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Die Kunst des Verführens - aware – Magazin für Psychologie

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24 <strong>aware</strong> FS12 PSYCHOLOGIE & GESELLSCHAFT<br />

Das bio-psycho-soziale Modell konsequent verfolgt<br />

Ein Gespräch mit Gerhard Dammann<br />

<strong>Die</strong> ruhige und bedachte Stimme Gerhard<br />

Dammanns hätte fast darüber hinweggetäuscht,<br />

dass vor mir ein Freund der<br />

Neugier und der Spannung sitzt, der zudem<br />

mit reichlich Ehrgeiz ausgestattet ist.<br />

Von Dragica Stojković<br />

Dragica Stojković: Als Erstes möchte ich Sie<br />

bitten, sich <strong>für</strong> unsere Leserinnen und Leser vorzustellen.<br />

Gerhard Dammann: Ich bin Psychiater und Psychoanalytiker<br />

und bin seit fünf Jahren ärztlicher<br />

Direktor der Psychiatrischen <strong>Die</strong>nste Münsterlingen,<br />

dazu gehört auch die Psychiatrische Klinik<br />

Münsterlingen im Kanton Thurgau.<br />

Mein Schwerpunkt von wissenschaftlicher Seite<br />

ist die Diagnostik und Behandlung von Patientinnen<br />

und Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen,<br />

insbesondere die<br />

Borderline-Persönlichkeitsstörungen und die<br />

narzisstischen Persönlichkeitsstörungen. Zuvor<br />

arbeitete ich als Arzt an den Universitätsklinken<br />

Basel, Strassburg, Freiburg im Breisgau und<br />

München.<br />

Steckbrief<br />

Gerhard Dammann, geboren 1963 in<br />

Oran/Algerien, studierte Medizin, <strong>Psychologie</strong><br />

und Soziologie in Tübingen, Paris, Basel<br />

und Frankfurt am Main. Er ist Fachpsychologe<br />

<strong>für</strong> Klinische <strong>Psychologie</strong> FSP, Facharzt<br />

<strong>für</strong> Psychiatrie und Psychotherapie FMH,<br />

Facharzt <strong>für</strong> Psychosomatische Medizin und<br />

Psychoanalytiker DPV/IPV. Seit fünf Jahren<br />

ist er Chefarzt und Spitaldirektor der Psychiatrischen<br />

Klinik Münsterlingen und der Psychiatrischen<br />

<strong>Die</strong>nste Thurgau und beschäftigt<br />

sich klinisch sowie wissenschaftlich<br />

schwerpunktmässig mit der Diagnostik und<br />

Behandlung von schweren Persönlichkeitsstörungen.<br />

Gerhard Dammann ist verheiratet, hat vier<br />

Töchter und ist der <strong>Kunst</strong>szene aufgrund<br />

einer Art-Brut-Sammlung zusammen mit<br />

seiner Frau bekannt.<br />

Was mich so beeindruckt, ist, dass Sie Medizin,<br />

<strong>Psychologie</strong> und Soziologie studiert haben. Was<br />

hat Sie motiviert, diese drei Studiengänge zu absolvieren?<br />

Ich muss zuerst meine Leistung etwas einschränken.<br />

Zu meiner Zeit war das Studium wesentlich<br />

weniger verschult und es war durchaus<br />

möglich, ein Doppelstudium zeitlich hinzubekommen.<br />

Heute wäre das vielleicht sehr viel<br />

schwieriger.<br />

Ursprünglich wollte ich eigentlich gerne eine<br />

Geisteswissenschaft studieren, Philosophie, Religionswissenschaft<br />

oder etwas in diese Richtung.<br />

Ich hatte aber damals ein gutes Abitur und<br />

es war die Zeit <strong>des</strong> strengen Numerus Clausus in<br />

Deutschland, so dass mir alle sagten, ich solle<br />

Medizin studieren. Dann habe ich mich fast widerwillig<br />

beworben und bekam einen Studienplatz.<br />

Ich begann in Tübingen Medizin zu studieren<br />

und mir war dann relativ schnell klar,<br />

dass ich, wenn ich Arzt werden wollte, in Richtung<br />

Psychiatrie gehen würde. Weil ich mir eine<br />

gute Ausbildung wünschte, begann ich noch das<br />

Studium der <strong>Psychologie</strong>. Später habe ich mich<br />

zusätzlich <strong>für</strong> das Soziologiestudium entschieden,<br />

um das bio-psycho-soziale Dreieck zu vervollständigen.<br />

Zudem muss ich anfügen, dass ich aus Neugier<br />

gerne scheinbar entgegengesetzte Materien studiert<br />

habe, z. B. absolvierte ich vor meiner psychoanalytischen<br />

Ausbildung eine verhaltenstherapeutische<br />

Weiterbildung.<br />

Finden Sie es generell empfehlenswert, mehrere<br />

Studiengänge abzuschliessen?<br />

Grundsätzlich ist es meines Erachtens schon<br />

eine gute Erfahrung. Vor allem bei Studiengängen,<br />

die doch nicht so nahe beieinander liegen<br />

<strong>–</strong> und dies scheint mir bei der Kombination <strong>Psychologie</strong><br />

und Medizin der Fall zu sein. Das Wissen<br />

kann man sich z. T. auch gut autodidaktisch<br />

aneignen. Ich würde z. B. sagen, dass am Ende<br />

ein ärztlicher und psychologischer Psychotherapeut<br />

relativ Ähnliches tun und sich in ihren Fähigkeiten<br />

und ihrem Berufsbild kaum unterscheiden.<br />

Aber gerade die unterschiedlichen<br />

wissenschaftstheoretischen Prämissen der Me-<br />

dizin und der <strong>Psychologie</strong>, die prägen einen.<br />

Mit anderen Worten: Ich glaube nicht, dass jemand,<br />

der bei<strong>des</strong> studiert hat, am Ende ein besserer<br />

Arzt oder besserer Psychologe sein wird,<br />

aber er hat durch diese unterschiedlichen Zugänge<br />

möglicherweise ein breiteres Reflexionsspektrum.<br />

Ist es nicht auch eine andere Sozialisation, die<br />

man durchläuft? Wovon sind Sie stärker geprägt<br />

und mit welcher Berufsgruppe sind Sie stärker<br />

identifiziert?<br />

Es hängt ein bisschen davon ab, was man zuerst<br />

studiert hat, würde ich sagen. Es gibt eine<br />

kleinere Gruppe, die zuerst <strong>Psychologie</strong> und<br />

dann Medizin studiert haben und die sind in<br />

ihrem Selbstverständnis stärker von der <strong>Psychologie</strong><br />

geprägt. <strong>Die</strong> grössere Gruppe, und da<br />

würde ich mich dazurechnen, sind eher Ärzte,<br />

die auch <strong>Psychologie</strong> studiert haben, die aber<br />

stärker durch das Ärztliche geprägt sind.<br />

Ich würde keinen meiner Studiengänge missen<br />

wollen. Das Medizinstudium ist eigentlich in<br />

mancher Hinsicht mit Künstlerisch-Musischem<br />

verwandt. Es ist, so glaube ich, kein<br />

Publikationsauswahl<br />

Brand-Claussen, B., Dammann, G. & Röske,<br />

T. (Hrsg.). (2006). Wahnsinn sammeln: Outsider<br />

Art aus der Sammlung Dammann.<br />

Heidelberg: Wunderhorn.<br />

Dammann, G. & Janssen, P. L. (Hrsg.).<br />

(2007). Psychotherapie der Borderline-Störungen:<br />

Krankheitsmodelle und Therapiepraxis<br />

<strong>–</strong> störungsspezifisch und schulenübergreifend<br />

(2., überarb. u. erw. Aufl.).<br />

Stuttgart: Georg Thieme.<br />

Dammann, G. (2007). Narzissten, Egomanen,<br />

Psychopathen in der Führungsetage:<br />

Fallbeispiele und Lösungswege <strong>für</strong> ein wirksames<br />

Management. Bern: Haupt.<br />

Dammann, G. & Meng, T. (Hrsg.). (2010).<br />

Spiegelprozesse in Psychotherapie und<br />

<strong>Kunst</strong>therapie. Das progressive therapeutische<br />

Spiegelbild <strong>–</strong> eine Methode im Dialog.<br />

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

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