <strong>die</strong>ser beiden letztgenannten<br />
Punkte und der oft bekrittelten Nähe zur Universität<br />
ist der Handelshochschule <strong>in</strong> den ersten Jahren ihres<br />
Bestehens hier und da vorgeworfen worden, sie wäre<br />
gar ke<strong>in</strong>e eigenständige Hochschule und damit auch<br />
nicht <strong>die</strong> erste ihrer Art <strong>in</strong> Deutschland. Die Leipziger<br />
Gründer haben das begreiflicherweise immer<br />
anders betrachtet und <strong>die</strong> Selbständigkeit nicht nur<br />
als e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> juristische ansehen wollen. Aus welchen<br />
Gründen man für <strong>die</strong> Starphase e<strong>in</strong>e besondere<br />
Form wählte, hat der Leser schon an anderer Stelle<br />
erfahren.<br />
Auch der damalige Rektor der Universität, Professor<br />
Wachsmuth, stützte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ansprache bei der<br />
Eröffnung Raydts These. Er beschrieb den Beitrag<br />
der Universität für <strong>die</strong> neue <strong>E<strong>in</strong></strong>richtung als e<strong>in</strong> Angebot,<br />
<strong>die</strong> bei ihr schon fertig ausgebildeten Institutionen<br />
mit zu nutzen, und sagte weiter, das habe <strong>die</strong><br />
Universität mit aufrichtiger Freude getan und werde<br />
es auch weiter tun <strong>in</strong> der Hoffnung, dass wenigstens<br />
für <strong>die</strong> Anfänge <strong>die</strong>se Kooperation sich als nicht unnützlich<br />
erweisen werde.<br />
Die Regelungen, welche <strong>die</strong> Organisation der Handelshochschule<br />
betrafen, f<strong>in</strong>det man <strong>in</strong> der Ordnung<br />
für <strong>die</strong> Handelshochschule zu Leipzig, genehmigt<br />
durch Verordnung des Königlichen M<strong>in</strong>isteriums<br />
des Inneren vom 18. Februar 1898, das <strong>bis</strong> 1921 <strong>die</strong><br />
staatliche Zuständigkeit für <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
<strong>in</strong>nehatte. Die Handelskammer Leipzig übernahm<br />
zunächst für zwei Jahre alle aus der Begründung und<br />
Führung der Anstalt erwachsenden f<strong>in</strong>anziellen Verb<strong>in</strong>dlichkeiten,<br />
<strong>die</strong> Handelshochschule führte also<br />
ke<strong>in</strong>en eigenen Haushalt. Die staatliche Kontrolle<br />
übte das M<strong>in</strong>isterium des Inneren aus, das war vorgesehen<br />
<strong>bis</strong> zu dem Zeitpunkt, an dem <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
e<strong>in</strong>e selbständige Verfassung erhielt. In<br />
den Händen des Hochschulsenats, dessen Vorsitz der<br />
jeweilige Vorsitzende der Handelskammer zu Leipzig<br />
<strong>in</strong>nehatte, lag <strong>die</strong> Leitung der Hochschule. In den<br />
beiden ersten Jahren setzte sich der Senat wie folgt<br />
zusammen:<br />
• e<strong>in</strong> Vertreter der Königlichen Staatsregierung<br />
(Staatskommissar),<br />
• e<strong>in</strong> Vertreter der Stadt Leipzig,<br />
• der Vorsitzende der Handelskammer und zwei von<br />
<strong>die</strong>ser abzuordnende Mitglieder,<br />
• drei vom Akademischen Senat der Universität abzuordnende<br />
Professoren,<br />
• zwei von dem Vorstande der Öffentlichen Handelslehranstalt<br />
zu wählende Lehrer <strong>die</strong>ser Anstalt sowie<br />
der anzustellende Stu<strong>die</strong>ndirektor, so dass er<br />
<strong>in</strong>sgesamt elf Mitglieder umfasste. Der Senat veränderte<br />
sich im Verlaufe der Jahre sowohl <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Struktur als auch <strong>in</strong> der personellen Zusammensetzung.<br />
Dem Stu<strong>die</strong>ndirektor, der nach § 5 der o. g. Ordnung<br />
auf Vorschlag des Senats von der Handelskammer<br />
auf zwei Jahre angestellt wurde, oblag unter Mitwirkung<br />
und Aufsicht des Senats <strong>die</strong> unmittelbare<br />
Leitung der Handelshochschule, er hatte sich gewissermaßen<br />
um das Tagesgeschäft zu kümmern, und<br />
zwar sowohl um Fragen von Lehre und Forschung als<br />
auch um <strong>die</strong> technischorganisatorischen Seiten des<br />
Stu<strong>die</strong>nbetriebes. Wie wir wissen, war das <strong>in</strong> Doppelfunktion<br />
als erster Stu<strong>die</strong>ndirektor der Direktor der<br />
Öffentlichen Handelslehranstalt, Professor Raydt.<br />
Ende 1908 erfolgte e<strong>in</strong>e teilweise Übergabe von<br />
Buchhaltungsaufgaben nach dem Muster der Quästur<br />
der Universität an <strong>die</strong> Handelshochschule, wobei<br />
es sich weitgehend um <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>nahmen aus gewissen<br />
Gebühren usw. handelte. Bei der Kammer verblieben<br />
<strong>die</strong> Beiträge des Staates, der Stadt und der<br />
54<br />
55<br />
Garanten, Z<strong>in</strong>sen, Bankverb<strong>in</strong>dungen sowie alle Auszahlungen.<br />
Folgen wir nun der Entwicklung der <strong>in</strong>neren Organisation<br />
weiter, so ist der nächste markante Punkt<br />
der 2. Februar 1911, an dem das M<strong>in</strong>isterium des Inneren<br />
der Handelshochschule durch Verordnung <strong>die</strong><br />
Eigenschaft e<strong>in</strong>er juristischen Person verlieh. Das bedeutete,<br />
knapp 13 Jahre nach ihrer Gründung erlangte<br />
<strong>die</strong> Handelshochschule ihre völlige juristische und<br />
ökonomische Selbstständigkeit. Sie wurde juristische<br />
Person des öffentlichen Rechts.<br />
Diesem Schritt g<strong>in</strong>gen längere Diskussionen mit<br />
der Handelskammer um den gewünschten veränderten<br />
Status voraus. Als der Senat im Juli 1910 mit<br />
e<strong>in</strong>em Schreiben an <strong>die</strong> Handelskammer <strong>die</strong> Initiative<br />
dazu ergriff, wollte <strong>die</strong>se sich, offenbar leicht verschnupft,<br />
erst e<strong>in</strong>mal sofort ihrer Dauerverpflichtung<br />
für Zahlungen zu Gunsten der Handelshochschule<br />
entledigen. <strong>E<strong>in</strong></strong>verständnis bestand h<strong>in</strong>gegen<br />
<strong>in</strong> der Frage, dass ke<strong>in</strong>e Personalunion Vorsitzender<br />
der Handelskammer gleich Vorsitzender des Senats mehr<br />
bestehen sollte. Künftig würden vielfach Fragen der<br />
<strong>in</strong>neren Organisation des akademischen Unterrichts<br />
im Vordergrund stehen. Da dürfte sich der Senat<br />
nicht <strong>die</strong> Möglichkeit versperren, jedes Mal <strong>die</strong> dafür<br />
geeignetste Persönlichkeit auszuwählen, hatte man <strong>in</strong><br />
dem Schrei ben argumentiert.<br />
Der Vorsitz im Senat stand gemäß der neuen Satzung<br />
also nicht mehr zwangsläufig dem Vorsitzenden<br />
der Handelskammer zu. Die Besetzung erfolgte<br />
alle zwei Jahre durch Wahl aus dem Kreis der Senatoren.<br />
Demgemäß folgte dem im Dezember 1910<br />
ausscheidenden Gustav Zwe<strong>in</strong>iger erstmals mit Carl<br />
Bücher e<strong>in</strong> Universitätsprofessor <strong>in</strong>s Amt.<br />
In <strong>die</strong>ser Phase erzielte man auch <strong>E<strong>in</strong></strong>igkeit darüber,<br />
das Amt des Stu<strong>die</strong>ndirektors künftig vom<br />
Direktorat der Öffentlichen Handelslehranstalt zu<br />
trennen. Bei der erreichten Größe der Handelshochschule<br />
war <strong>die</strong> Last beider Ämter auf Dauer e<strong>in</strong>er<br />
Person nicht mehr zuzumuten.<br />
Im Februar 1922 erhielt <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
e<strong>in</strong>e neue Verfassung und unterstand ab sofort der<br />
Aufsicht des Sächsischen Wirtschaftsm<strong>in</strong>isteriums,<br />
später der des Volksbildungsm<strong>in</strong>isteriums. Im § 3 des<br />
ersten Nachtrages zur veränderten Ordnung der<br />
Handelshochschule hieß es dazu s<strong>in</strong>ngemäß, dass <strong>die</strong><br />
Handelshochschule ab sofort e<strong>in</strong>e Rechtsfähigkeit<br />
besitzende Anstalt des öffentlichen Rechts sei, deren<br />
Leitung ihrem Senat zusteht. Die Anzahl der Senatsmitglieder<br />
erhöhte sich von zwölf auf 17, <strong>die</strong> Handelskammern<br />
Dresden, Chemnitz, Plauen und Zwickau<br />
erhielten zusammen e<strong>in</strong>en zweiten Sitz, <strong>die</strong> GdF<br />
erhielt als neues Mitglied zwei Sitze und <strong>die</strong> Handels<br />
lEitunGsstruktur und <strong>in</strong>nErE orGanisation dEr handElshochschulE<br />
hochschule war nun neben dem Rektor und Prorektor<br />
mit zusätzlich zwei Professoren vertreten. Erstmals<br />
im Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester<br />
1926 erschien im Untertitel des Deckblatts<br />
der Zusatz Anstalt des öffentlichen Rechts. Unter e<strong>in</strong>er<br />
solchen Anstalt versteht man e<strong>in</strong>e öffentlichrechtliche<br />
Verwaltungse<strong>in</strong>richtung mit eigener Rechtspersönlichkeit<br />
(juristische Person), <strong>die</strong> bestimmte<br />
Aufgaben unter staatlicher Aufsicht erfüllt. Diese<br />
staatliche Aufsicht schränkte aber das souveräne<br />
Handeln der Handelshochschule im Rahmen ihrer<br />
<strong>in</strong> der Satzung formulierten Ziele und Aufgaben <strong>in</strong><br />
ke<strong>in</strong>er Weise e<strong>in</strong>.<br />
Wesentliche Entscheidungen zur Leitungsstruktur<br />
fielen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Zeit, <strong>in</strong> der Professor Schultze der Handelshochschule<br />
vorstand. Vom 1. August 1922 an war er<br />
Stu<strong>die</strong>ndirektor und danach ab Januar 1923 bekleidete<br />
er das Amt e<strong>in</strong>es Rektors, nachdem das Wirtschaftsm<strong>in</strong>isterium<br />
<strong>die</strong> erforderliche Genehmigung zur Führung<br />
<strong>die</strong>ses Titels erteilt hatte. Gleichzeitig genehmigte<br />
es auch <strong>die</strong> Ernennung e<strong>in</strong>es Prorektors.<br />
Der Zustimmung des M<strong>in</strong>isteriums waren längere<br />
Verhandlungen und Ause<strong>in</strong>andersetzungen um <strong>die</strong><br />
Amtsbezeichnung Rektor vorausgegangen. Der Vorsitzende<br />
des Senats der Handelshochschule, Richard<br />
Schmidt, und Professor Adler hatten bereits mit<br />
e<strong>in</strong>em Schreiben im Oktober 1920 an <strong>die</strong> zuständigen<br />
Stellen <strong>in</strong> Dresden mit e<strong>in</strong>er gewissen Verbitterung<br />
darauf verwiesen, dass <strong>in</strong> Sachsen jetzt sogar<br />
<strong>die</strong> Leiter von Mittelschulen Oberstu<strong>die</strong>ndirektor<br />
hießen. In e<strong>in</strong>em solchen Amtsträger sehe <strong>die</strong> Allgeme<strong>in</strong>heit<br />
<strong>in</strong> der Regel mehr als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Stu<strong>die</strong>ndirektor<br />
der Handelshochschule, das setze <strong>die</strong>sen somit<br />
im öffentlichen Ansehen herab. Sie forderten<br />
deshalb nachdrücklich den Titel Rektor e<strong>in</strong>. Mit der<br />
Begründung, <strong>die</strong> Bezeichnungen Rektor und Prorektor<br />
wären nur bei Hochschulen mit eigentlicher Rektoratsverfassung<br />
üblich, <strong>die</strong> Handelshochschule besitze<br />
aber <strong>bis</strong> jetzt e<strong>in</strong>e solche nicht, lehnte das M<strong>in</strong>isterium<br />
den Antrag erst e<strong>in</strong>mal ab, musste sich aber<br />
schließlich doch den Argumenten der Handelshochschule<br />
beugen.<br />
Die Amtse<strong>in</strong>führung des nunmehr jeweils nach<br />
demokratischen Regeln für zwei Jahre gewählten<br />
Rektors sollte immer am 8. Mai stattf<strong>in</strong>den. Es galt<br />
e<strong>in</strong> besonderes Zeremoniell, das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Rektoratsprotokoll<br />
von 1931 wie folgt beschrieben ist: Die<br />
Feier f<strong>in</strong>det im Saal des Neuen Rathauses statt. Der<br />
Vorgänger überreicht se<strong>in</strong>em Amtsnachfolger <strong>die</strong><br />
Amtskette, <strong>die</strong> Verfassung, den Schlüssel und das<br />
Siegel der Handelshochschule. Außerdem legte der<br />
scheidende Rektor e<strong>in</strong>en Bericht zu den wichtigsten<br />
Aktivitäten und Ereignissen se<strong>in</strong>er Amtszeit vor. In<br />
Zur Entlastung des Rektors von Verwaltungsarbeiten<br />
beschloss der Senat im<br />
Juli 1923 <strong>die</strong> Anstellung e<strong>in</strong>es Syndikus.<br />
Nach Wunsch aller anwesenden Herren<br />
sollte sich <strong>die</strong> Wahl nicht auf Akademiker<br />
beschränken.
<strong>1897</strong> <strong>bis</strong> <strong>1945</strong> <strong>–</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong> blick <strong>in</strong> diE GEschichtE 56 57<br />
lEitunGsstruktur und <strong>in</strong>nErE orGanisation dEr handElshochschulE<br />
<strong>die</strong>ser Phase deutete sich an, dass der Senat, der <strong>bis</strong>her<br />
überwiegend adm<strong>in</strong>istrative Aufgaben zu beraten<br />
und zu entscheiden hatte, wegen der Fülle der<br />
nun immer stärker auftretenden Fragen der Wissenschaftsentwicklung<br />
an der Handelshochschule <strong>in</strong> absehbarer<br />
Zeit e<strong>in</strong>er Entlastung durch e<strong>in</strong> weiteres<br />
Gremium bedurfte. Als Mitglieder e<strong>in</strong>es solchen neuen<br />
Ausschusses kamen vor allem <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
tätigen Privatdozenten <strong>in</strong> Frage, denn zu<br />
<strong>die</strong>sem Zeitpunkt gab es nur e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen Ord<strong>in</strong>arius.<br />
Im Oktober 1922 fand dann erstmalig e<strong>in</strong>e vom<br />
Stu<strong>die</strong>ndirektor e<strong>in</strong>berufene Dozentenbesprechung<br />
statt, <strong>die</strong> sich konzentriert mit <strong>in</strong>haltlichen und methodischen<br />
Problemen von Lehre und Forschung befasste.<br />
Die nächste derartige Sitzung folgte am 26. Februar<br />
1923. In der Zwischenzeit war aus dem Stu<strong>die</strong>ndirektor<br />
e<strong>in</strong> Rektor geworden und <strong>die</strong> Zahl der<br />
Ord<strong>in</strong>arien hatte sich soweit vergrößert, dass der<br />
Rektor am 8. Oktober 1923 schon zu e<strong>in</strong>er Sitzung der<br />
ordentlichen Professoren e<strong>in</strong>laden konnte. Schließlich<br />
beschloss der Senat am 4. Dezember 1923 <strong>die</strong><br />
Wahlordnung für e<strong>in</strong>en Professorenrat. Dessen erste<br />
Zusammenkunft folgte e<strong>in</strong>e Woche später. Von da an<br />
f<strong>in</strong>det man <strong>in</strong> den Akten <strong>die</strong> Bezeichnung Professorenrat,<br />
dem nunmehr arbeitsteilig <strong>die</strong> Beratung aller<br />
wissenschaftlichen sowie anderer Fragen oblag, so<br />
z. B. <strong>die</strong> Förderung der Lehr und Forschungstätigkeit,<br />
Aufstellung von Semesterplänen, Verteilung von<br />
Stipen<strong>die</strong>n, Verhängung von Diszipl<strong>in</strong>arstrafen u. Ä.,<br />
während der Senat sich weiter um Grundfragen der<br />
Entwicklung der Hochschule, <strong>die</strong> F<strong>in</strong>anzen u. a. kümmerte.<br />
Für <strong>die</strong> selbständige Bearbeitung und Erledigung<br />
se<strong>in</strong>er Aufgaben konnte der Professorenrat<br />
ständige oder vorübergehende Ausschüsse berufen.<br />
Die erste Gruppe bildeten der Raumverteilungs (zeitweilig<br />
auch Raumnot) ausschuss und e<strong>in</strong> Ehrenrat.<br />
Zur zweiten Gruppe gehörten u. a. Berufungs, Bibliotheks,<br />
F<strong>in</strong>anz, Gebühren, Immatrikulations, Promotions,<br />
Stiftungs und Stipen <strong>die</strong>nausschuss. Die<br />
getroffenen Entscheidungen bestätigten <strong>die</strong> positive<br />
Entwicklung, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Handelshochschule genommen<br />
hatte und stellten gleichzeitig e<strong>in</strong>e Reaktion auf <strong>die</strong><br />
gestiegenen Studentenzahlen und <strong>die</strong> damit e<strong>in</strong>getretenen,<br />
erheblich gewachsenen qualitativen und<br />
quantitativen Anforderungen dar.<br />
Ende 1923 stellte <strong>die</strong> Quästur der Universität vere<strong>in</strong>barungsgemäß<br />
ihre letzten Tätigkeiten für <strong>die</strong><br />
Handelshochschule e<strong>in</strong>. Die Vere<strong>in</strong>nahmung der von<br />
Stu<strong>die</strong>renden zu zahlenden Gebühren aller Art oblag<br />
nunmehr ebenfalls der Handelshochschule, <strong>die</strong> dafür<br />
eigens e<strong>in</strong>en Rechner e<strong>in</strong>stellte. Mit der Übertragung<br />
aller <strong>bis</strong>her unterhaltenen Bankkonten und<br />
Depots von der Handelskammer an <strong>die</strong> Handels<br />
hochschule lagen ab 1924 endlich auch alle F<strong>in</strong>anzgeschäfte<br />
<strong>in</strong> eigener Hand. Die Handelshochschule<br />
war nun wirklich e<strong>in</strong> völlig selbstständig handelndes<br />
Unternehmen geworden.<br />
Ab 21. Januar 1925 galt für <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
e<strong>in</strong>e neue Satzung, welche <strong>die</strong> unterdessen e<strong>in</strong>getretenen<br />
Veränderungen berücksichtigte. Das betraf vor<br />
allem <strong>die</strong> Neugliederung der Organe, <strong>die</strong> nunmehr<br />
geltende Rektoratsverfassung sowie das Mitspracherecht<br />
der Professoren <strong>in</strong> grundlegenden Angelegenheiten<br />
von Lehre und Forschung.<br />
Es war der AStA, der mehrfach anregte, so im Juli<br />
1924 und im November 1925, für den Rektor der Handelshochschule<br />
endlich den Titel Magnifizenz beim<br />
Wirtschaftsm<strong>in</strong>isterium e<strong>in</strong>zufordern. Dazu erklärte<br />
der damalige Rektor der Handelshochschule, Professor<br />
von der Aa <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brief an den Rektor der<br />
Handelshochschule Berl<strong>in</strong>, Professor Niklisch, <strong>die</strong><br />
Handelshochschule wolle das nur, wenn alle anderen<br />
Rektoren der deutschen Handelshochschulen <strong>die</strong>sen<br />
Titel ebenfalls wünschten. In der Tat existierten <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong>ser Frage recht unterschiedliche Regelungen. Die<br />
Handelshochschulen Köln und Frankfurt teilten mit,<br />
der Titel sei nicht vom M<strong>in</strong>isterium verliehen, sondern<br />
werde e<strong>in</strong>fach angewendet, da e<strong>in</strong> Rektor <strong>die</strong>se<br />
Bezeichnung ja nicht selbst führe, sie bilde nur bei<br />
feierlichen Anlässen <strong>die</strong> Anrede. Mannheim <strong>in</strong>formierte<br />
auf Anfrage aus Leipzig, <strong>in</strong> Baden habe jedenfalls<br />
der Staatspräsident bei <strong>E<strong>in</strong></strong>ladungen an den<br />
Rektor immer Magnifizenz geschrieben. Schließlich<br />
meldete Berl<strong>in</strong>, dort führe der Rektor den Titel nicht,<br />
das preußische M<strong>in</strong>isterium für Handel und Gewerbe<br />
habe aber se<strong>in</strong>e Beilegung für den Fall der Verleihung<br />
des Promotionsrechtes <strong>in</strong> Erwägung gezogen.<br />
Letztlich erteilte das M<strong>in</strong>isterium im März 1927<br />
der Handelshochschule <strong>die</strong> Genehmigung.<br />
Im Dezember 1931 beschloss der Senat e<strong>in</strong>en weiteren<br />
Schritt zum Ausbau der akademischen Struktur<br />
der Handelshochschule. Bis dato besaß <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
im Vergleich zu anderen deutschen<br />
Handelshochschulen noch ke<strong>in</strong>en akademischen Senat,<br />
deshalb sollte der <strong>bis</strong>herige Senat zu e<strong>in</strong>em Kuratorium<br />
werden und den <strong>bis</strong>herigen Professorenrat<br />
wollte man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en akademischen Senat umwandeln.<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>e Änderung der Befugnisse beider Gremien<br />
war nicht bezweckt. Anfang Februar 1932 bestätigte<br />
Dresden <strong>die</strong> Vorschläge, teilte aber mit, dass der Zusatz<br />
akademisch für den Senat der Handelshochschule<br />
nicht genehmigungsfähig sei. Es blieb bei der ursprünglichen<br />
Aufgabenstellung beider Gremien, nur<br />
ihre Bezeichnung änderte sich. Danach stand nunmehr<br />
dem Kuratorium <strong>die</strong> Leitung der Handelshochschule<br />
zu, es hatte deren Interessen <strong>in</strong> allen Rich<br />
tungen wahrzunehmen, der Senat befasste sich mit<br />
Fragen der Lehre und Forschung. Seither fungierten<br />
der jeweilige Rektor und Prorektor als Vorsitzender<br />
bzw. stellvertretender Vorsitzender des Senats.<br />
Kurz nach der Machtübernahme durch den Faschismus<br />
hatten sich alle mühevoll erkämpften und<br />
schrittweise aufgebauten demokratischen Leitungsstrukturen<br />
sowieso erledigt. Der Gleichschaltungserlass<br />
vom 21. April 1933 beraubte praktisch alle Universitäten<br />
und Hochschulen ihrer <strong>bis</strong>herigen akademischen<br />
Rechte. Die Auf lösung des Kuratoriums<br />
und des Senats als Entscheidungsorgane erfolgte zum<br />
31. 7. 1934 wegen der allgeme<strong>in</strong>en Umstellung auf das<br />
Führerpr<strong>in</strong>zip. Von da an erhielten Rektor und Prorektor<br />
<strong>die</strong> Bezeichnung Leiter bzw. stellvertretender Leiter<br />
des Senats. Als Beratungsorgane bestanden Kuratorium<br />
und Senat jedoch <strong>bis</strong> zum Ende der Handelshochschule<br />
Anfang 1946 weiter fort. Außer den Ord<strong>in</strong>arien<br />
gehörten ab 1934 noch zwei vom Führer der<br />
Studentenschaft zu benennende Vertreter und Abgesandte<br />
der örtlichen SAHochschulorganisation zum<br />
Senat. Ab W<strong>in</strong>tersemester 1936/37 benannte der Leiter<br />
der Dozentenschaft zusätzlich zwei weitere Mitglieder<br />
für den Senat, <strong>die</strong> <strong>in</strong> der Regel aus dem Kreis<br />
der Dozenten oder wissenschaftlichen Assistenten<br />
stammten. Professoren der Universität Leipzig gehörten<br />
seit Dezember 1931 nicht mehr zum Senat<br />
der Handelshochschule, wurden aber noch <strong>in</strong>s Kuratorium<br />
berufen. Seit dem Sommersemester 1942 <strong>bis</strong><br />
Kriegs ende blieben regelmäßig zwei Plätze unbesetzt,<br />
da für <strong>die</strong> betreffenden Ord<strong>in</strong>arien trotz <strong>in</strong>tensiver<br />
Bemühungen ke<strong>in</strong>e Professoren gewonnen werden<br />
konnten.<br />
Der Vorsitz im Kuratorium stand nunmehr wieder<br />
dem Präsidenten der Industrie und Handelskammer<br />
bzw. e<strong>in</strong>em von ihn ernannten anderen Mitglied der<br />
Kammer zu, stellvertretender Vorsitzender war der<br />
jeweilige Rektor. Bis <strong>1945</strong> übte Max Koehler, Vizepräsident<br />
der Kammer, <strong>die</strong>ses Amt aus.<br />
Ab Sommersemester 1944 erschienen <strong>die</strong> Mitglieder<br />
des Kuratoriums nicht mehr namentlich <strong>in</strong> den<br />
Vorlesungsverzeichnissen, sondern nur noch der Vorsitzende,<br />
se<strong>in</strong> Stellvertreter und e<strong>in</strong> Vertreter der Abteilung<br />
Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung<br />
des Herrn Reichsstatthalters <strong>in</strong> Sachsen. Beratungen<br />
des Kuratoriums fanden <strong>in</strong> den letzten Kriegsjahren<br />
kaum noch statt, e<strong>in</strong>zelne Mitglieder konnten z. B.<br />
wegen Wehr<strong>die</strong>nst nicht ersche<strong>in</strong>en, bei Auswärtigen<br />
(Dresden, Plauen) wurde <strong>die</strong> Anreise zusehends<br />
schwieriger. Es war nicht zu ermitteln, <strong>in</strong>wieweit <strong>die</strong><br />
namentlich nicht benannten Vertreter des M<strong>in</strong>isteriums<br />
für Volksbildung bzw. des Reichsstatthalters<br />
<strong>in</strong> Sachsen jemals an Beratungen des Kuratoriums<br />
Max Koehler, Vorsitzender des Kuratoriums der Handelshochschule<br />
von 1934 <strong>bis</strong> <strong>1945</strong> (Reproduktion e<strong>in</strong>es<br />
Ölgemäldes)<br />
teilnahmen. <strong>E<strong>in</strong></strong>e namentliche Übersicht zu den genannten<br />
Gremien f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> der Anlage.<br />
Gemäß der vorläufigen Verfassung für <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
vom Juli 1934 berief ab sofort das<br />
Volksbildungsm<strong>in</strong>isterium nach Bestätigung durch<br />
den zuständigen Reichsm<strong>in</strong>ister den Rektor, der damit<br />
zum Führer der Hochschule für <strong>die</strong> Dauer von<br />
zwei Jahren avancierte. Parallel dazu berief man e<strong>in</strong>en<br />
weiteren Professor zum Führer der Dozentenschaft,<br />
und, der Führer nicht genug, gab es ab sofort<br />
auch noch e<strong>in</strong>en Führer der Studentenschaft. Da<br />
konnte Kompetenzgerangel nicht ausbleiben. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
hatte sich nach kurzer Zeit vieles gelegt und<br />
es gelang mit e<strong>in</strong>em gewissen Pragmatismus, <strong>die</strong><br />
Hochschule ohne größere Turbulenzen relativ sachlich<br />
weiterzuführen. <strong>E<strong>in</strong></strong>e Besondere Dienstordnung der<br />
Han delshochschule vom 10. Dezember 1938 bestimmte <strong>in</strong><br />
Übere<strong>in</strong>stimmung mit zentralen Weisungen den<br />
Rektor der Handelshochschule nunmehr zum Gefolgschaftsführer,<br />
der das alle<strong>in</strong>ige Sagen hatte. Man<br />
darf zur Ehrenrettung der Rektoren jener Periode<br />
feststellen, dass sie <strong>die</strong>se Position eher zurückhaltend<br />
ausfüllten und trotz der ihnen e<strong>in</strong>geräumten Machtfülle<br />
nach wie vor <strong>die</strong> akademi sche Beratung und Beschlussfassung<br />
als wichtigstes Instrument ihrer Leitungsaufgabe<br />
nutzten.
<strong>1897</strong> <strong>bis</strong> <strong>1945</strong> <strong>–</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong> blick <strong>in</strong> diE GEschichtE 58 59<br />
Feierliche Rektorwahlen <strong>in</strong> der <strong>bis</strong>her üblichen<br />
Form fanden nicht mehr statt. Als der amtierende<br />
Rektor Wörner auf weitere zwei Jahre <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Amt<br />
bestätigt wurde, unterzeichnete als e<strong>in</strong>ziger der Gratulanten<br />
der Nationalökonom Professor Moll, langjährig<br />
für <strong>die</strong> Handelshochschule <strong>in</strong> der Lehre tätig,<br />
nicht mit dem üblichen Heil Hitler. Er gehörte zu den<br />
mehr als 60 Wissenschaftlern, <strong>die</strong> man zwischen<br />
1933 und 1935 aus politischen Gründen von der Universität<br />
entfernte.<br />
Die Professor Wörner folgenden Rektoren erhielten<br />
ebenfalls ihre Ernennung vom Reichsm<strong>in</strong>ister,<br />
der auch <strong>die</strong> <strong>bis</strong>her üblichen Amtszeiten nach eigenem<br />
Ermessen verlängern konnte. Die Rektoratsübergaben<br />
erfolgten von da an nicht mehr am 8. Mai, sondern<br />
zu Führers Geburtstag, also am 24. April. Den früheren<br />
Amtseid des Rektors setzte der Reichsm<strong>in</strong>ister<br />
ebenfalls außer Kraft. Er wurde nach se<strong>in</strong>er Auffassung<br />
durch den verb<strong>in</strong>dlichen Treueschwur auf den<br />
Führer und Reichskanzler mit erfasst.<br />
Kurz nach der Besetzung Leipzigs durch amerikanische<br />
Truppen legte Professor Lie<strong>bis</strong>ch se<strong>in</strong> Rek to<br />
ren amt nieder. Die noch anwesenden Professoren<br />
wählten Professor Lütge unter Rückgriff auf <strong>die</strong> vor<br />
1933 geübte Praxis der Wahl durch den Senat am 22. Mai<br />
zum neuen Rektor und <strong>in</strong>formierten den Vorsitzenden<br />
des Kuratoriums, Max Koehler, über ihren Schritt.<br />
Der Chef der amerikanischen Militärverwaltung <strong>in</strong><br />
Leipzig, Major Eaton, stimmte nachträglich zu.<br />
Lütge amtierte als Rektor e<strong>in</strong>er nur noch rudimentär<br />
existierenden Hochschule <strong>bis</strong> Anfang Februar<br />
1946. Er stand vor fast unlösbaren Problemen. Lehrbetrieb<br />
fand nicht statt, trotzdem fielen Kosten an<br />
und Geld war praktisch nicht vorhanden, denn es<br />
gab ke<strong>in</strong>e <strong>E<strong>in</strong></strong>nahmen aus Stu<strong>die</strong>n und sonstigen<br />
Gebühren und <strong>die</strong> <strong>bis</strong>herigen Garanten erklärten<br />
ihre Zahlungsunfähigkeit. Die Landesverwaltung<br />
Sachsen musste mehrfach e<strong>in</strong>spr<strong>in</strong>gen, damit wenigstens<br />
<strong>die</strong> nötigsten Ausgaben getätigt werden<br />
konnten. Ab Herbst <strong>1945</strong> hatte er auch noch das Amt<br />
e<strong>in</strong>es Abwicklungsbeauftragten zu übernehmen, <strong>die</strong><br />
dabei anfallenden Aufgaben beschäftigten ihn noch<br />
zu e<strong>in</strong>er Zeit, da <strong>die</strong> Handelshochschule schon lange<br />
als Fakultät <strong>in</strong> <strong>die</strong> Universität e<strong>in</strong>gegangen war.<br />
Um möglichst viele der Spuren, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
<strong>in</strong> der Stadt h<strong>in</strong>terlassen hat zu f<strong>in</strong>den,<br />
müssen wir <strong>bis</strong> zum Jahr 1831, zur Gründung der<br />
Öffentlichen Handelslehranstalt durch <strong>die</strong> Kramer<strong>in</strong>nung,<br />
zurückgehen.<br />
Am 24. Januar <strong>die</strong>ses Jahres, e<strong>in</strong>en Tag nach der<br />
feierlichen Eröffnung, hatte der Unterrichtsbetrieb<br />
vorerst im Haus des Kammerrates und Ritter Ploß <strong>in</strong><br />
der Grimmaischen Straße 593 begonnen. Zu <strong>die</strong>ser<br />
Zeit war <strong>die</strong> Stadt mit gerade e<strong>in</strong>mal 41 000 <strong>E<strong>in</strong></strong>wohnern<br />
immerh<strong>in</strong> noch so kle<strong>in</strong>, dass man <strong>die</strong> Häuser<br />
<strong>in</strong>nerhalb des von der Stadtmauer umschlossenen<br />
Zentrums noch fortlaufend nummerierte. Heute<br />
handelt es sich <strong>in</strong> etwa um das Grundstück Nr. 13, das<br />
an der Nordseite der Grimmaischen Straße zwischen<br />
Reichs und Nikolaistraße liegt.<br />
Bereits nach wenigen Monaten erfolgte der Umzug<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong> für <strong>die</strong> Unterrichtszwecke weitaus besser<br />
geeignetes und größeres Gebäude am späteren Königsplatz<br />
10/11 außerhalb der Stadtmauern, das <strong>die</strong><br />
Kramer<strong>in</strong>nung vom Kammerrat Thierot erworben<br />
hatte. Bis 1839 lautete <strong>die</strong> Anschrift allerd<strong>in</strong>gs noch<br />
Esplanade Nr. 848.<br />
Im Oktober 1890 bezog <strong>die</strong> Öffentliche Handelslehranstalt<br />
e<strong>in</strong> von der Handelskammer neu erbautes,<br />
den gewachsenen Anforderungen genügendes<br />
Schulgebäude <strong>in</strong> der Löhrstraße 3/5, <strong>in</strong> dem sich<br />
heute <strong>die</strong> Volkshochschule Leipzig bef<strong>in</strong>det. Das Bauwerk<br />
ist von der Stadt Leipzig <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />
aufwändig und denkmalsgerecht saniert worden.<br />
Am Königsplatz 10/11 entstand nach dem Abriss des<br />
alten Schulgebäudes übrigens das erste Leipziger<br />
Kunstgewerbemuseum (GrassiMuseum), dessen <strong>E<strong>in</strong></strong>weihung<br />
1896 erfolgte; später f<strong>in</strong>den wir den heutigen<br />
Neubau am Johannisplatz 5<strong>–</strong>11. Das im Orig<strong>in</strong>alzustand<br />
erhaltene Haus Königsplatz 10/11 beherbergt<br />
nun schon seit vielen Jahrzehnten <strong>die</strong> Leipziger<br />
Stadtbibliothek, <strong>die</strong> sich vor <strong>1945</strong> <strong>in</strong> der Universitäts<br />
Auf Spurensuche <strong>in</strong> Leipzig <strong>–</strong><br />
Der ewige (Unter)mieter!<br />
straße 16 befand und im Zweiten Weltkrieg den Luftangriffen<br />
zum Opfer fiel.<br />
In den Jahren 1906 <strong>bis</strong> 1918 hörten im Kunstgewerbemuseum<br />
Stu<strong>die</strong>rende der Handelshochschule<br />
Vorlesungen zu kunstgewerblichen Themen.<br />
Unterdessen hatte <strong>die</strong> Leipziger Handelskammer<br />
im März 1887 von der sich auf lösenden Kramer<strong>in</strong>nung<br />
<strong>die</strong> Öffentliche Handelslehranstalt übernommen.<br />
Bevor sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts <strong>in</strong><br />
der neu erbauten und <strong>in</strong> Anwesenheit des Sächsischen<br />
Königs Albert am 29. September 1886 feierlich<br />
e<strong>in</strong>geweihten Neuen Börse am Tröndl<strong>in</strong>r<strong>in</strong>g 26<br />
Königsplatz 10/11 <strong>–</strong> Gebäude der öffentlichen Handelslehranstalt <strong>bis</strong> 1890<br />
Wenn der erste Direktor der Öffentlichen<br />
Handelslehranstalt, Davis August Schiebe,<br />
auf se<strong>in</strong>en Nachmittagskaffee <strong>in</strong>s 1835 am<br />
Augustusplatz von Wilhelm Felsche eröffnete<br />
Café Francais gehen wollte, konnte er<br />
auf se<strong>in</strong>em Weg noch das Peterstor<br />
durchschreiten, das als letztes der vier<br />
großen Leipziger Stadttore erst im Jahre<br />
1859 dem Baufortschritt weichen musste.<br />
Die heutige Ernst-Schneller-Straße, am<br />
Wilhelm-Leuschner-Platz (früher Königsplatz)<br />
zwischen Härtel- und Emilienstraße,<br />
hieß zu jener Zeit <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung an <strong>die</strong><br />
Kramer<strong>in</strong>nung Kramerstraße.
<strong>1897</strong> <strong>bis</strong> <strong>1945</strong> <strong>–</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong> blick <strong>in</strong> diE GEschichtE 60 61<br />
auf spurEnsuchE <strong>in</strong> lEipziG <strong>–</strong> dEr EwiGE (untEr)miEtEr!<br />
Festschrift zum 75jährigen Jubiläum<br />
der öffentlichen Handelslehranstalt<br />
Das erste Grassimuseum wurde 1896 eröffnet. Heute ist das Gebäude Sitz<br />
der Leipziger Stadtbibliothek.<br />
(Blücherplatz, (heute: WilliBrandtPlatz westlich des<br />
Hauptbahnhofes gelegen, als Platz vor dem Thür<strong>in</strong>ger<br />
Bahnhof zum<strong>in</strong>dest alten Leipzigern bekannt),<br />
resi<strong>die</strong>rte, hatte sie für ihre Zwecke e<strong>in</strong> mehrstöckiges<br />
Bürgerhaus am Neumarkt 19 benutzt.<br />
Die Volkshochschule <strong>in</strong> der Löhrstraße<br />
Zwischen 1910 und 1912 vollzog sich noch e<strong>in</strong>mal<br />
e<strong>in</strong> Umbau, <strong>die</strong> Handelskammer ließ das Gebäude<br />
aufstocken und errichtete e<strong>in</strong>e Bücherei mit Lesesaal<br />
und e<strong>in</strong>em separaten <strong>E<strong>in</strong></strong>gang.<br />
Die Börse ist bei den Luftangriffen gegen Ende des<br />
Zweiten Weltkrieges vollständig zerstört worden.<br />
Im Großen Sitzungssaal <strong>die</strong>ses Bauwerkes fand<br />
im Juni <strong>1897</strong> <strong>die</strong> zweite Konferenz des Deutschen<br />
Verbandes für das kaufmännische Unterrichtswesen<br />
statt, der bekanntlich <strong>die</strong> Initialzündung für <strong>die</strong> Gründung<br />
der Handelshochschule Leipzig gab.<br />
Diese zog nach ihrer Gründung als Untermieter<br />
ohne Mietz<strong>in</strong>s mit <strong>in</strong> <strong>die</strong> Löhrstraße 3/5 e<strong>in</strong> und teilte<br />
sich über e<strong>in</strong>en Zeitraum von fast vier Jahren das Gebäude<br />
mit der Öffentlichen Handelslehranstalt. Die<br />
Kammer als Unternehmer<strong>in</strong> der Anstalt übernahm<br />
fürs Erste alle Kosten.<br />
Heute nutzt <strong>die</strong> Volkshochschule Leipzig das <strong>in</strong><br />
alter Pracht wieder hergerichtete Gebäude. Da <strong>die</strong><br />
Industrie und Handelskammer im Sommer 1939<br />
Die Neue Börse<br />
auch noch das Nachbarhaus Nr. 7 erwarb, das seit se<strong>in</strong>er<br />
Erbauung <strong>in</strong> den Jahren 1888/89 dem Vere<strong>in</strong> für<br />
Volkswohl gehörte, lautet deshalb <strong>die</strong> heutige Anschrift<br />
Löhrstraße 3 <strong>–</strong> 7.<br />
Während der Renovierungsarbeiten fand man e<strong>in</strong>e<br />
Marmortafel wieder, <strong>die</strong> von ehemaligen Schülern<br />
anlässlich des 75jährigen Bestehens der Öffentlichen<br />
Handelslehranstalt gestiftet wurde.<br />
Der wider Erwarten hohe Zuspruch an Stu<strong>die</strong>renden<br />
führte bald zu e<strong>in</strong>er schwierigen Situation, <strong>die</strong><br />
Handelshochschule musste daran gehen, sich e<strong>in</strong> separates<br />
Gebäude zu suchen. Stu<strong>die</strong>ndirektor Raydt<br />
vermerkte dazu <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er im Jahr 1900 verfassten<br />
Schrift zur weiteren Organisation der Handelshochschule<br />
<strong>in</strong> Leipzig, dass wegen der zu kle<strong>in</strong>en Räume<br />
<strong>in</strong> der Löhrstraße nicht immer alle Stu<strong>die</strong>renden an<br />
den Übungen teilnehmen konnten oder <strong>die</strong> Teilnehmer<br />
<strong>in</strong> mehrere kle<strong>in</strong>e Kurse geteilt werden mussten,<br />
zumal der Andrang von Semester zu Semester zunahm.<br />
1 Um 1900 besuchten alle<strong>in</strong> etwa 750 Schüler<br />
der Lehrl<strong>in</strong>gs und Höheren Klassen <strong>die</strong> Öffentliche<br />
Handelslehranstalt, dazu kamen nun auch noch<br />
m<strong>in</strong>destens 300 Stu<strong>die</strong>rende der Handelshochschule,<br />
so dass <strong>in</strong> der Regel ständig weit über 1000 Personen<br />
das Haus bevölkerten.<br />
Marmortafel, im Jahre<br />
1906 gestiftet<br />
zu Ehren von<br />
Hermann Raydt<br />
Das Peterstor um 1840
<strong>1897</strong> <strong>bis</strong> <strong>1945</strong> <strong>–</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong> blick <strong>in</strong> diE GEschichtE 62 63<br />
auf spurEnsuchE <strong>in</strong> lEipziG <strong>–</strong> dEr EwiGE (untEr)miEtEr!<br />
Dem Neubau der Leipziger Bank am<br />
Rathausr<strong>in</strong>g, an der Ecke zur Peterstraße<br />
gelegen, musste sogar <strong>die</strong> alte Peterskirche<br />
weichen. Nur <strong>die</strong> Bezeichnung<br />
Peterskirchhof für <strong>die</strong> erste <strong>in</strong> östlicher<br />
Richtung abgehende Nebenstraße der<br />
Petersstraße er<strong>in</strong>nert heute noch an den<br />
sakralen Bau, der e<strong>in</strong>mal zu den fünf<br />
größten Kirchen im Zentrum Leipzigs<br />
zählte.<br />
Deutsche Bank um 1910<br />
Die Gelegenheit schien günstig; <strong>die</strong> Leipziger<br />
Bank, e<strong>in</strong> aufstrebendes Unternehmen der Branche,<br />
beabsichtigte, e<strong>in</strong> neues repräsentatives Bauwerk zu<br />
errichten. Für <strong>die</strong> Handelshochschule eröffnete sich<br />
<strong>die</strong> Möglichkeit, <strong>die</strong> obere Etage als Untermieter zu<br />
beziehen, während <strong>die</strong> unteren Räumlichkeiten und<br />
das Tiefparterre dem eigentlichen Bankbetrieb <strong>die</strong>nen<br />
soll ten. Der Entwurf des repräsentativen Gebäudes<br />
stammte von dem bekannten Architekten und<br />
Baumeister Max Arwed Roßbach.<br />
Die Handelskammer beschloss daher <strong>in</strong> ihrer Sitzung<br />
vom 29. März 1901, <strong>die</strong> bewussten Räume für <strong>die</strong><br />
Zwecke der Handelshochschule vom 1. Oktober 1901<br />
an für e<strong>in</strong>en Betrag von 10 000 Mark p.a. anzumieten.<br />
Jetzt schien alles <strong>in</strong> bester Ordnung, der Bau<br />
schritt zügig voran. Ende April <strong>in</strong>formierte der Vorsitzende<br />
Gustav Zwe<strong>in</strong>iger darüber den Senat und<br />
man besprach bauliche Ergänzungsarbeiten für den<br />
speziel len Schulbetrieb.<br />
Aber dann kam der 25. Juni 1901, der schwarze Dienstag,<br />
an dem sich, für <strong>die</strong> Öffentlichkeit völlig überraschend,<br />
<strong>die</strong> Leipziger Bank gezwungen sah, ihre<br />
Zahlungen e<strong>in</strong>zustellen. Weit über 50% ihrer Bilanzsumme<br />
von 165 Millionen Mark hatte sie an e<strong>in</strong>en<br />
faulen Kunden, <strong>die</strong> Trebergesellschaft <strong>in</strong> Kassel, ausgereicht,<br />
der <strong>die</strong> Kredite nicht mehr be<strong>die</strong>nen konnte.<br />
Am 27. Juni eröffnete <strong>die</strong> Deutsche Bank, <strong>die</strong> ihre<br />
Chance erkannt und entschlossen genutzt hatte, <strong>in</strong><br />
der Burgstraße 33 ihre erste Leipziger Filiale, um<br />
dem stark erschütterten Kreditmarkt e<strong>in</strong>en neuen<br />
Stützpunkt zu bieten. Die Leipziger Bank war nicht<br />
mehr vor der Pleite zu retten, und ihre Nachfolge <strong>–</strong><br />
auch bezüglich des noch nicht fertig gestellten Neubaus<br />
<strong>–</strong> trat <strong>die</strong> Deutsche Bank an, <strong>die</strong> damit nun auch<br />
<strong>in</strong> Leipzig über e<strong>in</strong>e repräsentative Dependance verfügte,<br />
nachdem der Bau unter der Leitung von Roßbach<br />
zu Ende geführt war. 2<br />
Senat und Handelskammer hatten zwar noch für<br />
e<strong>in</strong>e kurze Zeit gehofft, es bliebe alles beim Alten,<br />
aber schon im Juli 1901 teilte <strong>die</strong> Konkursverwaltung<br />
mit, dass sie vom Kontrakt mit der Handelshochschule<br />
zurücktreten müsse und wieder war Suchen<br />
nach e<strong>in</strong>er neuen Bleibe angesagt!<br />
Nach Erwägung verschiedener Varianten, so waren<br />
auch Räume im Haus Markt 2 <strong>in</strong>s Auge gefasst<br />
worden, fand man erst gegen Ende 1901 Ersatz mit<br />
dem Gebäude Schulstraße 1 (heute: Ratsfreischulstraße<br />
3, etwa jetziger Standort Bauwenshaus), das<br />
ehemals von der ältesten Leipziger Freimaurerloge<br />
M<strong>in</strong>erva zu den drei Palmen genutzt wurde. Diese Loge,<br />
im März 1741 mit dem Namen Zu den drei Zirkeln gegründet<br />
und später umbenannt, hatte e<strong>in</strong> neues Gebäude<br />
bezogen, wodurch sich <strong>die</strong>se günstige Gelegenheit<br />
für <strong>die</strong> Handelshochschule bot. Nach e<strong>in</strong>igen für<br />
<strong>die</strong> Zwecke e<strong>in</strong>es Schulbetriebes erforderlichen Umbauten<br />
<strong>–</strong> so richtete man drei größere Hörsäle e<strong>in</strong> <strong>–</strong><br />
und der Ausstattung des Gebäudes mit entsprechendem<br />
Mobi liar konnte am 1. Oktober 1902 der<br />
feierliche <strong>E<strong>in</strong></strong>zug erfolgen und am 15. Oktober der<br />
Unterrichtsbetrieb beg<strong>in</strong>nen.<br />
Nun hatte sich doch noch alles zum Guten gewendet;<br />
alle<strong>in</strong> <strong>die</strong> merkwürdige Zurückhaltung des Senats<br />
und auch der Handelskammer zu der geplatzten<br />
Vere<strong>in</strong>barung mit der Leipziger Bank mutet aus heutiger<br />
Sicht seltsam an. Im Jahresbericht des Stu<strong>die</strong>ndirektors<br />
für das Jahr 1902 f<strong>in</strong>det man lediglich den<br />
H<strong>in</strong>weis, dass wegen der beengten Raumsituation im<br />
Gebäude der Öffentlichen Handelslehranstalt der<br />
Senat <strong>die</strong> Gelegenheit ergriffen habe, <strong>die</strong> sich durch<br />
den Umbau des früheren Logengebäudes <strong>in</strong> der<br />
Schulstraße 1 bot, um geeignete Räume für <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
zu erlangen. Man muss annehmen,<br />
dass den Verantwortlichen das Zusammengehen mit<br />
e<strong>in</strong>em Pleitier offensichtlich unangenehm gewesen<br />
ist und man wohl um den guten Ruf der Anstalt<br />
fürchtete, deswegen <strong>die</strong>se Zurückhaltung. Auch <strong>die</strong><br />
Jahresberichte der Handelskammer für 1901 und<br />
1902 erwähnen <strong>die</strong> Angelegenheit nicht.<br />
Wegen der Gasversorgung des Gebäudes, u. a. für<br />
<strong>die</strong> Beleuchtung, schloss der Senat e<strong>in</strong>en entsprechenden<br />
Vertrag ab.<br />
Schulstraße 1, Sitz der Handelshochschule von 1902 <strong>bis</strong> 1910<br />
Für <strong>die</strong> nächsten Jahre war aber nun der Lehrbetrieb<br />
erst e<strong>in</strong>mal, immerh<strong>in</strong> besser als <strong>bis</strong>her, gesichert,<br />
jedoch taten sich bald neue Probleme auf, denn<br />
<strong>die</strong> jetzige Lösung war zwar e<strong>in</strong>e gute, aber eben ke<strong>in</strong>esfalls<br />
ideale. Man benötigte ständig mehr Raum<br />
wegen der wachsenden Studentenzahlen und ließ deshalb<br />
den Altbau um e<strong>in</strong> zusätzliches Geschoss aufstocken<br />
sowie weitere Umbauten vornehmen. Die Kosten<br />
dafür bezifferten <strong>die</strong> beauftragten Baumeister<br />
Max und Woldemar Vogel am 8. November 1906 mit<br />
76 360 Mark. Zwischenzeitlich war auch <strong>die</strong> H<strong>in</strong>zumietung<br />
des benachbarten Gebäudes Markgrafenstraße<br />
8 erwogen worden, e<strong>in</strong> Vertrag mit dessen Besitzer<br />
Teichert kam jedoch nicht zustande.<br />
Im Verlaufe der Zeit stellte sich immer mehr heraus,<br />
dass <strong>die</strong> Lage <strong>in</strong> der Schulstraße für den Stu<strong>die</strong>nbetrieb<br />
nicht nur positive Seiten aufwies.<br />
So sah sich der Senat genötigt, beim Rat der Stadt<br />
darüber Beschwerde zu führen, dass das laute Rattern<br />
der ständig vorbeifahrenden Pferdefuhrwerke<br />
den Unterrichtstrieb erheblich störe. Der Rat antwortete,<br />
er werde <strong>in</strong> der Schulstraße e<strong>in</strong> Holzpflaster e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen<br />
lassen, was auch erfolgte. Noch heute f<strong>in</strong>det<br />
man <strong>in</strong> der Tore<strong>in</strong>fahrt des Gebäudes Ratsfreischulstraße<br />
10 Reste <strong>die</strong>ser Pflasterung.<br />
Wirklich geholfen hat das möglicherweise nicht,<br />
denn <strong>die</strong> Suche nach e<strong>in</strong>er neuen und besseren Lösung<br />
für <strong>die</strong> Handelshochschule begann erneut, wobei<br />
nun der Senat auch noch moralische Bedenken<br />
<strong>in</strong>s Feld führte.<br />
Im Juli 1907 wandte er sich mit e<strong>in</strong>em Schreiben<br />
an das zuständige Sächsische M<strong>in</strong>isterium des Inneren<br />
<strong>in</strong> Dresden wegen e<strong>in</strong>es Neubaus für <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
und begründete se<strong>in</strong>e Bitte unter anderem<br />
auch damit, dass <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>renden von der<br />
Schulstraße zu den Hörsälen der Universität am Augustusplatz<br />
e<strong>in</strong>en längeren Weg durch <strong>die</strong> belebtesten<br />
Teile der Stadt und zum Teil auch durch Straßen<br />
zurückzu legen hätten, von denen man <strong>die</strong> Jugend<br />
möglichst fernhalten möchte. Das war mit Sicherheit<br />
e<strong>in</strong> Sche<strong>in</strong>argument, um den Elan des M<strong>in</strong>isteriums<br />
<strong>in</strong> Bezug auf e<strong>in</strong>en Neubau zu befördern.<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> mit den Leipziger Örtlichkeiten von 1907 Vertrauter<br />
könnte vermuten, dass man hier vielleicht auf<br />
das Goldhahngässchen anspielte, das als besonders<br />
verrucht galt, weil dort <strong>die</strong> käuf liche Liebe zu Hause<br />
war. Der Brief bleibt leider <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Punkte unbestimmt.<br />
Se<strong>in</strong>erzeit bestand das nördlich des Marktes<br />
von der Kathar<strong>in</strong>enstraße, dem Brühl und der Reichsstraße<br />
umschlossene eng bebaute Areal aus e<strong>in</strong>er<br />
größeren Anzahl älterer Gebäude und vielen kle<strong>in</strong>en<br />
Durchgängen, zu denen auch das bereits im Jahre<br />
1696 <strong>in</strong> der Chronik von Johann Jacob Vogel erwähnte<br />
Goldhahngäßgen gehörte.<br />
Heute sucht man übrigens das Goldhahn und <strong>die</strong><br />
anderen Gässchen im Zentrum vergebens, (zerstört<br />
1943/44). Das Terra<strong>in</strong> ist nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
völlig neu gestaltet worden und heißt heute Sachsenplatz<br />
(im nördlichen Teil bef<strong>in</strong>det sich <strong>die</strong> neu erbaute<br />
Gemäldegalerie und südlich gelegen das ebenfalls<br />
neu erbaute Stadtgeschichtliche Museum).<br />
Aber natürlich konnten auch Lokale wie der Blaue<br />
Hecht, der sich se<strong>in</strong>erzeit <strong>in</strong> der Nikolaistraße befand,<br />
oder <strong>die</strong> Große Feuerkugel, zwischen Neumarkt und<br />
Universitätsstraße gelegen, geme<strong>in</strong>t se<strong>in</strong>, <strong>die</strong> von den<br />
Studenten auf dem Weg zu den Universitätsgebäuden<br />
tangiert werden mussten.<br />
Aus dem Jahre 1907 datieren erste Überlegungen<br />
zu e<strong>in</strong>em durch <strong>die</strong> Universität für <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
zu errichtenden Neubau auf e<strong>in</strong>em Grundstück<br />
der Universität <strong>in</strong> der Ritterstraße 8/10. Bereits<br />
im Juni 1907 wird als möglicher Architekt Professor<br />
Schumacher von der Technischen Hochschule Dresden<br />
erwähnt und man f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>schlägige Korrespondenz<br />
mit dem zuständigen Königlichen Rentamt.<br />
Franz Kops (1846<strong>–</strong>1896): Ir. königl.<br />
Hoheit Pr<strong>in</strong>z Georg, Herzog zu<br />
Sachsen im Jahre 1895 <strong>–</strong> Stu<strong>die</strong><br />
nach dem Leben<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> besonderes Ereignis stellte der Besuch<br />
des Sächsischen Königs Georg am 6. November<br />
1902 zur Eröffnung des neuen<br />
Hauses dar. Stu<strong>die</strong>ndirektor Raydt ließ<br />
es sich nicht nehmen, mit e<strong>in</strong>em handschriftlichen<br />
Vermerk Lehrpersonal und<br />
Studenten auf <strong>die</strong>sen Höhepunkt im<br />
Leben der Handelshochschule vorzubereiten.<br />
So <strong>in</strong>formierte er darüber, dass<br />
um 10 ½ am Portal der Empfang se<strong>in</strong>er<br />
Majestät durch den Vertreter der Königlichen<br />
Regierung, Herrn Geheimen Regierungsrat<br />
Dr. Grünler, und den Vertreter<br />
des Rates der Stadt Leipzig, Herrn Wirklichen<br />
Geheimen Legationsrat Stadtrat<br />
Dr. Göhr<strong>in</strong>g vor gesehen sei. Weiter teilte<br />
er mit, dass im Hörsaal II vorher <strong>die</strong><br />
Senatsmitglieder und Dozenten Aufstellung<br />
zu nehmen hätten, Anzug Frack,<br />
weiße B<strong>in</strong>de, weiße Handschuhe. H<strong>in</strong>ter<br />
<strong>die</strong>sen und an der Seite des Saales sollten<br />
<strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>renden <strong>in</strong> schwarzem Anzug<br />
Aufstellung nehmen, <strong>in</strong> erster Reihe <strong>die</strong><br />
sächsischen Untertanen, dann <strong>die</strong> übrigen<br />
Deutschen, darauf <strong>die</strong> Aus länder.<br />
Auch <strong>die</strong> Leipziger Neuesten Nachrichten<br />
vom 6. November <strong>in</strong>formierten ihre Leser<br />
ausführlich über den Besuch der sächsischen<br />
Majestät, der freilich nicht nur der<br />
Handelshochschule gegolten hatte: Der<br />
Leser erfuhr, dass Morgenmusik den<br />
dritten der Leipziger Königstage e<strong>in</strong>geleitet<br />
habe. Das Musikkorps des Königs-<br />
Infanterieregimentes Nr. 106 unter der<br />
Leitung des königlichen Musikdirigenten<br />
Julius Hermann Matthey brillierte u. a. mit<br />
dem Marsch der Gralsritter aus Parsival.<br />
Nach Besuchen im Anatomischen Institut<br />
der Universität <strong>in</strong> der Liebigstraße und <strong>in</strong><br />
der Allgeme<strong>in</strong>en Deutschen Creditanstalt<br />
<strong>in</strong> der Goethestraße sei se<strong>in</strong>e Majestät<br />
sodann <strong>in</strong> der elften Stunde vor der Handelshochschule<br />
e<strong>in</strong>getroffen und beim<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>tritt se<strong>in</strong>er Majestät <strong>in</strong> den Hörsaal<br />
habe der Geheime Rath Professor Friedberg,<br />
Rektor der Universität, das Königshoch<br />
ausgebracht.
<strong>1897</strong> <strong>bis</strong> <strong>1945</strong> <strong>–</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong> blick <strong>in</strong> diE GEschichtE 64 65<br />
auf spurEnsuchE <strong>in</strong> lEipziG <strong>–</strong> dEr EwiGE (untEr)miEtEr!<br />
Festschrift zur Eröffnung<br />
des neuen Gebäudes<br />
der Handelshochschule<br />
Etwa ab Ende 1907 kam <strong>die</strong> Sache dann offensichtlich<br />
<strong>in</strong>s Rollen, denn der Senat der Handelshochschule<br />
beriet im November Bauangelegenheiten. Der<br />
Platz, östlich der Nikolaikirche und <strong>in</strong> unmittelbarer<br />
Nähe der Universität gelegen, war günstig gewählt.<br />
Offenbar verliefen <strong>die</strong> vorbereitenden Planungen etwas<br />
zögerlich, denn am 1. April 1908 wendete sich der<br />
Vorsitzende des Senats der Handelshochschule, Professor<br />
Bücher, mit e<strong>in</strong>er Denkschrift wegen der nach<br />
se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung zu lang veranschlagten Bauzeit an<br />
das zuständige Königliche Sächsische M<strong>in</strong>isterium<br />
des Inneren. Etwa ab Mitte 1908 begannen dann <strong>die</strong><br />
Bautätigkeiten; der Architekt und Baumeister Hermann<br />
Schmidt führte den Auftrag nach Schumachers<br />
Entwürfen aus.<br />
Noch e<strong>in</strong>mal trübte sich <strong>die</strong> Freude, als das Rentamt<br />
der Universität im März 1908 dem Senat der<br />
Handelshochschule mitteilte, der Senat der Universität<br />
hege Bedenken wegen der zu langen Vertragsb<strong>in</strong>dung<br />
(Handelskammer und Senat der Handelshochschule<br />
hatten e<strong>in</strong>en Vertrag für 35 Jahre <strong>in</strong>s Auge<br />
gefasst), weil er bei e<strong>in</strong>er so langen Laufzeit möglicherweise<br />
auftretenden Eigenbedarf der Universität<br />
nicht gebührend berücksich tigt sehe und offeriere<br />
deshalb e<strong>in</strong>e 3jährige Kündigungsfrist.<br />
Der Senat der Handelshochschule und <strong>die</strong> Handelskammer<br />
hielten <strong>die</strong>s wegen der damit für <strong>die</strong><br />
Handelshochschule verbundenen Unwägbarkeiten für<br />
unannehmbar und konnten sich schließlich mit dem<br />
Rentamt auf e<strong>in</strong>e Dauer von 15 Jahren mit Option<br />
zur Verlängerung e<strong>in</strong>igen (<strong>in</strong> der Tat hat später <strong>die</strong><br />
Universität mehrfach versucht, <strong>die</strong>se Vertragslage,<br />
vor allem <strong>in</strong> Zeiten, da Unstimmigkeiten zwischen<br />
ihr und der Handelshochschule auftraten, als Druck<br />
Gedenktafel für im Ersten Weltkrieg gefallene Studenten<br />
im Foyer des Gebäudes Ritterstraße 8/10<br />
Albert<strong>in</strong>um, <strong>Blick</strong> <strong>in</strong> den Universitätshof Augusteum vor dem Ersten Weltkrieg<br />
mittel auszunutzen, <strong>in</strong>dem plötzlich dr<strong>in</strong>gender Eigenbedarf<br />
angemeldet wurde).<br />
Aber schließlich war der Bau, den man heute noch<br />
als Universitätsgebäude unter der Bezeichnung GeschwisterSchollHaus,<br />
östlich der NikolaiKirche gelegen,<br />
<strong>in</strong> alter Schönheit bewundern kann, fertig gestellt.<br />
Auf dem Schild l<strong>in</strong>ks neben dem <strong>E<strong>in</strong></strong>gang ist zu lesen<br />
»Erbaut 1908/10 nach Entwürfen von Professor<br />
Schumacher«. Den Bezug zur Handelshochschule<br />
stellen <strong>die</strong> rechts und l<strong>in</strong>ks über der Tore<strong>in</strong>fassung<br />
<strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> gemeißelten Inschriften »Handel verb<strong>in</strong>det<br />
<strong>die</strong> Völker« und »Handel schafft Wandel« her.<br />
Die bildlichen Elemente im und am Gebäude stammen<br />
von dem Dresdner Bildhauer Georg Wrba, der<br />
auch den Brunnen h<strong>in</strong>ter dem am 7. Oktober 1905<br />
eröffneten Neuen Rathaus figürlich gestaltet hat.<br />
Dem Architekten ist es meisterhaft gelungen, dem<br />
damaligen Raumbedürfnis der Handelshochschule<br />
auf dem verfügbaren sehr engen und allseitig begrenzten<br />
Platz gerecht zu werden. Das Gebäude<br />
gleicht sich den angrenzenden Häuserreihen <strong>in</strong> angemessener<br />
Weise an, e<strong>in</strong>e Hervorhebung aus der<br />
Häuserfront bildet lediglich der runde, <strong>bis</strong> zum Dach<br />
geführte Vorbau, der sich aus den Pfeilern des Portals<br />
heraus entwickelt. Herausgestellte Architekturteile<br />
aus rotem Rochlitzer Porphyr und mit grauem<br />
Terranovaputz gestaltete Flächen steigern <strong>die</strong> Außenwirkung.<br />
Die Inbesitznahme des Gebäudes am 23. April 1910<br />
geschah im Rahmen e<strong>in</strong>es Festaktes. 3<br />
Am 18. Januar 1926 fand e<strong>in</strong>e Feier anlässlich der<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>weihung e<strong>in</strong>er von dem Leipziger Bildhauer Professor<br />
Pfeifer geschaffenen Gedenktafel für <strong>die</strong> im<br />
Ersten Weltkrieg gefallenen Stu<strong>die</strong>renden der Handelshochschule<br />
statt. Die Tafel war im Foyer der Handelshochschule<br />
angebracht, muss aber bereits kurz<br />
nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entfernt<br />
worden se<strong>in</strong>; über ihren weiteren Verbleib ist nichts<br />
bekannt. Die gezeigte Abbildung stammt aus den<br />
e<strong>in</strong>schlägigen Rektoratsakten von 1926.<br />
So entwickelte sich ab 1910 <strong>die</strong> Ritterstraße zum<br />
Zentrum für <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>renden der Handelshochschule,<br />
von dem aus sie alle anderen für ihr Studium wichtigen<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>richtungen <strong>in</strong> kürzester Zeit und zu Fuß<br />
erreichen konnten. Das bezog sich auf <strong>die</strong> Hörsäle<br />
der Universität am Augustusplatz, <strong>die</strong> Bibliothek der<br />
Handelskammer im Gebäude der Neuen Börse, <strong>die</strong><br />
Univer sitätsbibliothek <strong>in</strong> der Beethovenstraße (Albert<strong>in</strong>a),<br />
aber auch auf <strong>die</strong> akademische Lesehalle der<br />
Universität <strong>in</strong> der Universitätsstraße 7/9.
<strong>1897</strong> <strong>bis</strong> <strong>1945</strong> <strong>–</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong> blick <strong>in</strong> diE GEschichtE 66 67<br />
auf spurEnsuchE <strong>in</strong> lEipziG <strong>–</strong> dEr EwiGE (untEr)miEtEr!<br />
Ritterstraße 26 um 1935,<br />
<strong>Blick</strong> von der Goethestraße<br />
Beim großen Luftangriff am 4. Dezember<br />
1943 erlitten sowohl das Gebäude Ritterstraße<br />
1/3 als auch Ritterstraße 6 Totalschaden;<br />
im letzteren verbrannte u. a. <strong>die</strong><br />
gesamte Promotionsregistrande der<br />
Handelshochschule. Am Hauptgebäude<br />
nahm der Dachstuhl erheblichen Schaden.<br />
Das gleiche Schicksal traf am selben Tage<br />
<strong>die</strong> Neue Börse, Sitz der Industrie- und<br />
Handelskammer und deren Bibliothek.<br />
Vergeblich hatte der damals schon im<br />
Ruhestand bef<strong>in</strong>dliche frühere Bibliothekar<br />
Siegfried Moltke mehrfach auf <strong>die</strong><br />
drohende Gefahr h<strong>in</strong>gewiesen und vorgeschlagen,<br />
<strong>die</strong> ganze Bibliothek im Kellermagaz<strong>in</strong><br />
unterzubr<strong>in</strong>gen, wo sie unter<br />
Beton und Eisen e<strong>in</strong>igermaßen geschützt<br />
gewesen wäre. So g<strong>in</strong>gen beim Luftangriff<br />
zahlreiche kostbare jahrhunderte alte<br />
Werke aus der ehemaligen Bibliothek der<br />
Kramer<strong>in</strong>nung und viele aktuelle Bücher<br />
wirtschaftswissenschaftlicher und technologischer<br />
Natur unwiederbr<strong>in</strong>glich verloren.<br />
Ritterstraße 1<strong>–</strong> 3, um 1911 Ritterstraße 6, um 1910 Ritterstraße 8/10 <strong>–</strong> heute<br />
Die ständig steigenden Studentenzahlen, vor allem<br />
nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, führten zu<br />
e<strong>in</strong>em weiterh<strong>in</strong> rasch wachsenden Raumbedarf der<br />
Handelshochschule. Zeitweilig sah sich der Senat sogar<br />
genötigt, e<strong>in</strong>e Raumnotkommission e<strong>in</strong>zurichten,<br />
um aller Probleme Herr zu werden.<br />
Bereits zum 1. Januar 1911 hatte <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
deshalb zusätzliche Räume im I., II. und III.<br />
Stockwerk im Umfang von etwa 750 m² <strong>in</strong> der Ritterstraße<br />
1/3 (Eckgebäude zur Grimmaischen Straße)<br />
für 10 Jahre ermietet; der Vertrag wurde ab 1921 erneut<br />
verlängert.<br />
Aber auch <strong>in</strong> unmittelbarer Nachbarschaft bot sich<br />
mit dem angrenzenden Gebäude Ritterstraße 6 e<strong>in</strong>e<br />
weitere Gelegenheit zur räumlichen Ausdehnung;<br />
der Mietvertrag mit dem Universitätsrentamt datiert<br />
vom Mai 1925. <strong>E<strong>in</strong></strong> Mauerdurchbruch auf der ersten<br />
Etage ermöglichte den durchgehenden Verkehr vom<br />
Hauptgebäude zum Nachbarhaus.<br />
Nach <strong>1945</strong> entstand mit der so genannten Theaterpassage<br />
auf dem Grundstück Ritterstraße 6 e<strong>in</strong> Neu<br />
bau im Rahmen des Programms zur Lückenschließung.<br />
Auch auf dem Grundstück Ritterstraße 1/3 steht heute<br />
e<strong>in</strong> völlig neues Gebäude.<br />
Im Jahre 1939 mietete <strong>die</strong> Handelshochschule e<strong>in</strong><br />
weiteres Gebäude an, das 1861 von Albert Geutebrück<br />
erbaute ehemalige königliche Palais <strong>in</strong> der Ritterstraße<br />
26, <strong>in</strong> dem <strong>die</strong> Bibliothek der Handelshochschule<br />
und e<strong>in</strong>ige Institute Platz fanden. Bereits im<br />
April 1938 war <strong>in</strong> <strong>die</strong> dritte Etage des Hauses das neu<br />
gegründete DolmetscherInstitut e<strong>in</strong>gezogen.<br />
Die Gebäude Ritterstraße 8/10 und 26 <strong>die</strong>nten seit<br />
den 20erJahren während der Frühjahrs und Herbstmessen<br />
auch Ausstellungszwecken während der Messen,<br />
so z. B. für Porzellan aus Meißen und anderen<br />
sächsischen Produktionsstätten, e<strong>in</strong>e Praxis, <strong>die</strong> sich<br />
an der 1969 gegründeten Handelshoch schule fortsetzte.<br />
G<strong>in</strong>g es <strong>in</strong> den 20erJahren beim Hauptgebäude<br />
der Handelshochschule vor allem um dr<strong>in</strong>gend<br />
benötigte Miete<strong>in</strong>nahmen, so war es ab 1969<br />
e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>e zentrale staatliche Anweisung <strong>die</strong> zweimal<br />
jährlich, nämlich zur Frühjahrs und Herbst<br />
messe, Teile der Räumlichkeiten <strong>in</strong> unterschiedlich<br />
genutz te Messebüros verwandelte.<br />
In den 20erJahren und auch danach fand man weitere<br />
Räumlichkeiten, so bei der Dresdner Bank am<br />
Dittrichr<strong>in</strong>g 21 für das Weltwirtschafts<strong>in</strong>stitut und verschiedene<br />
Sem<strong>in</strong>are (ab W<strong>in</strong>tersemester 1943/44 wegen<br />
der Zerstörung des Gebäudes Ritterstraße 6) und <strong>in</strong><br />
der Goethestraße 1 und 3/5 (Sachsenbank) für das Institut<br />
und Sem<strong>in</strong>ar für Wohnungs und Siedlungswirtschaft.<br />
Den Plan, <strong>die</strong>se Räume mittels e<strong>in</strong>es verglasten<br />
Ganges <strong>in</strong> westlicher Richtung direkt mit der Rückseite<br />
des Hauptgebäudes <strong>in</strong> der Ritterstraße zu verb<strong>in</strong>den,<br />
ließ man aus Kostengründen wieder fallen.<br />
Nun ist noch über Träume zu berichten, besser:<br />
über nie realisierte Baupläne. Es war nicht nur <strong>die</strong><br />
Kenntnis der materiell bedeutend besseren Ausstattung<br />
der Handelshochschulen von Berl<strong>in</strong>, Köln und<br />
Frankfurt, <strong>die</strong> den Wunsch nach den eigenen vier<br />
Wänden an der Handelshochschule immer wieder<br />
auf leben ließ; das war vor allem e<strong>in</strong>e Argumentationshilfe<br />
gegen über den Trägern oder Garanten der<br />
Handelshochschule bei Diskussionen um f<strong>in</strong>anzielle<br />
Unterstützung für e<strong>in</strong>en Neubau. Ne<strong>in</strong>, es war im<br />
Kern <strong>die</strong> feste Überzeugung, dass e<strong>in</strong>e stabile Entwicklung<br />
von Lehre und Forschung für <strong>die</strong> junge<br />
Diszipl<strong>in</strong> BWL mit ihren großen Zukunftsaussichten<br />
auf Dauer nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em eigenen, genügend dimensionierten<br />
und allen Anforderungen gerecht werdenden<br />
Hochschulgebäude möglich wäre.<br />
Im Juni 1923 verfügte <strong>die</strong> Gesellschaft der Freunde<br />
der Handelshochschule Leipzig e.V. über e<strong>in</strong>e zu<br />
Gunsten der Handelshochschule e<strong>in</strong>gesammelte Spendensumme<br />
von 65 Millionen Mark, von der sie 20<br />
Millionen Mark für den Ankauf e<strong>in</strong>es BauAreals reservierte.<br />
Es handelte sich um e<strong>in</strong>e an <strong>die</strong> Deutsche<br />
Bücherei angrenzende Fläche von 20 000 m², von der<br />
man etwa 5000 m² für den Neubau veranschlagte.<br />
Auch e<strong>in</strong> Platz an den Frankfurter Wiesen, unmittelbar<br />
neben dem Neubau der Allgeme<strong>in</strong>en Ortskrankenkasse<br />
war im Gespräch.<br />
Den Vorzug sollte aber das Gelände an der Deutschen<br />
Bücherei erhalten, Vorteile sah man zwar auch<br />
bei den Frankfurter Wiesen (e<strong>in</strong> früheres Sumpfgelände)<br />
wegen der landschaftlichen Lage <strong>in</strong> der Nähe<br />
des Rosentals und des Johannaparks (heute: Teil des<br />
Clara-Zetk<strong>in</strong>-Parks) sowie der Nähe zur Albert<strong>in</strong>a und<br />
der Bibliothek der Handelskammer. Man g<strong>in</strong>g se<strong>in</strong>erzeit<br />
davon aus, dass sich längs des Kanals (Elsterflutbecken)<br />
e<strong>in</strong> Villenviertel entwickeln wird und<br />
dadurch sogar <strong>die</strong> Kle<strong>in</strong>messe verschw<strong>in</strong>det. Bedenklich,<br />
und das sprach e<strong>in</strong>deutig gegen das Gelände,<br />
stimmte der Baugrund, denn schon <strong>die</strong> AOK hatte<br />
Anfang der 20erJahre bei Gründungsarbeiten für e<strong>in</strong>en<br />
Neubau durch den unerwartet hohen Grundwasserstand<br />
böse Überraschungen erlebt.<br />
Wegen der bereits galoppierenden Inflation stand<br />
e<strong>in</strong> Preis von 1500 $ pro m² für <strong>die</strong> Fläche an der<br />
Deutschen Bücherei <strong>in</strong> Rede. Auf dem Höhepunkt<br />
der Inflation Anfang November 1923 musste man<br />
auch <strong>die</strong>se Pläne erst e<strong>in</strong>mal begraben, wenigstens<br />
wollte man aber das Gelände als Sportplatz für <strong>die</strong><br />
Studenten der Handelshochschule sichern.<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>e Bebauung kam <strong>bis</strong> zum Zweiten Weltkrieg<br />
nicht zustande. Erst <strong>in</strong> den 50erJahren errichtete<br />
man auf e<strong>in</strong>em Teil der Frankfurter Wiesen nach<br />
und nach <strong>die</strong> Gebäude der Deutschen Hochschule<br />
für Körperkultur und Sport (DHfK).<br />
Schon <strong>in</strong> den Jahren vor 1925 war der Plan entstanden,<br />
e<strong>in</strong> StudentenWohnheim zu schaffen, das wegen<br />
e<strong>in</strong>er günstigen Verkehrsanb<strong>in</strong>dung natürlich<br />
<strong>in</strong> unmittelbarer Nähe von Leipzig liegen sollte. Die<br />
Akten zeigen e<strong>in</strong>e Vielzahl bebilderter Immobilienangebote<br />
aus ganz Sachsen, so u. a. aus Bad Düben,<br />
Bad Lausick, Brandis, Eilenburg, Grimma, Leisnig<br />
Als nach 1990 <strong>die</strong> HHL, der man e<strong>in</strong>en der<br />
ehemaligen DHfK-Bauten zur Nutzung<br />
überlassen hatte, Ausbau arbeiten <strong>in</strong> den<br />
Kellergeschossen vor nehmen ließ, stieß<br />
das ausführende Unternehmen auf <strong>die</strong><br />
gleichen Grund wasserprobleme wie vor<br />
mehr als 70 Jahren <strong>die</strong> AOK.<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>en neuen vorläufigen Höhepunkt<br />
erreichte <strong>die</strong> Baudiskussion mit im Dezember<br />
1929 entwickelten Vorstellungen,<br />
geme<strong>in</strong>sam mit der Technischen Akademie<br />
Leipzig am Deutschen Platz, unmittelbar<br />
neben der DB gelegen, e<strong>in</strong>en komfortablen<br />
Neubau zu errichten; und wieder<br />
bildete man Rücklagen.<br />
Der Beg<strong>in</strong>n des Zweiten Weltkrieges<br />
machte auf lange Zeit alle Baupläne zunichte.<br />
Erst zu Beg<strong>in</strong>n der 70er-Jahre<br />
erbaute man im Rahmen des Wohnungsbauprogramms<br />
der DDR an verschiedenen<br />
Standorten <strong>in</strong> Leipzig Studentenwohnheime<br />
<strong>in</strong> Großplattenbauweise, auch<br />
am Standort Straße des 18. Oktober. Nach<br />
1990 erfolgte deren schrittweise Sanierung;<br />
sie s<strong>in</strong>d heute vom Studentenwerk<br />
Leipzig bewirtschaftet.
<strong>1897</strong> <strong>bis</strong> <strong>1945</strong> <strong>–</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong> blick <strong>in</strong> diE GEschichtE 68 69<br />
auf spurEnsuchE <strong>in</strong> lEipziG <strong>–</strong> dEr EwiGE (untEr)miEtEr!<br />
Studentenausweis von Willi Daume<br />
Die Grundste<strong>in</strong>legung für <strong>die</strong> Baude, e<strong>in</strong><br />
Mehrzweckgebäude mit Turnhalle, Umkleidekab<strong>in</strong>en,<br />
Duschräumen und gastronomischer<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>richtung, fand am 11. Oktober<br />
1925 statt, der Rektor hatte den<br />
Professoren und Dozenten dazu e<strong>in</strong>en<br />
feierlichen Anzug ohne Zyl<strong>in</strong>der<br />
empfohlen.<br />
Der Turnvere<strong>in</strong> Connewitz brachte <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />
sportliche Ehe zusätzlich se<strong>in</strong>e Turnhalle<br />
<strong>in</strong> der Connewitzer Biedermann straße e<strong>in</strong>,<br />
<strong>die</strong> damit auch den Stu<strong>die</strong>renden der<br />
Handelshochschule zur Verfügung stand.<br />
Willi Daume, Student der Handelshochschule<br />
Anfang der 30er-Jahre und von 1961<br />
<strong>bis</strong> 1992 Präsident des NOK, erzählte<br />
anlässlich e<strong>in</strong>es Besuches <strong>in</strong> Leipzig kurz<br />
nach der Wende, dass er se<strong>in</strong>erzeit <strong>in</strong> der<br />
Halle <strong>in</strong> der Biedermannstraße Handball<br />
gespielt habe.<br />
Baude, Sportplatz Leipzig-Dölitz um 1925<br />
und Naunhof und den Entwurf e<strong>in</strong>es Haushaltplanes<br />
über <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>richtung sowie Bewirtschaftung e<strong>in</strong>es<br />
Studentenheimes. Schließlich musste der Rektor Ende<br />
1925 dem zuständigen M<strong>in</strong>isterium mitteilen, er habe<br />
den Plan, e<strong>in</strong> Grundstück <strong>in</strong> Naunhof zu erwerben,<br />
fallen gelassen, grundsätzlich bliebe es aber bei dem<br />
Gedanken, e<strong>in</strong> Studentenheim zu schaffen.<br />
M<strong>in</strong>derbemittelten Studenten der Universität Leipzig<br />
stand schon ab W<strong>in</strong>ter 1922/23 im ehemaligen<br />
Königlichen Lehrersem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> der Elisenstraße 150<br />
(heute: BernhardGör<strong>in</strong>gStraße, LeipzigConnewitz)<br />
e<strong>in</strong> Wohnheim zur Verfügung, wegen der äußerst beschränkten<br />
Platzzahl hatten aber dort Stu<strong>die</strong>rende<br />
der Handelshochschule ke<strong>in</strong>e Chance. 1927 plante <strong>die</strong><br />
Universität <strong>die</strong> Errichtung von Gruppenhäusern an<br />
den Frankfurter Wiesen, allerd<strong>in</strong>gs ohne Beteiligung<br />
der Handelshochschule, und erst 1930 ergab<br />
sich bei e<strong>in</strong>em neuen Bauprojekt der Universität <strong>die</strong><br />
Möglichkeit, auch für Stu<strong>die</strong> rende der Handelshochschule<br />
Plätze zu erhalten.<br />
Auf Vorschlag des Professorenrates der Handelshochschule<br />
stimmte der Senat e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen<br />
Vorhaben zu, wenn das Bauwerk an e<strong>in</strong>em für <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
günstigen Standort errichtet würde<br />
(vorgesehen zur Bebauung war e<strong>in</strong>e Fläche an der Straße<br />
des 18. Oktober) und wenn <strong>die</strong> Studentenschaft der<br />
Handelshochschule e<strong>in</strong>e angemessene Anzahl von Sitzen<br />
im Verwaltungsausschuss erhielte. Die F<strong>in</strong>anzie<br />
rung sollte vorrangig über je Semester zu vere<strong>in</strong>nahmende<br />
Beiträge der Stu<strong>die</strong>renden erfolgen.<br />
Unsere Spurensuche wäre nicht vollständig, wollten<br />
wir nicht auch jene Orte erwähnen, <strong>die</strong> über das<br />
<strong>bis</strong>her Genannte h<strong>in</strong>aus den Be<strong>die</strong>nsteten und Stu<strong>die</strong>renden<br />
der Handelshochschule für verschiedenste<br />
Zwecke zur Verfügung standen, dem Sport oder ernsten<br />
und auch heiteren Festivitäten <strong>die</strong>nten.<br />
So bestand für <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>renden der Handelshochschule<br />
natürlich auch <strong>die</strong> Möglichkeit, neben<br />
den bereits genannten Bibliotheken zusätzlich <strong>die</strong><br />
Deutsche Bücherei am Deutschen Platz, <strong>die</strong> Bibliothek<br />
des Börsenvere<strong>in</strong>s der Deutschen Buchhändler<br />
<strong>in</strong> der Hospitalstraße 11 (heute: Prager Straße), <strong>die</strong><br />
CommeniusBücherei, <strong>die</strong> Stadtbibliothek und <strong>die</strong><br />
des Völkerkunde und Kunstgewerbemuseums zu<br />
nutzen.<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> am 1. Oktober 1924 abgeschlossener Pachtvertrag<br />
für e<strong>in</strong> Gelände <strong>in</strong> der Gemarkung Lößnig/<br />
Dölitz an der Raschwitzer Straße bot der Handelshochschule<br />
endlich <strong>die</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>es eigenen<br />
Sportplatzes. Zu <strong>die</strong>sem Zwecke hatte sie sich mit<br />
dem 1858 gegründeten Turnvere<strong>in</strong> LeipzigConnewitz<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zweckverband zusammengeschlossen,<br />
dem später auch noch <strong>die</strong> Akademie für Graphische<br />
Künste und Buchgewerbe beitrat.<br />
Die Pachtsumme betrug für e<strong>in</strong>e Laufzeit von zehn<br />
Jahren mit Option zur Verlängerung e<strong>in</strong>en Goldpfennig<br />
pro Jahr und m². <strong>E<strong>in</strong></strong> späterer Vertrag schrieb<br />
<strong>die</strong> Nutzungsdauer <strong>bis</strong> zum Jahr 1955 bzw. sogar 1975<br />
fest. An den Baukosten von etwa 242 000 RM beteiligte<br />
sich <strong>die</strong> Handelshochschule mit 100 000 RM, <strong>die</strong><br />
Anlage umfasste 66 000 m².<br />
Der Bau e<strong>in</strong>schließlich der Gestaltung aller Platzanlagen<br />
war im Sommer 1926 fertig gestellt. Die <strong>E<strong>in</strong></strong>weihungsfeierlichkeiten<br />
dauerten vom 24. <strong>bis</strong> zum<br />
26. Juli und begannen mit e<strong>in</strong>em abendlichen Fackelzug<br />
durch Connewitz <strong>bis</strong> zum Sportplatz, an dem<br />
sich neben der Turnerschaft auch <strong>die</strong> Studentenschaft<br />
der Handelshochschule beteiligte. Am folgenden<br />
Tage fanden vor geschätzten 12 000 Zuschauern<br />
verschiedenste Sportwettkämpfe statt. Alle<strong>in</strong> etwa<br />
400 Turner<strong>in</strong>nen und 500 Turner traten zu den Freiübungen<br />
an. Studentenmannschaften der Handelshochschule<br />
nahmen an Turnieren <strong>in</strong> Fußball, Handball<br />
und Faustball teil.<br />
Das wohl letzte Turn und Sportfest der Handelshochschule<br />
fand am Mittwoch, den 17. Juli 1940 auf<br />
der Anlage an der Raschwitzer Straße <strong>in</strong> den Diszipl<strong>in</strong>en<br />
Faustball, Fußball, Handball, Leichtathletik,<br />
Kle<strong>in</strong>kaliberschie ßen und Tennis statt. <strong>E<strong>in</strong></strong> geme<strong>in</strong>sames<br />
Essen (<strong>E<strong>in</strong></strong>topfgericht) vere<strong>in</strong>te alle Teilnehmer<br />
am Abend. Da seit Kriegsbeg<strong>in</strong>n Lebensmittel ra<br />
Die Baude heute<br />
tioniert waren, hatte jeder Teilnehmer e<strong>in</strong>e Fleischmarke<br />
im Werte von 50 g abzuliefern.<br />
Heute wird <strong>die</strong> Anlage, <strong>die</strong> man von der alten Dölitzer<br />
Kirche aus zu Fuß <strong>in</strong> etwa fünf M<strong>in</strong>uten erreicht,<br />
vom Sportvere<strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>tracht Leipzig Süd genutzt.<br />
Das Gebäude ist saniert und bef<strong>in</strong>det sich noch<br />
im orig<strong>in</strong>alen Zustand.<br />
Sowohl das Alte Theater (1817 auf der Rannischen<br />
Bastei errichtet, Standort befand sich auf der Fläche<br />
südlich des Tröndl<strong>in</strong>r<strong>in</strong>gs und westlich des auslaufenden<br />
Brühls), als auch das Neue Theater (erbaut 1868<br />
auf dem Augustusplatz, heute bef<strong>in</strong>det sich an <strong>die</strong>ser<br />
Stelle das Opernhaus) <strong>die</strong>nten der Handelshochschule<br />
<strong>in</strong> den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens als Stätten<br />
würdiger Veranstaltungen, wie es z. B. <strong>die</strong> Immatrikulationsfeiern<br />
waren. Auch <strong>die</strong> Feier zur Verkündung<br />
des Promotionsrechts fand am Mittwoch, den 2. Juli<br />
1930 um 11.00 Uhr im Alten Theater statt.<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>e Ausnahme bildete <strong>die</strong> feierliche Eröffnung<br />
der Handelshochschule am 25. April 1898, dafür hatte<br />
<strong>die</strong> Universität ihr Auditorium Maximum am Augustusplatz<br />
zur Verfügung gestellt.<br />
Auch der Festsaal des Neuen Rathauses hat schon<br />
<strong>in</strong> der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg der Handelshochschule<br />
mehrfach für Feierlichkeiten ge<strong>die</strong>nt, so<br />
am 28. Mai 1923 zur Feier anlässlich des 25jährigen<br />
Festsaal des Neuen Rathauses nach dem Ersten Weltkrieg<br />
Die genannten Theater s<strong>in</strong>d heute aus<br />
dem Leipziger Stadtbild verschwunden,<br />
beim Luftangriff vom 4. Dezember 1943<br />
auf das Leipziger Zentrum versanken sie<br />
<strong>in</strong> Schutt und Asche.<br />
Das Neue Theater um 1900