1897 bis 1945 – Ein Blick in die Geschichte
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Das Leipziger Tageblatt vom 25. April 1898<br />
zur Handelshochschule: »Adm<strong>in</strong>istrativ<br />
aber gilt sie als eigene Organisation, mit<br />
eigenen Statuten, eigenem Senate und<br />
eigener Immatriku lationsordnung, f<strong>in</strong>anziell<br />
gesichert durch <strong>die</strong> Garantie der<br />
Leipziger Handelskammer und von Seiten<br />
der Königlichen Sächsischen Staatsregierung<br />
und der Stadtgeme<strong>in</strong>de Leipzig<br />
durch e<strong>in</strong>en Jahresbeitrag unterstützt.« 1<br />
Die seit 1874 <strong>in</strong> Leipzig ansässige Kreishauptmannschaft<br />
war als staatliche Mittelbehörde<br />
auch für <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
zuständig. <strong>E<strong>in</strong></strong> von ihr bestellter<br />
Staatskommissar vertrat <strong>die</strong> Königlich-<br />
Sächsische Regierung im Senat der Handelshochschule.<br />
Über ihn lief sämtlicher<br />
Schriftverkehr mit den zuständigen M<strong>in</strong>isterien<br />
<strong>in</strong> Dresden <strong>in</strong> beiden Richtungen.<br />
Gleichzeitig fungierte er als staatlicher<br />
Vertreter (königlicher Kommissar) <strong>in</strong> der<br />
Prüfungskommission der Handelshochschule.<br />
Vor dem Ersten Weltkrieg fanden<br />
sogar öfter Prüfungen <strong>in</strong> den Räumen der<br />
Kreishauptmannschaft am Rossplatz 11<br />
statt. Ab 1919 lautete <strong>die</strong> Bezeichnung<br />
Staatsvertreter bei der Prüfungskommission<br />
der Handelshochschule, später Vorsitzender<br />
der Staatlichen Prüfungskommission der<br />
Handelshochschule. Im Juni 1941 ernannte<br />
der zuständige Reichsm<strong>in</strong>ister den Oberbürgermeister<br />
der Stadt Leipzig zum<br />
Vorsitzenden des Prüfungsamtes an der<br />
Handelshoch schule.<br />
Die Funktion des Staatskommissars blieb<br />
<strong>bis</strong> 1. April 1929 erhalten, von da an durfte<br />
<strong>die</strong> Handelshochschule mit dem zuständigen<br />
Wirtschaftsm<strong>in</strong>isterium <strong>in</strong> Dresden<br />
direkt verkehren. Ab Juni 1933 fungierte<br />
der Kreishauptmann wieder als Staatskommissar<br />
für <strong>die</strong> Handelshochschule.<br />
Im April 1939 übertrug man <strong>die</strong> Geschäfte<br />
des Staatskommissars dem Regierungspräsidenten,<br />
der von da an dem Kuratorium<br />
der Handelshochschule angehörte.<br />
Leitungsstruktur und <strong>in</strong>nere<br />
Organisation der Handelshochschule<br />
Bereits <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Rede, <strong>die</strong> er anlässlich der Eröffnung<br />
der Handelshochschule hielt, äußerte sich<br />
Hermann Raydt zur <strong>in</strong>neren <strong>E<strong>in</strong></strong>richtung der neuen<br />
Institution. Er beschrieb sie als e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> sich selbständige<br />
Organisation, auch wenn sie vorläufig noch ke<strong>in</strong><br />
eigenes Gebäude und ke<strong>in</strong>en eigenen Lehrkörper besäße.<br />
Gerade wegen <strong>die</strong>ser beiden letztgenannten<br />
Punkte und der oft bekrittelten Nähe zur Universität<br />
ist der Handelshochschule <strong>in</strong> den ersten Jahren ihres<br />
Bestehens hier und da vorgeworfen worden, sie wäre<br />
gar ke<strong>in</strong>e eigenständige Hochschule und damit auch<br />
nicht <strong>die</strong> erste ihrer Art <strong>in</strong> Deutschland. Die Leipziger<br />
Gründer haben das begreiflicherweise immer<br />
anders betrachtet und <strong>die</strong> Selbständigkeit nicht nur<br />
als e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> juristische ansehen wollen. Aus welchen<br />
Gründen man für <strong>die</strong> Starphase e<strong>in</strong>e besondere<br />
Form wählte, hat der Leser schon an anderer Stelle<br />
erfahren.<br />
Auch der damalige Rektor der Universität, Professor<br />
Wachsmuth, stützte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ansprache bei der<br />
Eröffnung Raydts These. Er beschrieb den Beitrag<br />
der Universität für <strong>die</strong> neue <strong>E<strong>in</strong></strong>richtung als e<strong>in</strong> Angebot,<br />
<strong>die</strong> bei ihr schon fertig ausgebildeten Institutionen<br />
mit zu nutzen, und sagte weiter, das habe <strong>die</strong><br />
Universität mit aufrichtiger Freude getan und werde<br />
es auch weiter tun <strong>in</strong> der Hoffnung, dass wenigstens<br />
für <strong>die</strong> Anfänge <strong>die</strong>se Kooperation sich als nicht unnützlich<br />
erweisen werde.<br />
Die Regelungen, welche <strong>die</strong> Organisation der Handelshochschule<br />
betrafen, f<strong>in</strong>det man <strong>in</strong> der Ordnung<br />
für <strong>die</strong> Handelshochschule zu Leipzig, genehmigt<br />
durch Verordnung des Königlichen M<strong>in</strong>isteriums<br />
des Inneren vom 18. Februar 1898, das <strong>bis</strong> 1921 <strong>die</strong><br />
staatliche Zuständigkeit für <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
<strong>in</strong>nehatte. Die Handelskammer Leipzig übernahm<br />
zunächst für zwei Jahre alle aus der Begründung und<br />
Führung der Anstalt erwachsenden f<strong>in</strong>anziellen Verb<strong>in</strong>dlichkeiten,<br />
<strong>die</strong> Handelshochschule führte also<br />
ke<strong>in</strong>en eigenen Haushalt. Die staatliche Kontrolle<br />
übte das M<strong>in</strong>isterium des Inneren aus, das war vorgesehen<br />
<strong>bis</strong> zu dem Zeitpunkt, an dem <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
e<strong>in</strong>e selbständige Verfassung erhielt. In<br />
den Händen des Hochschulsenats, dessen Vorsitz der<br />
jeweilige Vorsitzende der Handelskammer zu Leipzig<br />
<strong>in</strong>nehatte, lag <strong>die</strong> Leitung der Hochschule. In den<br />
beiden ersten Jahren setzte sich der Senat wie folgt<br />
zusammen:<br />
• e<strong>in</strong> Vertreter der Königlichen Staatsregierung<br />
(Staatskommissar),<br />
• e<strong>in</strong> Vertreter der Stadt Leipzig,<br />
• der Vorsitzende der Handelskammer und zwei von<br />
<strong>die</strong>ser abzuordnende Mitglieder,<br />
• drei vom Akademischen Senat der Universität abzuordnende<br />
Professoren,<br />
• zwei von dem Vorstande der Öffentlichen Handelslehranstalt<br />
zu wählende Lehrer <strong>die</strong>ser Anstalt sowie<br />
der anzustellende Stu<strong>die</strong>ndirektor, so dass er<br />
<strong>in</strong>sgesamt elf Mitglieder umfasste. Der Senat veränderte<br />
sich im Verlaufe der Jahre sowohl <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Struktur als auch <strong>in</strong> der personellen Zusammensetzung.<br />
Dem Stu<strong>die</strong>ndirektor, der nach § 5 der o. g. Ordnung<br />
auf Vorschlag des Senats von der Handelskammer<br />
auf zwei Jahre angestellt wurde, oblag unter Mitwirkung<br />
und Aufsicht des Senats <strong>die</strong> unmittelbare<br />
Leitung der Handelshochschule, er hatte sich gewissermaßen<br />
um das Tagesgeschäft zu kümmern, und<br />
zwar sowohl um Fragen von Lehre und Forschung als<br />
auch um <strong>die</strong> technischorganisatorischen Seiten des<br />
Stu<strong>die</strong>nbetriebes. Wie wir wissen, war das <strong>in</strong> Doppelfunktion<br />
als erster Stu<strong>die</strong>ndirektor der Direktor der<br />
Öffentlichen Handelslehranstalt, Professor Raydt.<br />
Ende 1908 erfolgte e<strong>in</strong>e teilweise Übergabe von<br />
Buchhaltungsaufgaben nach dem Muster der Quästur<br />
der Universität an <strong>die</strong> Handelshochschule, wobei<br />
es sich weitgehend um <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>nahmen aus gewissen<br />
Gebühren usw. handelte. Bei der Kammer verblieben<br />
<strong>die</strong> Beiträge des Staates, der Stadt und der<br />
54<br />
55<br />
Garanten, Z<strong>in</strong>sen, Bankverb<strong>in</strong>dungen sowie alle Auszahlungen.<br />
Folgen wir nun der Entwicklung der <strong>in</strong>neren Organisation<br />
weiter, so ist der nächste markante Punkt<br />
der 2. Februar 1911, an dem das M<strong>in</strong>isterium des Inneren<br />
der Handelshochschule durch Verordnung <strong>die</strong><br />
Eigenschaft e<strong>in</strong>er juristischen Person verlieh. Das bedeutete,<br />
knapp 13 Jahre nach ihrer Gründung erlangte<br />
<strong>die</strong> Handelshochschule ihre völlige juristische und<br />
ökonomische Selbstständigkeit. Sie wurde juristische<br />
Person des öffentlichen Rechts.<br />
Diesem Schritt g<strong>in</strong>gen längere Diskussionen mit<br />
der Handelskammer um den gewünschten veränderten<br />
Status voraus. Als der Senat im Juli 1910 mit<br />
e<strong>in</strong>em Schreiben an <strong>die</strong> Handelskammer <strong>die</strong> Initiative<br />
dazu ergriff, wollte <strong>die</strong>se sich, offenbar leicht verschnupft,<br />
erst e<strong>in</strong>mal sofort ihrer Dauerverpflichtung<br />
für Zahlungen zu Gunsten der Handelshochschule<br />
entledigen. <strong>E<strong>in</strong></strong>verständnis bestand h<strong>in</strong>gegen<br />
<strong>in</strong> der Frage, dass ke<strong>in</strong>e Personalunion Vorsitzender<br />
der Handelskammer gleich Vorsitzender des Senats mehr<br />
bestehen sollte. Künftig würden vielfach Fragen der<br />
<strong>in</strong>neren Organisation des akademischen Unterrichts<br />
im Vordergrund stehen. Da dürfte sich der Senat<br />
nicht <strong>die</strong> Möglichkeit versperren, jedes Mal <strong>die</strong> dafür<br />
geeignetste Persönlichkeit auszuwählen, hatte man <strong>in</strong><br />
dem Schrei ben argumentiert.<br />
Der Vorsitz im Senat stand gemäß der neuen Satzung<br />
also nicht mehr zwangsläufig dem Vorsitzenden<br />
der Handelskammer zu. Die Besetzung erfolgte<br />
alle zwei Jahre durch Wahl aus dem Kreis der Senatoren.<br />
Demgemäß folgte dem im Dezember 1910<br />
ausscheidenden Gustav Zwe<strong>in</strong>iger erstmals mit Carl<br />
Bücher e<strong>in</strong> Universitätsprofessor <strong>in</strong>s Amt.<br />
In <strong>die</strong>ser Phase erzielte man auch <strong>E<strong>in</strong></strong>igkeit darüber,<br />
das Amt des Stu<strong>die</strong>ndirektors künftig vom<br />
Direktorat der Öffentlichen Handelslehranstalt zu<br />
trennen. Bei der erreichten Größe der Handelshochschule<br />
war <strong>die</strong> Last beider Ämter auf Dauer e<strong>in</strong>er<br />
Person nicht mehr zuzumuten.<br />
Im Februar 1922 erhielt <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
e<strong>in</strong>e neue Verfassung und unterstand ab sofort der<br />
Aufsicht des Sächsischen Wirtschaftsm<strong>in</strong>isteriums,<br />
später der des Volksbildungsm<strong>in</strong>isteriums. Im § 3 des<br />
ersten Nachtrages zur veränderten Ordnung der<br />
Handelshochschule hieß es dazu s<strong>in</strong>ngemäß, dass <strong>die</strong><br />
Handelshochschule ab sofort e<strong>in</strong>e Rechtsfähigkeit<br />
besitzende Anstalt des öffentlichen Rechts sei, deren<br />
Leitung ihrem Senat zusteht. Die Anzahl der Senatsmitglieder<br />
erhöhte sich von zwölf auf 17, <strong>die</strong> Handelskammern<br />
Dresden, Chemnitz, Plauen und Zwickau<br />
erhielten zusammen e<strong>in</strong>en zweiten Sitz, <strong>die</strong> GdF<br />
erhielt als neues Mitglied zwei Sitze und <strong>die</strong> Handels<br />
lEitunGsstruktur und <strong>in</strong>nErE orGanisation dEr handElshochschulE<br />
hochschule war nun neben dem Rektor und Prorektor<br />
mit zusätzlich zwei Professoren vertreten. Erstmals<br />
im Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester<br />
1926 erschien im Untertitel des Deckblatts<br />
der Zusatz Anstalt des öffentlichen Rechts. Unter e<strong>in</strong>er<br />
solchen Anstalt versteht man e<strong>in</strong>e öffentlichrechtliche<br />
Verwaltungse<strong>in</strong>richtung mit eigener Rechtspersönlichkeit<br />
(juristische Person), <strong>die</strong> bestimmte<br />
Aufgaben unter staatlicher Aufsicht erfüllt. Diese<br />
staatliche Aufsicht schränkte aber das souveräne<br />
Handeln der Handelshochschule im Rahmen ihrer<br />
<strong>in</strong> der Satzung formulierten Ziele und Aufgaben <strong>in</strong><br />
ke<strong>in</strong>er Weise e<strong>in</strong>.<br />
Wesentliche Entscheidungen zur Leitungsstruktur<br />
fielen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Zeit, <strong>in</strong> der Professor Schultze der Handelshochschule<br />
vorstand. Vom 1. August 1922 an war er<br />
Stu<strong>die</strong>ndirektor und danach ab Januar 1923 bekleidete<br />
er das Amt e<strong>in</strong>es Rektors, nachdem das Wirtschaftsm<strong>in</strong>isterium<br />
<strong>die</strong> erforderliche Genehmigung zur Führung<br />
<strong>die</strong>ses Titels erteilt hatte. Gleichzeitig genehmigte<br />
es auch <strong>die</strong> Ernennung e<strong>in</strong>es Prorektors.<br />
Der Zustimmung des M<strong>in</strong>isteriums waren längere<br />
Verhandlungen und Ause<strong>in</strong>andersetzungen um <strong>die</strong><br />
Amtsbezeichnung Rektor vorausgegangen. Der Vorsitzende<br />
des Senats der Handelshochschule, Richard<br />
Schmidt, und Professor Adler hatten bereits mit<br />
e<strong>in</strong>em Schreiben im Oktober 1920 an <strong>die</strong> zuständigen<br />
Stellen <strong>in</strong> Dresden mit e<strong>in</strong>er gewissen Verbitterung<br />
darauf verwiesen, dass <strong>in</strong> Sachsen jetzt sogar<br />
<strong>die</strong> Leiter von Mittelschulen Oberstu<strong>die</strong>ndirektor<br />
hießen. In e<strong>in</strong>em solchen Amtsträger sehe <strong>die</strong> Allgeme<strong>in</strong>heit<br />
<strong>in</strong> der Regel mehr als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Stu<strong>die</strong>ndirektor<br />
der Handelshochschule, das setze <strong>die</strong>sen somit<br />
im öffentlichen Ansehen herab. Sie forderten<br />
deshalb nachdrücklich den Titel Rektor e<strong>in</strong>. Mit der<br />
Begründung, <strong>die</strong> Bezeichnungen Rektor und Prorektor<br />
wären nur bei Hochschulen mit eigentlicher Rektoratsverfassung<br />
üblich, <strong>die</strong> Handelshochschule besitze<br />
aber <strong>bis</strong> jetzt e<strong>in</strong>e solche nicht, lehnte das M<strong>in</strong>isterium<br />
den Antrag erst e<strong>in</strong>mal ab, musste sich aber<br />
schließlich doch den Argumenten der Handelshochschule<br />
beugen.<br />
Die Amtse<strong>in</strong>führung des nunmehr jeweils nach<br />
demokratischen Regeln für zwei Jahre gewählten<br />
Rektors sollte immer am 8. Mai stattf<strong>in</strong>den. Es galt<br />
e<strong>in</strong> besonderes Zeremoniell, das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Rektoratsprotokoll<br />
von 1931 wie folgt beschrieben ist: Die<br />
Feier f<strong>in</strong>det im Saal des Neuen Rathauses statt. Der<br />
Vorgänger überreicht se<strong>in</strong>em Amtsnachfolger <strong>die</strong><br />
Amtskette, <strong>die</strong> Verfassung, den Schlüssel und das<br />
Siegel der Handelshochschule. Außerdem legte der<br />
scheidende Rektor e<strong>in</strong>en Bericht zu den wichtigsten<br />
Aktivitäten und Ereignissen se<strong>in</strong>er Amtszeit vor. In<br />
Zur Entlastung des Rektors von Verwaltungsarbeiten<br />
beschloss der Senat im<br />
Juli 1923 <strong>die</strong> Anstellung e<strong>in</strong>es Syndikus.<br />
Nach Wunsch aller anwesenden Herren<br />
sollte sich <strong>die</strong> Wahl nicht auf Akademiker<br />
beschränken.