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Seminar|brief<br />

Freie Hochschule der Christengemeinschaft <strong>Stuttgart</strong><br />

Sommer 2013<br />

PRIESTERSEMINAR STUTTGART<br />

FREIE HOCHSCHULE DER<br />

CHRISTENGEMEINSCHAFT e.V.<br />

In eigener Trägerschaft, ohne staatliche Anerkennung


Über den<br />

„Seminarbrief“<br />

Die Freie Hochschule der Christengemeinschaft <strong>Stuttgart</strong> ist eins von insgesamt<br />

drei <strong>Priesterseminar</strong>en der Christengemeinschaft. Die Christengemeinschaft ist<br />

eine weltweite Bewegung für religiöse Erneuerung – in den inneren und äußeren<br />

Umgestaltungen unserer Zeit – gegründet für die Menschen, die ein modernes<br />

sakramentales Leben suchen. In ihrem Mittelpunkt steht der neue Gottesdienst,<br />

die Menschenweihehandlung. Um ihn versammeln sich Menschen in freien<br />

Gemeinden.<br />

Geleitet wird das <strong>Priesterseminar</strong> von Georg Dreißig, Stephan Meyer und Gisela<br />

Thriemer.<br />

Der „Seminarbrief“ wird von den Studenten des <strong>Priesterseminar</strong>s für dessen<br />

Freunde und Förderer geschrieben. Er richtet sich darüber hinaus an alle, die auf<br />

diese Weise das Seminar kennen lernen wollen. Unser Ziel ist es, in den Beiträgen<br />

unsere persönlichen Erfahrungen im Studium und im gemeinsamen Leben anschaulich<br />

und miterlebbar zu machen. Der „Seminarbrief“ erscheint zwei Mal<br />

jährlich und kann durch das Sekretariat der Freien Hochschule bezogen werden.<br />

Weitere Informationen erhalten Sie ebenfalls durch das Sekretariat oder Sie finden<br />

sie auf unserer Webseite:<br />

<strong>Priesterseminar</strong><br />

Freie Hochschule der Christengemeinschaft <strong>Stuttgart</strong> e.V.<br />

in eigener Trägerschaft ohne staatliche Anerkennung<br />

Spittlerstraße 15<br />

D-70190 <strong>Stuttgart</strong><br />

Tel. +49 (0)7 11 / 166 83 10<br />

E-Mail: info@priesterseminar-stuttgart.de<br />

www.priesterseminar-stuttgart.de


Liebe Leser, liebe Freunde des Seminars,<br />

im März haben in <strong>Stuttgart</strong> Priesterweihen stattgefunden.<br />

Wir haben miterleben dürfen, wie zehn<br />

unserer Mitstudenten ihre Zeit am Seminar zu einer<br />

gewissen Vollendung gebracht haben und nun in<br />

ihre ersten Gemeinden entsandt worden sind.<br />

Es ist immer wieder spannend, wenn die Bemühung<br />

um ein tieferes Verständnis des Menschenwesens in<br />

einer Seminaristenbiografie bestimmend wird. Von<br />

außerhalb des Seminars, von Leuten die u. U. den<br />

Anspruch erheben, viel mehr im „vollen Leben“ zu<br />

stehen, wird dies im Gespräch mit Seminaristen<br />

zuweilen ja gerade als Widerspruch hingestellt: das<br />

volle Leben und innere Arbeit. Ja, wie geht denn das:<br />

Fördert das Studium am Seminar die Lebenslust oder<br />

nicht? In der Gemeinschaft des <strong>Priesterseminar</strong>s<br />

stellt sich die Frage auch so: Führt die Beschäftigung<br />

mit Religion zu einem selbstbezogenen Studium,<br />

oder regt sie zur Gemeinschaftspflege an? Beides<br />

gehört zum Studium am Seminar. Gerade die Frage,<br />

wie man den Impuls der Menschenweihehandlung<br />

mit ins Leben nehmen kann, hat sowohl mit<br />

Gemeinschaftsbildung als auch mit dem Einzelnen<br />

zu tun.<br />

„Was kann ich sein für die Gemeinschaft?“ Sich<br />

selbst zu pflegen, ist bereits ein wichtiges Stück<br />

Gemeinschaftspflege – aber nur, wenn die Arbeit an<br />

sich selbst auch unter dem Gesichtspunkt der Hingabe<br />

an etwas Höheres geschieht, das im Zwischenmenschlichen<br />

lebt. Und dieser Gesichtspunkt ist ja<br />

ein zentraler Hinweis der Menschenweihehandlung.<br />

Im Sinne dieser Betrachtung haben wir für diesen<br />

Seminarbrief das Thema „Synthese“ gewählt. Wir<br />

wollen in einigen Aufsätzen gerade solche Themen<br />

bewegen, die Gegensätze aller Art zu Tage bringen,<br />

und sind dabei immer darauf bedacht, die Möglichkeit<br />

der Synthese dieser Gegensätze zu erkunden.<br />

Es gilt ernstlich zu prüfen, ob die Gegensätze unter<br />

sich auch schon einen genügenden Zusammenhang<br />

haben, so dass beide zusammen dann die Synthese<br />

tragen können.<br />

Ich möchte noch meine Freude mit Ihnen teilen darüber,<br />

dass unser Seminarbriefthema so gut zu dem<br />

der internationalen Jugendtagung passt, die zu<br />

Pfingsten in Leipzig unter dem Titel „UND – Gegensätze<br />

denken“ stattgefunden hat. Es ist doch schön,<br />

dass sich die Jugend der Christengemeinschaft weltweit<br />

um ähnliche Gedanken bemüht, wie wir<br />

Studenten am <strong>Priesterseminar</strong> sie pflegen. Es lässt<br />

einen inneren Zusammenhang zwischen dem Studium<br />

am <strong>Priesterseminar</strong> und der Jugendarbeit ahnen.<br />

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre.<br />

Michael Sölch, 3. Trimester<br />

Grußwort der Redaktion<br />

3


4<br />

Inhalt<br />

Wege zum Seminar<br />

Synthese<br />

Lernen<br />

Leben & Begegnung<br />

Grußwort der Redaktion<br />

Ein Seminarbriefjubiläum will gefeiert werden<br />

Studenten des 3. Trimesters | Sommer 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

Mein Weg zum Seminar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

Streiflichter aus 53 Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

Studenten des 6. Trimesters | Sommer 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

Auf der Suche nach einem Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

Von draußen nach drinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

Die Weichen neu gestellt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

Wladimir Solowjew . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

Soll ich meines Bruders Hüter sein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />

Umgang mit Andersgesinnten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

Die Freundschaft zwischen Goethe und Schiller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

Hexen und Heilige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

Referate im Sommertrimester 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

Kurse im Sommertrimester 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

Einige Betrachtungen zum Wort Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

Der Entschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

Neugeweihte Priester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />

Vom täglichen Lernen eines werdenden Priesters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

Die Wirklichkeit der Schwelle heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />

Die Haut des Logos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

Steinbildhauerei in der Osterzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />

Was verbindet uns? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

Jeder Mensch ist ein verbogener Gottesname . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

Was hat Improvisationstheater mit christlicher Erneuerung zu tun? . . . . . 42<br />

Studenten im Praktikum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

Jugendtagung zur Priesterweihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

Orientierungswoche am <strong>Priesterseminar</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

Erfahrungen aus dem Rettungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />

Grußwort der Seminarleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

In eigener Sache: Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass die männliche Form in der Sprache nur einen<br />

Teil der Bevölkerung bezeichnet. Dennoch haben wir zugunsten einer besseren Lesbarkeit darauf verzichtet,<br />

konsequent immer von AutorInnen oder Leserinnen und Lesern zu sprechen. Wir bitten Sie daher,<br />

grundsätzlich auch die weibliche Hälfte der Bevölkerung mitzulesen und mitzudenken, wenn Sie im<br />

Folgenden von Bewohnern, Helfern, Studenten und anderen Wesen lesen.


Erinnerung an die Zukunft –<br />

Ein Seminarbriefjubiläum will gefeiert werden<br />

Im 5. Trimester haben wir uns die Paulus-Briefe erarbeitet.<br />

Im 2. Korinther-Brief (3,3) steht: „Ihr seid ein<br />

Brief Christi,..., geschrieben nicht mit Tinte, sondern<br />

mit dem Geist des lebendiges Gottes.“ Diese Briefe<br />

wurden an verschiedene Gemeinden geschickt, die<br />

Paulus abgesehen von den Römern schon kannte. Da<br />

gab es schon einen Unterschied in der Art, wie er den<br />

Brief den bekannten Gemeinden geschrieben hat.<br />

Mit dem Ziel, andere Gemeinden zu erleben und kennen<br />

zu lernen, sind einige von uns in den Ferien zu<br />

einer Gemeindereise aufgebrochen; eine begegnungsreiche<br />

Erfahrung, die uns bereichert hat, wie es<br />

in dem Artikel zur Gemeindefahrt beschrieben ist. Es<br />

gab immer dort „einen Schatzmoment“ für mich,<br />

wenn die einzelnen Menschen von jeder Gemeinde,<br />

die uns geduldig und herzlich zugehört haben, uns im<br />

Kreise der Anwesenden ihre Fragen stellten. Ein<br />

Augenblick, ein Gespräch, wie wenn man einen Brief<br />

bekommt und langsam den Umschlag öffnet: Da<br />

offenbart sich leise, zwischen Schweigen und Reden,<br />

mit Scheu ein Wesen.<br />

Als ich nach der Gemeindereise in den Ferien nochmals<br />

im Seminar war, schaute ich noch ein wenig in<br />

die Vergangenheit, las ein paar alte Seminarbriefe<br />

und das Buch von Herrn Schroeder über das Seminar,<br />

und da habe ich gelesen, wie und wann der Seminarbrief<br />

entstanden ist.<br />

In meinem ersten Studienjahr durfte ich einen neunzigjährigen<br />

Mann begleiten, der im Cusanus-Haus,<br />

einem Altenheim im <strong>Stuttgart</strong>er Umkreis, wohnte. Er<br />

ist schon gestorben und begleitet mich irgendwie in<br />

die Zukunft. Während des Vorlesens verschiedener<br />

Artikel oder Bücher konnte ich spüren, wenn da<br />

etwas Wichtiges für ihn war. Er hatte die Christengemeinschaft<br />

mit 17 Jahren kennengelernt, und der<br />

Name Friedrich Rittelmeyer hat in ihm sicher vieles<br />

aus dieser Zeit erweckt. Ahnend kann ich sagen, dass<br />

er sich von Friedrich Rittelmeyer irgendwie begleitet<br />

fühlte.<br />

Immer wieder, wenn ich versuche, mich mit diesem<br />

Anfang, dem Samenzustand der Christengemeinschaft,<br />

zu verbinden, um in die Zukunft zu schauen,<br />

entsteht auch die Frage: Wer waren die anderen<br />

Menschen, die das alles mit gegründet haben, aber<br />

nicht Priester waren? Wie wäre eine Begegnung zwischen<br />

den ersten <strong>Priesterseminar</strong>isten und den gerade<br />

gegründeten Gemeinden gewesen? Und wie hat<br />

sich das Gespräch zwischen diesen beiden Kreisen in<br />

diesen 80 Jahren entwickelt? In diesem Sinn frage ich<br />

mich nun, ob es vielleicht unter unseren Seminarbrief-Lesern<br />

Menschen gäbe, die sich trauten, selbst<br />

„BRIEF“ zu werden, die den Prozess der wechselnden<br />

<strong>Priesterseminar</strong>isten über längere Zeit begleitet<br />

haben und auch etwas aus ihrem Erfahrungsschatz<br />

mitteilen möchten. Hoffentlich gibt es noch Erwartungen,<br />

„Perlen“, Wünsche, Ideale oder Fragen, die<br />

von Lesern und Seminaristen zusammen weiterentwickeln<br />

werden könnten. Das wäre auch eine<br />

Möglichkeit von Synthese. Für Ihre Beiträge und um<br />

den Geburtstag des Seminarbriefs zu feiern, sind die<br />

Türen, die Umschläge des Seminarbriefes geöffnet.<br />

Und in der nächsten Ausgabe können wir zusammen<br />

feiern, zusammen lesen, wenn die gesammelten<br />

Beiträge aus dem Kreise der Leser ergänzt durch Beiträge<br />

von heutigen Seminaristen erscheinen. Fast als<br />

wären wir im Kreise versammelt, in einem gemeinsamen<br />

Gespräch, schauend auf die Zukunft!<br />

Diana Hurst<br />

Anmerkung der Redaktion:<br />

Im August 1933 erschien in der Zeitschrift der Christengemeinschaft<br />

die Ankündigung des ersten Seminarbriefes als sogenannte<br />

„Seminar-Nachrichten“. Diese sind dann wohl im September 1933<br />

erstmals erschienen, weil im September 1934 in der Zeitschrift vom<br />

dritten Seminarbrief berichtet wurde. Also wird der nächste<br />

Seminarbrief sein 80. Jubiläum feiern.<br />

Wege zum Seminar<br />

5


Wege zum Seminar<br />

6<br />

Studenten des 3. Trimesters | Sommer 2013<br />

Von links nach rechts<br />

hinten<br />

Von links nach rechts<br />

vorne<br />

Michael Sölch, 1990, Schweiz<br />

Jaqueline Steigner, 1989, Deutschland<br />

Martin Thiele, 1980, Deutschland<br />

Götz Feeser, 1976, Deutschland<br />

Till Sarrach, 1962, Deutschland<br />

Lisa Holthaus, 1984, Deutschland<br />

Willem Boonstoppel, 1965, Niederlande<br />

Marcus Cheney, 1963, England<br />

Daniel Holenweger, 1963, Schweiz<br />

Kateryna Gagarina, 1988, Ukraine<br />

Daiske Kaya, 1980, Japan<br />

Margrit Brunner, 1964, Schweiz<br />

Antonia Alves de Oliveira, 1956, Brasilien<br />

Valentino Franzoi, 1989, Italien


Montsalvat und Golgatha<br />

| Michael Rheinheimer, 6. Trimester<br />

Wie jeder Weg, der zum Seminar führt, ist auch dieser<br />

vollkommen individuell. Vielleicht braucht es aber<br />

bei meiner Geschichte besondere Bereitschaft, ihn<br />

innerlich mitzugehen, um mich nicht fehlzuinterpretieren.<br />

Darum bitte ich Sie herzlich!<br />

Im Frühjahr 2006 stoße ich auf der Suche nach einem<br />

Thema für meine Diplomarbeit am „Deutschen Literaturinstitut<br />

Leipzig“ auf die Gestalt des Gralsforschers<br />

Otto Rahn, die fortan mein weiteres Leben<br />

entscheidend bestimmen wird. Anfang der dreißiger<br />

Jahre des vorigen Jahrhunderts war der junge deutsche<br />

Schriftsteller in die Pyrenäen nach Südfrankreich<br />

gereist, um zu beweisen, dass die Katharerfestung<br />

Montségur die geheimnisvolle Gralsburg<br />

Monsalvat gewesen ist, die Wolfram von Eschenbach<br />

in seinem „Parzival“ beschreibt. Während politisches<br />

Chaos und das soziale Elend der Weltwirtschaftskrise<br />

seine Heimat Deutschland fest im Griff haben, durchforstet<br />

Rahn die Höhlen und Burgen der uralt heiligen<br />

Kulturlandschaften des Languedoc auf der Suche<br />

nach einem Gralschristentum, das er mit dem gnostizistischen<br />

Dualismus der von der römischen Kirche<br />

verfolgten Katharerbewegung in Beziehung bringt. Er<br />

veröffentlicht seine Forschungen in dem Buch<br />

„Kreuzzug gegen den Gral“, durch das einige Jahre<br />

später Heinrich Himmler auf ihn aufmerksam wird,<br />

der seine Ergebnisse ideologisch umzumünzen versucht.<br />

So landet der verarmte Schriftsteller im persönlichen<br />

Stab des Reichsführers SS.<br />

Von nun an nimmt sein Leben eine tragische Wende.<br />

Wesen und körperliche Voraussetzungen Rahns lassen<br />

sich bald nicht mehr mit den unmenschlichen<br />

Anforderungen an einen SS-Mann vereinbaren.<br />

Denunziationen und kompromittierende Äußerungen<br />

über sein Privatleben treiben ihn immer weiter in die<br />

Enge. Man steckt ihn zur Abhärtung in die Wachmannschaften<br />

der Konzentrationslager Dachau und<br />

Buchenwald, wo er innerlich zerbricht. Verzweifelt<br />

bittet er um Entlassung aus der Schutzstaffel. Hein-<br />

rich Himmler und Gestapochef Heydrich stellen ihn<br />

vor die Wahl: Selbstmord oder KZ. Im März 1939<br />

nimmt er sich in den Bergen Tirols das Leben, in der<br />

Nähe eines alten keltischen Sonnenheiligtums, der<br />

Hohen Salve. Soweit der offizielle Stand der Forschung.<br />

In den kommenden Jahren durchstöbere ich Archive,<br />

recherchiere, befrage die letzten noch lebenden Zeitzeugen,<br />

reise und besuche dabei möglichst jeden Ort,<br />

an dem der Gralssucher Spuren hinterlassen hat. Ich<br />

will darüber einmal einen Roman schreiben oder eine<br />

Biografie: die Geschichte eines modernen Parzival,<br />

der auszieht, den Heiligen Gral zu suchen und in<br />

einer zweiten Aventiurekette durch das Reich des<br />

bösen Zauberers Klingsor muss. Für dieses Thema bin<br />

ich gewissermaßen prädestiniert. Es gibt da nämlich<br />

seit der Begegnung mit dem Sagenkreis der Gralsund<br />

Artusmythen schon in frühen Waldorfschultagen,<br />

über die Auseinandersetzung mit dem Faust-<br />

Stoff während einer mehrjährigen Tätigkeit als<br />

Regieassistent am Theater einen geheimen Faden in<br />

meinem Leben, der mich immer wieder zu denselben<br />

Themen und Motiven leitet. Zugleich wird mich aber<br />

auch das ausführliche Studium der Anthroposophie<br />

während meiner Forschungen als helfender und<br />

sicherer Leitfaden begleiten, um mich immer weiter<br />

in das Thema zu vertiefen und das Wesentliche unter<br />

all dem Schmutz und all der Dunkelheit zu erkennen<br />

und herauszuarbeiten. Denn Otto Rahns Suchen und<br />

Ringen drehen sich zeitlebens um das Kerngeheimnis<br />

des Christentums, die Frage nach der Menschwerdung<br />

und Auferstehung Jesu Christi. Christus wurde<br />

nicht Mensch, schreibt er anfangs in seinem „Kreuzzug“,<br />

in dem er noch ganz der dualistischen Weltsicht<br />

der Katharer anhängt. Ein menschlicher Körper kann<br />

nicht sterben und in den Himmel kommen. Gleichzeitig<br />

kreist sein Denken aber immer wieder um die<br />

Frage, wie der Paraklet, der tröstende Kuss Gottes, die<br />

durch Luzifer gefallenen Menschenseelen anstelle<br />

des alten Adam wieder erlösen kann.<br />

Wege zum Seminar<br />

7


Wege zum Seminar<br />

8<br />

… Mein Weg zum Seminar<br />

Bei meinen Recherchen im Berliner Bundesarchiv<br />

finde ich in Rahns Personalakte schließlich Briefe von<br />

ihm an Himmler, die ein erweitertes, offenbar neues<br />

Verständnis dieser Fragen nahelegen. Er schreibt da,<br />

er sei nach jahrelangen Forschungen auf ganz große<br />

Überraschungen gestoßen und kündigt – streng vertraulich<br />

– dem Reichsführer ein Buch mit dem Titel<br />

„MONTSALVAT UND GOLGATHA“ an. In einem weiteren<br />

Brief berichtet er ihm mit bemerkenswerter<br />

Unbekümmertheit von einem Roman über den christlichen<br />

Märtyrer Sebastian, der ihn seit Jahren zutiefst<br />

beschäftige und in welchem er die Quintessenz seiner<br />

bisherigen Erkenntnisse und Thesen niederlegen<br />

wolle.<br />

Was eine solche Entwicklung eines Menschen zum<br />

Christentum hin in Himmler ausgelöst haben muss,<br />

lässt sich nur erahnen. Beobachten kann man aber,<br />

wie man den wegen seines Privatlebens angreifbaren<br />

Rahn von nun an innerhalb der SS zu brechen versucht,<br />

worüber Himmler penibel Tagebuch führt. Ein<br />

mephistophelischer Kampf um die Seele eines<br />

suchenden Menschen entbrennt, der sich in die<br />

Finsternis begeben hat und darin immer mehr zum<br />

Licht erwacht. Die beiden Werke, in denen Rahn über<br />

Golgatha und den Heiligen Sebastian schreiben will,<br />

sind spurlos verschwunden, wahrscheinlich sogar<br />

vernichtet worden. Stattdessen wird unter seinem<br />

Namen ein Buch veröffentlicht, das sich in großen<br />

Teilen weder stilistisch noch inhaltlich mit ihm in<br />

Einklang bringen lässt, auch wenn es auf seinen<br />

Reisetagebuchblättern basiert. Schließlich wird er<br />

von Himmler persönlich in die SS-Totenkopfverbände<br />

abkommandiert. Zur Reichskristallnacht ist er im<br />

Lager Buchenwald stationiert. Einem Freund vertraut<br />

er an: „Ich kann nicht sagen, wo ich war“. Ich habe<br />

Dinge gesehen, mit denen ich nicht fertig werde.<br />

Wenige Monate später finden Kinder beim Spielen<br />

neben einem Bachbett in den Bergen Rahns Leiche.<br />

Viele Menschen sind von dieser Geschichte berührt<br />

und fordern mich auf, davon zu erzählen. Das verdeutlicht<br />

den geistigen Kampf, der hinter den äußerlich<br />

wahrnehmbaren Ereignissen der Geschichte<br />

stattfindet, sagen sie. Andere greifen mich deswegen<br />

an. Du versuchst, jemanden zu rechtfertigen, der sich<br />

mit den Nazis eingelassen hat, heißt es. Der Vorwurf<br />

trifft mich deshalb, weil er ja nicht von der Hand zu<br />

weisen ist. Trotzdem fühle ich mich der Geschichte<br />

dieses Menschen verpflichtet. Im Evangelium wird<br />

immer wieder davon gesprochen, dass vor der<br />

Wiederkunft des Menschensohnes der satanische<br />

Widersacher die Menschen durch Zeichen und<br />

Wunder verführen wird. Es gibt die großen Zeugen<br />

dieser Wiederkunft wie Hermann Kükelhaus, Albrecht<br />

Haushofer oder Jaqcues Lusseyrant, die wachsam<br />

waren und standhaft geblieben sind. Es gibt die<br />

Menschen des Chaos, die sich dem Abgrund verschreiben<br />

und allen Versuchungen zum Bösen ausgesetzt<br />

sind, und dann gibt es auch noch die, über die<br />

Jesus sagt: „ … dass womöglich auch jene verführt<br />

werden können, in denen das höhere Sein schon lebt“.<br />

Ich meine, die Geschichte Otto Rahns ist die


Geschichte eines solchen Verführten, auch wenn er<br />

aus diesem höheren Sein heraus am Ende erkennen<br />

muss, dass er der falschen Seite gedient hat. Was mir<br />

in meiner Arbeit auf der Seele brennt, ist nicht, ihn<br />

dafür zu verurteilen, sondern die Frage, was daraus<br />

werden kann. Was ist aus Paulus geworden, nachdem<br />

er vor Damaskus im Staub gelegen hat? Was ich<br />

damit sagen will: Otto Rahns Grals- und Christussuche<br />

war längst zu meiner eigenen geworden. In<br />

meiner Diplomarbeit habe ich über das Thema<br />

Streiflichter aus 53 Jahren<br />

| Sylvia Momsen, 3. Trimester<br />

Kindheit<br />

Berlin, im Altenheim, sommerliche Hitze, ein Kind<br />

wird geboren. Da bin ich, du schöne Welt! Alles tut<br />

weh (Polio 2 J.), auf Mutters Arm ist alles gut. Vater<br />

fährt die große Bohnermaschine, auf der ich stehe,<br />

durch die Räume der Christengemeinschaft. Er<br />

schneidet die Kerzen am Altar, ich sitze unter der<br />

Kanzel. Den Teppich am Altar betreten wir nie. Wir<br />

sprechen leise, auch im Aufbahrungsraum, schauen<br />

auf den Verstorbenen, Vater erzählt aus dessen<br />

Leben. Ich liebe diesen Ort, staune über die Veränderungen<br />

des Leibes. Schweres Gewitter nachts, alle<br />

gehen in die Kirche.<br />

Eine Mutter weint sich bei meiner Mutter aus! Das<br />

schmerzt tief, tief im Herzen. Wie groß muss ein Leid<br />

sein, wenn eine Mutter weint! Einen Menschen, der<br />

Angst hat, lässt man nie allein, sagt Mutter zu mir.<br />

Sonntag, herausgehoben, während der Menschenweihehandlung,<br />

tiefer Friede erfüllt die Kinderseele<br />

außen vor der Kirchentür. Nachmittags treffen sich<br />

die Familien, trinken Kaffee, reden und lachen. Der<br />

geschrieben. Ein Roman oder eine Biografie ist es<br />

nicht geworden, vielmehr bin ich selbst das Ergebnis<br />

dieser Arbeit.<br />

Oft werde ich jetzt gefragt: „Vom Theater und von der<br />

Literaturszene ans <strong>Priesterseminar</strong> der Christengemeinschaft<br />

– ist das nicht ein ziemlicher Bruch in<br />

deinem Leben?“ Von außen sieht das wahrscheinlich<br />

so aus. Für mich selbst könnte der Schritt folgerichtiger<br />

nicht sein.<br />

große Gemeindegarten ist voll von fröhlichen Kindern.<br />

Auch die Pfarrer machen mit beim Ballspielen.<br />

Beim Abendbrot ist die Familie selten allein.<br />

Weihnachten. Rudolf Frieling spricht. Ich sitze ganz<br />

still hinten in der Kirche. Gewaltig tönen seine<br />

Worte, ergreifen mich, lassen mich nicht mehr los:<br />

Cherubim und Seraphim! Später sitzt er bei uns am<br />

Tannenbaum, bescheiden und mit Augen erfüllt von<br />

liebevoller Wärme.<br />

Schule: ich bin glücklich über alles Neue. Lerne und<br />

schaffe gerne. Doch dann: Ungerechter Weise der<br />

Lüge bezichtigt, wird mein rebellischer Geist geboren.<br />

Jugend und Berufsfindung<br />

Neunjährig: Vor mir liegt ein Neugeborenes eine<br />

Stunde alt, ich habe das Gefühl unerschöpflichen<br />

Glückes. Mein erster Beruf klopft an, Hebamme!<br />

Zwölf Jahre alt: Ostverträge, wir dürfen durch die<br />

Mauer nach Ost-Berlin. Eines Tages steht Willy<br />

Brandt vor mir und fragt mich, was ich werden will.<br />

Mein zweiter Beruf klingt an, Politikerin. Dann:<br />

Konfirmation, Jugendtagungen. Mutter erkrankt an<br />

Wege zum Seminar<br />

9


Wege zum Seminar<br />

10<br />

... Streiflichter aus 53 Jahren<br />

Krebs. Pflege, Haushalt. Sie geht ganz bewusst auf<br />

den Tod zu, bereitet mich und meine Schwester darauf<br />

vor. Die Gemeinde verliert einen Menschen voll<br />

unerschöpflicher Wärme, des selbstverständlichen<br />

Dienens, des eigenständigen Denkens und Handelns.<br />

17 Jahre alt: Orientierungskurs am <strong>Priesterseminar</strong>.<br />

Ein dritter Beruf steht vor mir. Doch erst in die Welt:<br />

Aupair in Frankreich im Altersheim. Dann Praktikum<br />

Psychiatrie, dort auf dem Bauernhof begeistertes<br />

Kühemelken, Ausmisten, Heumachen.<br />

Wieder in Berlin: Hebammenausbildung, Freuden und<br />

Leiden, Geburt und Tod, ganz nah. Schließlich: <strong>Priesterseminar</strong><br />

Grundstudium, Referat halten. Angst. Dr.<br />

Benesch schaut mich gütig an. Die Gedanken formen<br />

sich, und es gelingt.<br />

Familienzeit<br />

Heirat. Mein Mann ist Pfarrer. Ich übernehme den<br />

weltlichen Teil, er den religiösen. Drei Kinder bereichern<br />

fröhlich die Familie und beschäftigen die<br />

Mutter. Mehrfach ziehen wir um, bauen immer wieder<br />

neu einen sozialen Umkreis auf. Der Vater ist selten<br />

für uns da. Ich leide darunter, bin oft ungeduldig,<br />

unzufrieden und auch ungerecht ihm gegenüber. Ich<br />

suche eine Arbeit, die sich mit dem Lebensalltag<br />

einer Pfarrfamilie verbinden lässt. Erlerne die<br />

Massage, werde Heilpraktikerin, engagiere mich für<br />

die Grünen und sitze als Abgeordnete im Stadtparlament<br />

von Frankfurt, wohin „wir“ entsandt wurden.<br />

Die Ehe zerbricht und vieles in mir. Doch das<br />

Leben geht weiter, und die Kinder gehen ihre eigenen<br />

Wege.<br />

Und nun?<br />

Die Selbständigkeit bringt neue Sichtweisen, auf<br />

mich und mein Leben.<br />

Vor einem Jahr, auf dem Weg ins Kino. Eine<br />

Schlägerei direkt vor mir. Von Messerstichen lebensgefährlich<br />

verletzt liegt ein Mann am Boden. Ich leiste<br />

erste Hilfe. Er wird grauer und grauer, verliert<br />

immer mehr Blut. „Vater unser ..., Herrgott noch mal,<br />

lass den jetzt bloß nicht sterben!“ Er überlebt.<br />

Irgendwie fühlt sich das eigene Leben auf einmal<br />

ganz anders an. Ich denke viel nach. Schaue auf<br />

meine Lebensfäden, den medizinischen, den politischen,<br />

den religiösen. Die ersten beiden habe ich<br />

intensiv gelebt. Doch den religiösen? Hatte ich ihn<br />

vergessen? So hat mich die Frankfurter Unterwelt<br />

nach 30 Jahren wieder hier ans <strong>Priesterseminar</strong><br />

gebracht. Altvertraute Räume, neue Menschen und<br />

unendlich viele neue Gedanken und Erlebnisse. Die<br />

Zukunft? Sie ist immer unbekannt, doch ein Weg<br />

liegt jetzt sichtbar vor mir. Wo er wohl hinführt?


Studenten des 6. Trimesters | Sommer 2013<br />

Von links nach rechts Anka Kruczek, 1977, Polen<br />

Helge Tietz, 1975, Deutschland<br />

Michael Rheinheimer, 1978, Deutschland<br />

Astrid Bruns, 1970, Deutschland<br />

Rose Steinberg, 1985, Deutschland<br />

Viviane Malena Trunkle, 1964, Brasilien<br />

Diana Hurst, 1977, Argentinien<br />

Julian Rögge, 1984, Deutschland<br />

Mette Weinhard, 1962, Dänemark<br />

Sylvia Momsen, 1959, Deutschland<br />

Wege zum Seminar<br />

11


Wege zum Seminar<br />

12<br />

Auf der Suche nach einem Ziel<br />

| Valentino Franzoi, 3. Trimester<br />

Ich bin in Trento/Italien geboren. Mein Leben hat<br />

nicht in einem anthroposophischen Umfeld angefangen.<br />

Ich wurde zum staatlichen Kindergarten<br />

geschickt und erst gegen Ende meiner Zeit im<br />

Kindergarten lernte meine Mutter die Anthroposophie<br />

kennen. Danach hatte ich das Glück, noch<br />

einen Waldorf-Kindergarten besuchen zu können,<br />

und bin erst mit sieben Jahren in die Waldorfschule<br />

eingeschult worden. Die Anthroposophie verschaffte<br />

sich immer mehr Platz innerhalb meiner Familie, und<br />

durch die Stimmung bei mir zu Hause und die Stimmung<br />

in der Schule lernte ich, die Welt lieb zu haben.<br />

Respekt gegenüber der Erde zu haben, gelang mir<br />

spontan, weil alles, was auf der Erde lebt, eigentlich<br />

ein Geschenk für uns Menschen ist.<br />

Ich bin mit der Anthroposophie aufgewachsen, ohne<br />

zu wissen, was sie ist. Ich sah bei mir zu Hause viele<br />

Bücher darüber, aber mein Interesse dafür war nicht<br />

wach. Meine Mutter ist diejenige, die nach diesem<br />

besonderen Wissen gestrebt hat, und sie hätte mir<br />

gewiss gerne davon erzählt, wenn ich sie gefragt<br />

hätte. Das hat bei mir eine Weile gedauert.<br />

Sie hatte die Meinung: Was Rudolf Steiner in seinen<br />

Bücher geschildert hat, das ist das wahre Leben und<br />

das ist, wie das Leben gelebt werden muss; doch man<br />

kann nur über Anthroposophie sprechen, wenn die<br />

Leute selbst Interesse haben und nach diesem Wissen<br />

fragen.<br />

Als Kind konnte ich immer staunen über die Schönheit<br />

der Natur, für mich war es ein Wunder zu entdecken,<br />

wie schön die Welt ist, wie von den größten<br />

Dingen bis zu den kleinsten alles zusammenpasst<br />

und einer höheren Harmonie angehört. Stundenlang<br />

konnte ich die Landschaft von Trentino betrachten.<br />

Ich habe immer den erfrischenden Duft nach dem<br />

Regen gerochen. Der Sonnenuntergang und die<br />

Blumen auf den Wiesen ließen in mir ein Gefühl von<br />

Dankbarkeit entstehen. So litt ich auch jedes Mal,<br />

wenn ich entweder im Radio oder im Fernseher<br />

hörte, wie Menschen schlecht mit der Erde umgehen,<br />

sie diese kaputt machen, und ich dachte mir<br />

dabei: Wenn die Schönheit der Natur irgendwann<br />

nicht mehr zu beobachten wäre, dann würde das<br />

Leben keinen Spaß mehr machen. Deswegen entschied<br />

ich mich, nach meiner Zeit auf der<br />

Waldorfschule in Richtung Naturschutz weiter zu<br />

gehen. So entschloss ich mich, ins Vermessungstechniker-Gymnasium<br />

zu gehen. Zeichnen konnte<br />

ich nicht schlecht und dachte: Wenn ich in meiner<br />

Zukunft umweltfreundliche Häuser planen würde,<br />

wäre das auch ein guter Weg, um etwas gegen die<br />

Umweltverschmutzung zu tun. Nach dem Abitur<br />

nahm ich ein Jahr Pause, um besser auf meine<br />

Zukunft zu schauen, und ging an den Bodensee, wo<br />

ich ein Jahr lang in einer Camphill-Einrichtung mit<br />

seelenpflegebedürftigen Jungen arbeitete. Das war<br />

eine wunderschöne Erfahrung: ein neues Land, ein


neues Leben, eine neue Sprache – viele Herausforderungen.<br />

Ich konnte wirklich alles erreichen, was die<br />

Leute von mir erwarteten. Das Leben im Camphill<br />

hatte mich auch begeistert, aber ich fühlte in mir<br />

nicht einen besonderen Ruf wie z.B.: „Ja Valentino,<br />

das kannst du wirklich im Leben machen!“ So ging<br />

ich wieder nach Italien zurück und bewarb mich an<br />

der Uni für Umweltingenieurwissenschaft, um meine<br />

Ideale in Richtung Naturschutz weiterzubringen. Ich<br />

fand auch interessant, was man da lernen konnte.<br />

Aber dieses Studium erfüllte mich nicht. Mein Kopf<br />

war voll von allen möglichen mathematischen<br />

Formeln, aber meine Begeisterung für den zukünftigen<br />

Beruf als Ingenieur war nicht so groß. Viele<br />

Fragen, die unbeantwortet blieben, brachten mich<br />

dazu, das Studium nach einem Jahr abzubrechen. Es<br />

war gerade Sommer, als ich der Anthroposophie<br />

begegnen durfte. Ich arbeitete auf einem Bauerhof,<br />

wo ich zum ersten Mal in meinem Leben mit der biologisch-dynamischen<br />

Landwirtschaft tatsächlich zu<br />

tun hatte und mit den Präparaten. Was ich da<br />

gelernt habe, weckte in mir den Wunsch, mich weiter<br />

darüber kundig zu machen. Bei mir zu Hause<br />

fand ich ein Buch von Rudolf Steiner dazu, und so<br />

lernte ich ein bisschen, wie seine Gedanken über die<br />

Erde sind.<br />

Weil das Jahr am Bodensee so schön gewesen war,<br />

kehrte ich wieder nach Deutschland zurück, dieses<br />

Mal aber nach <strong>Stuttgart</strong> ans Jugendseminar. Dieses<br />

Jahr ist so veranlagt, dass junge Leute aus der ganzen<br />

Welt zusammenkommen können, um in die<br />

Anthroposophie und ihre verschiedenen Anwendungsbereiche<br />

eingeführt zu werden. So können sie<br />

Impulse bekommen, die ihre Berufsauswahl begleiten<br />

und inspirieren. Es war ein sehr schönes Jahr in<br />

Begegnung mit vielen Dozenten und Themen. Am<br />

Ende des Jahres hatte ich einige Ideen für meine<br />

Zukunft, die aber werde ich jetzt nicht verraten.<br />

In Italien kannte ich schon seit Langem die<br />

Christengemeinschaft, in der ich auch konfirmiert<br />

worden war. Weil ich noch nicht ganz sicher über<br />

mich selbst und meine Aufgabe in der Welt war, griff<br />

ich gern den Vorschlag auf, am <strong>Priesterseminar</strong> vorbeizuschauen.<br />

Es wurde mir beschrieben als ein Ort,<br />

wo die Menschen durch diese christliche Ausbildung<br />

lernen, was es genau bedeutet, „Mensch zu werden“,<br />

und wie mit Hilfe der Anthroposophie dieses<br />

Menschwerden sich immer vertieft, sodass die Menschen<br />

wirklich offen werden, neue geistige Impulse<br />

für ihr Leben aufzunehmen. Ziemlich neugierig hospitierte<br />

ich also ein paar Tage am <strong>Priesterseminar</strong>. So<br />

war mein Weg zum Seminar. Um mich selbst noch<br />

tiefer kennenzulernen, kam ich ins <strong>Priesterseminar</strong>,<br />

wo ich nun fast schon ein ganzes Jahr bin. Und versuche,<br />

etwas daraus zu machen – mit dem, was ich<br />

da studiere …<br />

Wege zum Seminar<br />

13


Wege zum Seminar<br />

14<br />

Von draußen nach drinnen.<br />

| Willem Boonstoppel, 3. Trimester<br />

Am Weihnachtsabend ging meine Mutter mit mir ein<br />

einziges Mal, ich war damals acht Jahre alt, zur<br />

katholischen Messe. Was da drinnen geschah, daran<br />

habe ich kaum Erinnerungen. Aber draußen vor der<br />

Tür gab es einen Weihnachtsstall mit riesigen, dunkelbraunen<br />

Holzfiguren. Da hat Joseph mich ganz<br />

ernsthaft angeschaut und einen tiefen Eindruck hinterlassen.<br />

Wie verzaubert stand ich da. Und eigentlich<br />

ist es immer so geblieben: Das, was innerhalb<br />

der Kirche stattfand, hat mich nie so richtig beeindrucken<br />

können, das, was außerhalb zu beobachten<br />

war, umso mehr.<br />

Eine religiöse Erziehung bekam ich nicht. Nicht in<br />

dem Sinn, dass wir uns als Familie zu einer Religion<br />

bekannten, in die Kirche gingen oder ein Tischgebet<br />

sprachen. Es gab Religionsunterricht im Gymnasium,<br />

aber wirklich gut aufgepasst habe ich wahrscheinlich<br />

nicht. Das Singen im Chor der Evangelische<br />

Kirche hat mir Spaß gemacht, weil so viele Freunde<br />

auch daran beteiligt waren; die Texte fand ich immer<br />

ein bisschen merkwürdig.<br />

Als ich 15 Jahre alt war, ist mein Vater gestorben.<br />

Meine Mutter konnte das kaum ertragen, sie hat<br />

damals versucht, mir die Verantwortung zu übergeben.<br />

Selber hatte sie nie so richtig gelernt, wirklich<br />

das Leben zu ergreifen und etwas daraus zu machen.<br />

Diese Aufgabe war für mich zu schwer. Erst viel später<br />

habe ich verstanden, dass es natürlich eine<br />

unmögliche Aufgabe war, die ich gar nicht erfüllen<br />

konnte. An meinem achtzehnten Geburtstag zog ich<br />

aus, ich wollte so weit weg wie möglich vom<br />

Elternhaus gehen, ohne über die Landesgrenze zu<br />

stolpern.<br />

So fingen die Schelmenjahre an, wo ich genau dasjenige<br />

versuchte, was meiner Mutter nie gelungen<br />

war: das Leben zu ergreifen und etwas daraus zu<br />

machen, aber ohne dass ich mir viel Mühe gab, mich<br />

in die Umwelt einzufügen. Eher war es umgekehrt,<br />

das Leben sollte sich mir anpassen.<br />

Musiker wollte ich werden, spielte Bass und<br />

Schlagzeug in einer Rockband. Es war mir vollkommen<br />

unverständlich, dass wir nicht sofort zu großer<br />

Berühmtheit und Reichtum aufstiegen! Oder Maler,<br />

ich malte nächtelang und war sehr enttäuscht, als<br />

sie mich mit meiner jugendlichen Ungeduld in der<br />

Kunstakademie nicht haben wollten. Also dann,<br />

Schriftsteller sollte ich sein! In wenigen Wochen<br />

schrieb ich einen Roman und sandte ihn an einen<br />

Verlag. Und wieder war ich überrascht, dass ich das<br />

Manuskript – zwar begleitet von guten Kommentaren<br />

– wieder zurück bekam mit dem Rat, es noch<br />

einmal zu versuchen.<br />

In dieser Zeit begegnete ich meiner ersten Gattin,<br />

und in den Künstlerkreisen von damals machte es<br />

einfach Spaß, ein großes Fest zu veranstalten und zu<br />

heiraten. Dieses hektische Leben war ganz schön<br />

anstrengend. Und etwas Wichtiges fehlte. Was das<br />

wohl war, konnte ich nicht so genau sagen. An einem<br />

Tag kam bei einem unserer Konzerte jemand aus dem<br />

Publikum auf mich zu, ganz betrunken, aber vielleicht<br />

deswegen ehrlich und frei. Er erzählte mir, wie<br />

schmerzhaft es für ihn war, dass wir so viel Unzufriedenheit<br />

ausstrahlten. Es kam wie ein Blitz: Jetzt<br />

muss sich etwas ändern.<br />

Als ich meiner zweiten Frau begegnete war es sofort<br />

klar; sie sollte die Mutter meiner Kinder sein. Dieses<br />

Gefühl war gegenseitig, und innerhalb von sechs<br />

Jahre wurden unsere beiden Kinder geboren, eine<br />

Tochter und ein Sohn. Wir gründeten eine richtige<br />

Familie mit Kindern, Hund und Auto und hatten ein<br />

schönes kleines Häuschen in einem schönen kleinen<br />

Dorf. Einen richtigen Beruf fand ich schließlich auch<br />

noch. Bei einem Großhändler für ökologische<br />

Lebensmittel wurde ich allmählich eingeführt in ein<br />

umweltbewusstes Denken und ein wirtschaftliches<br />

Handeln. Etwas ganz Wichtiges war aber noch<br />

immer nicht da.<br />

All diese äußerlichen Sachen, die man unbedingt<br />

haben soll, um glücklich zu sein, reichten mir ein-


fach nicht. Dann habe ich angefangen zu suchen.<br />

Innerlich spürt man ja schon, dass es etwas mehr<br />

gibt zwischen Himmel und Erde, aber hinter jeder<br />

geöffneten Tür fand ich zwar viel Wertvolles, aber<br />

nie dasjenige, was bei mir wirklich diese Erfahrung<br />

vom Weihnachtsstall hätte wiedererwecken können.<br />

Auch meine Frau erfuhr eine Lehre in unserem Leben,<br />

sie aber glaubte, die Lösung außerhalb unsere Beziehung<br />

finden zu können und zog mit unseren beiden<br />

Kindern weiter. Da war ich plötzlich allein mit<br />

meinem Hund und meinem Häuschen – ratlos und<br />

unglücklich.<br />

In meiner Tätigkeit als Verkaufsmitarbeiter begegnete<br />

ich Lucienne, der Mitarbeiterin in einem Naturkostladen,<br />

und wir wurden während unserer geschäftlichen<br />

telefonischen Gespräche gute Freunde.<br />

Diese Gespräche nahmen, ohne dass wir es selbst<br />

recht bemerkten, immer mehr einen anthroposophischen<br />

Charakter. Über Rudolf Steiner erzählte sie<br />

und die Waldorfschule, biologisch-dynamische<br />

Landwirtschaft, Eurythmie … Das war mir alles bis<br />

dahin völlig unbekannt, aber jedes Mal klingelte da<br />

irgendein Glöckchen in mir. Etwas in mir wurde<br />

berührt, sprach von dem Wahren, dem Guten, dem<br />

Schönen. Daneben gab es natürlich noch viel mehr<br />

zu besprechen, und allen Kollegen war schon lange<br />

klar, wohin das führen würde …<br />

Am Silvesterabend 2005 waren wir dann zusammen<br />

in meinem kleinen Haus. Lucienne erzählte von der<br />

Christengemeinschaft, da gab es so ein kleines<br />

Kirchlein, in das sie immer schon hatte gehen wollen,<br />

wozu sie aber nie den Mut gefunden. Etwas von<br />

meinem früheren Sturm und Drang war noch lebendig,<br />

und schon am nächsten Tag, dem ersten Januar,<br />

saßen wir beide in der Menschenweihehandlung.<br />

Wie ist es möglich, dass man 40 Jahre in der Welt<br />

herumwandert und erst dann bemerkt, wo man zu<br />

Hause ist? Dass alles, was man an Spiritualität<br />

gesucht hat und dessen Vorhandensein man ahnte,<br />

sich plötzlich auf einer Stelle finden lässt?<br />

Nach diesem Tag ging es relativ schnell. Mitglied<br />

wurden wir im Jahr 2007 zusammen am Michaelstag.<br />

Das Sakrament der Ehe empfingen wir zwei<br />

Jahre später, auch in der Michaelizeit. Als Hausmeister-Ehepaar<br />

lernten wir die Gemeinde von innen<br />

und außen kennen. Und immer war da eine Stimme<br />

im Hintergrund, die jeden Tag gesprochen hat,<br />

manchmal leise, manchmal sehr laut: Ob es vielleicht<br />

auch möglich sein könnte, dass eines Tages,<br />

später… ja, dass ich wirklich wissen würde, was<br />

meine Aufgabe in diesem Leben sein könnte. Kein<br />

Rockstar, aber vielleicht etwas Musikalisches. Kein<br />

Maler, aber vielleicht etwas Bildhaftes. Kein<br />

Schriftsteller, aber vielleicht etwas im Umgang mit<br />

dem Wort.<br />

Nicht mehr draußen vor der Tür, staunend über einen<br />

beeindruckenden Joseph, aber drinnen, in der Kirche,<br />

weiter suchend und arbeitend mit dem Wahren, dem<br />

Guten und dem Schönen. Deswegen bin ich jetzt hier<br />

am Seminar, lauschend und dem nachspürend, ob<br />

diese Stimme recht hat, ob sie mich lenken kann von<br />

draußen nach drinnen.<br />

Wege zum Seminar<br />

15


Wege zum Seminar<br />

16<br />

Die Weichen neu gestellt...<br />

| Margrit Brunner, 3. Trimester<br />

Es kommt vor, dass ich mich heute noch manchmal in<br />

den Arm kneife, um sicher zu gehen, dass ich mich<br />

tatsächlich am <strong>Priesterseminar</strong> befinde. Bis vor etwa<br />

dreieinhalb Jahren wusste ich nicht einmal, dass es<br />

die Christengemeinschaft überhaupt gibt, obwohl ich<br />

in meiner Heimatstadt Zürich bereits des Öfteren am<br />

wunderschönen Haus der Gemeinde in der historischen<br />

Altstadt vorübergegangen war. Ich erinnere<br />

mich sogar, einmal das Gemeindeprogramm im Aushang<br />

studiert zu haben. Was da stand, weiß ich nicht<br />

mehr. Sehr angesprochen fühlte ich mich wohl nicht.<br />

So war es bei mir, wie bei vielen anderen Menschen<br />

auch – durch einen Schicksalsschlag wurde ich<br />

unsanft wachgerüttelt und nahm meine für längere<br />

Zeit unterbrochene Suche nach einer lebendigen,<br />

weltzugewandten Spiritualität wieder auf. Damals,<br />

im Spätherbst 2009, lag mein Mann, ein chilenischer<br />

Kunstmaler, mit einer fortgeschrittenen Krebserkrankung<br />

in einer anthroposophischen Klinik. Für die Anthroposophie<br />

an sich hegten wir kein Interesse,<br />

jedoch war uns der ganzheitliche medizinische<br />

Ansatz sehr wichtig. Mein Mann war ein tiefreligiöser<br />

Mensch, der sich aber keiner Bekenntnisgemeinschaft<br />

zugehörig fühlte. Er bezeichnete sich<br />

stets als „christlicher Freidenker“. Wir hatten glücklicherweise<br />

keine Scheu, über den Tod miteinander zu<br />

sprechen, und so thematisierten wir auch unsere<br />

Vorstellung einer idealen Bestattung. Er meinte, dass<br />

er eine Rede verfassen würde, die ich dann an seinem<br />

Grab vorlesen könne, und danach solle ein fröhliches<br />

Fest stattfinden. Er wünschte ausdrücklich keinen<br />

Pfarrer bei seiner Beerdigung. Seinen Wunsch konnte<br />

ich zwar gut verstehen, jedoch konnte ich mich gar<br />

nicht mit der Idee einer Bestattung ohne Kultus<br />

anfreunden.<br />

Ich nahm mir nun die Zeit, im Internet nach Ant–<br />

worten auf meine Frage nach einer kultischen<br />

Bestattung für Menschen ohne Religionszugehörigkeit<br />

zu fahnden. So stieß ich auf die Christengemeinschaft.<br />

Auf meine Mailanfrage erhielt ich von der<br />

Gemeindehelferin den Rat, doch einen der Pfarrer<br />

telefonisch zu kontaktieren, dies verbunden mit einer<br />

Einladung zur Teilnahme an einer Menschenweihehandlung.<br />

Da es mir innerlich zutiefst widerstrebte,<br />

mit einem mir unbekannten Menschen zu telefonieren<br />

und dies noch dazu in einer eher schwerwiegenden<br />

Angelegenheit, beschloss ich, erst einmal unverbindlich<br />

an einem solchen Gottesdienst teilzunehmen.<br />

So stand ich eines trüben, kalten Novembermorgens<br />

vor dem Eingang der Zürcher Gemeinde. Ich<br />

öffnete die Türe und fand mich in einem langen<br />

dunklen Flur wieder, an dessen Ende sich noch eine<br />

weitere Türe befand. Auch diese Türe hinter mir lassend,<br />

passierte ich einen Hof, an dessen Ende wiederum<br />

eine Tür zum Kirchenvorraum zu durchschreiten<br />

war. Dann endlich befand ich mich zum ersten Mal<br />

im Weiheraum, der mir in seiner düsteren, unheimlichen<br />

Stille sehr missfiel. Die Menschenweihehandlung<br />

fand statt, und ich beschloss, kein zweites Mal<br />

hinzugehen - so befremdend fühlte sich das Ganze<br />

an. Doch ein im Gemeindeprogramm angekündigter<br />

Kurs zur Begleitung Sterbender und Verstorbener<br />

fand mein Interesse. Ich ging hin und führte dann in<br />

der Folge auch ein erstes Gespräch mit der Pfarrerin,<br />

die diesen Kurs leitete. Es tat mir in der Seele wohl,<br />

endlich auf ein Gegenüber zu treffen, das verstand<br />

wie ich mich fühlte. Aus diesem Grund schlug ich am<br />

folgenden Tag meinem Mann vor, sich doch zu öffnen<br />

für ein Gespräch mit einem Pfarrer der Christengemeinschaft.<br />

Zu meinem großen Erstaunen stimmte er<br />

meinem Vorschlag sofort zu. Leider konnte der vereinbarte<br />

Besuch nicht mehr stattfinden, da mein<br />

Mann, sich innerlich treu bleibend, drei Stunden vor<br />

dem Termin die Schwelle zur geistigen Welt überschritt.<br />

Er wurde trotzdem kurz vor Weihnachten<br />

2009 mit dem Kultus der Christengemeinschaft<br />

bestattet. Ich bin sehr dankbar dafür und auch überzeugt,<br />

dass es schließlich so auch für meinen Mann<br />

stimmig war. Es eröffneten sich dadurch auch für<br />

mich neue Wege, und ich wollte erfahren, welche<br />

Antworten auf meine vielen Fragen denn mit Hilfe


der Anthroposophie zu finden sind. Das spannende<br />

Resultat dieser Forschung war – hinter jeder gefundenen<br />

Antwort verstecken sich neue Fragen. Ich<br />

durfte nun die Christengemeinschaft in ihrer großen<br />

Fülle erfahren - in den Sakramenten, im gemeinschaftlichen<br />

Wirken und Arbeiten und in der Suche<br />

nach Erkenntnis.<br />

Eine große Entdeckung war für mich der weltumspannende<br />

Aspekt der Bewegung. Ich durfte teilnehmen<br />

an den Feierlichkeiten zur Gründung der Christengemeinschaft<br />

in Spanien und in Ungarn. Mich zu<br />

verbinden mit Menschen aus vielen Nationen und<br />

Kulturen, die den Christusimpuls auf Erden verwirklichen<br />

wollen, war für mich ein Riesengeschenk. Anfang<br />

2012 fiel mir dann der <strong>Stuttgart</strong>er Seminarbrief<br />

in die Hände, den ich sogleich mit großem Interesse<br />

verschlang. Besonders die Berichte unter der Rubrik<br />

„Wege zum Seminar“ hatten es mir angetan. Ich entnahm<br />

daraus, dass Menschen mit ganz verschiedenen<br />

Werdegängen, Berufen und Schicksalen den Weg<br />

ins <strong>Priesterseminar</strong> gefunden haben und dass sich<br />

auch schon ein paar ältere Semester unter die<br />

Studentenschar reihten. Mich beschäftigte schon<br />

länger die Idee, ein anthroposophisches Studium aufzunehmen,<br />

und auch der Gedanke, ob meine langjährige<br />

Arbeit für die Schweizerischen Bundesbahnen<br />

mich wirklich noch in die Zukunft tragen kann oder<br />

ob eventuell noch andere Herausforderungen auf<br />

mich warten, ließ mich nicht zur Ruhe kommen.<br />

Meine Arbeit am Flughafenbahnhof in Zürich war<br />

durchaus interessant – aber kam in ihr wirklich meine<br />

wahre Lebensaufgabe zum Tragen? So reifte in mir<br />

der Impuls, besonders nach dem Tod meiner Mutter,<br />

deren letzte Erdenzeit so unendlich viel schwieriger<br />

war als die meines Mannes, jetzt nicht mehr zuzuwarten,<br />

sondern die Sache in Angriff zu nehmen und<br />

Grundsätzliches in meinem Leben zu ändern. Ich raffte<br />

mich auf und sandte dem Seminar eine Mail mit<br />

der Bitte, mir doch bitte die Daten für alle geplanten<br />

Orientierungswochen zuzusenden. Es kam eine sehr<br />

freundliche Antwort mit dem Hinweis, dass ich mich<br />

gerne für die Orientierungswoche im Februar anmelden<br />

dürfe, falls – ja falls ich noch nicht älter als 45<br />

Jahre alt sei. Nun war ich zu dem Zeitpunkt bereits<br />

47 Jahre alt, und so schrieb ich dann zurück, dass ich,<br />

falls mein Alter wirklich ein Hindernis sei, bereit sei,<br />

bis zu meiner nächsten Inkarnation zu warten. Und<br />

dann ging es Schlag auf Schlag: Ich durfte eine<br />

Orientierungswoche im Sommer besuchen, und die<br />

Seminarleitung war bereit, mir einen Einstieg ins<br />

Studium im zweiten Trimester zu ermöglichen, da<br />

meine Kündigungsfrist bei der Bahn sechs Monate<br />

betrug. Für diese Möglichkeit bin ich unendlich dankbar,<br />

ich habe zusammen mit zwei weiteren Kollegen<br />

das Studium im Januar begonnen und bin begeistert<br />

vom Geist der im Seminar herrscht.<br />

Ich freue mich sehr, dass hier „mit Kopf, Herz und<br />

Hand“ (Pestalozzi) gelernt werden darf. Wohin mich<br />

der Weg führen wird, ist noch nicht bekannt, aber eins<br />

weiß ich bestimmt: Die Möglichkeit, hier an diesem<br />

besonderen Ort einige Zeit verbringen zu dürfen, wird<br />

meine Sicht auf die Welt verändern und meinen künftigen<br />

Lebensweg sinngebend befruchten.<br />

Wege zum Seminar<br />

17


18<br />

Synthese<br />

Wladimir Solowjew<br />

| Kateryna Gagarina, 3. Trimester<br />

Wladimir Solowjew ist ein Mensch, dessen Leben und<br />

Werk ein Beispiel für das Synthese-Prinzip ist. Er hat<br />

Gegensätze wie die östliche und die westliche<br />

Theologie, die Gnosis und die Mystik sowie die pantheistische<br />

und die rationalistische Philosophie vereint.<br />

Er hat den deutschen Idealismus und das naturwissenschaftliche<br />

Denken des 19. Jahrhunderts aufgenommen<br />

und hat sie in seinem System einer „positiven<br />

christlichen Philosophie“, durch das er die<br />

ewige Wahrheit des Christentums in eine ihr angemessene<br />

geistige Form bringen wollte, miteinander<br />

verflochten. „Seine Weltanschauung strömt eine<br />

wunderbare Seelenwärme aus. Die Philosophie wirkt<br />

wie religiöse Betrachtung; die Religion wirkt wie in<br />

der Seele erlebte Philosophie.“ 1<br />

Wladimir Solowjew wurde am 16. Januar 1853 in<br />

Moskau geboren. Schon mit 20 Jahren hat er in<br />

einem Brief an seine Kusine Jekaterina Romanowa in<br />

folgenden Worten seine Lebensaufgabe festgehalten:<br />

„…den ewigen Inhalt des Christentums in eine neue,<br />

ihm gemäße Form, d.h. in eine unbedingt vernünftige<br />

Form zu bringen. Dafür muss man alles ausnutzen,<br />

was in den letzten Jahrhunderten durch den menschlichen<br />

Geist erarbeitet worden ist. Man muss sich die<br />

allgemeinen Resultate der wissenschaftlichen<br />

Entwicklung aneignen, man muss die gesamte<br />

Philosophie studieren. Das tue ich und werde es weiterhin<br />

tun“.<br />

Sein Interesse für Naturwissenschaft und Materialismus<br />

hatte ihn in Kontakt mit Hegel, Spinoza und<br />

Schelling, Schopenhauer und Eduard von Hartmann<br />

gebracht. Das half ihm, schnell seine eigene<br />

Konzeption der Entwicklung philosophischer<br />

Gedanken zu schaffen. Er vertritt dabei ein Prinzip,<br />

das Leibniz, der berühmte Philosoph und Mathematiker,<br />

einst so formulierte: „Der Mensch hat immer<br />

unrecht, wenn er negiert, besonders ein Philosoph;<br />

jede Lehre ist wahr, wo sie feststellt und begründet,<br />

und ist unwahr, wo sie ausschließt.“ Dies war der<br />

wichtigste Grundsatz in Solowjews Leben und<br />

Denken. Ihm war selbstverständlich, dass nichts in<br />

dieser Welt belanglos ist, weil sich sein Denken überall<br />

dem Prinzip der Synthese verpflichtet fühlt. Um<br />

Ganzheit ging es ihm nicht nur in seiner Philosophie,<br />

sondern auch in seinem Leben.<br />

Im Jahr 1878 hielt Wladimir Solowjew in St. Petersburg<br />

eine öffentliche Vortragsreihe, die später unter<br />

dem Titel „Zwölf Vorlesungen über das Gottmenschentum“<br />

publiziert wurde. In diesen Vorträgen thematisierte<br />

er die Beziehung zwischen Mensch und<br />

Gott. Er kam darauf wegen des kläglichen Zustandes<br />

des Christentums in seiner Zeit. Er fühlte, dass dieses<br />

Problem in den Herzen der Menschen seine Ursache<br />

hatte, weil sie keine Fähigkeit hatten, die Vorstellungen<br />

der geistigen und physischen Welt in sich<br />

selbst zu verbinden, und deshalb die Religion nicht<br />

akzeptieren konnten. Er sagte, dass die Zivilisation<br />

des Westens das menschliche Bewusstsein von allen<br />

äußeren Grenzen befreie und die absoluten Rechte<br />

des Menschen verkünde. Obwohl das einen wichtigen<br />

Erfolg für die Zivilisation bedeute, lehne diese<br />

dadurch zugleich jedes absolute göttliche Prinzip ab,<br />

das die Fülle des Daseins habe. Aber diese moderne<br />

Umgangsform mit irdisch Gesetzlichem begrenze<br />

auch das Leben und Bewusstsein der Menschen<br />

durch Abhängigkeit und Vergänglichkeit.<br />

Solowjew möchte darauf hinweisen, dass das alleinige<br />

Streben des Menschen auf solchen Wegen<br />

unmöglich zu Befriedigung führen könne. Der moder-<br />

© siehe Impressum


ne Mensch hält sich für innerlich frei und behauptet,<br />

der Mittelpunkt aller Dinge zu sein, ist in Wirklichkeit<br />

aber nur ein unendlich kleiner, verschwindender<br />

Punkt im Weltall. Moderne Erkenntnis gibt der<br />

menschlichen Persönlichkeit wohl göttliche Rechte,<br />

aber sie gibt ihr weder göttliche Kräfte noch einen<br />

göttlichen Inhalt, denn der Mensch der Gegenwart<br />

lässt im heutigen Leben und in der Wissenschaft nur<br />

eine begrenzte und bedingte Wirklichkeit gelten: die<br />

Wirklichkeit vereinzelter Tatsachen und Erscheinungen.<br />

Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet ist<br />

aber auch der Mensch selbst nichts anderes als nur<br />

eine einzelne Tatsache.<br />

Somit ist der Mensch einerseits ein Wesen, das eine<br />

absolute Bedeutung und großartige Rechte hat, und<br />

derselbe Mensch ist zugleich auch nur eine begrenzte<br />

und vorübergehende Erscheinung, nur eine<br />

Tatsache unter einer Vielheit anderer Tatsachen, die<br />

ihn von allen Seiten einengen und von denen er<br />

abhängig ist. Wenn dieser Gegensatz nur theoretisch<br />

wäre, dann wäre er nicht so verhängnisvoll und so<br />

tragisch, dann könnte der Mensch sich von ihm<br />

abwenden. Aber er befindet sich im Mittelpunkte des<br />

menschlichen Bewusstseins, er betrifft das menschliche<br />

Ich selbst. Aber der Mensch will nicht nur eine<br />

Tatsache sein. Und dieses Nichtwollen deutet auch<br />

schon darauf hin, dass er in Wirklichkeit etwas<br />

Höheres ist.<br />

Wenn wir beginnen können, in der Überzeugung zu<br />

leben, dass wir nicht nur als Tatsache, als vereinzelte<br />

Erscheinung betrachtet werden müssen, sondern dass<br />

wir auch zu einer Fülle des Seins, zu einem umfassenden<br />

Inhalt kommen können – und daher dieser<br />

absolute Inhalt und diese Fülle des Seins nicht eine<br />

Phantasie, sondern wahre, kraftvolle Wirklichkeit ist<br />

–, dann ist in diesem Sinn der Glaube an sich selbst,<br />

der Glaube an die menschliche Persönlichkeit<br />

zugleich auch der Glaube an Gott. Sowohl Gott als<br />

auch Mensch haben Teil an dieser göttlichen Absolutheit,<br />

mit dem Unterschied nur, dass Gott sie hat<br />

und der Mensch nur nach ihr streben kann. Wie sich<br />

Synthese<br />

die äußere Natur nur allmählich dem menschlichen<br />

Denken offenbart und wir daher von einer Entwicklung<br />

der experimentellen Naturwissenschaft reden<br />

können, so offenbart sich dem Menschen auch das<br />

göttliche Prinzip nur allmählich, und wir müssen<br />

daher ebenso auf eine Entwicklung der religiösen<br />

Erfahrung und des religiösen Denkens hinweisen.<br />

Solowjew behauptet, dass das Resultat des religiösen<br />

Denkens die Religionsphilosophie sei, die den ganzen<br />

Inhalt der religiösen Evolution umfassen müsse. Sie<br />

muss die Einheit aller Religionen in der Fülle, nicht<br />

der Unterschiedslosigkeit suchen. Darin besteht seine<br />

positive religiöse Synthese oder das Gottmenschentum.<br />

Die Einheit der Kirchen suchte Wladimir Solowjew im<br />

Lauf des ganzen Lebens. Er sah in allen Kirchen<br />

Stärken und Schwächen. Es gab eine Zeit, in der er<br />

sich stärker der römisch-katholischen Kirche<br />

zuwandte, die seiner Wahrnehmung nach mit ihrer<br />

größeren institutionellen Selbständigkeit und ihrer<br />

starken moralischen Kraft die christlichen Prinzipien<br />

klarer vertrat als die Orthodoxie und der Protestantismus.<br />

Er sah aber auch in der römisch-katholischen<br />

Kirche schwere Fehler, gleichwohl erkannte er Rom<br />

als das traditionelle und legitime Zentrum der christlichen<br />

Welt an. Er hoffte, dass die russisch-orthodoxe<br />

Kirche zu Rom zurückkehren und auch der Protestantismus<br />

sich wieder mit der universalen Kirche zu<br />

einer staatlichen Macht vereinigen würde und dass<br />

das Judentum in dieser freien Theokratie die<br />

Erfüllung seiner messianischen Hoffnungen sehen<br />

möge. Seine Form der Vereinigung ist keine Verflachung<br />

und Einebnung. Sie bedeutet vielmehr, dass<br />

jeder Teil die anderen anerkennt und sich mit ihnen<br />

zu einer höheren Einheit zusammenschließt. Aber in<br />

Russland und in Rom wurde er missverstanden. Er<br />

sah, dass seine Hoffnungen sich nicht erfüllen konnten.<br />

Aber er trug diese Idee alleine durch sein Leben<br />

und verwirklichte sie nach seinen Kräften zu einer<br />

Synthesekonzeption, die seine Person zu einem<br />

19


20<br />

Synthese<br />

... Wladimir Solowjew<br />

genialen Philosoph, einem überaus begabten und<br />

feinfühligen Dichter, Gelehrten und Schriftsteller,<br />

Historiker und Theologen, zu einem scharfsinnigen<br />

Denker und tiefgläubigen Christen werden ließ.<br />

In unserem täglichen Leben zersplittern wir ja oft<br />

alles in Teile und Komponenten, um so einen Gegenstand<br />

bewusst wahrzunehmen. Wir schätzen oft nur<br />

diese Sichtweise, weil unser Verstand die Fülle des<br />

Seins aller Phänomene nicht gleichzeitig erfassen<br />

kann. Das Denken des modernen Menschen kann<br />

leicht analysieren, eine Einheit zerteilen. Aber man<br />

darf nicht vergessen, diesen abstrakten Begriffen<br />

oder Erscheinungen wieder die Gesamtheit ihrer<br />

Existenz zurückzugeben. Oft sind die Menschen gezwungen,<br />

sich zu teilen; wenn sie keinen Weg zur<br />

Koexistenz von materiellem und religiösem Leben zur<br />

einheitlichen Weltauffassung kennen. Weil beide<br />

Seiten in Solowjew stark waren, sowohl die naturwissenschaftliche<br />

als auch die spirituelle, konnte er<br />

die Welt als eine große und harmonische Synthese<br />

Soll ich meines Bruders Hüter sein?<br />

| Martin Thiele, 3. Trimester<br />

Zwischen dem ersten Sündenfall mit der Vertreibung<br />

aus dem Paradies und dem zweiten Sündenfall mit<br />

der Sintflut ereignet sich die Geschichte von Kain<br />

und Abel. Diese beiden Namen stehen für zwei gegensätzliche<br />

Geistesströme in der Menschheitsentwicklung.<br />

Am Anfang waren die beiden Ströme vereint<br />

und wurden dann durch den Brudermord getrennt.<br />

Betrachten wir die Berufe der beiden Brüder, fallen<br />

gleich die Unterschiede ins Auge. Kain bearbeitet die<br />

Erde. Der Acker trägt nach der Vertreibung aus dem<br />

Paradies bereits Disteln und Dornen. Hart und körperlich<br />

ist die Arbeit Kains. Er muss die Erde pflügen<br />

und von Unkraut und Steinen befreien. Er muss ganz<br />

in den Willen hinabtauchen und ungeheure Kräfte<br />

sehen und die Konzepte zur Einheit zusammenbringen.<br />

Dies ist ein schöpferischer Erkenntnisweg, denn<br />

er braucht tiefe Arbeit an ihren Komponenten, nämlich<br />

die Entwicklung des Denkens und des Gefühls,<br />

der Ideen und der Kreativität, der Verneinung und der<br />

Akzeptanz. Die Religion kann nicht zerteilt werden<br />

und nur als halbe Wahrheit gelten. Man muss wieder<br />

lernen, die Welt sowohl in ihrer Einheit als auch in<br />

der Vielfalt wahrzunehmen; so kann das Gottmenschentum<br />

verwirklicht werden.<br />

1 Rudolf Steiner im Zusatz zu den „Zwölf Vorlesungen über das<br />

Gottmenschentum“ von Wladimir Solowjew<br />

entwickeln. Es ist schwierig, bei einer solchen Arbeit<br />

ein klares, denkendes Bewusstsein zu entwickeln,<br />

weil alle Kräfte in die Tat fließen müssen. Wie anders<br />

ist dagegen die Arbeit Abels, der ein Hirte ist. Er<br />

muss seine Herde im Bewusstsein haben. Ein guter<br />

Hirte rennt seinen Schafen nicht hinterher. Er trägt<br />

sie in seinem Bewusstsein, schützt sie vor dem Wolf<br />

und führt sie zu den besten Weideplätzen. Auf seinen<br />

Stab gestützt, betrachtet er mit klarer Seele<br />

seine Tiere und die Welt und wacht über beide. Der<br />

Hirte kennt seine Schafe, und sie versammeln sich<br />

um seinen schützenden Stab. In Kain erblicken wir<br />

den tätigen Menschen in Abel den erkennenden.<br />

Aus ihrer Arbeit gehen verschiedene Opfergaben<br />

hervor. Im Pflanzenopfer des Kains, den Früchten des<br />

© siehe Impressum


Feldes, klingt die alte Sonne nach. Das Tieropfer<br />

Abels deutet auf den alten Mond. Kain ist also mit<br />

der Sonne, Abel mit dem Mond verbunden. Die<br />

Sonne strahlt ihr eigenes Licht. Am Tage erreichen<br />

uns ihre Strahlen direkt und unverändert. Der Mond<br />

scheint nicht aus eigener Kraft. Er spiegelt das<br />

Sonnenlicht. In der Nacht leuchtet uns also auch das<br />

Sonnenlicht aus dem Mond entgegen. Aber es<br />

stammt nicht direkt von der Sonne, sondern nimmt<br />

einen Umweg über den Mond. So sind die beiden<br />

Lichter in ihrer Leuchtkraft und in ihrer seelischen<br />

Wirkung sehr verschieden. Sonne und Mond stehen<br />

deshalb auch sinnbildlich für verschiedene Bewusstseinsarten.<br />

Das Sonnenbewusstsein ist im Paradies<br />

beheimatet, wo dem Menschen direkt die Geistessonne<br />

scheint und ihn unmittelbar impulsiert. Das<br />

Mondenbewusstsein ist auf der Erde beheimatet, wo<br />

der Mensch mittels seines Gehirns das Geisteslicht<br />

spiegelt und die Impulse der geistigen Welt im<br />

Gedanken nachbildet. Der irdische Mensch erringt<br />

sich auf diese Weise ein eigenes, unabhängiges<br />

Bewusstsein. Im strömenden Blut des geopferten<br />

Schafes wird sich Abel seiner eigenen Schuld und<br />

des Sündenfalls bewusst. Dadurch kann sein Opfer<br />

von der Gottheit angenommen werden. Kain lebt<br />

noch im Bewusstsein des Paradieses und hat keine<br />

Kenntnis vom Sündenfall. Sein Opfer kann die Gottheit<br />

nicht annehmen und er kann seinerseits nicht<br />

verstehen warum. Im Zorn erschlägt er seinen<br />

Bruder, und die Gemeinschaft zwischen den beiden<br />

zerbricht. Wird ihm nach dieser Tat erst der Sündenfall<br />

bewusst? Als Gott nach Abel fragt, antwortet<br />

Kain mit einer Gegenfrage. „Soll ich meines Bruders<br />

Hüter sein?“ Im Paradies war das nicht notwendig<br />

gewesen. Aber jetzt auf der Erde müssen die Menschen<br />

aufeinander achten, ein Bewusstsein für Gut<br />

und Böse entwickeln.<br />

Kain muss von nun an „unstet und flüchtig“ auf der<br />

Erde leben. Durch seine Tat fällt er aus der menschlichen<br />

Gemeinschaft heraus, die fortan von der<br />

Synthese<br />

Abelströmung bestimmt wird. Das Erdenbewusstsein<br />

stiftende Tieropfer prägt zentral die Entwicklung des<br />

israelitischen Volkes. Alle großen Gestalten des Alten<br />

Testaments ringen um das mondenhafte Bewusstsein<br />

des Abels. Schon Abraham bildet ein irdisches<br />

Bewusstsein aus. Dies wird deutlich, als er mit Gott<br />

über das Schicksal von Sodom und Gomorra verhandelt.<br />

Dennoch tauchen im Alten Testament an verschiedenen<br />

Stellen kainitische Motive auf.<br />

Melschisedek bringt Abraham die Sonnenopfergaben<br />

Brot und Wein und segnet ihn. Und an anderer Stelle<br />

brechen Einzelne immer wieder aus der Gesetzesordnung<br />

aus und werden trotz ihrer Taten von Gott<br />

nicht aus dem Entwicklungsstrom ausgesondert. So<br />

wird Salomo als Erbe des Königsstromes akzeptiert,<br />

obwohl er der Sohn aus einem Ehebruch ist. Ähnlich<br />

wurde auch Kain nicht vernichtet, sondern durch das<br />

Zeichen geschützt.<br />

Durch das Mysterium auf Golgatha wird dem Abelstrom<br />

der Kainsstrom wieder hinzugefügt. Das Widderopfer<br />

wird abgelöst durch das Opfer Christi, des<br />

Lammes Gottes, am Kreuz. Beim Abendmahl spendet<br />

Christus den Jüngern das Sonnenopfer in Brot und<br />

© siehe Impressum<br />

21


22<br />

Synthese<br />

... Soll ich meines Bruders Hüter sein?<br />

Wein. Am Ende von Kapitel 7. des Matthäusevangeliums<br />

wird berichtet, dass sich das Volk wegen der<br />

Lehre Christi entsetzte, weil er nicht wie die Schriftgelehrten<br />

spricht, sondern wie einer, in dem die<br />

Schöpferkräfte selbst wirksam sind. Die Sonnenkräfte<br />

vom Urbeginn leben in Christus. So gebietet er<br />

selbst den Elementen bei der Stillung des Sturmes.<br />

Die bestehende Ordnung wird auf den Kopf gestellt.<br />

Ein Einzelner impulsiert mit seiner Geisteskraft die<br />

Gemeinschaft, zunächst die der Jünger. Doch der<br />

Christus nimmt sich aller offenen Menschen an.<br />

Vorher bestimmte die Gemeinschaft mit ihrer Gesetzesordnung<br />

den Einzelnen. Dennoch hebt der Christus<br />

das Gesetz nicht auf. Aber er schenkt das<br />

menschliche Ich, das die Gemeinschaft im Einzelnen<br />

neu erstehen lässt und den lebendigen Geist in die<br />

Menschheit einströmen lässt.<br />

In unserer heutigen Zeit stehen wir als Menschen<br />

immer zwischen diesen beiden Strömen. Auf der<br />

Umgang mit Andersgesinnten<br />

| Michael Sölch, 3. Trimester<br />

Zu Beginn des zweiten Trimesters, als die Hälfte der<br />

Studenten ihre in den Trimesterferien erarbeiteten<br />

Referate der Seminargemeinschaft darstellen durfte,<br />

kam bereits ein Hauch dessen zum Vorschein, was<br />

nun Thema unseres Seminarbriefes ist: Ein Bedürfnis<br />

nach Synthese. Man kann natürlich Aussagen auch<br />

einfach nebeneinander stehen lassen und jede für<br />

sich gelten lassen. Aber dem Anteil nehmenden Mitdenken<br />

kann aus der Zusammenschau der formulierten<br />

Gedanken auch das Bedürfnis entstehen, das<br />

Gesagte gedanklich gegeneinander antreten zu lassen.<br />

Eine Darstellung über die Katharer erweckte die<br />

Frage: Was ist eigentlich wirklich christlich?<br />

einen Seite das einzelne Ich mit seinen Impulsen und<br />

Schwächen und auf der anderen Seite die zu beachtenden<br />

Voraussetzungen und Notwendigkeiten, um<br />

ein ehrliches Miteinander zu gestalten. Rudolf<br />

Steiner bringt diese Spannung wunderbar in dem<br />

Spruch zum Ausdruck: „Heilsam ist nur, wenn im<br />

Spiegel der Menschenseele sich bildet die ganze<br />

Gemeinschaft, und in der Gemeinschaft lebet der<br />

Einzelseele Kraft.“ Die Einzelseele muss das Ganze in<br />

sich nachbilden, in sich tragen, wie der Mond das<br />

Sonnenlicht, um dem Ganzen gemäß handeln zu<br />

können. Und in der Gemeinschaft muss Raum und<br />

Offenheit für die Impulse des Einzelnen sein.<br />

Aus der Embryologie wissen wir, dass sich das Herz<br />

im werdenden Menschen dadurch bildet, dass sich<br />

zwei verschiedene Blutströme verbinden und ein<br />

gemeinsames Gefäß bilden. So bildet auch der<br />

Christus aus dem Kain- und dem Abelstrom das<br />

schlagende Herz der Menschheit.<br />

Diese Frage hatten die Menschen im Mittelalter<br />

auch. Nur führte die Auseinandersetzung, die sich an<br />

diese Frage anschloss dazu, dass man Häretiker oder,<br />

wie man die Katharer nannte, Ketzer verbrannte. Es<br />

wurde deutlich, dass das Christentum verschiedene<br />

Formen annahm, von denen einige aber als seltsame<br />

Randgruppen galten, während andere das offizielle<br />

Christentum repräsentierten. Das Verhältnis zwischen<br />

den verschiedenen Auffassungen war feindlich.<br />

Mit physischer Gewalt begegnete die offizielle<br />

Kirche demjenigen, der eine andere Geistesart vertreten<br />

wollte als jene, die in der Kirche als die objektiv<br />

wahre angesehen wurde. Solche Gewalttaten<br />

können nicht als christlich bezeichnet werden. Aber<br />

auch eine Strömung, die den Begriff von der Real-


präsenz Christi in der Hostie leugnet, ist aus einer<br />

gewissen objektiven Perspektive unmöglich als<br />

christlich zu bezeichnen, sondern eher als Gefahr.<br />

Eine Darstellung über Jan Huss öffnete in gewisser<br />

Weise eine entgegengesetzte Perspektive. Die überlieferten<br />

Formen der Religion, die sich lange bewährt<br />

hatten, wurden von Jan Huss trotz seines starken<br />

Idealismus für die Sache der Kirche eher als problematisch<br />

erlebt, und er wurde auch zu einem Vorläufer<br />

für jene Erneuerung, die durch das Abstreifen<br />

äußerlicher Autorität und den Antrieb allein durch<br />

das eigene innere Wahrheitsgefühl später mit der<br />

Reformation eine eigene Form angenommen hat.<br />

Hier geht es um das subjektive Erleben des göttlichen<br />

Wortes im Gewissen (oder bei Luther dann<br />

auch um eigenen Nachvollzug des Evangeliums). Im<br />

anderen Referat zur Ketzerfrage geht es um das objektive<br />

Verständnis der Tatsache des Christentums.<br />

Wir sind also unterschiedlichen Sichtweisen<br />

auf die Erscheinungsformen der<br />

Kirchenströmung begegnet,<br />

und es kann sich nun ganz<br />

allgemein das Synthesebedürfnis<br />

regen zwischen<br />

der Ansicht,<br />

die dem Innerlichen,<br />

und jener, die<br />

dem Äußerlichen<br />

mehr Aufmerksamkeit<br />

zugesteht. Ja,<br />

um unsere europäische<br />

Kultur heute zu<br />

verstehen, kann es sogar<br />

lehrreich sein, die traditionellen<br />

Wurzeln aus den<br />

mittelalterlichen Zeiten anzuschauen.<br />

Man kann einerseits darauf schauen, was die offiziellen,<br />

traditionellen Formen der Kirche zu den<br />

bestimmten Zeitepochen den Menschen geben konnten.<br />

Man kann aber, weil zu jeder Zeit Menschen mit<br />

Synthese<br />

ganz unterschiedlichen Bewusstseinsmöglichkeiten<br />

auf der Erde leben, auch nach historischen<br />

Verfrühungen Ausschau halten, die ein Bewusstsein<br />

haben, das erst später für die Menschen im<br />

Allgemeinen zeitgemäß sein wird. Wie eine wegbereitende<br />

historische Verfrühung sicher wichtig für<br />

die Entwicklung der Kulturgeschichte ist, so ist aber<br />

auch das zeitlich konkrete Zusammenleben schwierig,<br />

wenn etwa von einer weitverbreiteten<br />

Kirchengemeinschaft eine Minderheit als ketzerisch<br />

bezeichnet wird, die bereits eine zukünftige<br />

Bewusstseinslage „ausprobiert“ und deshalb auch<br />

unkonventionell mit denselben geistig wesenhaften<br />

Tatsachen umgehen muss, mit denen auch die<br />

Kirchenströmung umgeht.<br />

Es kann nicht die Aufgabe dieses Artikels sein, die<br />

ganze Entwicklung des Christentums zu überschauen,<br />

um die Entstehung seiner Formen in Abgrenzungen<br />

gegenüber den verschiedenen Traditionen, die objektiv<br />

häretisch oder subjektiv unchristlich<br />

geschimpft wurden, im Einzelnen zu<br />

untersuchen. Es soll aber dem<br />

Gedanken Raum gegeben werden,<br />

dass jede der Entwicklung<br />

dienende Abgrenzung<br />

auch wieder eine Vereinigung<br />

mit sich bringen<br />

muss, wenn sie dem Erdenwerden<br />

heilsam werden<br />

soll.<br />

Dieser Gedanke klingt auf in<br />

der Inszenierung Rudolf Steiners<br />

Mysteriendramen, wenn einem<br />

Benediktinermönch des 14. Jahrhunderts<br />

plötzlich durch die Begegnung mit<br />

dem verstorbenen Stifter des Benediktiner Ordens<br />

dieser Synthesebedarf zu Bewusstsein kommt. Der<br />

Meister sagt dem Mönch, er solle die Impulse seiner<br />

Schriften so erfassen, dass sie selber leben und sich<br />

© siehe Impressum<br />

23


24<br />

Synthese<br />

... Umgang mit Andersgesinnten<br />

© siehe Impressum<br />

im Lauf der Zeit auch wandeln können. So könnten<br />

sich die Mönche mit den Ketzern zu gemeinsamen<br />

Zukunftszielen einen. Versunken in seelische Antipathie<br />

gegenüber den ketzerischen Tempelrittern, mit<br />

denen er zu tun hat, blitzt in seinem Bewusstsein<br />

dieser Gedanke als Eingebung auf, aber er findet selber<br />

den Mut nicht, ihn ernstlich zu bedenken. Sofort<br />

stürzen die Widersacher mit den schärfsten Waffen<br />

auf ihn ein. Sie bekräftigen seine bisherige Bewusstseinslage.<br />

Ahriman macht ihm deutlich, dass Synthese<br />

zwar im Reich der Seligen berechtigt, aber in<br />

der konkreten Welt nicht möglich sei. Noch schlimmer<br />

scheint fast die luziferische Eingebung, dass die<br />

Templer den Namen Christi böswillig missbrauchten.<br />

Das Syntheseideal kommt in dieser mittelalterlichen<br />

Szene des Mysteriendramas nicht unversehrt auf dem<br />

irdischen Plan an. Will das sagen, dass es noch nicht<br />

so weit war, dass der Friede den Weg durch die<br />

Dogmenhärte der damaligen Kirche hätte finden<br />

können? Für mich ist diese Inszenierung auch ein Bild<br />

für das Gegensätzliche zwischen subjektiv strebsa-<br />

men esoterischen Christen in der Templerburg und<br />

objektiv rechtgläubigen exoterischen Christen in der<br />

Kirche. Wieso ist die Kirche oft so äußerlich und kann<br />

das Esoterische im Innern des Menschen nicht genügend<br />

würdigen? Kann es sein, dass auch unsere<br />

Kultur noch aus dieser misslungenen Synthese zwischen<br />

objektiver und subjektiver Herangehensweise<br />

an religiöse Fragen entsprungen ist? Und finden wir<br />

als Minderheit, die sich heute mit dem Christentum<br />

beschäftigen will, den Mut zu der Synthese, die<br />

damals noch nicht hat verwirklicht werden können?<br />

Man sei sich der Tragik bewusst, die entsteht, wenn<br />

subjektives und objektives Verstehen wirklich aufeinandertreffen.<br />

Welche Verantwortung würde demjenigen<br />

spürbar, der vorher nur auf subjektive Religiosität<br />

bedacht war! Und auch wer sich stark den äußeren<br />

Formen der Religion verpflichtet fühlt, wie jener<br />

Mönch, der das subjektive Streben ablehnt, aber<br />

dann von seinem Meister den Ansporn erhält, sich zu<br />

gewissen meditativen Fähigkeiten zu ertüchtigen, der<br />

hat durch diese Synthese harte Arbeit. Er müsste nun<br />

einer bestehenden Form durch erneute Auseinandersetzungen<br />

mit den innersten Impulsen eine Erneuerung<br />

einarbeiten, um eine zeitgemäße Interpretation<br />

der lebendigen Impulse pflegen zu können. Dabei<br />

läuft man aber Gefahr, sich auf Kosten alles dessen,<br />

was bisher Halt gegeben hat, auf Ungewisses abzustützen.<br />

Synthese hat für mich in erster Linie mit Mut<br />

zu tun. Aber auch mit der Frage:<br />

Ist es an der Zeit?<br />

Damals hätte ein Gedanke an eine Synthese mit den<br />

Templern und ihrer mystischen Schulung des eigenen<br />

Wesens die Mentalität des Benediktinermönchs tiefgreifend<br />

verändern müssen. Er ist der Überzeugung,<br />

dass man mit frommem Herzen dem Eigenwahn entfliehen<br />

sollte, um der Gnade würdig zu werden. Die<br />

an sich selber arbeitenden Templer sagen jedoch:<br />

„Aus Gottessein entstand die Menschenseele, sie<br />

kann in Wesensgründe tauchen, sie wird dem Tod


dereinst den Geist entbinden.“ Es war vor allem auch<br />

dem frommen Kirchengänger Thomas nicht möglich,<br />

seinen Vater in der Templerburg zu lieben, weil er den<br />

Widerspruch der trennenden Gedanken ernst nimmt,<br />

die ihm zugänglich sind. Das Erlebnis seines Priesters,<br />

das als Keimpunkt für die Synthese, die ihm ermöglichen<br />

würde, seinen Vater zu lieben, vielleicht auch<br />

wirksam war, bleibt seinem Bewusstsein vorenthalten.<br />

Exoterik und Esoterik haben es nicht leicht miteinander.<br />

Auch heute nicht. Mangelt es nur an Kommunikationsfähigkeit?<br />

Oder wäre diese Aussage eine<br />

Herabwürdigung von heute berechtigten Standpunkten?<br />

Auch heute ist es wichtig, sich zu diesen Fragen<br />

„Wenn die Hoffnungen sich verwirklichen,<br />

daß die Menschen sich mit allen ihren Kräften,<br />

mit Herz und Geist, mit Verstand und Liebe<br />

vereinigen und voneinander Kenntnis nehmen,<br />

so wird sich ereignen, woran jetzt noch kein<br />

Mensch denken kann.“<br />

J.W. von Goethe<br />

Die Freundschaft dieser beiden Geistesgrößen hat<br />

urbildlichen Charakter. Gerne wird sie als Beispiel<br />

herangezogen, wenn von Freundschaften die Rede<br />

ist, in denen sich die Beteiligten auf besondere<br />

Weise gegenseitig ergänzen. Im letzten Frühjahr<br />

hatte ich das Glück, mich mit diesem Thema anlässlich<br />

eines Referates auseinandersetzen zu dürfen. Es<br />

kann tief bewegen, sich in diese Freundschaft hinein<br />

Synthese<br />

in ein klares Verhältnis zu setzen. Soll eher das Objektive<br />

oder das Subjektive zur Geltung kommen? Wo<br />

wir heute einen Schwerpunkt setzten wollen, liegt in<br />

unserer freien Entscheidung. Doch wie leichtfertig<br />

man in eine Einseitigkeit verfallen kann, zeigt wohl<br />

das Leben, wenn man zu geistiger Auseinandersetzung<br />

mit Andersgesinnten kommt. Vielleicht entsteht<br />

aber gerade in solchen Gesprächen eine<br />

Gemeinsamkeit durch beiderseitiges Ringen, den<br />

Anderen zu verstehen.<br />

Und wenn das wirklich zustande kommen kann, eine<br />

Gemeinschaft aus Ich-Menschen, dann hat die Synthese<br />

zumindest begonnen – dann ist etwas Subjektiv-Objektives,<br />

etwas Objektiv-Subjektives da.<br />

Das Phänomen von Polarität und Steigerung<br />

in der Freundschaft zwischen Goethe und Schiller<br />

| Astrid Burns, 6. Trimester<br />

zu vertiefen, sich vor Augen zu führen, wie die beiden<br />

Freunde von entgegengesetzten Denkpolen ausgehend<br />

zusammentreffen, sich zunächst abstoßen,<br />

schließlich aber einander erkennen und sich miteinander<br />

verbinden, um in dieser Freundschaft auf beispielhafte<br />

Weise einander zu ergänzen.<br />

Es lässt sich hier das Phänomen von Polarität<br />

und Steigerung erleben:<br />

In der Gegenüberstellung mit seinem Gegenpol tritt<br />

das Eigene deutlicher in Erscheinung. Neigen die beiden<br />

Gegenüber sich einander zu und kommen ins<br />

Gespräch, kann jeder allmählich Aspekte des anderen<br />

in das Eigene integrieren. Dabei entsteht jedoch<br />

keine Vermischung, sondern das Eigene wird nur umso<br />

vollkommener, weil es von seiner starken Einseitigkeit<br />

verliert und dadurch runder wird. So kann<br />

etwas entstehen, was der eine ohne den anderen nie<br />

hätte schaffen können.<br />

© siehe Impressum


26<br />

© siehe Impressum<br />

Synthese<br />

... das Phänomen von Polarität und Steigerung<br />

Werfen wir einen Blick auf die Geistesart<br />

der beiden Freunde:<br />

Goethe ist Empiriker. Er sucht den Gott in den Erscheinungen<br />

der Natur durch kontemplatives<br />

Schauen, Beobachten, Entdecken und bildet sich<br />

lebendige Begriffe. Seine Gedanken sind nie abstrakt,<br />

sondern stetes geht er vom Konkreten aus und sucht<br />

das Urphänomen 1 dahinter. Diese Vorgehensweise<br />

kennen wir als Goetheanismus. Goethes Dichtungen<br />

sind aus imaginativer traumwandlerischer Intuition<br />

heraus gestaltet, doch alle seine Naturwissenschaftlichen<br />

Studien sind Früchte eigener Erkenntnisleistung.<br />

In Schiller findet er den Freund, der ihn mit der philosophischen<br />

Methode vertraut macht und ihm damit<br />

die denkerische Rechtfertigung seiner Sinnesart gibt.<br />

Erst durch Schiller kommt er z.B. dazu, entscheidende<br />

Kapitel seines Faust-Dramas zu schreiben, das<br />

über Jahre geschlummert hatte.<br />

Schiller befindet sich am<br />

entgegengesetzten Pol, dem<br />

Denkpol.<br />

Sein geistiger Weg geht durch die Eiswüste der reinen<br />

Abstraktion, den Todesbereich des logischen<br />

Verstandesdenkens, das, von der Natur losgerissen,<br />

nur Totes erfassen kann. Im reinen Gedanken sucht er<br />

den Weg zur geistigen Welt. Alle Natur zerfällt wieder<br />

zu Staub, die Gedanken sind ewig.<br />

In der Natur sieht Schiller einen Widerpart, einen<br />

Gegenspieler der Freiheit, die sein großes Thema ist.<br />

Wie findet der Mensch zur Freiheit zwischen Vernunftnotwendigkeit,<br />

moralischer Forderung und<br />

Naturnotwendigkeit, dem Zwang der Instinkte und<br />

Triebe? Was muss der Mensch an sich selber tun, um<br />

wahrhaft frei zu werden? Dies ist seine große Frage,<br />

um die auch seine philosophischen Briefe „Über die<br />

ästhetische Erziehung des Menschen“ kreisen, die<br />

schon stark von Goethes Geist beeinflusst sind. Im<br />

Künstlerischen findet Schiller die Brücke. Der künstlerisch<br />

schaffende Mensch nimmt das Schöne wahr<br />

und bringt Schönes hervor. Er bildet frei am vorliegenden<br />

Stoff, an allem, was formbar ist, auch an seinem<br />

eigenen Charakter. An die Freiheitsfrage knüpft<br />

sich unmittelbar die Frage nach der Möglichkeit des<br />

Menschen zum Bösen. Alle Dramen Schillers loten<br />

dieses Spannungsfeld auf verschiedenste Weise aus.<br />

Zehn Jahre lang haben die beiden Freunde Goethe<br />

und Schiller ein umfassendes Gespräch geführt und<br />

sich darin gegenseitig „erquickt“, befruchtet und<br />

inspiriert, um sich schließlich in einer Weise gegenseitig<br />

zu erhöhen, dass jeder durch den anderen über<br />

sich selbst hinauswachsen konnte. Aus der<br />

Polarität entwickelte sich eine gegenseitige<br />

Steigerung. Die zahlreichen Briefe geben<br />

davon Zeugnis. Was die beiden in ihren<br />

Gesprächen von Mund zu Ohr, die sie oft<br />

bis tief in die Nacht hinein führten, alles<br />

bewegt haben mögen, lässt sich nur<br />

ahnen.


Verfolgt man die Entwicklung der beiden in ihren<br />

Werken, so ist die gegenseitige Steigerung vom Zeitpunkt<br />

ihrer regelmäßigen freundschaftlichen Gespräche<br />

an augenfällig. Es ist bemerkenswert, dass Schiller<br />

erst ab 1795 der wahre klassische Schiller, Goethe der<br />

wahre klassische Goethe ist. Die großen überzeitlichen<br />

Werke der Weimarer Klassik sind alle erst von<br />

dieser Zeit an entstanden. Und es ist auffällig, wie die<br />

beiden sich im Laufe der Jahre einander immer weiter<br />

annähern, die Einseitigkeiten der Freunde sich ausgleichen.<br />

Dies im Einzelnen aufzuzeigen, würde den<br />

Rahmen eines Artikels sprengen. Doch möchte ich<br />

dazu anregen, selber einmal darauf zu achten. Als<br />

Goethe den sorgsam gehüteten Briefwechsel mit<br />

Schiller herausbrachte, mehr als zwanzig Jahre nach<br />

dem Tode des Freundes, meinte er, diese Korrespondenz<br />

werde anschaulich machen“...daß einer ohne<br />

den anderen nicht zu verstehen ist.“<br />

In seiner Farbenlehre beschreibt Goethe das Phänomen<br />

von Polarität und Steigerung. Dieses Bild lässt<br />

sich auf die Freundschaft von Goethe und Schiller<br />

übertragen. Zunächst stellt er die Polaritäten von<br />

Licht und Finsternis, die er als wesenhaft erlebt einander<br />

gegenüber. Farben bezeichnet er als Taten und<br />

Leiden des Lichtes. Das reine weiße Licht erscheint<br />

durch eine leichte Trübung hindurch betrachtet gelb.<br />

Die Finsternis durch ein helles Medium hindurch<br />

betrachtet erscheint blau. Von den Farben steht das<br />

Gelb zunächst dem Licht, Blau zunächst der Finsternis.<br />

Gemischt ergeben diese beiden Farben Grün. Lässt<br />

man die beiden nun einander entgegenkommen,<br />

indem man auf der Lichtseite die Trübung verdichtet,<br />

steigert sich das Gelb zum Gelbrot. - Wird die Helle,<br />

durch die wir die Finsternis sehen, zarter, steigert sich<br />

das Blau weiter über Blaurot zum Violett. – Mischt<br />

man nun diese beiden Farbtöne so erscheint das reinste<br />

Purpurrot.<br />

... Es entsteht ... diese höchste aller Farberscheinungen<br />

aus dem Zusammentreten zweier entgegengesetzter<br />

Enden, die sich zu einer Vereinigung nach und nach<br />

vorbereitet haben. 2<br />

Synthese<br />

Diese Steigerung bezeichnet Goethe als Purpurzenit.<br />

Die beiden Freunde haben sich einander weit angenährt,<br />

den Purpurzenit konnten sie jedoch nicht erreichen.<br />

Es ist Goethe nicht gelungen, die Sinnenwelt zu verlassen<br />

und zum Schauen des reinen Geistes, der Welt<br />

der reinen selbstgegründeten Gedanken aufzusteigen.<br />

Es gab eine Grenze, über die er nicht hinaus konnte<br />

oder wollte, der Abgrund der toten Abstraktion stand<br />

seinem sonnigen Wesen zu bedrohlich entgegen. Er<br />

konnte sich zu Hause fühlen in der webenden Bilderwelt<br />

des Ätherischen, aber weiter aufzusteigen, blieb<br />

ihm versagt. Am Beginn des Bewusstseinsseelenzeitalters<br />

war Goethe der letzte, der noch Strahlen der<br />

untergehenden Sonne des verglimmenden alten Hellsehens<br />

auffangen konnte.<br />

Schiller war heimisch im Bereich der reinen Gedanken.<br />

Er ging den Weg der Bewusstseinsseele mit aller<br />

Konsequenz, stellte die unvermeidliche Frage nach der<br />

geistigen Freiheit des Menschen, aber es gelang ihm<br />

nicht, seine Gedanken imaginativ zu verlebendigen,<br />

um über das Schauen der webenden Bilderwelt in die<br />

geistige Welt aufzusteigen. Er war der Erste, der die<br />

Freiheitsfrage in aller Konsequenz gestellt und gelebt<br />

hat, ein Vorbote der Morgenröte, die mit Beginn des<br />

Michaelzeitalters aufsteigen sollte.<br />

Rudolf Steiner konnte die beiden Strömungen des<br />

goetheanistischen Betrachtens und des abstrakten<br />

Denkens wirklich vereinigen. Die „Philosophie der<br />

Freiheit“ stellt die Erfüllung dieser Bemühungen dar.<br />

Sie ist aus dem Weben reiner Gedanken goetheanistisch<br />

herausgewachsen.<br />

1 Urphänomen: Ideal-real-symbolisch-identisch/Ideal, als das letzte<br />

Erkennbare; real als erkannt; symbolisch, weil es alle Fälle begreift; identisch<br />

mit allen Fällen. – Sprüche in Prosa 136<br />

2 Goethes Farbenlehre § 794<br />

27


28<br />

Lernen<br />

Hexen und Heilige<br />

| Jaqueline Steigner, 3. Trimester<br />

Im Januar hatten wir eine Woche<br />

lang bei Frau Yaroslava Black,<br />

Pfarrerin in Köln, einen Hauptkurs<br />

mit dem Titel „Hexen und<br />

Heilige“. Wir waren gespannt,<br />

wussten wir doch nicht, was<br />

auf uns zukommen sollte. Wilde<br />

Spekulationen belebten den Frühstückstisch.<br />

Hungrige Blicke, auf der<br />

Suche nach der Hexe im Alltag, auf<br />

der Suche nach den Heiligen unter uns,<br />

streiften die Köpfe der Mitstudenten und<br />

zuletzt auch die der Dozenten.<br />

In der ersten Stunde erhielten wir einen<br />

Überblick über die geografische Ausbreitung<br />

der Hexenverfolgung. Dem<br />

Osten blieb die Hexenverfolgung<br />

erspart, da die orthodoxen Kirchen<br />

ein anderes Menschen- und Christusbild<br />

pflegen. Die letzte offizielle<br />

Hexenverbrennung in der Schweiz fand im Jahr<br />

1782 statt. Schon der Philosoph Sophokles sprach<br />

eine in diesen Zusammenhang passende Wahrheit<br />

aus: „Viel des Unheimlichen ist, doch nichts ist<br />

unheimlicher als der Mensch.“<br />

Im März des Jahres 415 nach Christus wurde Hypatia<br />

von Alexandrien von der frühchristlichen Kirche als<br />

Hexe verurteilt und hingerichtet. Sie war eine griechische<br />

Philosophin und Mathematikerin. Sokrates<br />

von Konstantinopel beschreibt sie als sehr schön,<br />

selbstständig, außerordentlich gebildet. Sie war<br />

ledig und lebte allein für die Wissenschaft.<br />

Hypathia war für ihre außergewöhnliche Unterrichtsweise<br />

bekannt, z.B. schockierte sie ihre Schüler<br />

zunächst mit ungewöhnlichen Gedanken und ließ<br />

diese dadurch zur Erkenntnis des Neuen kommen<br />

Hypatias Unterricht war beliebt, von überall her<br />

kamen die Menschen, sodass ihre Vorlesungen bes-<br />

© siehe Impressum<br />

ser besucht waren als der<br />

kirchliche Gottesdienst am<br />

Sonntag. Sie machte keinen<br />

Unterschied zwischen Menschen<br />

verschiedener Religionen,<br />

alle waren herzlich eingeladen.<br />

Außerdem unterrichtete sie<br />

gerne die Philosophie von Aristoteles<br />

und Plato und galt als die<br />

meist gebildete Person ihrer Zeit.<br />

Alexandrien galt als umkämpfte<br />

Stadt. Hier lebte die letzte<br />

Bastion der Freidenker, und<br />

auch die Gnostiker fühlten<br />

sich hier wohl. Seit das Christentum<br />

zur römischen Staatsreligion<br />

erklärt worden war, wurde es mit Gewalt<br />

verbreitet. In seinem Namen vernichtete man<br />

alles, was andersartig erschien. Theophilos von<br />

Alexandrien, damaliger Patriarch, ließ viele Kulturstädte<br />

zerstören, verbrannte Bibliotheken, Universitätsräume<br />

wurden in Viehställe verwandelt. Es gab<br />

blutige, brutale Kämpfe zwischen Juden und<br />

Christen. Theophilos' Nachfolger Kyril scharte gewaltbereite<br />

Mönche aus der Wüste als Miliz um sich.<br />

Orestes, Präfekt von Alexandrien war Schüler von<br />

Hypatia. Er konnte sich Kyril gegenüber nicht durchsetzen<br />

und wurde, obwohl christlich getauft, von<br />

ihm bedroht.<br />

Kyril, der den Einfluss der Hypatia fürchtete, weil er<br />

durch sie Macht zu verlieren drohte, erklärte sie zur<br />

Hexe. Dabei stützte er sich auf Paulus, den er dahingehend<br />

auslegte, dass er die Frau wegen des<br />

Sündenfalls als unwürdig und dem Teufel verfallen<br />

erklärte.<br />

Hypatia wurde mit Scherben und Muscheln das<br />

Fleisch vom Leibe gerissen. Man schleifte sie durch<br />

die Straßen der Stadt, zerrte sie in eine Kirche und<br />

ermordete sie dort.<br />

© siehe Impressum


In unserem Hauptkurs betrachteten wir das Bild der<br />

Frau gesamtgeschichtlich und in Anlehnung an die<br />

Schöpfungsgeschichten (Rudolf Steiner half uns<br />

dabei: GA 11 „Die Akasha-Chronik"). Steiner betont,<br />

dass die Frau für die Entwicklung des Mannes von<br />

großer Bedeutung war. Sie nahm in der lemurischen<br />

Zeit Kräfte der Natur in sich auf und ließ diese in<br />

ihrer Seele nachwirken. Daraus entstanden dann<br />

Keime des Gedächtnisses, die wiederum die ersten<br />

einfachsten moralischen Begriffe bildeten.<br />

Der ausgebildete Wille des Mannes konnte dies zunächst<br />

nicht, er folgt den Antrieben der Natur oder<br />

anderen äußeren Einflüssen (etwa durch Eingeweihte)<br />

noch instinktiv. Die Natur der Frau glich eher<br />

einer seelisch-göttlichen, wohingegen die der<br />

Männer eher einer natürlich-göttlichen glich. Die<br />

Frauen entwickelten ihr Gedächtnis und ihre Phantasie<br />

weiter, Erfahrungen wurden für die Zukunft immer<br />

wichtiger. Einige wussten aus einer besonderen<br />

Tiefe heraus zu deuten, sie äußerten dies in einer Art<br />

Gesang; dies war der Anfang des Gottesdienstes.<br />

Im Blick auf die Bibel fällt schnell auf, dass es bei<br />

genauem Betrachten zwei unterschiedliche Schöpfungsgeschichten<br />

gibt. Etwas Besonderes muss also<br />

zwischen diesen geschehen sein. Die Bibel selbst gibt<br />

darüber keine Auskunft, und auch die Theologen der<br />

großen Konfessionen nehmen dies nicht zur Kenntnis.<br />

Frau Black half uns, in diesen Zwischenraum zu<br />

schauen: Am 6. Tag der Schöpfung wurde der<br />

Mensch als zweigeschlechtliches Wesen (androgyn)<br />

geschaffen (Genesis 1,27), und Gott bestätigte das<br />

Geschaffene das erste Mal mit den Worten: „Und<br />

siehe es war sehr gut!“ Die Entwicklung, speziell die<br />

des Menschen, muss hier zu einem Ende gekommen<br />

sein. Um den Menschen zu einem freien schöpferischen<br />

Wesen machen zu können, ist die Geschlechtertrennung<br />

notwendig. Eine Krise trat ein, und<br />

Jahwe sprach: „Und es ist nicht gut, dass der Mensch<br />

alleine sei" (Genesis 2,18). Es kam zu der Erschaffung<br />

der Männin (hebr. Ischa von Isch - Mann).<br />

Über verschiedenste Philosophen, den Urbegriff der<br />

Hexe, Jeanne d´Arc bis hin zu den verschiedenen<br />

Mariendogmen der katholischen Kirche, gelangten<br />

wir am letzten Tag des Kurses zu dem Thema der<br />

Heiligen. Weniger theoretisch, sondern aus uns heraus<br />

wurden wir aufgefordert, unsere Gedanken in<br />

eine Form zu setzen: Heilig ist nicht … , sondern …<br />

Heilig ist nicht übermenschlich,<br />

sondern menschlich.<br />

Heilig ist nicht ein Kind,<br />

sondern das Kind im Erwachsenen.<br />

Heilig ist nicht, wer glaubt, heilig zu sein,<br />

sondern wer sich weit davon entfernt fühlt.<br />

Heilig ist nicht ein außerordentlicher Zustand,<br />

sondern was heilt – dich und mich.<br />

Heilig ist kein Zustand,<br />

sondern eine Entwickelung.<br />

Heilig ist nicht blinder Glaube,<br />

sondern das Streben nach dem Erkennen<br />

der Wahrheit.<br />

Heilig ist nicht, wer das Gesetz erfüllt,<br />

sondern wer liebt.<br />

Heilig ist nicht jemand, der nicht sündigt,<br />

sondern jemand, der die Sünde<br />

im Prozess überwindet.<br />

Lernen<br />

29


30<br />

Lernen<br />

Referate im Wintertrimester 2013<br />

| Grundstudium 2. Trimester<br />

Daniel Holenweger Die Katharer<br />

Michael Sölch Echnaton<br />

Jaqueline Steigner Simone Weil<br />

Lisa Holthaus Nelly Sachs<br />

Kateryna Gagarina Wladimir Solowjew<br />

Martin Thiele Die Logoslehre des Heraklit<br />

Peter-René Brose Jan Hus und die Husiten<br />

Referate im Sommertrimester 2013<br />

| Grundstudium 3. Trimester<br />

Valentino Franzoi Bernhard von Clairvaux<br />

Kaya Daisuke Friedrich Rittelmeyer<br />

Götz Feeser Der Manichäismus<br />

Till Sarrach Die Entstehung des Königtums in Israel<br />

Margrit Brunner Hildegard von Bingen<br />

Willem Boonstoppel Die Templer<br />

| Vertiefungsstudium 5. Trimester 2013<br />

Sylvia Momsen Die Mission der Andacht (aus GA 58)<br />

Liebe Leser des Seminarbriefes!<br />

Alle Förderer sind herzlich einladen, bei Interesse die Hauptkurse des 1. Jahres wahrzunehmen. Die Kurse finden<br />

in der Regel von Montag bis Samstag von 9.15 bis 10.30 Uhr statt. In den Kurswochen können Sie auch<br />

mit uns morgens um 7.30 Uhr die Menschenweihehandlung in der Kapelle des <strong>Priesterseminar</strong>s feiern und uns<br />

danach bei einem guten Frühstück in geselliger Runde besser kennenlernen. Bitte melden Sie sich möglichst<br />

frühzeitig im Sekretariat des Seminars an, denn die Teilnehmerzahl ist begrenzt.<br />

Die Förderer des <strong>Priesterseminar</strong>s laden wir vom 21. bis 23. Juni zu einem Freundestreffen ein. Einzelheiten zu<br />

all diesen Veranstaltungen können ab Beginn des neuen Jahres bei uns erfragt werden (entweder telefonisch<br />

im Sekretariat oder über unsere Homepage). Bitte notieren Sie heute schon die für Sie interessanten Termine!<br />

Wir freuen uns auf Ihr Kommen!


Kurse im Sommertrimester 2013<br />

KW Datum 3. Trimester 6. Trimester<br />

17 22.4. S. Meyer: Geheimwissenschaft M. Oltmann-Wendenburg: Apokalypse<br />

18 29.4. E. Fischer: Lukasevangelium<br />

19 6.5. G. Dellbrügger: Deutscher Idealismus C. Schikarski: Pastoralmedizin<br />

20 13.5. M. Gädeke:Botanik<br />

21 19.5 Studienfreie Woche, eigene Projekte<br />

22 27.5. R. Halfen: Die Schule von Chartres<br />

23 3.6. M. Horák: Weltreligionen E. Ludwig: Christologie<br />

24 10.6. C. Gerhard: Reformation G. Thriemer: Vorbereitung der Praktika<br />

11.-15.6. Eigene Projekte<br />

25 17.-20.6. J. Andrees: Theaterimprovisation<br />

21.6. Kursfreier Tag<br />

21.-23.6. Freundestreffen – Sonderprogramm, Vorstellung der Projektarbeiten<br />

26 24.6. A. Wolpert: Christus und der Gral A. Wolpert: Leonardos Abendmahl<br />

27 1.7. M. Debus: Trinität G. Dreißig: Das Sakrament der Trauung<br />

Lernen<br />

31


32<br />

Lernen<br />

Einige Betrachtungen zum Wort Gottes<br />

| Daniel Holenweger, 3. Trimester<br />

In der Auseinandersetzung mit der Bibel sind mir<br />

hier am <strong>Priesterseminar</strong> schon eine Anzahl Erkenntnisfrüchte<br />

gereift, für die ich sehr dankbar bin. Dem<br />

Buch der Bücher wohnt ein unendlich tiefer Sinn<br />

inne, wenn man nur dazu kommt, an diesem Teil zu<br />

haben. Dies konnte ich aber für einen großen Teil<br />

meines vergangenen Lebens nicht. Diese Schrift war<br />

mir verschlossen, das sprichwörtliche Buch mit den<br />

sieben Siegeln. Und bis sich mir das erste Siegel öffnete,<br />

musste einiges an Zeit vergehen. Ich erinnere<br />

mich, wie ich als Jugendlicher in einem selbstverfassten<br />

Liedtext geschrieben hatte, dass das Buch<br />

Gottes veraltet sei und ein moderner Mensch wohl<br />

kaum noch etwas damit anfangen könne. Doch in<br />

diesem alten Buch offenbaren sich Vergangenheit,<br />

Gegenwart und Zukunft des Menschen mit dem<br />

höchsten Wesen, Gott. Selbst dann noch, als ich<br />

mich als Christ zu bezeichnen begann, fiel es mir<br />

schwer, in das heilsame Bad des Wortes Gottes einzutauchen.<br />

Das Evangelium war mir wie von hohen,<br />

unüberwindlichen Mauern umgeben. Die Schrift<br />

führte darum ein eigentliches Schattendasein in<br />

meiner Sammlung von noch zu lesenden Büchern. Es<br />

ist nicht zuletzt Rudolf Steiner zu verdanken, dass<br />

ich die Bibel nicht ganz aufgegeben habe, wird doch<br />

in seinen Vorträgen immer wieder deutlich, welch<br />

lebendiger Geist in ihr verborgen ist. Dieser Umstand<br />

des Draußenstehens begann sich langsam zu ändern,<br />

als ich regelmäßiger die wöchentliche Evangelienlesung<br />

in meiner Gemeinde zu besuchen begann,<br />

und vertiefte sich dann weiter in den Kursen am<br />

<strong>Priesterseminar</strong>.<br />

Wie aber ist es möglich, dass aus diesen Buchstaben<br />

und Worten, denen wir auf den Seiten des Alten und<br />

Neuen Testamentes begegnen, das Wort des lebendigen<br />

Gottes wird? Wie kann zu uns durch diese<br />

Schrift das höchste Leben sprechen? Wie geschieht<br />

die Verlebendigung des toten Buchstabens?<br />

Ich lese, aber damit ist nicht gesagt, dass sich<br />

Wesentliches auszusprechen beginnt. Das Wort<br />

erscheint während des Lesens für kurze Zeit in unserer<br />

Wahrnehmung und entschwindet wieder, nachdem<br />

wir diese zu anderen Objekten übergehen lassen.<br />

Oberflächlich, flüchtig kann das Wort an uns<br />

vorüberziehen, und nichts geschieht. Der Sinn<br />

erschöpft sich in Spiegelung und verlischt nach dem<br />

Lesen wieder. Die Bedingungen von Zeit und Raum in<br />

unserem gewöhnlichen, alltäglichen Leben lassen<br />

nur selten eine Qualität zu, in welcher das Wort<br />

mehr als nur ein flüchtiger Hauch ist. Was muss<br />

geschehen, dass das Wort lebendig werden kann?<br />

Von Maria, der Mutter Jesu, heißt es: „Maria aber<br />

behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem<br />

Herzen“ (Lk 2,19). Was bedeutet das? Das, was sie<br />

wahrgenommen hat, hält sie in ihrer Erinnerung fest<br />

und nimmt es mit ihrer Liebe für ihren Sohn in ihr<br />

Herz. Im Herzen beginnt sie diesen Erinnerungsschatz<br />

zu bewegen, sie lässt diesen aufleben, sie<br />

denkt darüber nach. So in die Betrachtung versunken,<br />

bekommt das Wort des Evangeliums den<br />

Nährboden, den es braucht, um sich auf seinen tieferen<br />

Gehalt hin aussprechen zu können. Das Wort,<br />

das Same ist, kann so wachsen und Frucht bringen.<br />

Der Vorgang der Betrachtung selbst schafft eine<br />

neue Qualität von Raum und Zeit, welche die Hetze<br />

der Zeit zur Ruhe bringt und uns einen Ruhepunkt<br />

im inneren Raum finden lässt. In dieser Gegenwart<br />

spricht, durch das gegebene Wort des Evangeliums,<br />

der lebendige Gott zu uns, seiner Kreatur. Eines der<br />

Geheimnisse am Wort Gottes ist, dass es sich in der<br />

Betrachtung niemals erschöpft, dass es sich immer<br />

zunehmend in seiner Offenbarung vertieft.


Die Erfahrung zeigt, dass, wenn man alleine in der<br />

Bibel liest, es nicht immer leicht ist, ihrem Sinn<br />

nahezukommen. Das Lesen in Gemeinschaft hat sich<br />

mir diesbezüglich als große Hilfe erwiesen. Warum<br />

kommt einem da das Evangelium näher? Was<br />

geschieht im Sprechen und Hören des Evangeliums?<br />

Es kann etwas geschehen, wenn in den Teilnehmenden<br />

Ernsthaftigkeit und Glaube anwesend sind. Ist<br />

diese Grundkonstellation der Anwesenden gegeben,<br />

geschieht etwas in der Verbindung von Sprechendem<br />

und Hörenden, es bewegt sich etwas zwischen<br />

ihnen. In diesem Austausch zwischen den Teilnehmern<br />

entsteht ein unsichtbarer Bereich. Über den<br />

sinnlich wahrnehmbaren Bereich von Hören und<br />

Sprechen hinaus entsteht ein nichtsinnlicher Raum,<br />

ein Seelenraum. Die Koordinaten dieses nichtsinnlichen<br />

Raumes werden durch den Inhalt, den Hörende<br />

und Sprechende bewegen, festgelegt. Im so erzeugten<br />

Seelenraum kann sich der geistige Gehalt des<br />

gesprochenen Wortes manifestieren. Wir sprechen<br />

das Evangelium aus; der Sinn oder geistige Gehalt<br />

offenbart sich im Seelenraum dem Hörenden, der ihn<br />

dann in der sinnlichen Welt wiederum aussprechen<br />

kann. Den geistigen Gehalt müssen wir aber wesentlich<br />

als die Offenbarung des lebendigen Gottes verstehen.<br />

Darum kann der Christus zu den Jüngern<br />

sagen: „ Denn wo zwei oder drei in meinem Namen<br />

versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“<br />

(Mth18,20). Wo also mindestens zwei im Namen<br />

Jesu Christi anwesend sind, wird ein Seelenraum<br />

gebildet, in dem sich der Christus Jesus manifestieren<br />

kann. Doch was tut er da. Es heißt in dem Bericht<br />

von den zwei Jüngern, die nach Emmaus unterwegs<br />

waren und denen er erschien; „ Und er fing an bei<br />

Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was<br />

in der ganzen Schrift von ihm gesagt war“ (Lk 24,27).<br />

Und weiter sagen die Jünger, nachdem er sie wieder<br />

verlassen hatte: “Brannte nicht unser Herz in uns, als<br />

er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift<br />

öffnete?“ (Lk 24,32).<br />

Das Geheimnis der heiligen Schrift liegt also darin,<br />

dass die Lesenden durch ihre Einstellung die<br />

Möglichkeit schaffen, dass der lebendige und höchste<br />

Gott sich ihnen direkt mitteilen kann. Die<br />

Bedingungen, die das Wort in unserer Seele findet,<br />

bilden den Nährboden, auf welchem das Wort wachsen<br />

kann. Und je mehr das Wort wachsen kann,<br />

desto mehr kann sich der Himmel darin aussprechen.<br />

Wenn man in einer Lesegruppe einen solchen<br />

Nährboden schafft, kann das zu ganz erstaunlichen<br />

Früchten des Geistes führen, was mich immer wieder<br />

mit großer Dankbarkeit erfüllt.<br />

Lernen<br />

33


34<br />

Lernen<br />

Der Entschluss<br />

| Johanna Taraba, Praktikantin in Ostberlin<br />

Wie ist es, eine Entscheidung zu treffen?<br />

Einen Entschluss zu fassen?<br />

Wann taucht ein solcher das erste Mal auf?<br />

In allen mir bisher bekannten Bruderschaften gab es<br />

immer verschiedene Wegstufen - häufig in Form der<br />

Grade: Lehrling, Geselle, Meister. Bei den Phytagoreern<br />

waren es meines Wissens die Akusmatiker (die<br />

Hörenden), die Adepten (die schon<br />

etwas erlangt haben) und die<br />

Mathematiker. Von Phytagoras ist uns<br />

der Ausspruch überliefert: „Die Zahl<br />

ist das Wesen aller Dinge“. Auf der<br />

dritten Stufe ist man dem Wesen aller<br />

Dinge bereits vertrauter geworden.<br />

Vielleicht ist es beim Studium am<br />

<strong>Priesterseminar</strong> ähnlich. In den ersten<br />

beiden Jahren lernt man durch viele<br />

Kurse und künstlerische Tätigkeiten,<br />

ein Hörender zu werden. Hierbei hört<br />

man auch stark in sein eigenes Inneres<br />

hinein. In der christlichen Freimaurerei<br />

ist das Motto des Lehrling-<br />

Grades: Schaue in dich! Im Hören<br />

wird man sich nach und nach des<br />

göttlichen Funkens in jedem Menschen<br />

bewusst. Der Geselle oder Adept hat schon ein<br />

Stück des Weges hinter sich gebracht. Er hat gewisse<br />

Inhalte aufgenommen und ist nun bereit, einen<br />

weiteren Schritt in den Umkreis zu wagen. Dabei<br />

kommt er aber nicht um die anderen Menschen<br />

herum, sind doch gerade diese sein unmittelbares<br />

Umfeld. Hier gilt darum das Motto: Schaue um dich!<br />

Dies ist beim Studium am <strong>Priesterseminar</strong> besonders<br />

in der Zeit des Praktikums verankert. Geduldig lebt<br />

man sich in konkrete Gemeindezusammenhänge ein,<br />

lernt in ganz unterschiedlichen Begegnungen, dass<br />

man vielleicht selber gar nicht so beweglich, vielseitig<br />

und sozialkompetent ist, wie man noch einsam<br />

über Steiner-Schriften brütend annahm. Oder man<br />

Ein Blick<br />

Ruhet<br />

auf mir.<br />

Er weilt nur einen Moment<br />

Doch ist sein Wesen von Dauer.<br />

Keine Fessel der Welt<br />

bindet mich stärker<br />

an mein eigenes Leben<br />

Denn dieser Blick –<br />

der doch<br />

Tor zur Freiheit ist.<br />

–<br />

Dein Blick ruhet auf mir<br />

Du Ewigkeit meines Werdens.<br />

In stiller Erwartung<br />

harrest du meiner.<br />

Ich nahe dir.<br />

lernt auf einmal Pfarrer kennen, die erst einmal gar<br />

nicht dem erdachten Idealbild eines geweihten<br />

Priesters entsprechen wollen. Außerdem sind da die<br />

vielen Lebens- und Verkündigungsgewohnheiten in<br />

den Gemeinden anzutreffen, die auch ein wenig<br />

ernüchternd sein können. Und die lieblichen quirligen<br />

Kinder im Unterricht, die einen womöglich daran<br />

erinnern, dass man doch viel besser Pädagoge wäre …<br />

Wenn man dann irgendwann an den<br />

Punkt kommt, dass all das „Schaue<br />

in und um dich“ nicht zu einer einsichtigen<br />

klaren Richtungsänderung<br />

führt, sondern einem Kraft gibt,<br />

mutig ein „Schaue über dich“ zu<br />

wagen – man sich also über sein<br />

ganz Persönliches zu erheben vermag,<br />

dass man den Impuls hat, den<br />

Mitmenschen zu dienen, dass sie<br />

ihrem höchsten Wesen folgend den<br />

eigenen Erdenweg finden können –,<br />

nähert man sich der nächsten Stufe,<br />

dem dritten Grad.<br />

Ausgehend von der Frage nach dem<br />

Ursprung eines Entschlusses habe<br />

ich hier den Text über die Grade zu<br />

beschreiben begonnen. Nun, worin<br />

sehe ich den Zusammenhang? Ganz einfach, der<br />

Zusammenhang liegt in mir: Ich habe in mir die Nähe<br />

zum Wesen des Christentums „gehört“. Schon in diesem<br />

Hören hat sich ein zukünftiger Entschluss sachte<br />

angekündigt. Jetzt im Praktikum prüfe ich das innerlich<br />

Wahrgenommene an den äußeren Tatsachen.<br />

Der Ent-Schluss – das Tor oder Nadelöhr – rückt noch<br />

näher an mich heran. Oder gehe ich auf ihn zu?<br />

Wie genau mein Weg weitergeht, wird sich noch zeigen.<br />

Aber ich meine, dieses vorher erwähnte „Schaue<br />

über dich“ anzustreben und u.a. in der Priesterweihe<br />

veranlagt zu finden.


Neugeweihte Priester<br />

Von links nach rechts<br />

Männer<br />

Von links nach rechts<br />

Frauen<br />

Nicht auf dem Bild<br />

Lander van den Bussche, 1974 (entsandt nach Hamburg-Volksdorf, Deutschland)<br />

Sebastian Schütze, 1966 (entsandt nach Basel, Schweiz)<br />

Jakob Butschle, 1981 (entsandt nach Graz, Österreich)<br />

Johannes Beurle, 1979 (entsandt nach <strong>Stuttgart</strong>-Möhringen, Deutschland)<br />

Pekka Asikainen, 1950 (entsandt nach Helsinki, Finnland)<br />

Stanislava Veselková, 1964 (entsandt nach Wien, Östereich)<br />

Ute Lorenz, 1965 (entsandt nach Berlin-Prenzlauer Berg, Deutschland)<br />

Miriam Röger, 1985 (entsandt nach Wuppertal, Deutschland)<br />

Anna von Druska, 1959 (entsandt nach Tampere, Finnland)<br />

Adam Rickets, 1968 (entsandt nach Den Haag, Holland)<br />

Lernen<br />

35


36<br />

Lernen<br />

Vom täglichen Lernen eines werdenden Priesters<br />

| Martin Thiele 3. Trimester<br />

Draußen ist es noch dunkel, als ich im Pyjama über<br />

den dämmrigen Flur zur Toilette schleiche. Im Halbdunkel<br />

kommt mir eine Gestalt entgegen, die Haare<br />

wild wie Antennen in alle Richtungen abstehend, ein<br />

Mitstudent auf dem gleichen Weg wie ich. Aus dem<br />

Badezimmerspiegel schaut mir dasselbe medusenhafte<br />

Bild des Flurs entgegen. Nachts scheinen wir<br />

alle gleichermaßen unsere Antennen auszufahren.<br />

Nach dieser morgendlichen Selbsterkenntnis gehe ich<br />

frisch geordnet in die Kapelle hinunter. Der weite<br />

Raum wird lediglich von einigen Kerzen erhellt. Ich<br />

setze mich schweigend auf einen freien Platz. Nach<br />

und nach füllen sich die Stuhlreihen mit Gästen und<br />

Mitstudenten. Vorne auf der linken Seite neben dem<br />

Predigtpult sitzen vier Priester in kultischen Gewändern.<br />

Wir erleben gemeinsam die Menschenweihehandlung.<br />

Heute wird auf Finnisch zelebriert. Aus<br />

aller Welt kommen die Priester der Christengemeinschaft<br />

als Dozenten oder Gäste zu uns. Dadurch wird<br />

die Weihehandlung im Seminar praktisch in jeder<br />

Sprache zelebriert, in der sie auf der Welt gehalten<br />

wird. Nach der Handlung treffen wir uns alle zum<br />

gemeinsamen Frühstück im Essensraum. Jetzt wird es<br />

langsam lebendig. Das Stimmengewirr der Gespräche<br />

an den Tischen und frischer Kaffeeduft erfüllen die<br />

Luft. Einige Studenten führen einen kleinen Sketch<br />

auf. Natürlich fangen wir wieder viel zu spät mit dem<br />

Abwasch an, kommen aber gerade noch rechtzeitig<br />

zur künstlerischen Einstimmung: zehn Minuten<br />

Theatersport bevor sich unser Trimester im blauen<br />

Raum zum Hauptkurs trifft.<br />

Der Hauptkurs findet jeden Morgen statt und dauert<br />

zu einem bestimmten Thema eine Woche lang. Diese<br />

Woche hält Herr Harlan seinen Kurs über die Substanzen<br />

der Taufe Wasser, Salz und Asche. Neben seinen<br />

spannenden Ausführungen machen wir auch<br />

Experimente. Wir beobachten die Bewegungen des<br />

Wassers in einem Gefäß, lassen eine Salzlösung kristallisieren<br />

und zündeln ein bisschen. Wir sind so bei<br />

der Sache, dass wir beinahe die Obstpause um 10:30<br />

Uhr verpassen.<br />

Die nächste Stunde ist Nachbereitungszeit. Jeder verarbeitet<br />

auf seine Weise das Erlebte. Manche setzen<br />

sich in kleinen Gruppen zusammen und sprechen<br />

über den Kurs. Andere gehen spazieren, um den Kopf<br />

wieder frei zu bekommen. Vor dem Mittagessen haben<br />

wir Theosophie. Wir besprechen das Kapitel über<br />

Reinkarnation. Das Essen beginnt mit einem Gebet.<br />

Frühstück und Mittagessen nehmen wir immer<br />

gemeinsam ein.<br />

Danach ist Pause, wenn man nicht beim Abwasch<br />

helfen muss. Ich lege mich kurz aufs Ohr und lese im<br />

Anschluss noch eine halbe Stunde im Seminargarten,<br />

um ein kleines Referat vorzubereiten. Um kurz vor<br />

drei treffen wir uns im Garten. Normalerweise haben<br />

wir mittags künstlerische Fächer wie Sprachgestaltung<br />

oder Eurythmie und zwischendurch weitere<br />

Fachstunden z.B. zu den Evangelien oder zur Men–<br />

schenweihehandlung. Mittwochs aber treffen wir uns<br />

zur Gartenarbeit. Heute gilt es, einen kleineren Baum<br />

auszureißen. Früh übt sich, wer später mit seinem<br />

Glauben Berge versetzen will. Valentino und ich laborieren<br />

zwei Stunden an dem Baum herum, zunächst<br />

am Wurzelwerk, später mit vollem Körpereinsatz<br />

gegen den Stamm. Nach getaner Arbeit gibt es im<br />

Essensraum Kuchen für alle.<br />

Um halb sechs beginnt der Chor. Herr Ronner leitet<br />

uns gekonnt vom einfachen Lied bis zur Bruckner-<br />

Motette. Der Chor ist offen für alle Studenten aus<br />

den anderen anthroposophischen Seminaren auf der<br />

Uhlandshöhe, die zusammen den Campus A bilden.<br />

Manche Gäste bleiben auch noch zur anschließenden<br />

Andacht in der Kapelle.<br />

Beim Abendessen in der Küche treffe ich Willem und<br />

Lisa. Wir essen gemeinsam und plaudern noch eine<br />

Weile, bis mir mein Artikel für den Seminarbrief wieder<br />

einfällt, der morgen fertig sein soll. Vorher aber<br />

rufe ich noch meine Frau an. Eine ganze Anzahl derer,<br />

die hier studieren, haben eine Familie, die sie nur am<br />

Wochenende oder in den Ferien sehen. Manche wohnen<br />

aber auch zu Hause und kommen von außerhalb<br />

zu den Kursen.


Es ist schon spät als ich mich an den Schreibtisch<br />

setze. Bevor ich einschlafe, mache ich meine Tagesrückschau.<br />

Der steinerschen Empfehlung nach ist es<br />

gut, den Tag rückwärts zu erinnern, vom Abend bis<br />

zum Morgen. Ich komme fast bis zum Abendessen.<br />

Den Rest des vergangenen Tages erinnere ich im<br />

Schlaf weiter.<br />

Zur Seminartagung vom 2. bis 5. Januar 2014<br />

am <strong>Stuttgart</strong>er <strong>Priesterseminar</strong> mit dem Titel<br />

Die Wirklichkeit<br />

der Schwelle heute<br />

Die Brücke<br />

von Idee zu Taten<br />

laden wir von Herzen alle ehemaligen Studentinnen<br />

und Studenten der <strong>Priesterseminar</strong>e der Christengemeinschaft<br />

ein. Die Tagung wird begleitet von Herrn<br />

Debus, Herrn Karlsson und Herrn Dreißig. Ebenfalls<br />

herzlich eingeladen sind für 2014 erstmalig noch aktuell<br />

Studierende der Seminare Chicago / Spring Valley,<br />

Hamburg und <strong>Stuttgart</strong>.<br />

Weitere Auskunft: www.seminartagung.de<br />

Mit sehr herzlichen Grüßen,<br />

Ellen Buhles, Angela Craig-Fournes, Nicola Marks,<br />

Richard Nowaczek, David Plum und Heike Sommer<br />

(Vorbereiterkreis)<br />

Anmeldungen bitte an:<br />

Richard Nowaczek<br />

Hochend 36<br />

47509 Rheurdt<br />

TelFax 02845-60 9000<br />

email: a.r.nowaczek@web.de<br />

Lernen<br />

37


38<br />

Lernen<br />

Die Haut des Logos<br />

| Martin Thiele, 3. Trimester<br />

Die Lyrik als Vorstufe zum Erleben des Geistigen<br />

Sicht.Gesicht<br />

zwischen all den gehetzten Idyllen<br />

und gestohlenen Momenten<br />

findest du immer wieder einen letzten<br />

Augenblick in deinen Taschen<br />

Atemuhr schlägt sieben Fenster auf<br />

Stundenschaukel wartet hin und her<br />

deine Finger wachsen in den Urnen<br />

wurzeln fest in Wüste, Feld und Strand<br />

See und Seele in den Taschen<br />

Spiegelstille ruht auf Atemwelle<br />

Martin Thiele<br />

„Der logische Satz ist unkommunikativ“ schreibt<br />

Kurt Drawert in einem seiner Essays. Beim Definieren<br />

grenzen wir einen Gedankeninhalt von anderen Inhalten<br />

ab und schließen ihn in einen Wortkäfig ein.<br />

Losgelöst aus seinem lebendigen Zusammenhang<br />

erstarrt er zur toten Abstraktion. Als Information ist<br />

er bloßes Instrument für die Meinung seines Erdenkers.<br />

Er teilt sich selber nicht mehr mit, führt kein<br />

Eigenleben. Wie eine entwurzelte Pflanze auf dem<br />

Seziertisch ist er totes Material geworden.<br />

In der Lyrik hat nach Kurt Drawert die Sprache die<br />

Funktion einer Haut. Sie umhüllt das eigentliche<br />

Wesen einer Dichtung, das selbst nicht sprachlich<br />

und dadurch für sich allein auch nicht beschreibbar<br />

ist. Drawert nennt das etwas technisch den „Mehrwert“.<br />

Erst mittels dieser Sprachhaut wird das lebendige<br />

Wesen einer Dichtung erlebbar, berührbar. Sie<br />

begrenzt und öffnet zugleich. Sie wird zum atmenden<br />

Mittler zwischen dem Leser und dem Wesen der<br />

Dichtung. Sie ist eine Tür, grenzt zwei Räume gegeneinander<br />

ab und ist zugleich der Durchgang vom<br />

einen in den anderen. Die Lyrik legt nicht fest, sondern<br />

lässt Raum für Interpretation und Vieldeutigkeit.<br />

Sie schafft einen geistigen Raum, in dem ein<br />

geistiges Wesen nicht nur sich aussprechen, sondern<br />

lebendig anwesend sein, wohnen kann. Es ist möglich,<br />

dem Wesen selbst zu begegnen, mit ihm im<br />

Gespräch zu sein. Eine wahre Dichtung hat immer<br />

etwas über ihren nackten Wortlaut hinaus mitzuteilen.<br />

Ihre homöopathische Behandlung der Sprache<br />

und die Potenzierung der Syntax erschaffen ein winziges<br />

Sprachgebilde mit erstaunlicher geistig-seelischer<br />

Wirkenskraft.<br />

Auch der Wortlaut der Menschenweihehandlung hat<br />

eine solche Sprachhaut, die eine Hülle für den<br />

Christus bildet. Der Logos selbst kann dadurch während<br />

der Handlung anwesend sein. In jedem gesprochenen<br />

Wort des Priesters kann der Christus leben<br />

und wirken. In jeder sprachlichen Gebärde der<br />

Weihehandlung können wir ihm begegnen. Die<br />

Weihehandlung definiert den Christus<br />

nicht, sondern bildet ihm einen<br />

Raum zum Wirken. Sie ist keine Informationsveranstaltung<br />

über die<br />

geistige Welt, der man einmal beigewohnt<br />

haben sollte, um auf dem neusten<br />

Stand zu sein, sondern eine<br />

Möglichkeit, dem Himmel auf der<br />

Erde einen Platz zu geben. „Pflegt die<br />

Gastfreundschaft“, schreibt Paulus<br />

an die Römer. Das Besondere an<br />

einem solchen geistigen Raum ist<br />

natürlich, dass er immer wieder neu<br />

gebildet werden muss. Auf der Erde<br />

bauen wir ein Haus in der Erwartung,<br />

dass es dann da ist. Wir müssen es<br />

zwar pflegen und gelegentlich das<br />

Material erneuern, aber es steht bei<br />

guter Planung fest auf seinem Grund.<br />

© siehe Impressum


Den geistigen Raum für die Weihehandlung müssen<br />

wir immer wieder von neuem erschaffen. Er bleibt<br />

nicht einfach stehen wie das Haus.<br />

Das Gedicht „Sicht.Gesicht“ entstand aus der Stimmung<br />

einer Wiederbegegnung mit guten Freunden.<br />

Es wird gedanklich nicht gleich fassbar, was es mit<br />

Begegnung zu tun hat. Aber vertieft man sich in ein<br />

bekanntes Gesicht, kann man erleben, wie sich der<br />

eigene Blick, die eigene „Sicht“ erweitert. Wie sich<br />

die Eile des Alltags durch die Anwesenheit des Anderen<br />

verflüchtigt. Nicht die Uhr, sondern der Atem<br />

zählt die Stunden, die auf der Schaukel gleich Kindern<br />

spielen, nicht um zu vergehen, sondern um zu<br />

wachsen und zu gedeihen. Man kann die beruhigende<br />

„Spiegelstille“ eines vollkommen ruhigen Sees<br />

erleben und gleichzeitig innerlich von „Atemwellen“<br />

bewegt sein.<br />

Ich möchte damit nicht festlegen, was das Gedicht<br />

im Einzelnen zu bedeuten hat. Jeder vermag vielleicht<br />

etwas Anderes in diesen Zeilen zu entdecken.<br />

Interpretation bedeutet ja nicht zu wissen, was der<br />

Dichter „damit“ sagen wollte. Interpretation<br />

heißt, den geistigen Lebensraum<br />

einer Dichtung zu betreten<br />

und im Idealfall dieses Erlebnis auch<br />

beschreiben zu können.<br />

Wie das Leben selbst hat auch ein<br />

Gedicht unendlich viele Bedeutungsebenen<br />

und -schichten. Immer wieder<br />

lässt sich etwas Neues entdecken<br />

Mit dieser erlebenden Haltung können<br />

wir uns auch immer wieder der<br />

Menschenweihehandlung öffnen und<br />

an ihrem inneren Leben Anteil nehmen.<br />

Steinbildhauerei<br />

in der Osterzeit<br />

| Daiske Kaya, 3. Trimester<br />

Woher kommt<br />

Die Ei-Gestalt<br />

Die allen Eiern gemeinsam ist<br />

Die Form<br />

Und wenn Du Stein<br />

Der schweigende Stein<br />

Wenn dir ein Leben wär’<br />

Welche Form du nähmest<br />

Zeige mir<br />

Was du in dir hast<br />

Durch deine Geste<br />

Ich nun<br />

In der Form den Einklang<br />

Der von innen heraus<br />

Und von außen kommt<br />

Fühle ihn in mir<br />

Wie meine Geistigkeit mit der<br />

Stimme des Steins sich vereint<br />

Lausche in deine Stimme<br />

Höre in deine Geste<br />

Wenn immer ich den Meißel schwinge<br />

Bemerke ich denselben Ton<br />

Der in der ganzen Welt<br />

Und im ganzen Weltall<br />

Erklingt<br />

Erschaffung<br />

Durch diese Tat werde ich<br />

Wissen, dass Einer des Weltalls<br />

Ich bin<br />

Durch die Erschaffung<br />

Wahrhaftig werde ich<br />

Einer des Weltalls<br />

O Erschaffung<br />

Die Welt<br />

Entspringe diese Kunst<br />

Zu schwingen den Meißel<br />

Nicht bloß meiner Willkür sondern<br />

Auch der Liebe zu dir<br />

Und der Dank zu dir<br />

Lehre mich die Liebe<br />

O Dankbarkeit<br />

Um die Liebe zu wissen<br />

Sei mein Ohr<br />

Lernen<br />

39


Leben & Begegnung<br />

40<br />

Was verbindet uns?<br />

| Julian Rögge 6. Trimester<br />

In den Trimesterferien haben sich zehn Studierende<br />

des <strong>Priesterseminar</strong>s auf den Weg gemacht, um die<br />

Gemeinden in Ost-Berlin, Dresden, Chemnitz, Leipzig,<br />

Jena und Prag zu besuchen. Einen Teil der einwöchigen<br />

Fahrt wurden wir von einem unserer Seminarleiter<br />

begleitet. Unser Anliegen bei den Gemeindebesuchen<br />

ist auf der einen Seite, während unseres Studiums<br />

möglichst verschiedene Gemeinden zu erleben.<br />

Dabei ist es uns sehr wichtig, die Menschen in den<br />

Gemeinden kennenzulernen und mit ihnen ins<br />

Gespräch zu kommen. Auf der anderen Seite wollen<br />

wir von unserem Studium und unserem Leben am<br />

Seminar berichten. Dies soll auch das Interesse an<br />

einem Studium am Seminar wecken. Vor allem aber<br />

besuchen wir die Gemeinden, um uns Ihnen allen, die<br />

uns ideell und finanziell unterstützen, vorzustellen<br />

und Ihnen auch einmal persönlich Dank sagen zu<br />

können. Im Folgenden möchte ich Ihnen von meinen<br />

Eindrücken berichten.<br />

Nach einer langen Fahrt kamen wir in Berlin an. Das<br />

Erste was auffiel: Für Ende März war es noch ziemlich<br />

kalt. Dies sollte auch die ganze Woche über so<br />

bleiben … Am Abend trafen wir dann die Berliner<br />

Gemeinde. Wir waren gespannt, was uns erwarten<br />

würde. Nach begrüßenden Worten brachten wir ein<br />

Programm aus inhaltlichen (Leben am Seminar,<br />

Studieninhalte etc.), persönlichen ('Mein Weg ans<br />

Seminar') und künstlerischen (Gedichte, Lieder)<br />

Beiträgen dar. Einen Abschluss fand der Abend mit<br />

einer Frage- und Gesprächsrunde. Dieses bunte Programm<br />

variierten wir für die folgenden Begegnun-<br />

gen, sodass jeder von uns Reisenden Gelegenheit<br />

hatte, zu unterschiedlichen Themen zu sprechen.<br />

Am nächsten Morgen machten wir uns auf nach<br />

Dresden. Hier hatten wir zunächst etwas Zeit, um uns<br />

die schöne Altstadt anzuschauen. Doch auch hier<br />

trieben uns die Kälte und der schneidende Wind relativ<br />

schnell wieder zurück in die Gemeinde. Wir waren<br />

gewarnt worden: Man wisse nicht, wie viele Menschen<br />

bei dem Wetter kommen würden. So waren wir<br />

begeistert, dass wir am Abend in großer Runde<br />

zusammensaßen und vom Seminar berichten konnten.<br />

Wir waren mit unserem Programm schon etwas<br />

vertraut und hatten ein sehr interessiertes Publikum,<br />

sodass es ein runder Abend wurde.<br />

Am nächsten Morgen ging es schon früh weiter, da<br />

wir um 9:00 Uhr zur Menschenweihehandlung in<br />

Chemnitz sein wollten. Danach fand auch hier eine<br />

schöne Begegnung mit der Gemeinde und ein lebhafter<br />

Austausch statt. Kennen Sie eine der Besonderheiten<br />

der Chemnitzer Gemeinde? Dort gibt es eine<br />

Kerzenwerkstatt, in welcher in Handarbeit und aus<br />

reinem Bienenwachs unter anderem Altarkerzen hergestellt<br />

werden. Nach einem Besuch in dieser Werkstatt<br />

und einem leckeren Mittagessen ging es auch<br />

schon weiter nach Leipzig. Die Kirche der dortigen<br />

Gemeinde fällt einem sofort ins Auge. Diese Kirche<br />

wurde in der Zeit der DDR gebaut; die Gemeinde<br />

beherbergte bis zur Wende auch ein <strong>Priesterseminar</strong>.<br />

Ihr Bau war möglich, da die damaligen Machthaber<br />

Devisen aus Westdeutschland gerne annahmen.<br />

Während der Zeit der DDR konnten sich hier auch<br />

Initiativen aus der Anthroposophischen Bewegung<br />

treffen. Die Kirche und ihre Pfarrer waren eine<br />

Institution, die das kulturelle Leben der Stadt mitprägte.<br />

Mir, der die DDR nie erlebt hat, fiel in jedem<br />

Winkel die besondere Atmosphäre dieses Ortes auf.<br />

Am Abend hatten wir auch hier eine lebhafte<br />

Begegnung mit der Gemeinde. Am nächsten Morgen<br />

ging es dann weiter nach Jena.<br />

Die Kirche der Gemeinde in Jena wurde, wie in<br />

Leipzig, schon zur Zeit der DDR erbaut. Sie ist deut-


lich kleiner, liegt verborgener, ist aber sehr schön. In<br />

Jena konnten wir die Sonntagshandlung für die<br />

Kinder und die Menschenweihehandlung miterleben.<br />

Zwischen beiden Gottesdiensten gab es eine sehr<br />

schöne Präsentation eines Liedes und vieler Bilder zur<br />

Schöpfungsgeschichte, die die Kinder im Religionsunterricht<br />

erarbeitet hatten. Im Anschluss an die<br />

Begegnung mit der Gemeinde wurden wir noch fürstlich<br />

bewirtet. So trennten wir uns nur zögerlich von<br />

den vielen lieben Menschen und dem schönen Ort,<br />

um uns auf den Weg nach Prag zu machen.<br />

Die Gemeinde in Prag hat eine ebenso wechselvolle<br />

Geschichte wie die Gemeinden in der ehemaligen<br />

DDR. Sie wurde als eine der ersten Gemeinden außerhalb<br />

Deutschlands gegründet und zunächst zweisprachig<br />

(tschechisch/deutsch) geführt. Durch die<br />

Nationalsozialisten verboten, konnte sie nach dem<br />

Krieg wieder aufblühen. Doch schon bald wurde sie<br />

auch von den neuen kommunistischen Machthabern<br />

wieder verboten. Nach längerem Verbot konnte sie<br />

erst im Rahmen des Zusammenbruchs der UdSSR<br />

wieder in der Öffentlichkeit wirken. Seit ihrer Gründung<br />

kam die Gemeinde immer wieder in neuen<br />

Räumen unter, zur Zeit besitzt sie ein großes Haus in<br />

der Nähe der Prager Burg. In diesem ist ein sehr schöner<br />

Weiheraum eingerichtet, es gibt einen Kindergarten<br />

und Wohnungen für die Pfarrer. Hier war die<br />

Begegnung mit der Gemeinde durch den Sprachunterschied<br />

besonders spannend. Wie würden wir die<br />

Menschen erreichen können, wenn alles übersetzt<br />

werden muss? Doch es gelang, und so wurde auch<br />

dies eine bereichernde Begegnung.<br />

Schaue ich nun auf die verschiedenen Begegnungen<br />

zurück, so ziehen viele Bilder an mir vorbei: verschiedene<br />

Menschen, Geschichten, Räume und Städte.<br />

Durch all dies entstehen in den Gemeinden sehr<br />

unterschiedliche Atmosphären. Verbindet sie auch<br />

etwas? Es sind die Menschen in ihrem Suchen und in<br />

ihrem Streben nach einer neuen Gemeinschaft, einer<br />

Gemeinschaft, die hilft, die Sakramente hier auf<br />

Erden Wirklichkeit werden zu lassen.<br />

Jeder Mensch ist ein<br />

verbogener Gottesname.<br />

| Martina Müller,<br />

| Gemeindemitglied in <strong>Stuttgart</strong> Nord<br />

Leben & Begegnung<br />

Ich hatte ein befreundetes Ehepaar, das bei den<br />

Priesterweihen im Chor mitsang, am Sonntag nach<br />

der Weihe zum Mittagessen eingeladen – quasi als<br />

Belohnung, dass sie den neuen Priestern musikalisch<br />

so tüchtig in Amt und Würden geholfen hatten.<br />

Der Wohlgeruch westfälischen Grünkohls zog bereits<br />

durch die Wohnung, als sie eintrafen und mir zur<br />

Begrüßung ein winziges Papierröllchen in die Hand<br />

drückten, das mit einem goldenen Band umwickelt<br />

war.<br />

„Jeder Besucher der Weihen“, so beantwortete SIE<br />

meine fragenden Blicke, „hat im hinteren Foyer in<br />

einen Korb mit lauter solchen Röllchen greifen dürfen;<br />

auf ihnen stehen kleine Sprüche, die mit etwas<br />

Glück in einen interessanten Zusammenhang mit<br />

dem Schicksal des Betreffenden gebracht werden<br />

können.“<br />

Bei ihr träfe es auf jeden Fall zu. Und als sie das Röllchen<br />

für mich herausgegriffen habe, habe sie ganz<br />

fest an mich gedacht. Oha – ein Priesterorakel also!<br />

Gespannt entfernte ich das goldene Bändchen und<br />

entrollte das Papier. „Lies vor“, sagte ER, „was steht<br />

bei Dir?“ Er schaute mir über die Schulter und ich las:<br />

„Jeder einzelne Mensch ist ein verborgener Gottesname.“<br />

– Friedrich Rittelmeyer<br />

Hm. Ich begann angestrengt in mich zu horchen, ob<br />

ich eine Verbindung zu meinem Schicksal herstellen<br />

könnte, als er mich unterbrach: „Aber das steht da<br />

doch gar nicht! Guck mal, da steht: „Jeder Mensch ist<br />

ein verbogener Gottesname“<br />

Tatsächlich! Wir blickten uns an und prusteten los.<br />

Das Priester-Orakel, scheint mir, hat Humor.<br />

Anmerkung der Redaktion: Diese Zettel waren als<br />

Anregung gedacht und dass keine abergläubische<br />

Schicksalsprophetie damit gemeint ist, sollte ja<br />

eigentlich klar sein.<br />

41


Leben & Begegnung<br />

42<br />

Was hat Improvisationstheater mit<br />

christlicher Erneuerung zu tun?<br />

| Auszüge aus einem Gespräch mit Ulrich Meier,<br />

Seminarleiter am Hamburger <strong>Priesterseminar</strong><br />

Till Sarrach: Herr Meier, in der vergangenen<br />

Woche haben wir jeden Morgen eine spannende<br />

Einstimmung in den Tag mit Ihnen erfahren.<br />

Theatersport. Was begeistert Sie daran?<br />

Ulrich Meier: Mich begeistert der spielerische und<br />

unmittelbare Kontakt zum intuitiven Bereich. Ich<br />

kann immer wieder an die Grenze dessen gehen, dass<br />

mir nichts mehr einfällt, und dann erleben, wie mir<br />

das Neue geschenkt wird.<br />

T.S.: Und wieso ist es für angehende Priester<br />

gut zu improvisieren?<br />

U.M.: Für Seminaristen würde ich das niemals verpflichtend<br />

machen, auch in Hamburg ist Theatersport<br />

freiwillig. Denn es gibt Leute, die auf andere Weise<br />

improvisieren: musikalisch, plastisch, bildnerisch, und<br />

nicht jeder Mensch hat eine Affinität zum Theater.<br />

T.S.: Wäre es denkbar, eine Predigt zu improvisieren?<br />

Gar auf Zuruf von der Gemeinde? Krieg,<br />

Homöopathie, Osterhase, Sündenfall. Bitte, Herr<br />

Pfarrer! Oder ist das nicht erstrebenswert?<br />

U.M.: Die freie Rede in der Predigt ist mir in meiner<br />

Seminarzeit empfohlen worden. Ich habe sie zunächst<br />

nicht praktiziert, weil ich großen Respekt davor<br />

hatte, auf der Kanzel zu sprechen. Ich habe erst<br />

einige Jahre lang alles aufgeschrieben, mich dann<br />

nach und nach vom Manuskript gelöst und irgendwann<br />

nur noch frei gesprochen. Ich halte es für eine<br />

gute Sache, dass die Predigt wirklich frei gesprochen<br />

wird. Improvisatorisches kommt in der Predigt beispielsweise<br />

bei Tagungen oder Abendandachten zum<br />

Tragen, weil es hilfreich ist, dass man die Motive, die<br />

einem aktuell beim Begleiten der Tagung in den Sinn<br />

kommen, zu einer Predigt gestalten kann.<br />

T.S.: … und auf Zuruf?<br />

U.M.: Eine Predigt auf Zuruf würde ich nicht machen.<br />

In der Aus- und Fortbildung könnte man in einem geschlossenen<br />

Rahmen kleine Übungen machen, ein<br />

Motiv oder ein Bild auf Zuruf mit Worten in Bewegung<br />

zu bringen.<br />

T.S.: Theater und Improvisation ist stetige<br />

Erneuerung. Woher kann das Neue kommen<br />

in die Gemeinden der Christengemeinschaft?<br />

Soll es überhaupt kommen?<br />

U.M.: Jeder Mensch, der neu in die Gemeinde aufgenommen<br />

wird, sollte die Gemeinde dafür sensibilisieren,<br />

dass sie sich jetzt ändern muss. Das gilt auch für<br />

den Priesterkreis.<br />

T.S.: Ich versuche es noch mal anders.<br />

Bei der Priesterweihe haben sie die neu<br />

geweihten Priester dazu aufgerufen,<br />

revolutionär zu sein. Gibt es etwas, das<br />

sie gern revolutionieren möchten?<br />

U.M.: Ich halte es sogar für einen urchristlichen Auftrag,<br />

revolutionär zu sein. Was ich der Christengemeinschaft<br />

in dieser Hinsicht wünsche und wofür ich<br />

mich gern einsetzen möchte, ist zum Beispiel ein<br />

Wiederentdecken der Andachtskultur. Ich freue mich,<br />

dass wir unsere Sakramente so pflegen, wie wir sie<br />

pflegen, und ich bin immer wieder erstaunt, wie viele<br />

Menschen auch neu den Zugang zu den Sakramenten<br />

finden. Aber das Bedürfnis der Gemeindemitglieder<br />

nach einer aktiveren Beteiligung an der liturgischen<br />

Gestaltung unseres gottesdienstlichen Lebens finde<br />

ich berechtigt. Welche Formen des gemeinsamen<br />

Betens ließen sich zusätzlich zu den Sakramenten<br />

finden? Ein anderer Bereich, der mir am Herzen liegt,<br />

ist eine Stärkung der tätigen Beteiligung unserer<br />

Gemeinden in den kulturellen und sozialen Zusam-


menhängen unserer Städte. Im christlichen Leben<br />

gibt es neben der Einladung an die Menschen, in die<br />

Gemeinde zu kommen, auch die Initiative, als Christengemeinschaft<br />

aktiv in das heutige Kulturleben<br />

hineinzugehen.<br />

T.S.: Was für Tätigkeitsfelder würden sich da<br />

anbieten? Eine Suppenküche zum Beispiel?<br />

U.M.: Ich glaube, dass Gemeinden auch durch solche<br />

religiösen, karitativen Initiativen sehr viel gewinnen<br />

würden an innerer Kraft und vielleicht auch manches<br />

verlieren würden an selbstbespiegelndem, melancholischem<br />

„Ach-wir-sind-ja-nur-so-klein-Gejammer.“<br />

T.S.: Haben wir die Macht, etwas zu bewegen?<br />

Wie ist Ihr Verhältnis zur Macht?<br />

U.M.: Macht verstehe ich zunächst einmal als Tatsache,<br />

nämlich eine unterschiedliche Möglichkeit von<br />

Menschen zu interagieren. Die einen haben mehr<br />

Macht, die anderen haben weniger. Und die mehr<br />

Macht haben, tragen entsprechend mehr Verantwortung.<br />

Schwierig wird es für mich erst, wenn<br />

Macht missbraucht wird. Oder wenn der Machtbegriff<br />

so weit an die Seite gerückt wird – weil man<br />

ihn für negativ erachtet –, dass man das Machtgefälle,<br />

das in jeder sozialen Beziehung lebt, nicht<br />

mehr beachtet. Auch dann droht der Machtmissbrauch,<br />

wenn zum Beispiel jemand seine Macht nicht<br />

offen zeigt, sondern sie den Menschen so überstülpt,<br />

dass sie es nicht bemerken und sich nicht wehren<br />

können. Auch der Ohnmächtige hat Macht.<br />

T.S.: Manchmal bekommt der Priester<br />

vielleicht Macht zugesprochen, ohne<br />

dass er sie haben will …<br />

U.M.: Das ist die große Herausforderung an den<br />

Priester, wenn er die Führung der Gemeinde verantwortet.<br />

Aus dem Neuen Testament können wir ablesen,<br />

dass die Macht christlich wird, wenn sie sich mit<br />

der Verantwortung verbindet und eine dienende<br />

Macht wird: sich für die Prozesse in der Gemeinde<br />

einzusetzen und sie gerade dadurch fruchtbar zu<br />

machen, dass nicht unsere Person in die Machtsphäre<br />

gerückt wird, sondern dass wir dienen, indem wir<br />

dafür sorgen, dass die anderen Menschen Räume finden,<br />

in denen sie sich selber finden und entfalten<br />

können. Die Tradition der christlichen Kirche ist leider<br />

durchsetzt von mancherlei Machtmissbrauch, und es<br />

haftet der Rolle des Priesters und Pfarrers an, dass er<br />

schnell verdächtigt wird, Macht ausüben zu wollen.<br />

Das bedeutet für uns heute, eine besondere Achtsamkeit<br />

bei der Verwirklichung eines erneuerten<br />

Priesterbildes zu üben.<br />

T.S.: Können Sie ein Beispiel geben?<br />

In der Seelsorge werden uns von unseren Gesprächspartnern<br />

manchmal Angebote gemacht, etwas zu<br />

tun, das weit über die Verantwortlichkeit eines Seelsorgers<br />

hinausgeht, zum Beispiel in biografische Entscheidungsprozesse<br />

einzugreifen. Wir müssen aber<br />

als Seelsorger der Entscheidungsfindung unserer<br />

Klienten genauso dienen, wie wir den sozialen Prozessen<br />

in der Gemeinde zu dienen haben. Wir tragen<br />

die Verantwortung dafür, dass die Prozesse in der<br />

Gemeinde sauber geführt werden – auch zum Schutz<br />

derjenigen, die ohne Einflussmöglichkeit an den<br />

Prozessen teilhaben. Weiter sollten wir auch denen,<br />

die Verantwortung in der Gemeinde übernehmen<br />

wollen, zur Seite stehen und ihnen Räume und<br />

Möglichkeiten eröffnen. Den Jugendlichen zum<br />

Leben &<br />

Begegnung<br />

43


Leben & Begegnung<br />

44<br />

... Was hat Improvisationstheater mit christlicher Erneuerung zu tun?<br />

Beispiel vertrauen, wenn sie mit einer Eigeninitiative<br />

kommen. Sie verantwortlich werden lassen, ihnen<br />

Räume geben. Erneuerung gelingt, wenn ich Vertrauen<br />

in die Potentiale der Menschen investiere.<br />

T.S.: Rudolf Steiner empfiehlt den Pfarrern,<br />

sich auch wirtschaftliche Kompetenz anzueignen,<br />

um in diesen Fragen ihrer Gemeinde helfen zu<br />

können. Aus der göttlichen Weisheit heraus.<br />

Wie handhaben Sie das?<br />

U.M.: Erstens sollte sich der Priester hüten, sein<br />

Augenmerk nur auf das Immaterielle zu richten, sondern<br />

er täte gut daran, auch die Geldprozesse in der<br />

Gemeinde voller Interesse zu begleiten, sich auch in<br />

die Vorgänge des Wirtschaftslebens insgesamt einzuleben.<br />

Aber ich verstehe Rudolf Steiner nicht so, dass<br />

der Priester ungefragt Ratschläge erteilen soll. Vielmehr<br />

geht es darum, dass er, wenn die Menschen mit<br />

Studenten im Praktikum<br />

Von links nach rechts:<br />

Gisela Thriemer, Seminarleiterin<br />

Johanna Taraba, 1991, Deutschland<br />

Kaori Mogi, 1982, Japan<br />

Annette Semrau, 1967, Deutschland<br />

Soledad Davit, 1985, Italien<br />

wirtschaftlichen Fragen an ihn herantreten, durch<br />

seine Kenntnis und sein Interesse den Fragenden dazu<br />

verhelfen kann, ihre eigene Entscheidung zu finden.<br />

Das ist für mich die zentrale Aufgabe des Seelsorgers<br />

– auch auf anderen Lebensgebieten. Oft sind<br />

es nicht die Lösungen, die wir als Priester empfehlen<br />

wollen, die den Menschen weiterhelfen, sondern dass<br />

wir im richtigen Augenblick die richtigen Fragen zu<br />

stellen lernen.<br />

T.S.: Und was hat das nochmal<br />

mit Theatersport zu tun?<br />

U M: Aus dieser Haltung gehen wir mit den Menschen,<br />

die sich uns anvertrauen, gemeinsam an die<br />

Grenze, an der keine alte Lösung mehr weiterhilft. Im<br />

seelsorgerlichen Gespräch kann sich der intuitive<br />

Raum öffnen, aus dem den Menschen das Neue<br />

zukommt.


Jugendtagung zur Priesterweihe<br />

| Michael Sölch, 3. Trimester<br />

Aus allen Regionen Deutschlands sind junge<br />

Menschen ab 14 Jahren zusammengekommen, um in<br />

<strong>Stuttgart</strong> gemeinsam die Priesterweihe zu erleben.<br />

Es gab Jugendliche, die aus ihrer Gemeinde extra<br />

gekommen sind, weil sie einen Weihekandidaten gut<br />

kannten und ihn auf einem sichtbaren Stück Lebensweg<br />

begleiten wollten. So nutzten die Wiener<br />

Jugendlichen die Gelegenheit, um ihren ehemaligen<br />

Gemeindehelfer noch einmal dankend warm zu<br />

beschenken, denn es gab Musik mit selbstgeschriebenen<br />

Texten.<br />

Einige Jugendliche haben selbst schon mit dem<br />

Gedanken gespielt, sich auf den Weg zum Priestertum<br />

zu begeben. Aber nicht nur für sie war es aufregend<br />

und bereichernd, die Priesterweihe zu erleben.<br />

Auch Jugendliche mit weniger konkreten<br />

Fragen an den Priesterberuf wollten die Priesterweihe<br />

erleben, weil sie sich mit der Christengemeinschaft<br />

verbunden fühlen und diese besser kennenlernen<br />

wollen. Es gab eine Begegnung der Jugendlichen<br />

mit einigen älteren Priestern und einer neugeweihten<br />

Priesterin, die im Kreis der Versammelten von<br />

ihrem Weg zum Priestertum erzählten. Dabei standen<br />

vielfältige Aspekte im Raume, die für Jugendliche<br />

auch gut nachvollziehbar sind, wenn sie aus<br />

einer lebendig geschilderten biografischen Erzählung<br />

hervorgehen: das Verhältnis zwischen Christengemeinschaft<br />

und Katholizismus, zwischen Christentum<br />

und Islam und auch persönliche Beweggründe.<br />

Lustig war in diesem Zusammenhang die geschilderte<br />

Tatsache, dass in der Gemeinde die Ankündigung<br />

der Jugendtagung mit einem kleinen Rechtschreibfehler<br />

versehen war. Es hieß dort: „Jugendtagung zu<br />

Priesterweihe“. So wie also etwa Wasser zu Wein<br />

wird oder Weizen zu Brot, konnte man annehmen,<br />

an dieser Tagung werden Jugendliche zu Priestern.<br />

Es wurde aber auch die Frage in der Runde aufgeworfen,<br />

was es eigentlich genau bedeute, wenn man<br />

bekennt, Christ zu sein. Diese Frage machte bestimmt<br />

den einen oder anderen Jugendlichen betrof-<br />

fen, bevor dann die Priester das<br />

Schweigen durchbrachen. Und<br />

dennoch ist es bestimmt gut und<br />

richtig, mit dieser Frage ein wenig<br />

zu ringen, wenn man kurz vor<br />

oder bereits nach der Konfirmation<br />

steht und selbst einen Weg<br />

sucht, Christ zu werden. Die Konfirmation<br />

ist ja in der Christengemeinschaft<br />

nicht als Bekenntnis<br />

zu einer bestehenden Kirche<br />

zu verstehen wie in anderen Konfessionen.<br />

Sie führt den Jugendlichen<br />

aus der mehr autoritären<br />

Erziehungssituation des Kindes in<br />

das selbstständigere Leben. Ein<br />

allfälliges Bekenntnis oder auch nur das Bedürfnis,<br />

sich überhaupt um Religion zu bemühen, ist nach<br />

der Konfirmation gänzlich der Freiheit der Jugendlichen<br />

überlassen. Dennoch berührt die Frage nach<br />

dem Bekenntnis und das Ringen damit für die<br />

Jugendlichen etwas Wertvolles: Sie werden wach für<br />

den eigenen inneren Impuls und können schon ein<br />

wenig Ernst fühlen lernen.<br />

Zur notwendigen Aufgabe wird das Bekennen erst<br />

für den Weihekandidaten. Bis dahin haben aber die<br />

Jugendlichen, die vielleicht selbst einmal an diese<br />

Schwelle kommen wollen, noch genügend Zeit zur<br />

Besinnung auf ihrem Weg vor sich. Aber das<br />

Weiheziel, das dann auch zugleich ein Anfang ist,<br />

haben sie gesehen. Und auch im <strong>Priesterseminar</strong><br />

waren sie zu Besuch, um zu sehen, wo die Priester<br />

studieren. Insofern haben die Jugendlichen in ihrem<br />

Gedächtnis auch schon die örtlichen Stationen eingeprägt,<br />

die eventuell bei diesem oder jenem – von<br />

dieser Jugendtagung ausgehend – beim Antritt zur<br />

eigenen Priesterweihe als Erinnerung auftreten<br />

könnten.<br />

Leben & Begegnung<br />

45


Leben & Begegnung<br />

46<br />

Orientierungswoche am <strong>Priesterseminar</strong><br />

| Jakob Besuch, Teilnehmer der Orientierungswoche<br />

Will ich mich wirklich<br />

am <strong>Priesterseminar</strong> anmelden?<br />

Mit dieser oder vielleicht ähnlichen Fragen trafen die<br />

verschiedensten Schicksalswege zur einwöchigen<br />

Teilnahme am <strong>Priesterseminar</strong> in <strong>Stuttgart</strong> zusammen.<br />

Aus Frankreich, England, Belgien, Tschechien,<br />

Israel und Deutschland (Alter zw. 22 und 44 Jahren)<br />

hatten wir uns eingefunden und teilten nun unsere<br />

Fragen und Hintergründe miteinander, die es zu einer<br />

etwaigen Anmeldung als Student am Seminar geben<br />

kann. Ob es sich um sprachliche, finanzielle und<br />

innere Hürden, das Alter oder einen speziell gläubigen<br />

Familienhintergrund als Schwierigkeit handelte,<br />

für viele schien in irgendeiner Weise die Entscheidung<br />

keine selbstverständliche zu sein.<br />

Für mich hatte diese Frage zunächst die Oberfläche<br />

des persönlichen Wünschens und Wollens, sie sollte<br />

sich aber im Laufe der sechs Tage zwischen Unterricht,<br />

Menschenweihehandlung und dem Austausch<br />

mit den Seminaristen des ersten und zweiten Jahres<br />

verändern.<br />

Das begann schon gleich im allmorgendlichen<br />

Hauptkurs des zweiten Trimesters bei Georg Dreißig,<br />

wo in lebhafter Weise die Freiheit, aber auch die<br />

© siehe Impressum<br />

Wahlfreiheit der Gegenwart erörtert wurde: Während<br />

man den Menschen, je weiter man in der Zeit zurück<br />

geht, immer stärker als in seine traditionell vererbten<br />

Pflichten hineingeboren vorfindet, lässt sich heute<br />

beobachten, dass der moderne Mensch in immer ungebundenerer<br />

Weise seine Pflichten aufsucht und<br />

wahrnimmt. Diese wachsende Selbstbestimmung,<br />

das Verständnis, sich auch im Alter von 50 oder 60<br />

Jahren neu begründen zu können, spiegelt sich nicht<br />

nur in immer bunteren Biografien sondern erweiterte<br />

auch meinen Ausgangspunkt als Orientierungskursler<br />

von einem „Will ich das wirklich?“ zu dem breiteren<br />

„Was will ich denn eigentlich?“.<br />

Ohne dass ich sie gestellt hätte, wurde auch diese<br />

Frage zum Unterrichtsgegenstand: Sie ist eigentlich<br />

ein Selbstgespräch zwischen Fragesteller und Adressatem,<br />

mit welchem man sich in einer Sackgasse<br />

befindet. Gefragt ist derjenige, welcher die Frage<br />

selbst gestellt hat, also der, welcher keine Antwort zu<br />

haben scheint, da er sonst die Frage ganz hätte weglassen<br />

können. Da ich einen solchen Gedanken bisher<br />

nicht zur letzten Konsequenz gedacht hatte, nahm er<br />

unter Einsicht dieser Sackgassensituation an beklemmender<br />

Realität zu. Die Beleuchtung eines solchen<br />

Nullpunktes bekam auch im nachmittäglichen<br />

Unterricht zum Credo, dem Glaubensbekenntnis<br />

innerhalb der Weihehandlung, ein weiteres Licht.<br />

Was heißt es denn, wenn die Worte im Weiheraum<br />

gesprochen werden:<br />

„Dann überwand er den Tod nach dreien Tagen?“<br />

Immerhin scheint die vorher erwähnte Sackgasse<br />

kein festes Gebilde zu sein, sondern vielmehr ein<br />

erlebter Prozess in der Zeit. So erging es mir zumindest,<br />

als ich mich am 3. Tag meiner Orientierungswoche<br />

vor dem Bekenntnis fand: Als der, der ich jetzt<br />

bin, komme ich hier jedenfalls nicht weiter. Wenn ich<br />

an meinem persönlichen Wünschen und Wollen festhalten<br />

möchte, das hieße, wenn ich weiterhin nur<br />

Künstler, Zeichner, Filmschaffender bleiben möchte,<br />

dann brauche ich hier nicht anzufangen. Das zumindest<br />

war das Gefühl nach einem Gespräch mit der


Seminarleitung, wo ich mir im Nachhinein nicht<br />

sicher war, was wohl helfen könnte, um die erlebte<br />

Scham gegenüber meinen eigenen Aussagen in erträgliche<br />

Distanz zu bringen.<br />

Trotzdem waren diese Gefühle am nächsten Morgen<br />

wie von mir genommen; ich verbrachte einen Tag in<br />

völliger Ruhe. Aus dieser Gemütslage heraus, formulierte<br />

sich langsam auch ein Thema für die Restwoche:<br />

das, was ich bin, zu sein glaube oder gerne<br />

sein will, soweit als möglich hinter mir zu lassen.<br />

Und genau dafür war am <strong>Priesterseminar</strong> der Raum<br />

gegeben: Innerhalb einer Atmosphäre, in der ich<br />

Wohlwollen und Vertrauen begegnet bin, durfte ich<br />

an einem Unterricht teilnehmen, der nicht nur von<br />

humorvollen Aufweckungen begleitet war, sondern<br />

auch mich als neu Hinzugekommenen immer persönlich<br />

betroffen hat. Dabei war auch das Haus, welchem<br />

man den „verbindenden Geist“ nachsagt, von<br />

Niemand knetet uns wieder aus Erde und Lehm,<br />

niemand bespricht unsern Staub.<br />

Niemand.<br />

Gelobt seist du, Niemand.<br />

Dir zulieb wollen<br />

wir blühn.<br />

Dir<br />

entgegen.<br />

Ein Nichts<br />

waren wir, sind wir, werden<br />

wir bleiben, blühend:<br />

die Nichts-, die<br />

Niemandsrose.<br />

Mit<br />

dem Griffel seelenhell,<br />

dem Staubfaden himmelswüst,<br />

der Krone rot<br />

vom Purpurwort, das wir sangen<br />

über, o über<br />

dem Dorn.<br />

Bedeutung, da es sich mit seinem weiten Blick über<br />

<strong>Stuttgart</strong> nicht nur thematisch zwischen Himmel und<br />

Erde befindet, sondern auch in seinen verwinkelten<br />

Treppen und lichten Räumen Ort und Übungsfeld von<br />

Gespräch und Begegnung bietet. In diesem Klima und<br />

dem offenen Teilen der Widerstände, die sich ergeben,<br />

wenn man dabei ist, ein Stück Biografie scheinbar<br />

zurückzulassen, war es mir möglich, innerhalb<br />

einer Woche viel Neues aufzunehmen.<br />

Die anfangs gestellte Frage war ernsthafter geworden<br />

und hatte am Ende der Woche ein neues Gegenüber<br />

gefunden:<br />

Liegt es nicht in meiner Pflicht als Mensch, mich der<br />

Verantwortung zu stellen, welche in den nun entgegengetretenen<br />

Fragen, dem Nullpunkt liegt? Dazu<br />

abschließend ein Gedicht von Paul Celan, das allmorgendlich<br />

im Hauptkurs erklang:<br />

Leben & Begegnung<br />

47<br />

© siehe Impressum


Leben & Begegnung<br />

48<br />

Erfahrungen aus dem Rettungsdienst<br />

| Jakob Kraul<br />

Nachdem ich einige Jahre am Seminar war und<br />

damit gerungen habe, wie es weitergehen soll, habe<br />

ich mich dazu entschlossen, mit der Ausbildung zum<br />

Rettungsassistenten zu beginnen. Letzten Herbst<br />

ging es damit los. Dadurch, dass ich den ersten Teil<br />

bereits abgeschlossen habe und die Ausbildung insgesamt<br />

sehr praktisch ist, habe ich jetzt schon die<br />

Möglichkeit, Erfahrungen in der Notfallrettung zu<br />

sammeln.<br />

Inzwischen arbeite und lerne ich beim Rettungsdienst<br />

in Witten. Die Tage auf der Rettungswache<br />

sind äußerst unterschiedlich. Mal sind wir ständig<br />

auf Achse, mal ist es ruhig, und wir haben viel Zeit<br />

für uns. Die Arbeit in diesem Zusammenhang unterscheidet<br />

sich sehr vom Leben am Seminar. Auch die<br />

Kollegen sind grundsätzlich anders. So anders und<br />

neu es für mich ist, so spannend finde ich es, einen<br />

ganz neuen Arbeitsbereich kennenzulernen. Das Stu-<br />

dium am Seminar hilft dabei, Erfahrungen im Rettungsdienst<br />

in einem anderen Licht zu sehen. Auch<br />

wenn viele Einsätze nicht so aufregend sind, wie<br />

man es sich oft vorstellt, gibt es doch immer wieder<br />

Erlebnisse, die einem zu denken geben. Bei Einsätzen<br />

sind wir oft Zeuge von schweren Schicksalsschlägen.<br />

Wichtig ist es dann, innerlich die größtmögliche<br />

Ruhe zu wahren.<br />

An dieser Arbeit ist auch spannend, dass wir ständig<br />

in eine andere Umgebung kommen: in Wohnungen,<br />

an Baustellen, an Arbeitsplätze oder Straßenkreuzungen.<br />

Oft finde ich die Notfallsituationen gar<br />

nicht so erschreckend. Krasser finde ich, was dazu<br />

geführt hat. Die Wohnungen riechen oft erbärmlich<br />

nach Zigarettenrauch. Immer wieder sind die<br />

Einsätze auf Pillen-, Nikotin- oder Alkoholmissbrauch<br />

zurückzuführen. Nicht nur das Medizinische<br />

ist in dem Zusammenhang interessant. Viel aufregender<br />

finde ich die menschliche Begleitung. Sofern<br />

die Patienten ansprechbar sind, ergeben sich im<br />

Krankenwagen immer wieder spannende Gespräche.<br />

Oft zeigt sich, wie sinnlos den Menschen ihr Leben<br />

erscheint. In diesen Minuten ein kleiner, menschlicher<br />

Begleiter zu sein, gehört neben dem<br />

Medizinischen zu dem Wichtigsten an dieser Arbeit.


Liebe Leserinnen und Leser unseres Seminarbriefs,<br />

im 90. Lebensjahr stehend ist Sara Ambrosi in den<br />

Ostertagen verstorben (*7. August 1923 – † 21. April<br />

2013). Am 25. April haben wir ihre Bestattung gefeiert.<br />

Wie stimmig war da alles! Die Sonne hat warm<br />

aus unverstelltem blauen Himmel geschienen, und<br />

die Obstbäume standen hier in <strong>Stuttgart</strong> in voller<br />

Blütenpracht – gerade so, als hätte die Erde sich<br />

ihren Wunsch, wie sie sich am allerliebsten von Sara<br />

Ambrosi verabschieden würde, erfüllen dürfen. Denn<br />

Sonnenwärme und Blütenzauber gehörten zum<br />

Wesen der Verstorbenen innig hinzu. Wenn sie bis<br />

ins hohe Alter rastlos im Garten arbeitete, ging es ihr<br />

stets darum: dass das Gepflanzte für die Sonnenkräfte<br />

erreichbar sein, sie aufnehmen und dadurch<br />

wachsen, erblühen und fruchten könne. Auch die<br />

Seminaristen haben diese dem kosmischen Leben<br />

dienenden Kräfte Sara Ambrosis deutlich gespürt: in<br />

ihrer freundlichen Verbundenheit mit ihnen, ihrer<br />

Herzenswärme, ihrem so völlig selbstverständlichen<br />

Dasein für sie alle. Wer verstehen möchte, was es<br />

damit auf sich hat, dass der Mensch sonnenhaft wirken<br />

soll, an Sara Ambrosi konnten wir es ohne alle<br />

Eitelkeit und Hochmut erleben. Sie brauchte auch<br />

nicht darum zu ringen, sich nicht dafür zu kasteien,<br />

sie war einfach so – meist mit einem freundlichen<br />

Lächeln auf den Zügen begleitete sie die Seminargemeinschaft:<br />

unsere Sonne vom Dienst, deren<br />

Wärmestrahlung uns nun, da wir von ihr Abschied<br />

genommen haben, erst als das Besondere deutlich<br />

wird, das sie war. An Sara Ambrosi war sie nichts<br />

Besonderes, sondern einfach Teil ihres sich selbstlos<br />

einfügenden Wesens. So hat Sara Ambrosi auf ihre<br />

stille, selbstverständliche Art die Studierenden hier<br />

am Seminar etwas gelehrt, das Kurse und Fachstunden<br />

nicht vermitteln können und für das auch<br />

nicht leicht ein Ersatzdozent zu finden sein wird: wie<br />

Menschsein und Sonnesein sich miteinander verbin-<br />

den und fördern können zum Segen der Gemeinschaft.<br />

Denn solche Lehre wird nicht durch Wort vermittelt,<br />

sondern durch die ganz eigene Art, Mensch<br />

zu sein.<br />

Die Veränderungen, die das vergangene Jahr uns in<br />

der Zusammensetzung der Seminarleitung beschert<br />

hat, sind noch nicht ganz abgeschlossen. Zunächst<br />

ist dankbar zu vermerken, dass Stephan Meyer, der<br />

kurzfristig eingestiegen war, um die Durchführung<br />

der Weihevorbereitung zu gewährleisten, sich inzwischen<br />

bereit erklärt hat, neben seiner Mitverantwortung<br />

im Siebenerkreises auch weiterhin in der<br />

Seminarleitung verantwortlich mitzuarbeiten. Nun<br />

steht für dieses Trimester ein weiterer Abschied ins<br />

Haus: Gisela Thriemer wird nach siebenjähriger Mitarbeit<br />

ihre Aufgaben in der Seminarleitung abgeben,<br />

um neben ihrer Gemeindetätigkeit in Darmstadt<br />

ebenfalls im Siebenerkreis mitzuarbeiten. Ab Herbst<br />

wird Françoise Bihin aus Colmar die vakante Stelle in<br />

der Seminarleitung füllen. Wir hoffen, in der neuen<br />

Dreierbesetzung für die kommenden Jahre ein<br />

arbeitsfähiges Gremium bilden zu können, haben<br />

aber auch schon begonnen, uns umzuschauen, wer<br />

in der Zukunft einmal längerfristig in die Seminarverantwortung<br />

hineinwachsen kann. Von all diesen<br />

Veränderungen wird dann im Herbst noch mehr zu<br />

berichten sein.<br />

Nun hoffen wir, dass wir beim Freundestreffen vom<br />

21. bis 23. Juni möglichst vielen persönlich begegnen<br />

und in lebendigen Austausch mit Ihnen treten<br />

können.<br />

Für die Seminargemeinschaft grüßt Sie herzlich<br />

Ihr<br />

Grußwort der Seminarleitung<br />

49


50<br />

Impressum<br />

Text- und Bildredaktion<br />

Titelphoto<br />

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<strong>Layout</strong> und Satz<br />

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Hugo-Schuster-Stiftung<br />

Herausgeber<br />

V. i. S. d. P.<br />

Astrid Bruns, Martin Thiele, Till Sarrach, Michael Sölch und Helge Tietz<br />

Mathias Jensen<br />

seminarbrief@priesterseminar-stuttgart.de<br />

Roland Grüter<br />

Die Stadtdruckerei | Gebrüder Knöller GmbH & Co KG<br />

2.300<br />

Alle Studenten<br />

S. 10 Michael Sell-Schopp, S. 24 Kateryna Gagarina, S. 40 Tomàs Adamec, S. 45 Nicolai Paravicini,<br />

S. 46, 47 Jakob Besuch, S. 48 Jakob Kraul, 4. Umschlagseite: Anka Kruczek<br />

www.commons.com<br />

Gemeinfreie Bilder: S. 18, 21, 25, 26, 28 und 30; Bilder mit Nahmennennungspflicht: S. 20: Kirche in<br />

Sankt Petersburg von Anna Anichkova, S. 23: Kopie eines Siegels der Tempelritter in einer Ausstellung<br />

in Prag von Adrian Sulc.<br />

<strong>Priesterseminar</strong> <strong>Stuttgart</strong><br />

Freie Hochschule der Christengemeinschaft e.V.<br />

Spittlerstraße 15<br />

D–70190 <strong>Stuttgart</strong><br />

Telefon +49 (0) 711 | 166 830<br />

Telefax +49 (0) 711 | 166 83-24<br />

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www.priesterseminar-stuttgart.de<br />

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UBS Arlesheim (PC 80-2-2)<br />

Konto: 233-628154.01V, BC 233<br />

Anschriften bei allen Konten: wie oben<br />

Konten wie oben<br />

Bei Verwendungszweck bitte vermerken: „Für Ausbildung“<br />

Konto-Inhaber: Hugo-Schuster-Stiftung<br />

Bank für Sozialwirtschaft <strong>Stuttgart</strong><br />

Konto: 7751300, BLZ 60120500<br />

Verwendungszweck: Zustiftung (bzw. Spende)<br />

Georg Dreißig<br />

Michael Sölch<br />

Bank für Sozialwirtschaft <strong>Stuttgart</strong><br />

Konto: 7751 400, BLZ 601 205 00<br />

BIC: BFSWDE33STG<br />

IBAN: DE10 6012 0500 0007 7514 00


Die Einweihung von Faust und Parzival<br />

Die Gralssuche – ein moderner Weg der Erkenntnis und<br />

der Liebe von Aminta Dupuis<br />

„Es gibt nur eine Art, über den Menschen<br />

und seine Gefühle zu sprechen: die Einfachheit<br />

oder Einfalt. Das ist es, was ich in diesem<br />

Werk gefunden habe. Mehr als eine<br />

literarische Studie ist es ein Einweihungsund<br />

Auferweckungsbuch, das universale<br />

Gesetze und Lebensschlüssel enthüllt und<br />

sich „im Namen aller Menschen“ an jeden<br />

authentischen Lebensforscher richtet. Ein<br />

Buch der Zuversicht und des Glaubens an<br />

den Menschen und den Geist, das die Wirklichkeit<br />

der Lebens- und Metamorphosekräfte<br />

aufzeigt, die bei jenen am Werke<br />

sind, die nie den Mut verlieren und die<br />

wahrhafte Gestalt des Menschen verehren.“<br />

Martin Gray (aus dem Vorwort)<br />

In Gesang, Romanistik und Germanistik in Paris ausgebildet, ist Aminta Dupuis Lehrerin<br />

für Literatur. Sie widmet sich der Kunst, namentlich der Dichtung und dem Konzertgesang.<br />

2003 war sie Studentin am <strong>Priesterseminar</strong> <strong>Stuttgart</strong>.<br />

ISBN 978-3-941664-33-3<br />

1. Auflage, 208 Seiten gebunden, Euro 18,–<br />

(A) Euro 18,50, CHF 22,–


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