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eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens<br />
(<strong>als</strong> einen ersten Schritt zur EU-Mitgliedschaft) bei. Solana<br />
und das Ratssekretariat verhandelten zeitgleich hinter<br />
den Kulissen mit den albanischen Freischärlern, zwangen<br />
die mazedonische Regierung zur Deeskalation und<br />
brachten im August 2001 das Ohrider Rahmenabkommen<br />
zustande, das immer noch <strong>als</strong> gelungene (und im Gegensatz<br />
zu Dayton, praktikable) Konfliktregelung gilt.<br />
Strategiewirrwarr und Konditionalität<br />
Trotz dieses Erfolges durch die Verzahnung von Beitrittsprozess<br />
und Konfliktmanagement war für Brüssel in<br />
der darauf folgenden ruhigen Phase auf dem Balkan die<br />
Versuchung groß, beide Strategien und Verantwortlichkeiten<br />
wieder säuberlich zu trennen. Dies führte zu skurrilen<br />
Situationen, zum Beispiel im Falle Serbiens, wo die<br />
Regierung sich mit Solana harte Schlagabtausche lieferte,<br />
wenn es um die Unabhängigkeit von Montenegro, die<br />
Auslieferung von Kriegsverbrechern oder den künftigen<br />
Status von Kosovo ging. Andererseits verhandelte die<br />
gleiche Regierung gepflegt und friedlich mit dem Erweiterungskommissar<br />
über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen.<br />
Im 2005 von führenden Balkanexperten erarbeiteten<br />
Strategiepapier The Balkans in Europe’s Future wurde der<br />
EU geraten, diese Scheu fallen zu lassen und zu akzeptieren,<br />
dass im Falle des Balkans Stabilisierung und Integration<br />
miteinander verzahnt sind, dass ihrer Meinung<br />
nach „enlargement ohne ein gerütteltes Maß an empire<br />
nicht auskommen wird“. Leichter gesagt <strong>als</strong> getan: Im<br />
Integrationsprozess gilt ein eisernes Quidproquo: Nur ein<br />
Staat, der bestimmte Standards bezüglich Demokratie,<br />
Marktwirtschaft, Rechtsstaat und vieles mehr erfüllt, hat<br />
Anspruch auf eine höhere Stufe der EU-Heranführung mit<br />
den dazugehörenden Vorteilen (Freihandel, Visumsfreiheit,<br />
Agrar- und Transformationsunterstützung usw.)<br />
Es wäre gänzlich gegen die Erweiterungslogik, eine Regierung<br />
mit diesen Vorteilen nicht für gute Leistungen zu belohnen,<br />
sondern dafür, dass sie (im mazedonischen Fall)<br />
nicht zu hart durchgreift gegen die albanische Minderheit<br />
oder dass sie sich (im serbischen Fall) in den Verhandlungen<br />
über den Status von Kosovo konstruktiv aufstellt. Das<br />
Dilemma ist jedoch, dass Brüssel die Stabilität zwar nicht<br />
mit den Gaben der Integration kaufen möchte, andererseits<br />
aber auch weiß, dass Heranführung ohne Stabilität<br />
zum Scheitern verurteilt ist. Üblicherweise belohnt die EU<br />
die Vorreiter (Kroatien) und nicht die instabilen Nachzügler<br />
(Kosovo oder Bosnien), die es am meisten brauchen.<br />
Verzahnt zum Ziel<br />
Am schärfsten zeigt sich dieses Dilemma heute im Falle<br />
Kosovo. Nach dem endgültigen Scheitern der Troika-<br />
Literatur<br />
04/07<br />
treffpunkt.europa<br />
Verhandlungen im Dezember 2007 steht zu erwarten,<br />
dass die neue kosovarische Regierung Anfang 2008<br />
einseitig die Unabhängigkeit erklären wird. Weil Russland<br />
eine „echte“ Unabhängigkeit im UN-Sicherheitsrat<br />
blockieren würde, ist der einzig gangbare Weg dann eine<br />
individuelle Anerkennung durch die USA und die EU-Mitgliedstaaten.<br />
Danach wird eine EU-Mission die Aufgaben<br />
der UN-Verwaltung übernehmen und die Einhaltung der<br />
Standards überwachen. Gleichzeitig wird Kosovo endlich<br />
Teil des EU-Integrationsprozesses für den Westbalkan.<br />
Spätestens dann werden sich Integration und Stabilisierung<br />
fest und hoffentlich produktiv verzahnen – inoffiziell,<br />
versteht sich. Offiziell werden natürlich auch die<br />
baldige Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens<br />
mit Belgrad und einige europäische<br />
Angebote an die Gesamtregion zum Beispiel im Visa-<br />
oder Handelsbereich nichts mit der Kosovo-Frage, der<br />
Besänftigung der serbischen Bevölkerung und seiner<br />
Stabilitätsrisiken zu tun haben.<br />
Autor: Dr. Wim van Meurs, Assoc. Prof. für europäische Politik und Zeit-<br />
geschichte, Radboud Universität Nimwegen; Research Associate am<br />
Centrum für angewandte Politikforschung, München<br />
Böhmer, J., M. Vietor (Hrsg.): Osteuropa heute: Entwicklungen<br />
– Gemeinsamkeiten – Unterschiede, Münster: LIT Verlag, 2007.<br />
Commission of the European Communities: Enlargement Strategy<br />
and Main Challenges 2007-2008, Com(2007) 663 Final, Brüssel,<br />
6.11.2007. ec.europa.eu/enlargement/pdf/key_documents/ 2007/<br />
nov/strategy_paper_en.pdf<br />
Deimel, J., W.P. van Meurs (Hrsg.): The Balkan prism: a retrospective<br />
by policy-makers and analysts, München: Otto Sagner, 2007.<br />
Grabbe, H.: The EU‘s transformative power: Europeanization<br />
through conditionality in Central and Eastern Europe, New York:<br />
Palgrave Macmillan, 2005.<br />
International Commission on the Balkans, The Balkans in Europe’s<br />
Future, Sofia: 2005, www.balkan-commission.org/activities/ Report.<br />
pdf.<br />
Mungiu-Pippidi, A., W. van Meurs, V. Gligorov: Plan B – B for Balkans.<br />
State Building and Democratic Institutions in Southeastern Europe,<br />
Nijmegen: 2007, www.cap-lmu.de/aktuell/meldungen/2007/balkans.php.<br />
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