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18<br />
Synthese<br />
Wladimir Solowjew<br />
| Kateryna Gagarina, 3. Trimester<br />
Wladimir Solowjew ist ein Mensch, dessen Leben und<br />
Werk ein Beispiel für das Synthese-Prinzip ist. Er hat<br />
Gegensätze wie die östliche und die westliche<br />
Theologie, die Gnosis und die Mystik sowie die pantheistische<br />
und die rationalistische Philosophie vereint.<br />
Er hat den deutschen Idealismus und das naturwissenschaftliche<br />
Denken des 19. Jahrhunderts aufgenommen<br />
und hat sie in seinem System einer „positiven<br />
christlichen Philosophie“, durch das er die<br />
ewige Wahrheit des Christentums in eine ihr angemessene<br />
geistige Form bringen wollte, miteinander<br />
verflochten. „Seine Weltanschauung strömt eine<br />
wunderbare Seelenwärme aus. Die Philosophie wirkt<br />
wie religiöse Betrachtung; die Religion wirkt wie in<br />
der Seele erlebte Philosophie.“ 1<br />
Wladimir Solowjew wurde am 16. Januar 1853 in<br />
Moskau geboren. Schon mit 20 Jahren hat er in<br />
einem Brief an seine Kusine Jekaterina Romanowa in<br />
folgenden Worten seine Lebensaufgabe festgehalten:<br />
„…den ewigen Inhalt des Christentums in eine neue,<br />
ihm gemäße Form, d.h. in eine unbedingt vernünftige<br />
Form zu bringen. Dafür muss man alles ausnutzen,<br />
was in den letzten Jahrhunderten durch den menschlichen<br />
Geist erarbeitet worden ist. Man muss sich die<br />
allgemeinen Resultate der wissenschaftlichen<br />
Entwicklung aneignen, man muss die gesamte<br />
Philosophie studieren. Das tue ich und werde es weiterhin<br />
tun“.<br />
Sein Interesse für Naturwissenschaft und Materialismus<br />
hatte ihn in Kontakt mit Hegel, Spinoza und<br />
Schelling, Schopenhauer und Eduard von Hartmann<br />
gebracht. Das half ihm, schnell seine eigene<br />
Konzeption der Entwicklung philosophischer<br />
Gedanken zu schaffen. Er vertritt dabei ein Prinzip,<br />
das Leibniz, der berühmte Philosoph und Mathematiker,<br />
einst so formulierte: „Der Mensch hat immer<br />
unrecht, wenn er negiert, besonders ein Philosoph;<br />
jede Lehre ist wahr, wo sie feststellt und begründet,<br />
und ist unwahr, wo sie ausschließt.“ Dies war der<br />
wichtigste Grundsatz in Solowjews Leben und<br />
Denken. Ihm war selbstverständlich, dass nichts in<br />
dieser Welt belanglos ist, weil sich sein Denken überall<br />
dem Prinzip der Synthese verpflichtet fühlt. Um<br />
Ganzheit ging es ihm nicht nur in seiner Philosophie,<br />
sondern auch in seinem Leben.<br />
Im Jahr 1878 hielt Wladimir Solowjew in St. Petersburg<br />
eine öffentliche Vortragsreihe, die später unter<br />
dem Titel „Zwölf Vorlesungen über das Gottmenschentum“<br />
publiziert wurde. In diesen Vorträgen thematisierte<br />
er die Beziehung zwischen Mensch und<br />
Gott. Er kam darauf wegen des kläglichen Zustandes<br />
des Christentums in seiner Zeit. Er fühlte, dass dieses<br />
Problem in den Herzen der Menschen seine Ursache<br />
hatte, weil sie keine Fähigkeit hatten, die Vorstellungen<br />
der geistigen und physischen Welt in sich<br />
selbst zu verbinden, und deshalb die Religion nicht<br />
akzeptieren konnten. Er sagte, dass die Zivilisation<br />
des Westens das menschliche Bewusstsein von allen<br />
äußeren Grenzen befreie und die absoluten Rechte<br />
des Menschen verkünde. Obwohl das einen wichtigen<br />
Erfolg für die Zivilisation bedeute, lehne diese<br />
dadurch zugleich jedes absolute göttliche Prinzip ab,<br />
das die Fülle des Daseins habe. Aber diese moderne<br />
Umgangsform mit irdisch Gesetzlichem begrenze<br />
auch das Leben und Bewusstsein der Menschen<br />
durch Abhängigkeit und Vergänglichkeit.<br />
Solowjew möchte darauf hinweisen, dass das alleinige<br />
Streben des Menschen auf solchen Wegen<br />
unmöglich zu Befriedigung führen könne. Der moder-<br />
© siehe Impressum