Die Kunst des Verführens - aware – Magazin für Psychologie
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Bildquelle: Gerhard Dammann<br />
Zufall, dass so viele berühmte Schriftsteller<br />
wie Tschechow, Döblin oder Schiller Ärzte<br />
waren. Was im Medizinstudium im Gegensatz<br />
zum <strong>Psychologie</strong>studium fehlt, sind Seminare,<br />
in denen diskutiert wird. <strong>Die</strong> Medizin ist sozusagen<br />
ein antiintellektuelles Fach. <strong>Die</strong> Psychologen<br />
werden zudem methodisch besser geschult<br />
und lernen, systematisch vorzugehen.<br />
Als Klinikchef merke ich das z. B. wenn es<br />
darum geht, organisiert ein Projekt anzugehen,<br />
worin das ärztliche Personal sich meist weniger<br />
strukturiert zeigt.<br />
Ein weiterer Unterschied, den ich noch erwähnen<br />
möchte, ist, dass Psychologen i. d. R. keine<br />
<strong>Die</strong>nste machen. Und was es bedeutet, dass<br />
jemand als junger Arzt mitten in der Nacht gerufen<br />
wird und dann schnell entscheiden und<br />
handeln muss <strong>–</strong> das prägt das ärztliche Selbstverständnis,<br />
auch in der Psychiatrie. Psychologen<br />
hingegen fühlen sich oft im Diskurs, im<br />
systematischen Nachdenken über einen Fall,<br />
wohler.<br />
Sie sprechen etwas Spannen<strong>des</strong> an: <strong>Die</strong> Zusammenarbeit<br />
der psychologischen und medizi-<br />
nischen Berufsgruppe in der Psychiatrischen<br />
Klinik Münsterlingen. Können Sie zum Schluss<br />
dazu noch etwas sagen?<br />
Wir haben in unserer Klinik eine Reihe von<br />
Psychologen, drei Stationen werden sogar von<br />
Psychologen bzw. Psychologinnen geleitet: <strong>Die</strong><br />
Abteilungen <strong>für</strong> schwere Persönlichkeitsstörungen,<br />
<strong>für</strong> Adoleszentenpsychotherapie und<br />
die stark neuropsychologisch geprägte Memory-Klinik<br />
<strong>für</strong> Demenzpatienten. Mit Ausnahme<br />
genuin ärztlicher Aufgaben sind diese drei Mitarbeitenden<br />
in ihrer Rolle als therapeutische<br />
Stationsleitung der Stellung eines Oberarztes<br />
gleichgesetzt.<br />
Es gibt Klinken, die aufgrund <strong>des</strong> Ärzte-<br />
mangels ärztliche Stellen mit Psychologen besetzen.<br />
<strong>Die</strong>s ist <strong>für</strong> die Klinik sogar ökonomisch<br />
günstiger, doch ich selber möchte das<br />
aus verschiedenen, auch berufspolitischen<br />
Gründen nicht. Denn ich glaube die Gefahr besteht,<br />
wie böse Zungen behaupten, dass das<br />
Berufsbild <strong>des</strong> Psychiaters dann zum Fach-<br />
arzt <strong>für</strong> chronische Schizophrenie verkümmert,<br />
der nur noch medikamentöse Verordnungen<br />
macht.<br />
PSYCHOLOGIE & GESELLSCHAFT<br />
FS12 <strong>aware</strong> 25<br />
Ein Praktikum in der Psychiatrischen<br />
Klinik Münsterlingen absolvieren?<br />
Im Sommer 2011 war ich als Praktikantin<br />
<strong>für</strong> drei Monate auf der Abteilung <strong>für</strong><br />
schwere Persönlichkeitsstörungen angestellt<br />
und erhielt einen breiten Einblick in<br />
verschiedene therapeutische Tätigkeiten.<br />
Am eindrücklichsten habe ich die zeitlich<br />
grosszügig gestalteten Fallbesprechungen<br />
in Erinnerung, in welchen das Team gemeinsam<br />
die Diagnose sowie den therapeutischen<br />
Fokus <strong>für</strong> den Patienten oder<br />
die Patientin festlegt. Auf dieser Basis<br />
werden individuelle Therapiepläne zusammengestellt,<br />
die aus Gesprächen mit<br />
Pflegebezugspersonen, der analytischen<br />
Einzel- sowie Gruppentherapie, der<br />
<strong>Kunst</strong>-, Körper- und Musiktherapie im<br />
Gruppen- und manchmal zusätzlich auch<br />
im Einzelsetting sowie Elementen der Dialektisch-Behavioralen<br />
Therapie (DBT), wie<br />
z. B. der Achtsamkeit oder dem Skillstraining,<br />
bestehen. Bei finanziellen Fragen<br />
oder Wiedereingliederungaspekten u. ä.<br />
haben Patientinnen und Patienten zudem<br />
die Möglichkeit, Probleme gemeinsam mit<br />
der Sozialarbeiterin anzuschauen und sich<br />
beraten zu lassen.<br />
Mein Praktikum war <strong>des</strong> Weiteren durch<br />
Gespräche mit Patientinnen und Patienten,<br />
lehrreiche Protokollerstellungen,<br />
stellvertretende therapeutische Tätigkeiten<br />
sowie den Besuch von Weiterbildungsangeboten<br />
und klinikübergreifenden<br />
Fallvortstellungen bereichert. Betreut<br />
wurde ich durch die therapeutische Leitung,<br />
der Psychoanalytikerin Christiane<br />
Rösch. Aus den Gesprächen mit ihr, aber<br />
auch mit anderen Teammitgliedern, habe<br />
ich viel <strong>für</strong> meinen zukünftigen Weg mitnehmen<br />
könnnen.<br />
Interessierte melden sich <strong>für</strong> weitere Informationen<br />
bei mir (dragica.stojkovic@<br />
<strong>aware</strong>-magazin.ch) oder direkt bei Frau<br />
Liesner (angela.liesner@stgag.ch).