1897 bis 1945 – Ein Blick in die Geschichte
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<strong>1897</strong> <strong>bis</strong> <strong>1945</strong> <strong>–</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong> blick <strong>in</strong> diE GEschichtE 62 63<br />
auf spurEnsuchE <strong>in</strong> lEipziG <strong>–</strong> dEr EwiGE (untEr)miEtEr!<br />
Dem Neubau der Leipziger Bank am<br />
Rathausr<strong>in</strong>g, an der Ecke zur Peterstraße<br />
gelegen, musste sogar <strong>die</strong> alte Peterskirche<br />
weichen. Nur <strong>die</strong> Bezeichnung<br />
Peterskirchhof für <strong>die</strong> erste <strong>in</strong> östlicher<br />
Richtung abgehende Nebenstraße der<br />
Petersstraße er<strong>in</strong>nert heute noch an den<br />
sakralen Bau, der e<strong>in</strong>mal zu den fünf<br />
größten Kirchen im Zentrum Leipzigs<br />
zählte.<br />
Deutsche Bank um 1910<br />
Die Gelegenheit schien günstig; <strong>die</strong> Leipziger<br />
Bank, e<strong>in</strong> aufstrebendes Unternehmen der Branche,<br />
beabsichtigte, e<strong>in</strong> neues repräsentatives Bauwerk zu<br />
errichten. Für <strong>die</strong> Handelshochschule eröffnete sich<br />
<strong>die</strong> Möglichkeit, <strong>die</strong> obere Etage als Untermieter zu<br />
beziehen, während <strong>die</strong> unteren Räumlichkeiten und<br />
das Tiefparterre dem eigentlichen Bankbetrieb <strong>die</strong>nen<br />
soll ten. Der Entwurf des repräsentativen Gebäudes<br />
stammte von dem bekannten Architekten und<br />
Baumeister Max Arwed Roßbach.<br />
Die Handelskammer beschloss daher <strong>in</strong> ihrer Sitzung<br />
vom 29. März 1901, <strong>die</strong> bewussten Räume für <strong>die</strong><br />
Zwecke der Handelshochschule vom 1. Oktober 1901<br />
an für e<strong>in</strong>en Betrag von 10 000 Mark p.a. anzumieten.<br />
Jetzt schien alles <strong>in</strong> bester Ordnung, der Bau<br />
schritt zügig voran. Ende April <strong>in</strong>formierte der Vorsitzende<br />
Gustav Zwe<strong>in</strong>iger darüber den Senat und<br />
man besprach bauliche Ergänzungsarbeiten für den<br />
speziel len Schulbetrieb.<br />
Aber dann kam der 25. Juni 1901, der schwarze Dienstag,<br />
an dem sich, für <strong>die</strong> Öffentlichkeit völlig überraschend,<br />
<strong>die</strong> Leipziger Bank gezwungen sah, ihre<br />
Zahlungen e<strong>in</strong>zustellen. Weit über 50% ihrer Bilanzsumme<br />
von 165 Millionen Mark hatte sie an e<strong>in</strong>en<br />
faulen Kunden, <strong>die</strong> Trebergesellschaft <strong>in</strong> Kassel, ausgereicht,<br />
der <strong>die</strong> Kredite nicht mehr be<strong>die</strong>nen konnte.<br />
Am 27. Juni eröffnete <strong>die</strong> Deutsche Bank, <strong>die</strong> ihre<br />
Chance erkannt und entschlossen genutzt hatte, <strong>in</strong><br />
der Burgstraße 33 ihre erste Leipziger Filiale, um<br />
dem stark erschütterten Kreditmarkt e<strong>in</strong>en neuen<br />
Stützpunkt zu bieten. Die Leipziger Bank war nicht<br />
mehr vor der Pleite zu retten, und ihre Nachfolge <strong>–</strong><br />
auch bezüglich des noch nicht fertig gestellten Neubaus<br />
<strong>–</strong> trat <strong>die</strong> Deutsche Bank an, <strong>die</strong> damit nun auch<br />
<strong>in</strong> Leipzig über e<strong>in</strong>e repräsentative Dependance verfügte,<br />
nachdem der Bau unter der Leitung von Roßbach<br />
zu Ende geführt war. 2<br />
Senat und Handelskammer hatten zwar noch für<br />
e<strong>in</strong>e kurze Zeit gehofft, es bliebe alles beim Alten,<br />
aber schon im Juli 1901 teilte <strong>die</strong> Konkursverwaltung<br />
mit, dass sie vom Kontrakt mit der Handelshochschule<br />
zurücktreten müsse und wieder war Suchen<br />
nach e<strong>in</strong>er neuen Bleibe angesagt!<br />
Nach Erwägung verschiedener Varianten, so waren<br />
auch Räume im Haus Markt 2 <strong>in</strong>s Auge gefasst<br />
worden, fand man erst gegen Ende 1901 Ersatz mit<br />
dem Gebäude Schulstraße 1 (heute: Ratsfreischulstraße<br />
3, etwa jetziger Standort Bauwenshaus), das<br />
ehemals von der ältesten Leipziger Freimaurerloge<br />
M<strong>in</strong>erva zu den drei Palmen genutzt wurde. Diese Loge,<br />
im März 1741 mit dem Namen Zu den drei Zirkeln gegründet<br />
und später umbenannt, hatte e<strong>in</strong> neues Gebäude<br />
bezogen, wodurch sich <strong>die</strong>se günstige Gelegenheit<br />
für <strong>die</strong> Handelshochschule bot. Nach e<strong>in</strong>igen für<br />
<strong>die</strong> Zwecke e<strong>in</strong>es Schulbetriebes erforderlichen Umbauten<br />
<strong>–</strong> so richtete man drei größere Hörsäle e<strong>in</strong> <strong>–</strong><br />
und der Ausstattung des Gebäudes mit entsprechendem<br />
Mobi liar konnte am 1. Oktober 1902 der<br />
feierliche <strong>E<strong>in</strong></strong>zug erfolgen und am 15. Oktober der<br />
Unterrichtsbetrieb beg<strong>in</strong>nen.<br />
Nun hatte sich doch noch alles zum Guten gewendet;<br />
alle<strong>in</strong> <strong>die</strong> merkwürdige Zurückhaltung des Senats<br />
und auch der Handelskammer zu der geplatzten<br />
Vere<strong>in</strong>barung mit der Leipziger Bank mutet aus heutiger<br />
Sicht seltsam an. Im Jahresbericht des Stu<strong>die</strong>ndirektors<br />
für das Jahr 1902 f<strong>in</strong>det man lediglich den<br />
H<strong>in</strong>weis, dass wegen der beengten Raumsituation im<br />
Gebäude der Öffentlichen Handelslehranstalt der<br />
Senat <strong>die</strong> Gelegenheit ergriffen habe, <strong>die</strong> sich durch<br />
den Umbau des früheren Logengebäudes <strong>in</strong> der<br />
Schulstraße 1 bot, um geeignete Räume für <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
zu erlangen. Man muss annehmen,<br />
dass den Verantwortlichen das Zusammengehen mit<br />
e<strong>in</strong>em Pleitier offensichtlich unangenehm gewesen<br />
ist und man wohl um den guten Ruf der Anstalt<br />
fürchtete, deswegen <strong>die</strong>se Zurückhaltung. Auch <strong>die</strong><br />
Jahresberichte der Handelskammer für 1901 und<br />
1902 erwähnen <strong>die</strong> Angelegenheit nicht.<br />
Wegen der Gasversorgung des Gebäudes, u. a. für<br />
<strong>die</strong> Beleuchtung, schloss der Senat e<strong>in</strong>en entsprechenden<br />
Vertrag ab.<br />
Schulstraße 1, Sitz der Handelshochschule von 1902 <strong>bis</strong> 1910<br />
Für <strong>die</strong> nächsten Jahre war aber nun der Lehrbetrieb<br />
erst e<strong>in</strong>mal, immerh<strong>in</strong> besser als <strong>bis</strong>her, gesichert,<br />
jedoch taten sich bald neue Probleme auf, denn<br />
<strong>die</strong> jetzige Lösung war zwar e<strong>in</strong>e gute, aber eben ke<strong>in</strong>esfalls<br />
ideale. Man benötigte ständig mehr Raum<br />
wegen der wachsenden Studentenzahlen und ließ deshalb<br />
den Altbau um e<strong>in</strong> zusätzliches Geschoss aufstocken<br />
sowie weitere Umbauten vornehmen. Die Kosten<br />
dafür bezifferten <strong>die</strong> beauftragten Baumeister<br />
Max und Woldemar Vogel am 8. November 1906 mit<br />
76 360 Mark. Zwischenzeitlich war auch <strong>die</strong> H<strong>in</strong>zumietung<br />
des benachbarten Gebäudes Markgrafenstraße<br />
8 erwogen worden, e<strong>in</strong> Vertrag mit dessen Besitzer<br />
Teichert kam jedoch nicht zustande.<br />
Im Verlaufe der Zeit stellte sich immer mehr heraus,<br />
dass <strong>die</strong> Lage <strong>in</strong> der Schulstraße für den Stu<strong>die</strong>nbetrieb<br />
nicht nur positive Seiten aufwies.<br />
So sah sich der Senat genötigt, beim Rat der Stadt<br />
darüber Beschwerde zu führen, dass das laute Rattern<br />
der ständig vorbeifahrenden Pferdefuhrwerke<br />
den Unterrichtstrieb erheblich störe. Der Rat antwortete,<br />
er werde <strong>in</strong> der Schulstraße e<strong>in</strong> Holzpflaster e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen<br />
lassen, was auch erfolgte. Noch heute f<strong>in</strong>det<br />
man <strong>in</strong> der Tore<strong>in</strong>fahrt des Gebäudes Ratsfreischulstraße<br />
10 Reste <strong>die</strong>ser Pflasterung.<br />
Wirklich geholfen hat das möglicherweise nicht,<br />
denn <strong>die</strong> Suche nach e<strong>in</strong>er neuen und besseren Lösung<br />
für <strong>die</strong> Handelshochschule begann erneut, wobei<br />
nun der Senat auch noch moralische Bedenken<br />
<strong>in</strong>s Feld führte.<br />
Im Juli 1907 wandte er sich mit e<strong>in</strong>em Schreiben<br />
an das zuständige Sächsische M<strong>in</strong>isterium des Inneren<br />
<strong>in</strong> Dresden wegen e<strong>in</strong>es Neubaus für <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
und begründete se<strong>in</strong>e Bitte unter anderem<br />
auch damit, dass <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>renden von der<br />
Schulstraße zu den Hörsälen der Universität am Augustusplatz<br />
e<strong>in</strong>en längeren Weg durch <strong>die</strong> belebtesten<br />
Teile der Stadt und zum Teil auch durch Straßen<br />
zurückzu legen hätten, von denen man <strong>die</strong> Jugend<br />
möglichst fernhalten möchte. Das war mit Sicherheit<br />
e<strong>in</strong> Sche<strong>in</strong>argument, um den Elan des M<strong>in</strong>isteriums<br />
<strong>in</strong> Bezug auf e<strong>in</strong>en Neubau zu befördern.<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> mit den Leipziger Örtlichkeiten von 1907 Vertrauter<br />
könnte vermuten, dass man hier vielleicht auf<br />
das Goldhahngässchen anspielte, das als besonders<br />
verrucht galt, weil dort <strong>die</strong> käuf liche Liebe zu Hause<br />
war. Der Brief bleibt leider <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Punkte unbestimmt.<br />
Se<strong>in</strong>erzeit bestand das nördlich des Marktes<br />
von der Kathar<strong>in</strong>enstraße, dem Brühl und der Reichsstraße<br />
umschlossene eng bebaute Areal aus e<strong>in</strong>er<br />
größeren Anzahl älterer Gebäude und vielen kle<strong>in</strong>en<br />
Durchgängen, zu denen auch das bereits im Jahre<br />
1696 <strong>in</strong> der Chronik von Johann Jacob Vogel erwähnte<br />
Goldhahngäßgen gehörte.<br />
Heute sucht man übrigens das Goldhahn und <strong>die</strong><br />
anderen Gässchen im Zentrum vergebens, (zerstört<br />
1943/44). Das Terra<strong>in</strong> ist nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
völlig neu gestaltet worden und heißt heute Sachsenplatz<br />
(im nördlichen Teil bef<strong>in</strong>det sich <strong>die</strong> neu erbaute<br />
Gemäldegalerie und südlich gelegen das ebenfalls<br />
neu erbaute Stadtgeschichtliche Museum).<br />
Aber natürlich konnten auch Lokale wie der Blaue<br />
Hecht, der sich se<strong>in</strong>erzeit <strong>in</strong> der Nikolaistraße befand,<br />
oder <strong>die</strong> Große Feuerkugel, zwischen Neumarkt und<br />
Universitätsstraße gelegen, geme<strong>in</strong>t se<strong>in</strong>, <strong>die</strong> von den<br />
Studenten auf dem Weg zu den Universitätsgebäuden<br />
tangiert werden mussten.<br />
Aus dem Jahre 1907 datieren erste Überlegungen<br />
zu e<strong>in</strong>em durch <strong>die</strong> Universität für <strong>die</strong> Handelshochschule<br />
zu errichtenden Neubau auf e<strong>in</strong>em Grundstück<br />
der Universität <strong>in</strong> der Ritterstraße 8/10. Bereits<br />
im Juni 1907 wird als möglicher Architekt Professor<br />
Schumacher von der Technischen Hochschule Dresden<br />
erwähnt und man f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>schlägige Korrespondenz<br />
mit dem zuständigen Königlichen Rentamt.<br />
Franz Kops (1846<strong>–</strong>1896): Ir. königl.<br />
Hoheit Pr<strong>in</strong>z Georg, Herzog zu<br />
Sachsen im Jahre 1895 <strong>–</strong> Stu<strong>die</strong><br />
nach dem Leben<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> besonderes Ereignis stellte der Besuch<br />
des Sächsischen Königs Georg am 6. November<br />
1902 zur Eröffnung des neuen<br />
Hauses dar. Stu<strong>die</strong>ndirektor Raydt ließ<br />
es sich nicht nehmen, mit e<strong>in</strong>em handschriftlichen<br />
Vermerk Lehrpersonal und<br />
Studenten auf <strong>die</strong>sen Höhepunkt im<br />
Leben der Handelshochschule vorzubereiten.<br />
So <strong>in</strong>formierte er darüber, dass<br />
um 10 ½ am Portal der Empfang se<strong>in</strong>er<br />
Majestät durch den Vertreter der Königlichen<br />
Regierung, Herrn Geheimen Regierungsrat<br />
Dr. Grünler, und den Vertreter<br />
des Rates der Stadt Leipzig, Herrn Wirklichen<br />
Geheimen Legationsrat Stadtrat<br />
Dr. Göhr<strong>in</strong>g vor gesehen sei. Weiter teilte<br />
er mit, dass im Hörsaal II vorher <strong>die</strong><br />
Senatsmitglieder und Dozenten Aufstellung<br />
zu nehmen hätten, Anzug Frack,<br />
weiße B<strong>in</strong>de, weiße Handschuhe. H<strong>in</strong>ter<br />
<strong>die</strong>sen und an der Seite des Saales sollten<br />
<strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>renden <strong>in</strong> schwarzem Anzug<br />
Aufstellung nehmen, <strong>in</strong> erster Reihe <strong>die</strong><br />
sächsischen Untertanen, dann <strong>die</strong> übrigen<br />
Deutschen, darauf <strong>die</strong> Aus länder.<br />
Auch <strong>die</strong> Leipziger Neuesten Nachrichten<br />
vom 6. November <strong>in</strong>formierten ihre Leser<br />
ausführlich über den Besuch der sächsischen<br />
Majestät, der freilich nicht nur der<br />
Handelshochschule gegolten hatte: Der<br />
Leser erfuhr, dass Morgenmusik den<br />
dritten der Leipziger Königstage e<strong>in</strong>geleitet<br />
habe. Das Musikkorps des Königs-<br />
Infanterieregimentes Nr. 106 unter der<br />
Leitung des königlichen Musikdirigenten<br />
Julius Hermann Matthey brillierte u. a. mit<br />
dem Marsch der Gralsritter aus Parsival.<br />
Nach Besuchen im Anatomischen Institut<br />
der Universität <strong>in</strong> der Liebigstraße und <strong>in</strong><br />
der Allgeme<strong>in</strong>en Deutschen Creditanstalt<br />
<strong>in</strong> der Goethestraße sei se<strong>in</strong>e Majestät<br />
sodann <strong>in</strong> der elften Stunde vor der Handelshochschule<br />
e<strong>in</strong>getroffen und beim<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>tritt se<strong>in</strong>er Majestät <strong>in</strong> den Hörsaal<br />
habe der Geheime Rath Professor Friedberg,<br />
Rektor der Universität, das Königshoch<br />
ausgebracht.