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Seminar|brief<br />
Freie Hochschule der Christengemeinschaft <strong>Stuttgart</strong><br />
Sommer 2013<br />
PRIESTERSEMINAR STUTTGART<br />
FREIE HOCHSCHULE DER<br />
CHRISTENGEMEINSCHAFT e.V.<br />
In eigener Trägerschaft, ohne staatliche Anerkennung
Über den<br />
„Seminarbrief“<br />
Die Freie Hochschule der Christengemeinschaft <strong>Stuttgart</strong> ist eins von insgesamt<br />
drei <strong>Priesterseminar</strong>en der Christengemeinschaft. Die Christengemeinschaft ist<br />
eine weltweite Bewegung für religiöse Erneuerung – in den inneren und äußeren<br />
Umgestaltungen unserer Zeit – gegründet für die Menschen, die ein modernes<br />
sakramentales Leben suchen. In ihrem Mittelpunkt steht der neue Gottesdienst,<br />
die Menschenweihehandlung. Um ihn versammeln sich Menschen in freien<br />
Gemeinden.<br />
Geleitet wird das <strong>Priesterseminar</strong> von Georg Dreißig, Stephan Meyer und Gisela<br />
Thriemer.<br />
Der „Seminarbrief“ wird von den Studenten des <strong>Priesterseminar</strong>s für dessen<br />
Freunde und Förderer geschrieben. Er richtet sich darüber hinaus an alle, die auf<br />
diese Weise das Seminar kennen lernen wollen. Unser Ziel ist es, in den Beiträgen<br />
unsere persönlichen Erfahrungen im Studium und im gemeinsamen Leben anschaulich<br />
und miterlebbar zu machen. Der „Seminarbrief“ erscheint zwei Mal<br />
jährlich und kann durch das Sekretariat der Freien Hochschule bezogen werden.<br />
Weitere Informationen erhalten Sie ebenfalls durch das Sekretariat oder Sie finden<br />
sie auf unserer Webseite:<br />
<strong>Priesterseminar</strong><br />
Freie Hochschule der Christengemeinschaft <strong>Stuttgart</strong> e.V.<br />
in eigener Trägerschaft ohne staatliche Anerkennung<br />
Spittlerstraße 15<br />
D-70190 <strong>Stuttgart</strong><br />
Tel. +49 (0)7 11 / 166 83 10<br />
E-Mail: info@priesterseminar-stuttgart.de<br />
www.priesterseminar-stuttgart.de
Liebe Leser, liebe Freunde des Seminars,<br />
im März haben in <strong>Stuttgart</strong> Priesterweihen stattgefunden.<br />
Wir haben miterleben dürfen, wie zehn<br />
unserer Mitstudenten ihre Zeit am Seminar zu einer<br />
gewissen Vollendung gebracht haben und nun in<br />
ihre ersten Gemeinden entsandt worden sind.<br />
Es ist immer wieder spannend, wenn die Bemühung<br />
um ein tieferes Verständnis des Menschenwesens in<br />
einer Seminaristenbiografie bestimmend wird. Von<br />
außerhalb des Seminars, von Leuten die u. U. den<br />
Anspruch erheben, viel mehr im „vollen Leben“ zu<br />
stehen, wird dies im Gespräch mit Seminaristen<br />
zuweilen ja gerade als Widerspruch hingestellt: das<br />
volle Leben und innere Arbeit. Ja, wie geht denn das:<br />
Fördert das Studium am Seminar die Lebenslust oder<br />
nicht? In der Gemeinschaft des <strong>Priesterseminar</strong>s<br />
stellt sich die Frage auch so: Führt die Beschäftigung<br />
mit Religion zu einem selbstbezogenen Studium,<br />
oder regt sie zur Gemeinschaftspflege an? Beides<br />
gehört zum Studium am Seminar. Gerade die Frage,<br />
wie man den Impuls der Menschenweihehandlung<br />
mit ins Leben nehmen kann, hat sowohl mit<br />
Gemeinschaftsbildung als auch mit dem Einzelnen<br />
zu tun.<br />
„Was kann ich sein für die Gemeinschaft?“ Sich<br />
selbst zu pflegen, ist bereits ein wichtiges Stück<br />
Gemeinschaftspflege – aber nur, wenn die Arbeit an<br />
sich selbst auch unter dem Gesichtspunkt der Hingabe<br />
an etwas Höheres geschieht, das im Zwischenmenschlichen<br />
lebt. Und dieser Gesichtspunkt ist ja<br />
ein zentraler Hinweis der Menschenweihehandlung.<br />
Im Sinne dieser Betrachtung haben wir für diesen<br />
Seminarbrief das Thema „Synthese“ gewählt. Wir<br />
wollen in einigen Aufsätzen gerade solche Themen<br />
bewegen, die Gegensätze aller Art zu Tage bringen,<br />
und sind dabei immer darauf bedacht, die Möglichkeit<br />
der Synthese dieser Gegensätze zu erkunden.<br />
Es gilt ernstlich zu prüfen, ob die Gegensätze unter<br />
sich auch schon einen genügenden Zusammenhang<br />
haben, so dass beide zusammen dann die Synthese<br />
tragen können.<br />
Ich möchte noch meine Freude mit Ihnen teilen darüber,<br />
dass unser Seminarbriefthema so gut zu dem<br />
der internationalen Jugendtagung passt, die zu<br />
Pfingsten in Leipzig unter dem Titel „UND – Gegensätze<br />
denken“ stattgefunden hat. Es ist doch schön,<br />
dass sich die Jugend der Christengemeinschaft weltweit<br />
um ähnliche Gedanken bemüht, wie wir<br />
Studenten am <strong>Priesterseminar</strong> sie pflegen. Es lässt<br />
einen inneren Zusammenhang zwischen dem Studium<br />
am <strong>Priesterseminar</strong> und der Jugendarbeit ahnen.<br />
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre.<br />
Michael Sölch, 3. Trimester<br />
Grußwort der Redaktion<br />
3
4<br />
Inhalt<br />
Wege zum Seminar<br />
Synthese<br />
Lernen<br />
Leben & Begegnung<br />
Grußwort der Redaktion<br />
Ein Seminarbriefjubiläum will gefeiert werden<br />
Studenten des 3. Trimesters | Sommer 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
Mein Weg zum Seminar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
Streiflichter aus 53 Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
Studenten des 6. Trimesters | Sommer 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
Auf der Suche nach einem Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
Von draußen nach drinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
Die Weichen neu gestellt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
Wladimir Solowjew . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
Soll ich meines Bruders Hüter sein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
Umgang mit Andersgesinnten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />
Die Freundschaft zwischen Goethe und Schiller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
Hexen und Heilige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
Referate im Sommertrimester 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
Kurse im Sommertrimester 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
Einige Betrachtungen zum Wort Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
Der Entschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />
Neugeweihte Priester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
Vom täglichen Lernen eines werdenden Priesters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
Die Wirklichkeit der Schwelle heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />
Die Haut des Logos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />
Steinbildhauerei in der Osterzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />
Was verbindet uns? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />
Jeder Mensch ist ein verbogener Gottesname . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />
Was hat Improvisationstheater mit christlicher Erneuerung zu tun? . . . . . 42<br />
Studenten im Praktikum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />
Jugendtagung zur Priesterweihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
Orientierungswoche am <strong>Priesterseminar</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />
Erfahrungen aus dem Rettungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />
Grußwort der Seminarleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />
In eigener Sache: Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass die männliche Form in der Sprache nur einen<br />
Teil der Bevölkerung bezeichnet. Dennoch haben wir zugunsten einer besseren Lesbarkeit darauf verzichtet,<br />
konsequent immer von AutorInnen oder Leserinnen und Lesern zu sprechen. Wir bitten Sie daher,<br />
grundsätzlich auch die weibliche Hälfte der Bevölkerung mitzulesen und mitzudenken, wenn Sie im<br />
Folgenden von Bewohnern, Helfern, Studenten und anderen Wesen lesen.
Erinnerung an die Zukunft –<br />
Ein Seminarbriefjubiläum will gefeiert werden<br />
Im 5. Trimester haben wir uns die Paulus-Briefe erarbeitet.<br />
Im 2. Korinther-Brief (3,3) steht: „Ihr seid ein<br />
Brief Christi,..., geschrieben nicht mit Tinte, sondern<br />
mit dem Geist des lebendiges Gottes.“ Diese Briefe<br />
wurden an verschiedene Gemeinden geschickt, die<br />
Paulus abgesehen von den Römern schon kannte. Da<br />
gab es schon einen Unterschied in der Art, wie er den<br />
Brief den bekannten Gemeinden geschrieben hat.<br />
Mit dem Ziel, andere Gemeinden zu erleben und kennen<br />
zu lernen, sind einige von uns in den Ferien zu<br />
einer Gemeindereise aufgebrochen; eine begegnungsreiche<br />
Erfahrung, die uns bereichert hat, wie es<br />
in dem Artikel zur Gemeindefahrt beschrieben ist. Es<br />
gab immer dort „einen Schatzmoment“ für mich,<br />
wenn die einzelnen Menschen von jeder Gemeinde,<br />
die uns geduldig und herzlich zugehört haben, uns im<br />
Kreise der Anwesenden ihre Fragen stellten. Ein<br />
Augenblick, ein Gespräch, wie wenn man einen Brief<br />
bekommt und langsam den Umschlag öffnet: Da<br />
offenbart sich leise, zwischen Schweigen und Reden,<br />
mit Scheu ein Wesen.<br />
Als ich nach der Gemeindereise in den Ferien nochmals<br />
im Seminar war, schaute ich noch ein wenig in<br />
die Vergangenheit, las ein paar alte Seminarbriefe<br />
und das Buch von Herrn Schroeder über das Seminar,<br />
und da habe ich gelesen, wie und wann der Seminarbrief<br />
entstanden ist.<br />
In meinem ersten Studienjahr durfte ich einen neunzigjährigen<br />
Mann begleiten, der im Cusanus-Haus,<br />
einem Altenheim im <strong>Stuttgart</strong>er Umkreis, wohnte. Er<br />
ist schon gestorben und begleitet mich irgendwie in<br />
die Zukunft. Während des Vorlesens verschiedener<br />
Artikel oder Bücher konnte ich spüren, wenn da<br />
etwas Wichtiges für ihn war. Er hatte die Christengemeinschaft<br />
mit 17 Jahren kennengelernt, und der<br />
Name Friedrich Rittelmeyer hat in ihm sicher vieles<br />
aus dieser Zeit erweckt. Ahnend kann ich sagen, dass<br />
er sich von Friedrich Rittelmeyer irgendwie begleitet<br />
fühlte.<br />
Immer wieder, wenn ich versuche, mich mit diesem<br />
Anfang, dem Samenzustand der Christengemeinschaft,<br />
zu verbinden, um in die Zukunft zu schauen,<br />
entsteht auch die Frage: Wer waren die anderen<br />
Menschen, die das alles mit gegründet haben, aber<br />
nicht Priester waren? Wie wäre eine Begegnung zwischen<br />
den ersten <strong>Priesterseminar</strong>isten und den gerade<br />
gegründeten Gemeinden gewesen? Und wie hat<br />
sich das Gespräch zwischen diesen beiden Kreisen in<br />
diesen 80 Jahren entwickelt? In diesem Sinn frage ich<br />
mich nun, ob es vielleicht unter unseren Seminarbrief-Lesern<br />
Menschen gäbe, die sich trauten, selbst<br />
„BRIEF“ zu werden, die den Prozess der wechselnden<br />
<strong>Priesterseminar</strong>isten über längere Zeit begleitet<br />
haben und auch etwas aus ihrem Erfahrungsschatz<br />
mitteilen möchten. Hoffentlich gibt es noch Erwartungen,<br />
„Perlen“, Wünsche, Ideale oder Fragen, die<br />
von Lesern und Seminaristen zusammen weiterentwickeln<br />
werden könnten. Das wäre auch eine<br />
Möglichkeit von Synthese. Für Ihre Beiträge und um<br />
den Geburtstag des Seminarbriefs zu feiern, sind die<br />
Türen, die Umschläge des Seminarbriefes geöffnet.<br />
Und in der nächsten Ausgabe können wir zusammen<br />
feiern, zusammen lesen, wenn die gesammelten<br />
Beiträge aus dem Kreise der Leser ergänzt durch Beiträge<br />
von heutigen Seminaristen erscheinen. Fast als<br />
wären wir im Kreise versammelt, in einem gemeinsamen<br />
Gespräch, schauend auf die Zukunft!<br />
Diana Hurst<br />
Anmerkung der Redaktion:<br />
Im August 1933 erschien in der Zeitschrift der Christengemeinschaft<br />
die Ankündigung des ersten Seminarbriefes als sogenannte<br />
„Seminar-Nachrichten“. Diese sind dann wohl im September 1933<br />
erstmals erschienen, weil im September 1934 in der Zeitschrift vom<br />
dritten Seminarbrief berichtet wurde. Also wird der nächste<br />
Seminarbrief sein 80. Jubiläum feiern.<br />
Wege zum Seminar<br />
5
Wege zum Seminar<br />
6<br />
Studenten des 3. Trimesters | Sommer 2013<br />
Von links nach rechts<br />
hinten<br />
Von links nach rechts<br />
vorne<br />
Michael Sölch, 1990, Schweiz<br />
Jaqueline Steigner, 1989, Deutschland<br />
Martin Thiele, 1980, Deutschland<br />
Götz Feeser, 1976, Deutschland<br />
Till Sarrach, 1962, Deutschland<br />
Lisa Holthaus, 1984, Deutschland<br />
Willem Boonstoppel, 1965, Niederlande<br />
Marcus Cheney, 1963, England<br />
Daniel Holenweger, 1963, Schweiz<br />
Kateryna Gagarina, 1988, Ukraine<br />
Daiske Kaya, 1980, Japan<br />
Margrit Brunner, 1964, Schweiz<br />
Antonia Alves de Oliveira, 1956, Brasilien<br />
Valentino Franzoi, 1989, Italien
Montsalvat und Golgatha<br />
| Michael Rheinheimer, 6. Trimester<br />
Wie jeder Weg, der zum Seminar führt, ist auch dieser<br />
vollkommen individuell. Vielleicht braucht es aber<br />
bei meiner Geschichte besondere Bereitschaft, ihn<br />
innerlich mitzugehen, um mich nicht fehlzuinterpretieren.<br />
Darum bitte ich Sie herzlich!<br />
Im Frühjahr 2006 stoße ich auf der Suche nach einem<br />
Thema für meine Diplomarbeit am „Deutschen Literaturinstitut<br />
Leipzig“ auf die Gestalt des Gralsforschers<br />
Otto Rahn, die fortan mein weiteres Leben<br />
entscheidend bestimmen wird. Anfang der dreißiger<br />
Jahre des vorigen Jahrhunderts war der junge deutsche<br />
Schriftsteller in die Pyrenäen nach Südfrankreich<br />
gereist, um zu beweisen, dass die Katharerfestung<br />
Montségur die geheimnisvolle Gralsburg<br />
Monsalvat gewesen ist, die Wolfram von Eschenbach<br />
in seinem „Parzival“ beschreibt. Während politisches<br />
Chaos und das soziale Elend der Weltwirtschaftskrise<br />
seine Heimat Deutschland fest im Griff haben, durchforstet<br />
Rahn die Höhlen und Burgen der uralt heiligen<br />
Kulturlandschaften des Languedoc auf der Suche<br />
nach einem Gralschristentum, das er mit dem gnostizistischen<br />
Dualismus der von der römischen Kirche<br />
verfolgten Katharerbewegung in Beziehung bringt. Er<br />
veröffentlicht seine Forschungen in dem Buch<br />
„Kreuzzug gegen den Gral“, durch das einige Jahre<br />
später Heinrich Himmler auf ihn aufmerksam wird,<br />
der seine Ergebnisse ideologisch umzumünzen versucht.<br />
So landet der verarmte Schriftsteller im persönlichen<br />
Stab des Reichsführers SS.<br />
Von nun an nimmt sein Leben eine tragische Wende.<br />
Wesen und körperliche Voraussetzungen Rahns lassen<br />
sich bald nicht mehr mit den unmenschlichen<br />
Anforderungen an einen SS-Mann vereinbaren.<br />
Denunziationen und kompromittierende Äußerungen<br />
über sein Privatleben treiben ihn immer weiter in die<br />
Enge. Man steckt ihn zur Abhärtung in die Wachmannschaften<br />
der Konzentrationslager Dachau und<br />
Buchenwald, wo er innerlich zerbricht. Verzweifelt<br />
bittet er um Entlassung aus der Schutzstaffel. Hein-<br />
rich Himmler und Gestapochef Heydrich stellen ihn<br />
vor die Wahl: Selbstmord oder KZ. Im März 1939<br />
nimmt er sich in den Bergen Tirols das Leben, in der<br />
Nähe eines alten keltischen Sonnenheiligtums, der<br />
Hohen Salve. Soweit der offizielle Stand der Forschung.<br />
In den kommenden Jahren durchstöbere ich Archive,<br />
recherchiere, befrage die letzten noch lebenden Zeitzeugen,<br />
reise und besuche dabei möglichst jeden Ort,<br />
an dem der Gralssucher Spuren hinterlassen hat. Ich<br />
will darüber einmal einen Roman schreiben oder eine<br />
Biografie: die Geschichte eines modernen Parzival,<br />
der auszieht, den Heiligen Gral zu suchen und in<br />
einer zweiten Aventiurekette durch das Reich des<br />
bösen Zauberers Klingsor muss. Für dieses Thema bin<br />
ich gewissermaßen prädestiniert. Es gibt da nämlich<br />
seit der Begegnung mit dem Sagenkreis der Gralsund<br />
Artusmythen schon in frühen Waldorfschultagen,<br />
über die Auseinandersetzung mit dem Faust-<br />
Stoff während einer mehrjährigen Tätigkeit als<br />
Regieassistent am Theater einen geheimen Faden in<br />
meinem Leben, der mich immer wieder zu denselben<br />
Themen und Motiven leitet. Zugleich wird mich aber<br />
auch das ausführliche Studium der Anthroposophie<br />
während meiner Forschungen als helfender und<br />
sicherer Leitfaden begleiten, um mich immer weiter<br />
in das Thema zu vertiefen und das Wesentliche unter<br />
all dem Schmutz und all der Dunkelheit zu erkennen<br />
und herauszuarbeiten. Denn Otto Rahns Suchen und<br />
Ringen drehen sich zeitlebens um das Kerngeheimnis<br />
des Christentums, die Frage nach der Menschwerdung<br />
und Auferstehung Jesu Christi. Christus wurde<br />
nicht Mensch, schreibt er anfangs in seinem „Kreuzzug“,<br />
in dem er noch ganz der dualistischen Weltsicht<br />
der Katharer anhängt. Ein menschlicher Körper kann<br />
nicht sterben und in den Himmel kommen. Gleichzeitig<br />
kreist sein Denken aber immer wieder um die<br />
Frage, wie der Paraklet, der tröstende Kuss Gottes, die<br />
durch Luzifer gefallenen Menschenseelen anstelle<br />
des alten Adam wieder erlösen kann.<br />
Wege zum Seminar<br />
7
Wege zum Seminar<br />
8<br />
… Mein Weg zum Seminar<br />
Bei meinen Recherchen im Berliner Bundesarchiv<br />
finde ich in Rahns Personalakte schließlich Briefe von<br />
ihm an Himmler, die ein erweitertes, offenbar neues<br />
Verständnis dieser Fragen nahelegen. Er schreibt da,<br />
er sei nach jahrelangen Forschungen auf ganz große<br />
Überraschungen gestoßen und kündigt – streng vertraulich<br />
– dem Reichsführer ein Buch mit dem Titel<br />
„MONTSALVAT UND GOLGATHA“ an. In einem weiteren<br />
Brief berichtet er ihm mit bemerkenswerter<br />
Unbekümmertheit von einem Roman über den christlichen<br />
Märtyrer Sebastian, der ihn seit Jahren zutiefst<br />
beschäftige und in welchem er die Quintessenz seiner<br />
bisherigen Erkenntnisse und Thesen niederlegen<br />
wolle.<br />
Was eine solche Entwicklung eines Menschen zum<br />
Christentum hin in Himmler ausgelöst haben muss,<br />
lässt sich nur erahnen. Beobachten kann man aber,<br />
wie man den wegen seines Privatlebens angreifbaren<br />
Rahn von nun an innerhalb der SS zu brechen versucht,<br />
worüber Himmler penibel Tagebuch führt. Ein<br />
mephistophelischer Kampf um die Seele eines<br />
suchenden Menschen entbrennt, der sich in die<br />
Finsternis begeben hat und darin immer mehr zum<br />
Licht erwacht. Die beiden Werke, in denen Rahn über<br />
Golgatha und den Heiligen Sebastian schreiben will,<br />
sind spurlos verschwunden, wahrscheinlich sogar<br />
vernichtet worden. Stattdessen wird unter seinem<br />
Namen ein Buch veröffentlicht, das sich in großen<br />
Teilen weder stilistisch noch inhaltlich mit ihm in<br />
Einklang bringen lässt, auch wenn es auf seinen<br />
Reisetagebuchblättern basiert. Schließlich wird er<br />
von Himmler persönlich in die SS-Totenkopfverbände<br />
abkommandiert. Zur Reichskristallnacht ist er im<br />
Lager Buchenwald stationiert. Einem Freund vertraut<br />
er an: „Ich kann nicht sagen, wo ich war“. Ich habe<br />
Dinge gesehen, mit denen ich nicht fertig werde.<br />
Wenige Monate später finden Kinder beim Spielen<br />
neben einem Bachbett in den Bergen Rahns Leiche.<br />
Viele Menschen sind von dieser Geschichte berührt<br />
und fordern mich auf, davon zu erzählen. Das verdeutlicht<br />
den geistigen Kampf, der hinter den äußerlich<br />
wahrnehmbaren Ereignissen der Geschichte<br />
stattfindet, sagen sie. Andere greifen mich deswegen<br />
an. Du versuchst, jemanden zu rechtfertigen, der sich<br />
mit den Nazis eingelassen hat, heißt es. Der Vorwurf<br />
trifft mich deshalb, weil er ja nicht von der Hand zu<br />
weisen ist. Trotzdem fühle ich mich der Geschichte<br />
dieses Menschen verpflichtet. Im Evangelium wird<br />
immer wieder davon gesprochen, dass vor der<br />
Wiederkunft des Menschensohnes der satanische<br />
Widersacher die Menschen durch Zeichen und<br />
Wunder verführen wird. Es gibt die großen Zeugen<br />
dieser Wiederkunft wie Hermann Kükelhaus, Albrecht<br />
Haushofer oder Jaqcues Lusseyrant, die wachsam<br />
waren und standhaft geblieben sind. Es gibt die<br />
Menschen des Chaos, die sich dem Abgrund verschreiben<br />
und allen Versuchungen zum Bösen ausgesetzt<br />
sind, und dann gibt es auch noch die, über die<br />
Jesus sagt: „ … dass womöglich auch jene verführt<br />
werden können, in denen das höhere Sein schon lebt“.<br />
Ich meine, die Geschichte Otto Rahns ist die
Geschichte eines solchen Verführten, auch wenn er<br />
aus diesem höheren Sein heraus am Ende erkennen<br />
muss, dass er der falschen Seite gedient hat. Was mir<br />
in meiner Arbeit auf der Seele brennt, ist nicht, ihn<br />
dafür zu verurteilen, sondern die Frage, was daraus<br />
werden kann. Was ist aus Paulus geworden, nachdem<br />
er vor Damaskus im Staub gelegen hat? Was ich<br />
damit sagen will: Otto Rahns Grals- und Christussuche<br />
war längst zu meiner eigenen geworden. In<br />
meiner Diplomarbeit habe ich über das Thema<br />
Streiflichter aus 53 Jahren<br />
| Sylvia Momsen, 3. Trimester<br />
Kindheit<br />
Berlin, im Altenheim, sommerliche Hitze, ein Kind<br />
wird geboren. Da bin ich, du schöne Welt! Alles tut<br />
weh (Polio 2 J.), auf Mutters Arm ist alles gut. Vater<br />
fährt die große Bohnermaschine, auf der ich stehe,<br />
durch die Räume der Christengemeinschaft. Er<br />
schneidet die Kerzen am Altar, ich sitze unter der<br />
Kanzel. Den Teppich am Altar betreten wir nie. Wir<br />
sprechen leise, auch im Aufbahrungsraum, schauen<br />
auf den Verstorbenen, Vater erzählt aus dessen<br />
Leben. Ich liebe diesen Ort, staune über die Veränderungen<br />
des Leibes. Schweres Gewitter nachts, alle<br />
gehen in die Kirche.<br />
Eine Mutter weint sich bei meiner Mutter aus! Das<br />
schmerzt tief, tief im Herzen. Wie groß muss ein Leid<br />
sein, wenn eine Mutter weint! Einen Menschen, der<br />
Angst hat, lässt man nie allein, sagt Mutter zu mir.<br />
Sonntag, herausgehoben, während der Menschenweihehandlung,<br />
tiefer Friede erfüllt die Kinderseele<br />
außen vor der Kirchentür. Nachmittags treffen sich<br />
die Familien, trinken Kaffee, reden und lachen. Der<br />
geschrieben. Ein Roman oder eine Biografie ist es<br />
nicht geworden, vielmehr bin ich selbst das Ergebnis<br />
dieser Arbeit.<br />
Oft werde ich jetzt gefragt: „Vom Theater und von der<br />
Literaturszene ans <strong>Priesterseminar</strong> der Christengemeinschaft<br />
– ist das nicht ein ziemlicher Bruch in<br />
deinem Leben?“ Von außen sieht das wahrscheinlich<br />
so aus. Für mich selbst könnte der Schritt folgerichtiger<br />
nicht sein.<br />
große Gemeindegarten ist voll von fröhlichen Kindern.<br />
Auch die Pfarrer machen mit beim Ballspielen.<br />
Beim Abendbrot ist die Familie selten allein.<br />
Weihnachten. Rudolf Frieling spricht. Ich sitze ganz<br />
still hinten in der Kirche. Gewaltig tönen seine<br />
Worte, ergreifen mich, lassen mich nicht mehr los:<br />
Cherubim und Seraphim! Später sitzt er bei uns am<br />
Tannenbaum, bescheiden und mit Augen erfüllt von<br />
liebevoller Wärme.<br />
Schule: ich bin glücklich über alles Neue. Lerne und<br />
schaffe gerne. Doch dann: Ungerechter Weise der<br />
Lüge bezichtigt, wird mein rebellischer Geist geboren.<br />
Jugend und Berufsfindung<br />
Neunjährig: Vor mir liegt ein Neugeborenes eine<br />
Stunde alt, ich habe das Gefühl unerschöpflichen<br />
Glückes. Mein erster Beruf klopft an, Hebamme!<br />
Zwölf Jahre alt: Ostverträge, wir dürfen durch die<br />
Mauer nach Ost-Berlin. Eines Tages steht Willy<br />
Brandt vor mir und fragt mich, was ich werden will.<br />
Mein zweiter Beruf klingt an, Politikerin. Dann:<br />
Konfirmation, Jugendtagungen. Mutter erkrankt an<br />
Wege zum Seminar<br />
9
Wege zum Seminar<br />
10<br />
... Streiflichter aus 53 Jahren<br />
Krebs. Pflege, Haushalt. Sie geht ganz bewusst auf<br />
den Tod zu, bereitet mich und meine Schwester darauf<br />
vor. Die Gemeinde verliert einen Menschen voll<br />
unerschöpflicher Wärme, des selbstverständlichen<br />
Dienens, des eigenständigen Denkens und Handelns.<br />
17 Jahre alt: Orientierungskurs am <strong>Priesterseminar</strong>.<br />
Ein dritter Beruf steht vor mir. Doch erst in die Welt:<br />
Aupair in Frankreich im Altersheim. Dann Praktikum<br />
Psychiatrie, dort auf dem Bauernhof begeistertes<br />
Kühemelken, Ausmisten, Heumachen.<br />
Wieder in Berlin: Hebammenausbildung, Freuden und<br />
Leiden, Geburt und Tod, ganz nah. Schließlich: <strong>Priesterseminar</strong><br />
Grundstudium, Referat halten. Angst. Dr.<br />
Benesch schaut mich gütig an. Die Gedanken formen<br />
sich, und es gelingt.<br />
Familienzeit<br />
Heirat. Mein Mann ist Pfarrer. Ich übernehme den<br />
weltlichen Teil, er den religiösen. Drei Kinder bereichern<br />
fröhlich die Familie und beschäftigen die<br />
Mutter. Mehrfach ziehen wir um, bauen immer wieder<br />
neu einen sozialen Umkreis auf. Der Vater ist selten<br />
für uns da. Ich leide darunter, bin oft ungeduldig,<br />
unzufrieden und auch ungerecht ihm gegenüber. Ich<br />
suche eine Arbeit, die sich mit dem Lebensalltag<br />
einer Pfarrfamilie verbinden lässt. Erlerne die<br />
Massage, werde Heilpraktikerin, engagiere mich für<br />
die Grünen und sitze als Abgeordnete im Stadtparlament<br />
von Frankfurt, wohin „wir“ entsandt wurden.<br />
Die Ehe zerbricht und vieles in mir. Doch das<br />
Leben geht weiter, und die Kinder gehen ihre eigenen<br />
Wege.<br />
Und nun?<br />
Die Selbständigkeit bringt neue Sichtweisen, auf<br />
mich und mein Leben.<br />
Vor einem Jahr, auf dem Weg ins Kino. Eine<br />
Schlägerei direkt vor mir. Von Messerstichen lebensgefährlich<br />
verletzt liegt ein Mann am Boden. Ich leiste<br />
erste Hilfe. Er wird grauer und grauer, verliert<br />
immer mehr Blut. „Vater unser ..., Herrgott noch mal,<br />
lass den jetzt bloß nicht sterben!“ Er überlebt.<br />
Irgendwie fühlt sich das eigene Leben auf einmal<br />
ganz anders an. Ich denke viel nach. Schaue auf<br />
meine Lebensfäden, den medizinischen, den politischen,<br />
den religiösen. Die ersten beiden habe ich<br />
intensiv gelebt. Doch den religiösen? Hatte ich ihn<br />
vergessen? So hat mich die Frankfurter Unterwelt<br />
nach 30 Jahren wieder hier ans <strong>Priesterseminar</strong><br />
gebracht. Altvertraute Räume, neue Menschen und<br />
unendlich viele neue Gedanken und Erlebnisse. Die<br />
Zukunft? Sie ist immer unbekannt, doch ein Weg<br />
liegt jetzt sichtbar vor mir. Wo er wohl hinführt?
Studenten des 6. Trimesters | Sommer 2013<br />
Von links nach rechts Anka Kruczek, 1977, Polen<br />
Helge Tietz, 1975, Deutschland<br />
Michael Rheinheimer, 1978, Deutschland<br />
Astrid Bruns, 1970, Deutschland<br />
Rose Steinberg, 1985, Deutschland<br />
Viviane Malena Trunkle, 1964, Brasilien<br />
Diana Hurst, 1977, Argentinien<br />
Julian Rögge, 1984, Deutschland<br />
Mette Weinhard, 1962, Dänemark<br />
Sylvia Momsen, 1959, Deutschland<br />
Wege zum Seminar<br />
11
Wege zum Seminar<br />
12<br />
Auf der Suche nach einem Ziel<br />
| Valentino Franzoi, 3. Trimester<br />
Ich bin in Trento/Italien geboren. Mein Leben hat<br />
nicht in einem anthroposophischen Umfeld angefangen.<br />
Ich wurde zum staatlichen Kindergarten<br />
geschickt und erst gegen Ende meiner Zeit im<br />
Kindergarten lernte meine Mutter die Anthroposophie<br />
kennen. Danach hatte ich das Glück, noch<br />
einen Waldorf-Kindergarten besuchen zu können,<br />
und bin erst mit sieben Jahren in die Waldorfschule<br />
eingeschult worden. Die Anthroposophie verschaffte<br />
sich immer mehr Platz innerhalb meiner Familie, und<br />
durch die Stimmung bei mir zu Hause und die Stimmung<br />
in der Schule lernte ich, die Welt lieb zu haben.<br />
Respekt gegenüber der Erde zu haben, gelang mir<br />
spontan, weil alles, was auf der Erde lebt, eigentlich<br />
ein Geschenk für uns Menschen ist.<br />
Ich bin mit der Anthroposophie aufgewachsen, ohne<br />
zu wissen, was sie ist. Ich sah bei mir zu Hause viele<br />
Bücher darüber, aber mein Interesse dafür war nicht<br />
wach. Meine Mutter ist diejenige, die nach diesem<br />
besonderen Wissen gestrebt hat, und sie hätte mir<br />
gewiss gerne davon erzählt, wenn ich sie gefragt<br />
hätte. Das hat bei mir eine Weile gedauert.<br />
Sie hatte die Meinung: Was Rudolf Steiner in seinen<br />
Bücher geschildert hat, das ist das wahre Leben und<br />
das ist, wie das Leben gelebt werden muss; doch man<br />
kann nur über Anthroposophie sprechen, wenn die<br />
Leute selbst Interesse haben und nach diesem Wissen<br />
fragen.<br />
Als Kind konnte ich immer staunen über die Schönheit<br />
der Natur, für mich war es ein Wunder zu entdecken,<br />
wie schön die Welt ist, wie von den größten<br />
Dingen bis zu den kleinsten alles zusammenpasst<br />
und einer höheren Harmonie angehört. Stundenlang<br />
konnte ich die Landschaft von Trentino betrachten.<br />
Ich habe immer den erfrischenden Duft nach dem<br />
Regen gerochen. Der Sonnenuntergang und die<br />
Blumen auf den Wiesen ließen in mir ein Gefühl von<br />
Dankbarkeit entstehen. So litt ich auch jedes Mal,<br />
wenn ich entweder im Radio oder im Fernseher<br />
hörte, wie Menschen schlecht mit der Erde umgehen,<br />
sie diese kaputt machen, und ich dachte mir<br />
dabei: Wenn die Schönheit der Natur irgendwann<br />
nicht mehr zu beobachten wäre, dann würde das<br />
Leben keinen Spaß mehr machen. Deswegen entschied<br />
ich mich, nach meiner Zeit auf der<br />
Waldorfschule in Richtung Naturschutz weiter zu<br />
gehen. So entschloss ich mich, ins Vermessungstechniker-Gymnasium<br />
zu gehen. Zeichnen konnte<br />
ich nicht schlecht und dachte: Wenn ich in meiner<br />
Zukunft umweltfreundliche Häuser planen würde,<br />
wäre das auch ein guter Weg, um etwas gegen die<br />
Umweltverschmutzung zu tun. Nach dem Abitur<br />
nahm ich ein Jahr Pause, um besser auf meine<br />
Zukunft zu schauen, und ging an den Bodensee, wo<br />
ich ein Jahr lang in einer Camphill-Einrichtung mit<br />
seelenpflegebedürftigen Jungen arbeitete. Das war<br />
eine wunderschöne Erfahrung: ein neues Land, ein
neues Leben, eine neue Sprache – viele Herausforderungen.<br />
Ich konnte wirklich alles erreichen, was die<br />
Leute von mir erwarteten. Das Leben im Camphill<br />
hatte mich auch begeistert, aber ich fühlte in mir<br />
nicht einen besonderen Ruf wie z.B.: „Ja Valentino,<br />
das kannst du wirklich im Leben machen!“ So ging<br />
ich wieder nach Italien zurück und bewarb mich an<br />
der Uni für Umweltingenieurwissenschaft, um meine<br />
Ideale in Richtung Naturschutz weiterzubringen. Ich<br />
fand auch interessant, was man da lernen konnte.<br />
Aber dieses Studium erfüllte mich nicht. Mein Kopf<br />
war voll von allen möglichen mathematischen<br />
Formeln, aber meine Begeisterung für den zukünftigen<br />
Beruf als Ingenieur war nicht so groß. Viele<br />
Fragen, die unbeantwortet blieben, brachten mich<br />
dazu, das Studium nach einem Jahr abzubrechen. Es<br />
war gerade Sommer, als ich der Anthroposophie<br />
begegnen durfte. Ich arbeitete auf einem Bauerhof,<br />
wo ich zum ersten Mal in meinem Leben mit der biologisch-dynamischen<br />
Landwirtschaft tatsächlich zu<br />
tun hatte und mit den Präparaten. Was ich da<br />
gelernt habe, weckte in mir den Wunsch, mich weiter<br />
darüber kundig zu machen. Bei mir zu Hause<br />
fand ich ein Buch von Rudolf Steiner dazu, und so<br />
lernte ich ein bisschen, wie seine Gedanken über die<br />
Erde sind.<br />
Weil das Jahr am Bodensee so schön gewesen war,<br />
kehrte ich wieder nach Deutschland zurück, dieses<br />
Mal aber nach <strong>Stuttgart</strong> ans Jugendseminar. Dieses<br />
Jahr ist so veranlagt, dass junge Leute aus der ganzen<br />
Welt zusammenkommen können, um in die<br />
Anthroposophie und ihre verschiedenen Anwendungsbereiche<br />
eingeführt zu werden. So können sie<br />
Impulse bekommen, die ihre Berufsauswahl begleiten<br />
und inspirieren. Es war ein sehr schönes Jahr in<br />
Begegnung mit vielen Dozenten und Themen. Am<br />
Ende des Jahres hatte ich einige Ideen für meine<br />
Zukunft, die aber werde ich jetzt nicht verraten.<br />
In Italien kannte ich schon seit Langem die<br />
Christengemeinschaft, in der ich auch konfirmiert<br />
worden war. Weil ich noch nicht ganz sicher über<br />
mich selbst und meine Aufgabe in der Welt war, griff<br />
ich gern den Vorschlag auf, am <strong>Priesterseminar</strong> vorbeizuschauen.<br />
Es wurde mir beschrieben als ein Ort,<br />
wo die Menschen durch diese christliche Ausbildung<br />
lernen, was es genau bedeutet, „Mensch zu werden“,<br />
und wie mit Hilfe der Anthroposophie dieses<br />
Menschwerden sich immer vertieft, sodass die Menschen<br />
wirklich offen werden, neue geistige Impulse<br />
für ihr Leben aufzunehmen. Ziemlich neugierig hospitierte<br />
ich also ein paar Tage am <strong>Priesterseminar</strong>. So<br />
war mein Weg zum Seminar. Um mich selbst noch<br />
tiefer kennenzulernen, kam ich ins <strong>Priesterseminar</strong>,<br />
wo ich nun fast schon ein ganzes Jahr bin. Und versuche,<br />
etwas daraus zu machen – mit dem, was ich<br />
da studiere …<br />
Wege zum Seminar<br />
13
Wege zum Seminar<br />
14<br />
Von draußen nach drinnen.<br />
| Willem Boonstoppel, 3. Trimester<br />
Am Weihnachtsabend ging meine Mutter mit mir ein<br />
einziges Mal, ich war damals acht Jahre alt, zur<br />
katholischen Messe. Was da drinnen geschah, daran<br />
habe ich kaum Erinnerungen. Aber draußen vor der<br />
Tür gab es einen Weihnachtsstall mit riesigen, dunkelbraunen<br />
Holzfiguren. Da hat Joseph mich ganz<br />
ernsthaft angeschaut und einen tiefen Eindruck hinterlassen.<br />
Wie verzaubert stand ich da. Und eigentlich<br />
ist es immer so geblieben: Das, was innerhalb<br />
der Kirche stattfand, hat mich nie so richtig beeindrucken<br />
können, das, was außerhalb zu beobachten<br />
war, umso mehr.<br />
Eine religiöse Erziehung bekam ich nicht. Nicht in<br />
dem Sinn, dass wir uns als Familie zu einer Religion<br />
bekannten, in die Kirche gingen oder ein Tischgebet<br />
sprachen. Es gab Religionsunterricht im Gymnasium,<br />
aber wirklich gut aufgepasst habe ich wahrscheinlich<br />
nicht. Das Singen im Chor der Evangelische<br />
Kirche hat mir Spaß gemacht, weil so viele Freunde<br />
auch daran beteiligt waren; die Texte fand ich immer<br />
ein bisschen merkwürdig.<br />
Als ich 15 Jahre alt war, ist mein Vater gestorben.<br />
Meine Mutter konnte das kaum ertragen, sie hat<br />
damals versucht, mir die Verantwortung zu übergeben.<br />
Selber hatte sie nie so richtig gelernt, wirklich<br />
das Leben zu ergreifen und etwas daraus zu machen.<br />
Diese Aufgabe war für mich zu schwer. Erst viel später<br />
habe ich verstanden, dass es natürlich eine<br />
unmögliche Aufgabe war, die ich gar nicht erfüllen<br />
konnte. An meinem achtzehnten Geburtstag zog ich<br />
aus, ich wollte so weit weg wie möglich vom<br />
Elternhaus gehen, ohne über die Landesgrenze zu<br />
stolpern.<br />
So fingen die Schelmenjahre an, wo ich genau dasjenige<br />
versuchte, was meiner Mutter nie gelungen<br />
war: das Leben zu ergreifen und etwas daraus zu<br />
machen, aber ohne dass ich mir viel Mühe gab, mich<br />
in die Umwelt einzufügen. Eher war es umgekehrt,<br />
das Leben sollte sich mir anpassen.<br />
Musiker wollte ich werden, spielte Bass und<br />
Schlagzeug in einer Rockband. Es war mir vollkommen<br />
unverständlich, dass wir nicht sofort zu großer<br />
Berühmtheit und Reichtum aufstiegen! Oder Maler,<br />
ich malte nächtelang und war sehr enttäuscht, als<br />
sie mich mit meiner jugendlichen Ungeduld in der<br />
Kunstakademie nicht haben wollten. Also dann,<br />
Schriftsteller sollte ich sein! In wenigen Wochen<br />
schrieb ich einen Roman und sandte ihn an einen<br />
Verlag. Und wieder war ich überrascht, dass ich das<br />
Manuskript – zwar begleitet von guten Kommentaren<br />
– wieder zurück bekam mit dem Rat, es noch<br />
einmal zu versuchen.<br />
In dieser Zeit begegnete ich meiner ersten Gattin,<br />
und in den Künstlerkreisen von damals machte es<br />
einfach Spaß, ein großes Fest zu veranstalten und zu<br />
heiraten. Dieses hektische Leben war ganz schön<br />
anstrengend. Und etwas Wichtiges fehlte. Was das<br />
wohl war, konnte ich nicht so genau sagen. An einem<br />
Tag kam bei einem unserer Konzerte jemand aus dem<br />
Publikum auf mich zu, ganz betrunken, aber vielleicht<br />
deswegen ehrlich und frei. Er erzählte mir, wie<br />
schmerzhaft es für ihn war, dass wir so viel Unzufriedenheit<br />
ausstrahlten. Es kam wie ein Blitz: Jetzt<br />
muss sich etwas ändern.<br />
Als ich meiner zweiten Frau begegnete war es sofort<br />
klar; sie sollte die Mutter meiner Kinder sein. Dieses<br />
Gefühl war gegenseitig, und innerhalb von sechs<br />
Jahre wurden unsere beiden Kinder geboren, eine<br />
Tochter und ein Sohn. Wir gründeten eine richtige<br />
Familie mit Kindern, Hund und Auto und hatten ein<br />
schönes kleines Häuschen in einem schönen kleinen<br />
Dorf. Einen richtigen Beruf fand ich schließlich auch<br />
noch. Bei einem Großhändler für ökologische<br />
Lebensmittel wurde ich allmählich eingeführt in ein<br />
umweltbewusstes Denken und ein wirtschaftliches<br />
Handeln. Etwas ganz Wichtiges war aber noch<br />
immer nicht da.<br />
All diese äußerlichen Sachen, die man unbedingt<br />
haben soll, um glücklich zu sein, reichten mir ein-
fach nicht. Dann habe ich angefangen zu suchen.<br />
Innerlich spürt man ja schon, dass es etwas mehr<br />
gibt zwischen Himmel und Erde, aber hinter jeder<br />
geöffneten Tür fand ich zwar viel Wertvolles, aber<br />
nie dasjenige, was bei mir wirklich diese Erfahrung<br />
vom Weihnachtsstall hätte wiedererwecken können.<br />
Auch meine Frau erfuhr eine Lehre in unserem Leben,<br />
sie aber glaubte, die Lösung außerhalb unsere Beziehung<br />
finden zu können und zog mit unseren beiden<br />
Kindern weiter. Da war ich plötzlich allein mit<br />
meinem Hund und meinem Häuschen – ratlos und<br />
unglücklich.<br />
In meiner Tätigkeit als Verkaufsmitarbeiter begegnete<br />
ich Lucienne, der Mitarbeiterin in einem Naturkostladen,<br />
und wir wurden während unserer geschäftlichen<br />
telefonischen Gespräche gute Freunde.<br />
Diese Gespräche nahmen, ohne dass wir es selbst<br />
recht bemerkten, immer mehr einen anthroposophischen<br />
Charakter. Über Rudolf Steiner erzählte sie<br />
und die Waldorfschule, biologisch-dynamische<br />
Landwirtschaft, Eurythmie … Das war mir alles bis<br />
dahin völlig unbekannt, aber jedes Mal klingelte da<br />
irgendein Glöckchen in mir. Etwas in mir wurde<br />
berührt, sprach von dem Wahren, dem Guten, dem<br />
Schönen. Daneben gab es natürlich noch viel mehr<br />
zu besprechen, und allen Kollegen war schon lange<br />
klar, wohin das führen würde …<br />
Am Silvesterabend 2005 waren wir dann zusammen<br />
in meinem kleinen Haus. Lucienne erzählte von der<br />
Christengemeinschaft, da gab es so ein kleines<br />
Kirchlein, in das sie immer schon hatte gehen wollen,<br />
wozu sie aber nie den Mut gefunden. Etwas von<br />
meinem früheren Sturm und Drang war noch lebendig,<br />
und schon am nächsten Tag, dem ersten Januar,<br />
saßen wir beide in der Menschenweihehandlung.<br />
Wie ist es möglich, dass man 40 Jahre in der Welt<br />
herumwandert und erst dann bemerkt, wo man zu<br />
Hause ist? Dass alles, was man an Spiritualität<br />
gesucht hat und dessen Vorhandensein man ahnte,<br />
sich plötzlich auf einer Stelle finden lässt?<br />
Nach diesem Tag ging es relativ schnell. Mitglied<br />
wurden wir im Jahr 2007 zusammen am Michaelstag.<br />
Das Sakrament der Ehe empfingen wir zwei<br />
Jahre später, auch in der Michaelizeit. Als Hausmeister-Ehepaar<br />
lernten wir die Gemeinde von innen<br />
und außen kennen. Und immer war da eine Stimme<br />
im Hintergrund, die jeden Tag gesprochen hat,<br />
manchmal leise, manchmal sehr laut: Ob es vielleicht<br />
auch möglich sein könnte, dass eines Tages,<br />
später… ja, dass ich wirklich wissen würde, was<br />
meine Aufgabe in diesem Leben sein könnte. Kein<br />
Rockstar, aber vielleicht etwas Musikalisches. Kein<br />
Maler, aber vielleicht etwas Bildhaftes. Kein<br />
Schriftsteller, aber vielleicht etwas im Umgang mit<br />
dem Wort.<br />
Nicht mehr draußen vor der Tür, staunend über einen<br />
beeindruckenden Joseph, aber drinnen, in der Kirche,<br />
weiter suchend und arbeitend mit dem Wahren, dem<br />
Guten und dem Schönen. Deswegen bin ich jetzt hier<br />
am Seminar, lauschend und dem nachspürend, ob<br />
diese Stimme recht hat, ob sie mich lenken kann von<br />
draußen nach drinnen.<br />
Wege zum Seminar<br />
15
Wege zum Seminar<br />
16<br />
Die Weichen neu gestellt...<br />
| Margrit Brunner, 3. Trimester<br />
Es kommt vor, dass ich mich heute noch manchmal in<br />
den Arm kneife, um sicher zu gehen, dass ich mich<br />
tatsächlich am <strong>Priesterseminar</strong> befinde. Bis vor etwa<br />
dreieinhalb Jahren wusste ich nicht einmal, dass es<br />
die Christengemeinschaft überhaupt gibt, obwohl ich<br />
in meiner Heimatstadt Zürich bereits des Öfteren am<br />
wunderschönen Haus der Gemeinde in der historischen<br />
Altstadt vorübergegangen war. Ich erinnere<br />
mich sogar, einmal das Gemeindeprogramm im Aushang<br />
studiert zu haben. Was da stand, weiß ich nicht<br />
mehr. Sehr angesprochen fühlte ich mich wohl nicht.<br />
So war es bei mir, wie bei vielen anderen Menschen<br />
auch – durch einen Schicksalsschlag wurde ich<br />
unsanft wachgerüttelt und nahm meine für längere<br />
Zeit unterbrochene Suche nach einer lebendigen,<br />
weltzugewandten Spiritualität wieder auf. Damals,<br />
im Spätherbst 2009, lag mein Mann, ein chilenischer<br />
Kunstmaler, mit einer fortgeschrittenen Krebserkrankung<br />
in einer anthroposophischen Klinik. Für die Anthroposophie<br />
an sich hegten wir kein Interesse,<br />
jedoch war uns der ganzheitliche medizinische<br />
Ansatz sehr wichtig. Mein Mann war ein tiefreligiöser<br />
Mensch, der sich aber keiner Bekenntnisgemeinschaft<br />
zugehörig fühlte. Er bezeichnete sich<br />
stets als „christlicher Freidenker“. Wir hatten glücklicherweise<br />
keine Scheu, über den Tod miteinander zu<br />
sprechen, und so thematisierten wir auch unsere<br />
Vorstellung einer idealen Bestattung. Er meinte, dass<br />
er eine Rede verfassen würde, die ich dann an seinem<br />
Grab vorlesen könne, und danach solle ein fröhliches<br />
Fest stattfinden. Er wünschte ausdrücklich keinen<br />
Pfarrer bei seiner Beerdigung. Seinen Wunsch konnte<br />
ich zwar gut verstehen, jedoch konnte ich mich gar<br />
nicht mit der Idee einer Bestattung ohne Kultus<br />
anfreunden.<br />
Ich nahm mir nun die Zeit, im Internet nach Ant–<br />
worten auf meine Frage nach einer kultischen<br />
Bestattung für Menschen ohne Religionszugehörigkeit<br />
zu fahnden. So stieß ich auf die Christengemeinschaft.<br />
Auf meine Mailanfrage erhielt ich von der<br />
Gemeindehelferin den Rat, doch einen der Pfarrer<br />
telefonisch zu kontaktieren, dies verbunden mit einer<br />
Einladung zur Teilnahme an einer Menschenweihehandlung.<br />
Da es mir innerlich zutiefst widerstrebte,<br />
mit einem mir unbekannten Menschen zu telefonieren<br />
und dies noch dazu in einer eher schwerwiegenden<br />
Angelegenheit, beschloss ich, erst einmal unverbindlich<br />
an einem solchen Gottesdienst teilzunehmen.<br />
So stand ich eines trüben, kalten Novembermorgens<br />
vor dem Eingang der Zürcher Gemeinde. Ich<br />
öffnete die Türe und fand mich in einem langen<br />
dunklen Flur wieder, an dessen Ende sich noch eine<br />
weitere Türe befand. Auch diese Türe hinter mir lassend,<br />
passierte ich einen Hof, an dessen Ende wiederum<br />
eine Tür zum Kirchenvorraum zu durchschreiten<br />
war. Dann endlich befand ich mich zum ersten Mal<br />
im Weiheraum, der mir in seiner düsteren, unheimlichen<br />
Stille sehr missfiel. Die Menschenweihehandlung<br />
fand statt, und ich beschloss, kein zweites Mal<br />
hinzugehen - so befremdend fühlte sich das Ganze<br />
an. Doch ein im Gemeindeprogramm angekündigter<br />
Kurs zur Begleitung Sterbender und Verstorbener<br />
fand mein Interesse. Ich ging hin und führte dann in<br />
der Folge auch ein erstes Gespräch mit der Pfarrerin,<br />
die diesen Kurs leitete. Es tat mir in der Seele wohl,<br />
endlich auf ein Gegenüber zu treffen, das verstand<br />
wie ich mich fühlte. Aus diesem Grund schlug ich am<br />
folgenden Tag meinem Mann vor, sich doch zu öffnen<br />
für ein Gespräch mit einem Pfarrer der Christengemeinschaft.<br />
Zu meinem großen Erstaunen stimmte er<br />
meinem Vorschlag sofort zu. Leider konnte der vereinbarte<br />
Besuch nicht mehr stattfinden, da mein<br />
Mann, sich innerlich treu bleibend, drei Stunden vor<br />
dem Termin die Schwelle zur geistigen Welt überschritt.<br />
Er wurde trotzdem kurz vor Weihnachten<br />
2009 mit dem Kultus der Christengemeinschaft<br />
bestattet. Ich bin sehr dankbar dafür und auch überzeugt,<br />
dass es schließlich so auch für meinen Mann<br />
stimmig war. Es eröffneten sich dadurch auch für<br />
mich neue Wege, und ich wollte erfahren, welche<br />
Antworten auf meine vielen Fragen denn mit Hilfe
der Anthroposophie zu finden sind. Das spannende<br />
Resultat dieser Forschung war – hinter jeder gefundenen<br />
Antwort verstecken sich neue Fragen. Ich<br />
durfte nun die Christengemeinschaft in ihrer großen<br />
Fülle erfahren - in den Sakramenten, im gemeinschaftlichen<br />
Wirken und Arbeiten und in der Suche<br />
nach Erkenntnis.<br />
Eine große Entdeckung war für mich der weltumspannende<br />
Aspekt der Bewegung. Ich durfte teilnehmen<br />
an den Feierlichkeiten zur Gründung der Christengemeinschaft<br />
in Spanien und in Ungarn. Mich zu<br />
verbinden mit Menschen aus vielen Nationen und<br />
Kulturen, die den Christusimpuls auf Erden verwirklichen<br />
wollen, war für mich ein Riesengeschenk. Anfang<br />
2012 fiel mir dann der <strong>Stuttgart</strong>er Seminarbrief<br />
in die Hände, den ich sogleich mit großem Interesse<br />
verschlang. Besonders die Berichte unter der Rubrik<br />
„Wege zum Seminar“ hatten es mir angetan. Ich entnahm<br />
daraus, dass Menschen mit ganz verschiedenen<br />
Werdegängen, Berufen und Schicksalen den Weg<br />
ins <strong>Priesterseminar</strong> gefunden haben und dass sich<br />
auch schon ein paar ältere Semester unter die<br />
Studentenschar reihten. Mich beschäftigte schon<br />
länger die Idee, ein anthroposophisches Studium aufzunehmen,<br />
und auch der Gedanke, ob meine langjährige<br />
Arbeit für die Schweizerischen Bundesbahnen<br />
mich wirklich noch in die Zukunft tragen kann oder<br />
ob eventuell noch andere Herausforderungen auf<br />
mich warten, ließ mich nicht zur Ruhe kommen.<br />
Meine Arbeit am Flughafenbahnhof in Zürich war<br />
durchaus interessant – aber kam in ihr wirklich meine<br />
wahre Lebensaufgabe zum Tragen? So reifte in mir<br />
der Impuls, besonders nach dem Tod meiner Mutter,<br />
deren letzte Erdenzeit so unendlich viel schwieriger<br />
war als die meines Mannes, jetzt nicht mehr zuzuwarten,<br />
sondern die Sache in Angriff zu nehmen und<br />
Grundsätzliches in meinem Leben zu ändern. Ich raffte<br />
mich auf und sandte dem Seminar eine Mail mit<br />
der Bitte, mir doch bitte die Daten für alle geplanten<br />
Orientierungswochen zuzusenden. Es kam eine sehr<br />
freundliche Antwort mit dem Hinweis, dass ich mich<br />
gerne für die Orientierungswoche im Februar anmelden<br />
dürfe, falls – ja falls ich noch nicht älter als 45<br />
Jahre alt sei. Nun war ich zu dem Zeitpunkt bereits<br />
47 Jahre alt, und so schrieb ich dann zurück, dass ich,<br />
falls mein Alter wirklich ein Hindernis sei, bereit sei,<br />
bis zu meiner nächsten Inkarnation zu warten. Und<br />
dann ging es Schlag auf Schlag: Ich durfte eine<br />
Orientierungswoche im Sommer besuchen, und die<br />
Seminarleitung war bereit, mir einen Einstieg ins<br />
Studium im zweiten Trimester zu ermöglichen, da<br />
meine Kündigungsfrist bei der Bahn sechs Monate<br />
betrug. Für diese Möglichkeit bin ich unendlich dankbar,<br />
ich habe zusammen mit zwei weiteren Kollegen<br />
das Studium im Januar begonnen und bin begeistert<br />
vom Geist der im Seminar herrscht.<br />
Ich freue mich sehr, dass hier „mit Kopf, Herz und<br />
Hand“ (Pestalozzi) gelernt werden darf. Wohin mich<br />
der Weg führen wird, ist noch nicht bekannt, aber eins<br />
weiß ich bestimmt: Die Möglichkeit, hier an diesem<br />
besonderen Ort einige Zeit verbringen zu dürfen, wird<br />
meine Sicht auf die Welt verändern und meinen künftigen<br />
Lebensweg sinngebend befruchten.<br />
Wege zum Seminar<br />
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18<br />
Synthese<br />
Wladimir Solowjew<br />
| Kateryna Gagarina, 3. Trimester<br />
Wladimir Solowjew ist ein Mensch, dessen Leben und<br />
Werk ein Beispiel für das Synthese-Prinzip ist. Er hat<br />
Gegensätze wie die östliche und die westliche<br />
Theologie, die Gnosis und die Mystik sowie die pantheistische<br />
und die rationalistische Philosophie vereint.<br />
Er hat den deutschen Idealismus und das naturwissenschaftliche<br />
Denken des 19. Jahrhunderts aufgenommen<br />
und hat sie in seinem System einer „positiven<br />
christlichen Philosophie“, durch das er die<br />
ewige Wahrheit des Christentums in eine ihr angemessene<br />
geistige Form bringen wollte, miteinander<br />
verflochten. „Seine Weltanschauung strömt eine<br />
wunderbare Seelenwärme aus. Die Philosophie wirkt<br />
wie religiöse Betrachtung; die Religion wirkt wie in<br />
der Seele erlebte Philosophie.“ 1<br />
Wladimir Solowjew wurde am 16. Januar 1853 in<br />
Moskau geboren. Schon mit 20 Jahren hat er in<br />
einem Brief an seine Kusine Jekaterina Romanowa in<br />
folgenden Worten seine Lebensaufgabe festgehalten:<br />
„…den ewigen Inhalt des Christentums in eine neue,<br />
ihm gemäße Form, d.h. in eine unbedingt vernünftige<br />
Form zu bringen. Dafür muss man alles ausnutzen,<br />
was in den letzten Jahrhunderten durch den menschlichen<br />
Geist erarbeitet worden ist. Man muss sich die<br />
allgemeinen Resultate der wissenschaftlichen<br />
Entwicklung aneignen, man muss die gesamte<br />
Philosophie studieren. Das tue ich und werde es weiterhin<br />
tun“.<br />
Sein Interesse für Naturwissenschaft und Materialismus<br />
hatte ihn in Kontakt mit Hegel, Spinoza und<br />
Schelling, Schopenhauer und Eduard von Hartmann<br />
gebracht. Das half ihm, schnell seine eigene<br />
Konzeption der Entwicklung philosophischer<br />
Gedanken zu schaffen. Er vertritt dabei ein Prinzip,<br />
das Leibniz, der berühmte Philosoph und Mathematiker,<br />
einst so formulierte: „Der Mensch hat immer<br />
unrecht, wenn er negiert, besonders ein Philosoph;<br />
jede Lehre ist wahr, wo sie feststellt und begründet,<br />
und ist unwahr, wo sie ausschließt.“ Dies war der<br />
wichtigste Grundsatz in Solowjews Leben und<br />
Denken. Ihm war selbstverständlich, dass nichts in<br />
dieser Welt belanglos ist, weil sich sein Denken überall<br />
dem Prinzip der Synthese verpflichtet fühlt. Um<br />
Ganzheit ging es ihm nicht nur in seiner Philosophie,<br />
sondern auch in seinem Leben.<br />
Im Jahr 1878 hielt Wladimir Solowjew in St. Petersburg<br />
eine öffentliche Vortragsreihe, die später unter<br />
dem Titel „Zwölf Vorlesungen über das Gottmenschentum“<br />
publiziert wurde. In diesen Vorträgen thematisierte<br />
er die Beziehung zwischen Mensch und<br />
Gott. Er kam darauf wegen des kläglichen Zustandes<br />
des Christentums in seiner Zeit. Er fühlte, dass dieses<br />
Problem in den Herzen der Menschen seine Ursache<br />
hatte, weil sie keine Fähigkeit hatten, die Vorstellungen<br />
der geistigen und physischen Welt in sich<br />
selbst zu verbinden, und deshalb die Religion nicht<br />
akzeptieren konnten. Er sagte, dass die Zivilisation<br />
des Westens das menschliche Bewusstsein von allen<br />
äußeren Grenzen befreie und die absoluten Rechte<br />
des Menschen verkünde. Obwohl das einen wichtigen<br />
Erfolg für die Zivilisation bedeute, lehne diese<br />
dadurch zugleich jedes absolute göttliche Prinzip ab,<br />
das die Fülle des Daseins habe. Aber diese moderne<br />
Umgangsform mit irdisch Gesetzlichem begrenze<br />
auch das Leben und Bewusstsein der Menschen<br />
durch Abhängigkeit und Vergänglichkeit.<br />
Solowjew möchte darauf hinweisen, dass das alleinige<br />
Streben des Menschen auf solchen Wegen<br />
unmöglich zu Befriedigung führen könne. Der moder-<br />
© siehe Impressum
ne Mensch hält sich für innerlich frei und behauptet,<br />
der Mittelpunkt aller Dinge zu sein, ist in Wirklichkeit<br />
aber nur ein unendlich kleiner, verschwindender<br />
Punkt im Weltall. Moderne Erkenntnis gibt der<br />
menschlichen Persönlichkeit wohl göttliche Rechte,<br />
aber sie gibt ihr weder göttliche Kräfte noch einen<br />
göttlichen Inhalt, denn der Mensch der Gegenwart<br />
lässt im heutigen Leben und in der Wissenschaft nur<br />
eine begrenzte und bedingte Wirklichkeit gelten: die<br />
Wirklichkeit vereinzelter Tatsachen und Erscheinungen.<br />
Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet ist<br />
aber auch der Mensch selbst nichts anderes als nur<br />
eine einzelne Tatsache.<br />
Somit ist der Mensch einerseits ein Wesen, das eine<br />
absolute Bedeutung und großartige Rechte hat, und<br />
derselbe Mensch ist zugleich auch nur eine begrenzte<br />
und vorübergehende Erscheinung, nur eine<br />
Tatsache unter einer Vielheit anderer Tatsachen, die<br />
ihn von allen Seiten einengen und von denen er<br />
abhängig ist. Wenn dieser Gegensatz nur theoretisch<br />
wäre, dann wäre er nicht so verhängnisvoll und so<br />
tragisch, dann könnte der Mensch sich von ihm<br />
abwenden. Aber er befindet sich im Mittelpunkte des<br />
menschlichen Bewusstseins, er betrifft das menschliche<br />
Ich selbst. Aber der Mensch will nicht nur eine<br />
Tatsache sein. Und dieses Nichtwollen deutet auch<br />
schon darauf hin, dass er in Wirklichkeit etwas<br />
Höheres ist.<br />
Wenn wir beginnen können, in der Überzeugung zu<br />
leben, dass wir nicht nur als Tatsache, als vereinzelte<br />
Erscheinung betrachtet werden müssen, sondern dass<br />
wir auch zu einer Fülle des Seins, zu einem umfassenden<br />
Inhalt kommen können – und daher dieser<br />
absolute Inhalt und diese Fülle des Seins nicht eine<br />
Phantasie, sondern wahre, kraftvolle Wirklichkeit ist<br />
–, dann ist in diesem Sinn der Glaube an sich selbst,<br />
der Glaube an die menschliche Persönlichkeit<br />
zugleich auch der Glaube an Gott. Sowohl Gott als<br />
auch Mensch haben Teil an dieser göttlichen Absolutheit,<br />
mit dem Unterschied nur, dass Gott sie hat<br />
und der Mensch nur nach ihr streben kann. Wie sich<br />
Synthese<br />
die äußere Natur nur allmählich dem menschlichen<br />
Denken offenbart und wir daher von einer Entwicklung<br />
der experimentellen Naturwissenschaft reden<br />
können, so offenbart sich dem Menschen auch das<br />
göttliche Prinzip nur allmählich, und wir müssen<br />
daher ebenso auf eine Entwicklung der religiösen<br />
Erfahrung und des religiösen Denkens hinweisen.<br />
Solowjew behauptet, dass das Resultat des religiösen<br />
Denkens die Religionsphilosophie sei, die den ganzen<br />
Inhalt der religiösen Evolution umfassen müsse. Sie<br />
muss die Einheit aller Religionen in der Fülle, nicht<br />
der Unterschiedslosigkeit suchen. Darin besteht seine<br />
positive religiöse Synthese oder das Gottmenschentum.<br />
Die Einheit der Kirchen suchte Wladimir Solowjew im<br />
Lauf des ganzen Lebens. Er sah in allen Kirchen<br />
Stärken und Schwächen. Es gab eine Zeit, in der er<br />
sich stärker der römisch-katholischen Kirche<br />
zuwandte, die seiner Wahrnehmung nach mit ihrer<br />
größeren institutionellen Selbständigkeit und ihrer<br />
starken moralischen Kraft die christlichen Prinzipien<br />
klarer vertrat als die Orthodoxie und der Protestantismus.<br />
Er sah aber auch in der römisch-katholischen<br />
Kirche schwere Fehler, gleichwohl erkannte er Rom<br />
als das traditionelle und legitime Zentrum der christlichen<br />
Welt an. Er hoffte, dass die russisch-orthodoxe<br />
Kirche zu Rom zurückkehren und auch der Protestantismus<br />
sich wieder mit der universalen Kirche zu<br />
einer staatlichen Macht vereinigen würde und dass<br />
das Judentum in dieser freien Theokratie die<br />
Erfüllung seiner messianischen Hoffnungen sehen<br />
möge. Seine Form der Vereinigung ist keine Verflachung<br />
und Einebnung. Sie bedeutet vielmehr, dass<br />
jeder Teil die anderen anerkennt und sich mit ihnen<br />
zu einer höheren Einheit zusammenschließt. Aber in<br />
Russland und in Rom wurde er missverstanden. Er<br />
sah, dass seine Hoffnungen sich nicht erfüllen konnten.<br />
Aber er trug diese Idee alleine durch sein Leben<br />
und verwirklichte sie nach seinen Kräften zu einer<br />
Synthesekonzeption, die seine Person zu einem<br />
19
20<br />
Synthese<br />
... Wladimir Solowjew<br />
genialen Philosoph, einem überaus begabten und<br />
feinfühligen Dichter, Gelehrten und Schriftsteller,<br />
Historiker und Theologen, zu einem scharfsinnigen<br />
Denker und tiefgläubigen Christen werden ließ.<br />
In unserem täglichen Leben zersplittern wir ja oft<br />
alles in Teile und Komponenten, um so einen Gegenstand<br />
bewusst wahrzunehmen. Wir schätzen oft nur<br />
diese Sichtweise, weil unser Verstand die Fülle des<br />
Seins aller Phänomene nicht gleichzeitig erfassen<br />
kann. Das Denken des modernen Menschen kann<br />
leicht analysieren, eine Einheit zerteilen. Aber man<br />
darf nicht vergessen, diesen abstrakten Begriffen<br />
oder Erscheinungen wieder die Gesamtheit ihrer<br />
Existenz zurückzugeben. Oft sind die Menschen gezwungen,<br />
sich zu teilen; wenn sie keinen Weg zur<br />
Koexistenz von materiellem und religiösem Leben zur<br />
einheitlichen Weltauffassung kennen. Weil beide<br />
Seiten in Solowjew stark waren, sowohl die naturwissenschaftliche<br />
als auch die spirituelle, konnte er<br />
die Welt als eine große und harmonische Synthese<br />
Soll ich meines Bruders Hüter sein?<br />
| Martin Thiele, 3. Trimester<br />
Zwischen dem ersten Sündenfall mit der Vertreibung<br />
aus dem Paradies und dem zweiten Sündenfall mit<br />
der Sintflut ereignet sich die Geschichte von Kain<br />
und Abel. Diese beiden Namen stehen für zwei gegensätzliche<br />
Geistesströme in der Menschheitsentwicklung.<br />
Am Anfang waren die beiden Ströme vereint<br />
und wurden dann durch den Brudermord getrennt.<br />
Betrachten wir die Berufe der beiden Brüder, fallen<br />
gleich die Unterschiede ins Auge. Kain bearbeitet die<br />
Erde. Der Acker trägt nach der Vertreibung aus dem<br />
Paradies bereits Disteln und Dornen. Hart und körperlich<br />
ist die Arbeit Kains. Er muss die Erde pflügen<br />
und von Unkraut und Steinen befreien. Er muss ganz<br />
in den Willen hinabtauchen und ungeheure Kräfte<br />
sehen und die Konzepte zur Einheit zusammenbringen.<br />
Dies ist ein schöpferischer Erkenntnisweg, denn<br />
er braucht tiefe Arbeit an ihren Komponenten, nämlich<br />
die Entwicklung des Denkens und des Gefühls,<br />
der Ideen und der Kreativität, der Verneinung und der<br />
Akzeptanz. Die Religion kann nicht zerteilt werden<br />
und nur als halbe Wahrheit gelten. Man muss wieder<br />
lernen, die Welt sowohl in ihrer Einheit als auch in<br />
der Vielfalt wahrzunehmen; so kann das Gottmenschentum<br />
verwirklicht werden.<br />
1 Rudolf Steiner im Zusatz zu den „Zwölf Vorlesungen über das<br />
Gottmenschentum“ von Wladimir Solowjew<br />
entwickeln. Es ist schwierig, bei einer solchen Arbeit<br />
ein klares, denkendes Bewusstsein zu entwickeln,<br />
weil alle Kräfte in die Tat fließen müssen. Wie anders<br />
ist dagegen die Arbeit Abels, der ein Hirte ist. Er<br />
muss seine Herde im Bewusstsein haben. Ein guter<br />
Hirte rennt seinen Schafen nicht hinterher. Er trägt<br />
sie in seinem Bewusstsein, schützt sie vor dem Wolf<br />
und führt sie zu den besten Weideplätzen. Auf seinen<br />
Stab gestützt, betrachtet er mit klarer Seele<br />
seine Tiere und die Welt und wacht über beide. Der<br />
Hirte kennt seine Schafe, und sie versammeln sich<br />
um seinen schützenden Stab. In Kain erblicken wir<br />
den tätigen Menschen in Abel den erkennenden.<br />
Aus ihrer Arbeit gehen verschiedene Opfergaben<br />
hervor. Im Pflanzenopfer des Kains, den Früchten des<br />
© siehe Impressum
Feldes, klingt die alte Sonne nach. Das Tieropfer<br />
Abels deutet auf den alten Mond. Kain ist also mit<br />
der Sonne, Abel mit dem Mond verbunden. Die<br />
Sonne strahlt ihr eigenes Licht. Am Tage erreichen<br />
uns ihre Strahlen direkt und unverändert. Der Mond<br />
scheint nicht aus eigener Kraft. Er spiegelt das<br />
Sonnenlicht. In der Nacht leuchtet uns also auch das<br />
Sonnenlicht aus dem Mond entgegen. Aber es<br />
stammt nicht direkt von der Sonne, sondern nimmt<br />
einen Umweg über den Mond. So sind die beiden<br />
Lichter in ihrer Leuchtkraft und in ihrer seelischen<br />
Wirkung sehr verschieden. Sonne und Mond stehen<br />
deshalb auch sinnbildlich für verschiedene Bewusstseinsarten.<br />
Das Sonnenbewusstsein ist im Paradies<br />
beheimatet, wo dem Menschen direkt die Geistessonne<br />
scheint und ihn unmittelbar impulsiert. Das<br />
Mondenbewusstsein ist auf der Erde beheimatet, wo<br />
der Mensch mittels seines Gehirns das Geisteslicht<br />
spiegelt und die Impulse der geistigen Welt im<br />
Gedanken nachbildet. Der irdische Mensch erringt<br />
sich auf diese Weise ein eigenes, unabhängiges<br />
Bewusstsein. Im strömenden Blut des geopferten<br />
Schafes wird sich Abel seiner eigenen Schuld und<br />
des Sündenfalls bewusst. Dadurch kann sein Opfer<br />
von der Gottheit angenommen werden. Kain lebt<br />
noch im Bewusstsein des Paradieses und hat keine<br />
Kenntnis vom Sündenfall. Sein Opfer kann die Gottheit<br />
nicht annehmen und er kann seinerseits nicht<br />
verstehen warum. Im Zorn erschlägt er seinen<br />
Bruder, und die Gemeinschaft zwischen den beiden<br />
zerbricht. Wird ihm nach dieser Tat erst der Sündenfall<br />
bewusst? Als Gott nach Abel fragt, antwortet<br />
Kain mit einer Gegenfrage. „Soll ich meines Bruders<br />
Hüter sein?“ Im Paradies war das nicht notwendig<br />
gewesen. Aber jetzt auf der Erde müssen die Menschen<br />
aufeinander achten, ein Bewusstsein für Gut<br />
und Böse entwickeln.<br />
Kain muss von nun an „unstet und flüchtig“ auf der<br />
Erde leben. Durch seine Tat fällt er aus der menschlichen<br />
Gemeinschaft heraus, die fortan von der<br />
Synthese<br />
Abelströmung bestimmt wird. Das Erdenbewusstsein<br />
stiftende Tieropfer prägt zentral die Entwicklung des<br />
israelitischen Volkes. Alle großen Gestalten des Alten<br />
Testaments ringen um das mondenhafte Bewusstsein<br />
des Abels. Schon Abraham bildet ein irdisches<br />
Bewusstsein aus. Dies wird deutlich, als er mit Gott<br />
über das Schicksal von Sodom und Gomorra verhandelt.<br />
Dennoch tauchen im Alten Testament an verschiedenen<br />
Stellen kainitische Motive auf.<br />
Melschisedek bringt Abraham die Sonnenopfergaben<br />
Brot und Wein und segnet ihn. Und an anderer Stelle<br />
brechen Einzelne immer wieder aus der Gesetzesordnung<br />
aus und werden trotz ihrer Taten von Gott<br />
nicht aus dem Entwicklungsstrom ausgesondert. So<br />
wird Salomo als Erbe des Königsstromes akzeptiert,<br />
obwohl er der Sohn aus einem Ehebruch ist. Ähnlich<br />
wurde auch Kain nicht vernichtet, sondern durch das<br />
Zeichen geschützt.<br />
Durch das Mysterium auf Golgatha wird dem Abelstrom<br />
der Kainsstrom wieder hinzugefügt. Das Widderopfer<br />
wird abgelöst durch das Opfer Christi, des<br />
Lammes Gottes, am Kreuz. Beim Abendmahl spendet<br />
Christus den Jüngern das Sonnenopfer in Brot und<br />
© siehe Impressum<br />
21
22<br />
Synthese<br />
... Soll ich meines Bruders Hüter sein?<br />
Wein. Am Ende von Kapitel 7. des Matthäusevangeliums<br />
wird berichtet, dass sich das Volk wegen der<br />
Lehre Christi entsetzte, weil er nicht wie die Schriftgelehrten<br />
spricht, sondern wie einer, in dem die<br />
Schöpferkräfte selbst wirksam sind. Die Sonnenkräfte<br />
vom Urbeginn leben in Christus. So gebietet er<br />
selbst den Elementen bei der Stillung des Sturmes.<br />
Die bestehende Ordnung wird auf den Kopf gestellt.<br />
Ein Einzelner impulsiert mit seiner Geisteskraft die<br />
Gemeinschaft, zunächst die der Jünger. Doch der<br />
Christus nimmt sich aller offenen Menschen an.<br />
Vorher bestimmte die Gemeinschaft mit ihrer Gesetzesordnung<br />
den Einzelnen. Dennoch hebt der Christus<br />
das Gesetz nicht auf. Aber er schenkt das<br />
menschliche Ich, das die Gemeinschaft im Einzelnen<br />
neu erstehen lässt und den lebendigen Geist in die<br />
Menschheit einströmen lässt.<br />
In unserer heutigen Zeit stehen wir als Menschen<br />
immer zwischen diesen beiden Strömen. Auf der<br />
Umgang mit Andersgesinnten<br />
| Michael Sölch, 3. Trimester<br />
Zu Beginn des zweiten Trimesters, als die Hälfte der<br />
Studenten ihre in den Trimesterferien erarbeiteten<br />
Referate der Seminargemeinschaft darstellen durfte,<br />
kam bereits ein Hauch dessen zum Vorschein, was<br />
nun Thema unseres Seminarbriefes ist: Ein Bedürfnis<br />
nach Synthese. Man kann natürlich Aussagen auch<br />
einfach nebeneinander stehen lassen und jede für<br />
sich gelten lassen. Aber dem Anteil nehmenden Mitdenken<br />
kann aus der Zusammenschau der formulierten<br />
Gedanken auch das Bedürfnis entstehen, das<br />
Gesagte gedanklich gegeneinander antreten zu lassen.<br />
Eine Darstellung über die Katharer erweckte die<br />
Frage: Was ist eigentlich wirklich christlich?<br />
einen Seite das einzelne Ich mit seinen Impulsen und<br />
Schwächen und auf der anderen Seite die zu beachtenden<br />
Voraussetzungen und Notwendigkeiten, um<br />
ein ehrliches Miteinander zu gestalten. Rudolf<br />
Steiner bringt diese Spannung wunderbar in dem<br />
Spruch zum Ausdruck: „Heilsam ist nur, wenn im<br />
Spiegel der Menschenseele sich bildet die ganze<br />
Gemeinschaft, und in der Gemeinschaft lebet der<br />
Einzelseele Kraft.“ Die Einzelseele muss das Ganze in<br />
sich nachbilden, in sich tragen, wie der Mond das<br />
Sonnenlicht, um dem Ganzen gemäß handeln zu<br />
können. Und in der Gemeinschaft muss Raum und<br />
Offenheit für die Impulse des Einzelnen sein.<br />
Aus der Embryologie wissen wir, dass sich das Herz<br />
im werdenden Menschen dadurch bildet, dass sich<br />
zwei verschiedene Blutströme verbinden und ein<br />
gemeinsames Gefäß bilden. So bildet auch der<br />
Christus aus dem Kain- und dem Abelstrom das<br />
schlagende Herz der Menschheit.<br />
Diese Frage hatten die Menschen im Mittelalter<br />
auch. Nur führte die Auseinandersetzung, die sich an<br />
diese Frage anschloss dazu, dass man Häretiker oder,<br />
wie man die Katharer nannte, Ketzer verbrannte. Es<br />
wurde deutlich, dass das Christentum verschiedene<br />
Formen annahm, von denen einige aber als seltsame<br />
Randgruppen galten, während andere das offizielle<br />
Christentum repräsentierten. Das Verhältnis zwischen<br />
den verschiedenen Auffassungen war feindlich.<br />
Mit physischer Gewalt begegnete die offizielle<br />
Kirche demjenigen, der eine andere Geistesart vertreten<br />
wollte als jene, die in der Kirche als die objektiv<br />
wahre angesehen wurde. Solche Gewalttaten<br />
können nicht als christlich bezeichnet werden. Aber<br />
auch eine Strömung, die den Begriff von der Real-
präsenz Christi in der Hostie leugnet, ist aus einer<br />
gewissen objektiven Perspektive unmöglich als<br />
christlich zu bezeichnen, sondern eher als Gefahr.<br />
Eine Darstellung über Jan Huss öffnete in gewisser<br />
Weise eine entgegengesetzte Perspektive. Die überlieferten<br />
Formen der Religion, die sich lange bewährt<br />
hatten, wurden von Jan Huss trotz seines starken<br />
Idealismus für die Sache der Kirche eher als problematisch<br />
erlebt, und er wurde auch zu einem Vorläufer<br />
für jene Erneuerung, die durch das Abstreifen<br />
äußerlicher Autorität und den Antrieb allein durch<br />
das eigene innere Wahrheitsgefühl später mit der<br />
Reformation eine eigene Form angenommen hat.<br />
Hier geht es um das subjektive Erleben des göttlichen<br />
Wortes im Gewissen (oder bei Luther dann<br />
auch um eigenen Nachvollzug des Evangeliums). Im<br />
anderen Referat zur Ketzerfrage geht es um das objektive<br />
Verständnis der Tatsache des Christentums.<br />
Wir sind also unterschiedlichen Sichtweisen<br />
auf die Erscheinungsformen der<br />
Kirchenströmung begegnet,<br />
und es kann sich nun ganz<br />
allgemein das Synthesebedürfnis<br />
regen zwischen<br />
der Ansicht,<br />
die dem Innerlichen,<br />
und jener, die<br />
dem Äußerlichen<br />
mehr Aufmerksamkeit<br />
zugesteht. Ja,<br />
um unsere europäische<br />
Kultur heute zu<br />
verstehen, kann es sogar<br />
lehrreich sein, die traditionellen<br />
Wurzeln aus den<br />
mittelalterlichen Zeiten anzuschauen.<br />
Man kann einerseits darauf schauen, was die offiziellen,<br />
traditionellen Formen der Kirche zu den<br />
bestimmten Zeitepochen den Menschen geben konnten.<br />
Man kann aber, weil zu jeder Zeit Menschen mit<br />
Synthese<br />
ganz unterschiedlichen Bewusstseinsmöglichkeiten<br />
auf der Erde leben, auch nach historischen<br />
Verfrühungen Ausschau halten, die ein Bewusstsein<br />
haben, das erst später für die Menschen im<br />
Allgemeinen zeitgemäß sein wird. Wie eine wegbereitende<br />
historische Verfrühung sicher wichtig für<br />
die Entwicklung der Kulturgeschichte ist, so ist aber<br />
auch das zeitlich konkrete Zusammenleben schwierig,<br />
wenn etwa von einer weitverbreiteten<br />
Kirchengemeinschaft eine Minderheit als ketzerisch<br />
bezeichnet wird, die bereits eine zukünftige<br />
Bewusstseinslage „ausprobiert“ und deshalb auch<br />
unkonventionell mit denselben geistig wesenhaften<br />
Tatsachen umgehen muss, mit denen auch die<br />
Kirchenströmung umgeht.<br />
Es kann nicht die Aufgabe dieses Artikels sein, die<br />
ganze Entwicklung des Christentums zu überschauen,<br />
um die Entstehung seiner Formen in Abgrenzungen<br />
gegenüber den verschiedenen Traditionen, die objektiv<br />
häretisch oder subjektiv unchristlich<br />
geschimpft wurden, im Einzelnen zu<br />
untersuchen. Es soll aber dem<br />
Gedanken Raum gegeben werden,<br />
dass jede der Entwicklung<br />
dienende Abgrenzung<br />
auch wieder eine Vereinigung<br />
mit sich bringen<br />
muss, wenn sie dem Erdenwerden<br />
heilsam werden<br />
soll.<br />
Dieser Gedanke klingt auf in<br />
der Inszenierung Rudolf Steiners<br />
Mysteriendramen, wenn einem<br />
Benediktinermönch des 14. Jahrhunderts<br />
plötzlich durch die Begegnung mit<br />
dem verstorbenen Stifter des Benediktiner Ordens<br />
dieser Synthesebedarf zu Bewusstsein kommt. Der<br />
Meister sagt dem Mönch, er solle die Impulse seiner<br />
Schriften so erfassen, dass sie selber leben und sich<br />
© siehe Impressum<br />
23
24<br />
Synthese<br />
... Umgang mit Andersgesinnten<br />
© siehe Impressum<br />
im Lauf der Zeit auch wandeln können. So könnten<br />
sich die Mönche mit den Ketzern zu gemeinsamen<br />
Zukunftszielen einen. Versunken in seelische Antipathie<br />
gegenüber den ketzerischen Tempelrittern, mit<br />
denen er zu tun hat, blitzt in seinem Bewusstsein<br />
dieser Gedanke als Eingebung auf, aber er findet selber<br />
den Mut nicht, ihn ernstlich zu bedenken. Sofort<br />
stürzen die Widersacher mit den schärfsten Waffen<br />
auf ihn ein. Sie bekräftigen seine bisherige Bewusstseinslage.<br />
Ahriman macht ihm deutlich, dass Synthese<br />
zwar im Reich der Seligen berechtigt, aber in<br />
der konkreten Welt nicht möglich sei. Noch schlimmer<br />
scheint fast die luziferische Eingebung, dass die<br />
Templer den Namen Christi böswillig missbrauchten.<br />
Das Syntheseideal kommt in dieser mittelalterlichen<br />
Szene des Mysteriendramas nicht unversehrt auf dem<br />
irdischen Plan an. Will das sagen, dass es noch nicht<br />
so weit war, dass der Friede den Weg durch die<br />
Dogmenhärte der damaligen Kirche hätte finden<br />
können? Für mich ist diese Inszenierung auch ein Bild<br />
für das Gegensätzliche zwischen subjektiv strebsa-<br />
men esoterischen Christen in der Templerburg und<br />
objektiv rechtgläubigen exoterischen Christen in der<br />
Kirche. Wieso ist die Kirche oft so äußerlich und kann<br />
das Esoterische im Innern des Menschen nicht genügend<br />
würdigen? Kann es sein, dass auch unsere<br />
Kultur noch aus dieser misslungenen Synthese zwischen<br />
objektiver und subjektiver Herangehensweise<br />
an religiöse Fragen entsprungen ist? Und finden wir<br />
als Minderheit, die sich heute mit dem Christentum<br />
beschäftigen will, den Mut zu der Synthese, die<br />
damals noch nicht hat verwirklicht werden können?<br />
Man sei sich der Tragik bewusst, die entsteht, wenn<br />
subjektives und objektives Verstehen wirklich aufeinandertreffen.<br />
Welche Verantwortung würde demjenigen<br />
spürbar, der vorher nur auf subjektive Religiosität<br />
bedacht war! Und auch wer sich stark den äußeren<br />
Formen der Religion verpflichtet fühlt, wie jener<br />
Mönch, der das subjektive Streben ablehnt, aber<br />
dann von seinem Meister den Ansporn erhält, sich zu<br />
gewissen meditativen Fähigkeiten zu ertüchtigen, der<br />
hat durch diese Synthese harte Arbeit. Er müsste nun<br />
einer bestehenden Form durch erneute Auseinandersetzungen<br />
mit den innersten Impulsen eine Erneuerung<br />
einarbeiten, um eine zeitgemäße Interpretation<br />
der lebendigen Impulse pflegen zu können. Dabei<br />
läuft man aber Gefahr, sich auf Kosten alles dessen,<br />
was bisher Halt gegeben hat, auf Ungewisses abzustützen.<br />
Synthese hat für mich in erster Linie mit Mut<br />
zu tun. Aber auch mit der Frage:<br />
Ist es an der Zeit?<br />
Damals hätte ein Gedanke an eine Synthese mit den<br />
Templern und ihrer mystischen Schulung des eigenen<br />
Wesens die Mentalität des Benediktinermönchs tiefgreifend<br />
verändern müssen. Er ist der Überzeugung,<br />
dass man mit frommem Herzen dem Eigenwahn entfliehen<br />
sollte, um der Gnade würdig zu werden. Die<br />
an sich selber arbeitenden Templer sagen jedoch:<br />
„Aus Gottessein entstand die Menschenseele, sie<br />
kann in Wesensgründe tauchen, sie wird dem Tod
dereinst den Geist entbinden.“ Es war vor allem auch<br />
dem frommen Kirchengänger Thomas nicht möglich,<br />
seinen Vater in der Templerburg zu lieben, weil er den<br />
Widerspruch der trennenden Gedanken ernst nimmt,<br />
die ihm zugänglich sind. Das Erlebnis seines Priesters,<br />
das als Keimpunkt für die Synthese, die ihm ermöglichen<br />
würde, seinen Vater zu lieben, vielleicht auch<br />
wirksam war, bleibt seinem Bewusstsein vorenthalten.<br />
Exoterik und Esoterik haben es nicht leicht miteinander.<br />
Auch heute nicht. Mangelt es nur an Kommunikationsfähigkeit?<br />
Oder wäre diese Aussage eine<br />
Herabwürdigung von heute berechtigten Standpunkten?<br />
Auch heute ist es wichtig, sich zu diesen Fragen<br />
„Wenn die Hoffnungen sich verwirklichen,<br />
daß die Menschen sich mit allen ihren Kräften,<br />
mit Herz und Geist, mit Verstand und Liebe<br />
vereinigen und voneinander Kenntnis nehmen,<br />
so wird sich ereignen, woran jetzt noch kein<br />
Mensch denken kann.“<br />
J.W. von Goethe<br />
Die Freundschaft dieser beiden Geistesgrößen hat<br />
urbildlichen Charakter. Gerne wird sie als Beispiel<br />
herangezogen, wenn von Freundschaften die Rede<br />
ist, in denen sich die Beteiligten auf besondere<br />
Weise gegenseitig ergänzen. Im letzten Frühjahr<br />
hatte ich das Glück, mich mit diesem Thema anlässlich<br />
eines Referates auseinandersetzen zu dürfen. Es<br />
kann tief bewegen, sich in diese Freundschaft hinein<br />
Synthese<br />
in ein klares Verhältnis zu setzen. Soll eher das Objektive<br />
oder das Subjektive zur Geltung kommen? Wo<br />
wir heute einen Schwerpunkt setzten wollen, liegt in<br />
unserer freien Entscheidung. Doch wie leichtfertig<br />
man in eine Einseitigkeit verfallen kann, zeigt wohl<br />
das Leben, wenn man zu geistiger Auseinandersetzung<br />
mit Andersgesinnten kommt. Vielleicht entsteht<br />
aber gerade in solchen Gesprächen eine<br />
Gemeinsamkeit durch beiderseitiges Ringen, den<br />
Anderen zu verstehen.<br />
Und wenn das wirklich zustande kommen kann, eine<br />
Gemeinschaft aus Ich-Menschen, dann hat die Synthese<br />
zumindest begonnen – dann ist etwas Subjektiv-Objektives,<br />
etwas Objektiv-Subjektives da.<br />
Das Phänomen von Polarität und Steigerung<br />
in der Freundschaft zwischen Goethe und Schiller<br />
| Astrid Burns, 6. Trimester<br />
zu vertiefen, sich vor Augen zu führen, wie die beiden<br />
Freunde von entgegengesetzten Denkpolen ausgehend<br />
zusammentreffen, sich zunächst abstoßen,<br />
schließlich aber einander erkennen und sich miteinander<br />
verbinden, um in dieser Freundschaft auf beispielhafte<br />
Weise einander zu ergänzen.<br />
Es lässt sich hier das Phänomen von Polarität<br />
und Steigerung erleben:<br />
In der Gegenüberstellung mit seinem Gegenpol tritt<br />
das Eigene deutlicher in Erscheinung. Neigen die beiden<br />
Gegenüber sich einander zu und kommen ins<br />
Gespräch, kann jeder allmählich Aspekte des anderen<br />
in das Eigene integrieren. Dabei entsteht jedoch<br />
keine Vermischung, sondern das Eigene wird nur umso<br />
vollkommener, weil es von seiner starken Einseitigkeit<br />
verliert und dadurch runder wird. So kann<br />
etwas entstehen, was der eine ohne den anderen nie<br />
hätte schaffen können.<br />
© siehe Impressum
26<br />
© siehe Impressum<br />
Synthese<br />
... das Phänomen von Polarität und Steigerung<br />
Werfen wir einen Blick auf die Geistesart<br />
der beiden Freunde:<br />
Goethe ist Empiriker. Er sucht den Gott in den Erscheinungen<br />
der Natur durch kontemplatives<br />
Schauen, Beobachten, Entdecken und bildet sich<br />
lebendige Begriffe. Seine Gedanken sind nie abstrakt,<br />
sondern stetes geht er vom Konkreten aus und sucht<br />
das Urphänomen 1 dahinter. Diese Vorgehensweise<br />
kennen wir als Goetheanismus. Goethes Dichtungen<br />
sind aus imaginativer traumwandlerischer Intuition<br />
heraus gestaltet, doch alle seine Naturwissenschaftlichen<br />
Studien sind Früchte eigener Erkenntnisleistung.<br />
In Schiller findet er den Freund, der ihn mit der philosophischen<br />
Methode vertraut macht und ihm damit<br />
die denkerische Rechtfertigung seiner Sinnesart gibt.<br />
Erst durch Schiller kommt er z.B. dazu, entscheidende<br />
Kapitel seines Faust-Dramas zu schreiben, das<br />
über Jahre geschlummert hatte.<br />
Schiller befindet sich am<br />
entgegengesetzten Pol, dem<br />
Denkpol.<br />
Sein geistiger Weg geht durch die Eiswüste der reinen<br />
Abstraktion, den Todesbereich des logischen<br />
Verstandesdenkens, das, von der Natur losgerissen,<br />
nur Totes erfassen kann. Im reinen Gedanken sucht er<br />
den Weg zur geistigen Welt. Alle Natur zerfällt wieder<br />
zu Staub, die Gedanken sind ewig.<br />
In der Natur sieht Schiller einen Widerpart, einen<br />
Gegenspieler der Freiheit, die sein großes Thema ist.<br />
Wie findet der Mensch zur Freiheit zwischen Vernunftnotwendigkeit,<br />
moralischer Forderung und<br />
Naturnotwendigkeit, dem Zwang der Instinkte und<br />
Triebe? Was muss der Mensch an sich selber tun, um<br />
wahrhaft frei zu werden? Dies ist seine große Frage,<br />
um die auch seine philosophischen Briefe „Über die<br />
ästhetische Erziehung des Menschen“ kreisen, die<br />
schon stark von Goethes Geist beeinflusst sind. Im<br />
Künstlerischen findet Schiller die Brücke. Der künstlerisch<br />
schaffende Mensch nimmt das Schöne wahr<br />
und bringt Schönes hervor. Er bildet frei am vorliegenden<br />
Stoff, an allem, was formbar ist, auch an seinem<br />
eigenen Charakter. An die Freiheitsfrage knüpft<br />
sich unmittelbar die Frage nach der Möglichkeit des<br />
Menschen zum Bösen. Alle Dramen Schillers loten<br />
dieses Spannungsfeld auf verschiedenste Weise aus.<br />
Zehn Jahre lang haben die beiden Freunde Goethe<br />
und Schiller ein umfassendes Gespräch geführt und<br />
sich darin gegenseitig „erquickt“, befruchtet und<br />
inspiriert, um sich schließlich in einer Weise gegenseitig<br />
zu erhöhen, dass jeder durch den anderen über<br />
sich selbst hinauswachsen konnte. Aus der<br />
Polarität entwickelte sich eine gegenseitige<br />
Steigerung. Die zahlreichen Briefe geben<br />
davon Zeugnis. Was die beiden in ihren<br />
Gesprächen von Mund zu Ohr, die sie oft<br />
bis tief in die Nacht hinein führten, alles<br />
bewegt haben mögen, lässt sich nur<br />
ahnen.
Verfolgt man die Entwicklung der beiden in ihren<br />
Werken, so ist die gegenseitige Steigerung vom Zeitpunkt<br />
ihrer regelmäßigen freundschaftlichen Gespräche<br />
an augenfällig. Es ist bemerkenswert, dass Schiller<br />
erst ab 1795 der wahre klassische Schiller, Goethe der<br />
wahre klassische Goethe ist. Die großen überzeitlichen<br />
Werke der Weimarer Klassik sind alle erst von<br />
dieser Zeit an entstanden. Und es ist auffällig, wie die<br />
beiden sich im Laufe der Jahre einander immer weiter<br />
annähern, die Einseitigkeiten der Freunde sich ausgleichen.<br />
Dies im Einzelnen aufzuzeigen, würde den<br />
Rahmen eines Artikels sprengen. Doch möchte ich<br />
dazu anregen, selber einmal darauf zu achten. Als<br />
Goethe den sorgsam gehüteten Briefwechsel mit<br />
Schiller herausbrachte, mehr als zwanzig Jahre nach<br />
dem Tode des Freundes, meinte er, diese Korrespondenz<br />
werde anschaulich machen“...daß einer ohne<br />
den anderen nicht zu verstehen ist.“<br />
In seiner Farbenlehre beschreibt Goethe das Phänomen<br />
von Polarität und Steigerung. Dieses Bild lässt<br />
sich auf die Freundschaft von Goethe und Schiller<br />
übertragen. Zunächst stellt er die Polaritäten von<br />
Licht und Finsternis, die er als wesenhaft erlebt einander<br />
gegenüber. Farben bezeichnet er als Taten und<br />
Leiden des Lichtes. Das reine weiße Licht erscheint<br />
durch eine leichte Trübung hindurch betrachtet gelb.<br />
Die Finsternis durch ein helles Medium hindurch<br />
betrachtet erscheint blau. Von den Farben steht das<br />
Gelb zunächst dem Licht, Blau zunächst der Finsternis.<br />
Gemischt ergeben diese beiden Farben Grün. Lässt<br />
man die beiden nun einander entgegenkommen,<br />
indem man auf der Lichtseite die Trübung verdichtet,<br />
steigert sich das Gelb zum Gelbrot. - Wird die Helle,<br />
durch die wir die Finsternis sehen, zarter, steigert sich<br />
das Blau weiter über Blaurot zum Violett. – Mischt<br />
man nun diese beiden Farbtöne so erscheint das reinste<br />
Purpurrot.<br />
... Es entsteht ... diese höchste aller Farberscheinungen<br />
aus dem Zusammentreten zweier entgegengesetzter<br />
Enden, die sich zu einer Vereinigung nach und nach<br />
vorbereitet haben. 2<br />
Synthese<br />
Diese Steigerung bezeichnet Goethe als Purpurzenit.<br />
Die beiden Freunde haben sich einander weit angenährt,<br />
den Purpurzenit konnten sie jedoch nicht erreichen.<br />
Es ist Goethe nicht gelungen, die Sinnenwelt zu verlassen<br />
und zum Schauen des reinen Geistes, der Welt<br />
der reinen selbstgegründeten Gedanken aufzusteigen.<br />
Es gab eine Grenze, über die er nicht hinaus konnte<br />
oder wollte, der Abgrund der toten Abstraktion stand<br />
seinem sonnigen Wesen zu bedrohlich entgegen. Er<br />
konnte sich zu Hause fühlen in der webenden Bilderwelt<br />
des Ätherischen, aber weiter aufzusteigen, blieb<br />
ihm versagt. Am Beginn des Bewusstseinsseelenzeitalters<br />
war Goethe der letzte, der noch Strahlen der<br />
untergehenden Sonne des verglimmenden alten Hellsehens<br />
auffangen konnte.<br />
Schiller war heimisch im Bereich der reinen Gedanken.<br />
Er ging den Weg der Bewusstseinsseele mit aller<br />
Konsequenz, stellte die unvermeidliche Frage nach der<br />
geistigen Freiheit des Menschen, aber es gelang ihm<br />
nicht, seine Gedanken imaginativ zu verlebendigen,<br />
um über das Schauen der webenden Bilderwelt in die<br />
geistige Welt aufzusteigen. Er war der Erste, der die<br />
Freiheitsfrage in aller Konsequenz gestellt und gelebt<br />
hat, ein Vorbote der Morgenröte, die mit Beginn des<br />
Michaelzeitalters aufsteigen sollte.<br />
Rudolf Steiner konnte die beiden Strömungen des<br />
goetheanistischen Betrachtens und des abstrakten<br />
Denkens wirklich vereinigen. Die „Philosophie der<br />
Freiheit“ stellt die Erfüllung dieser Bemühungen dar.<br />
Sie ist aus dem Weben reiner Gedanken goetheanistisch<br />
herausgewachsen.<br />
1 Urphänomen: Ideal-real-symbolisch-identisch/Ideal, als das letzte<br />
Erkennbare; real als erkannt; symbolisch, weil es alle Fälle begreift; identisch<br />
mit allen Fällen. – Sprüche in Prosa 136<br />
2 Goethes Farbenlehre § 794<br />
27
28<br />
Lernen<br />
Hexen und Heilige<br />
| Jaqueline Steigner, 3. Trimester<br />
Im Januar hatten wir eine Woche<br />
lang bei Frau Yaroslava Black,<br />
Pfarrerin in Köln, einen Hauptkurs<br />
mit dem Titel „Hexen und<br />
Heilige“. Wir waren gespannt,<br />
wussten wir doch nicht, was<br />
auf uns zukommen sollte. Wilde<br />
Spekulationen belebten den Frühstückstisch.<br />
Hungrige Blicke, auf der<br />
Suche nach der Hexe im Alltag, auf<br />
der Suche nach den Heiligen unter uns,<br />
streiften die Köpfe der Mitstudenten und<br />
zuletzt auch die der Dozenten.<br />
In der ersten Stunde erhielten wir einen<br />
Überblick über die geografische Ausbreitung<br />
der Hexenverfolgung. Dem<br />
Osten blieb die Hexenverfolgung<br />
erspart, da die orthodoxen Kirchen<br />
ein anderes Menschen- und Christusbild<br />
pflegen. Die letzte offizielle<br />
Hexenverbrennung in der Schweiz fand im Jahr<br />
1782 statt. Schon der Philosoph Sophokles sprach<br />
eine in diesen Zusammenhang passende Wahrheit<br />
aus: „Viel des Unheimlichen ist, doch nichts ist<br />
unheimlicher als der Mensch.“<br />
Im März des Jahres 415 nach Christus wurde Hypatia<br />
von Alexandrien von der frühchristlichen Kirche als<br />
Hexe verurteilt und hingerichtet. Sie war eine griechische<br />
Philosophin und Mathematikerin. Sokrates<br />
von Konstantinopel beschreibt sie als sehr schön,<br />
selbstständig, außerordentlich gebildet. Sie war<br />
ledig und lebte allein für die Wissenschaft.<br />
Hypathia war für ihre außergewöhnliche Unterrichtsweise<br />
bekannt, z.B. schockierte sie ihre Schüler<br />
zunächst mit ungewöhnlichen Gedanken und ließ<br />
diese dadurch zur Erkenntnis des Neuen kommen<br />
Hypatias Unterricht war beliebt, von überall her<br />
kamen die Menschen, sodass ihre Vorlesungen bes-<br />
© siehe Impressum<br />
ser besucht waren als der<br />
kirchliche Gottesdienst am<br />
Sonntag. Sie machte keinen<br />
Unterschied zwischen Menschen<br />
verschiedener Religionen,<br />
alle waren herzlich eingeladen.<br />
Außerdem unterrichtete sie<br />
gerne die Philosophie von Aristoteles<br />
und Plato und galt als die<br />
meist gebildete Person ihrer Zeit.<br />
Alexandrien galt als umkämpfte<br />
Stadt. Hier lebte die letzte<br />
Bastion der Freidenker, und<br />
auch die Gnostiker fühlten<br />
sich hier wohl. Seit das Christentum<br />
zur römischen Staatsreligion<br />
erklärt worden war, wurde es mit Gewalt<br />
verbreitet. In seinem Namen vernichtete man<br />
alles, was andersartig erschien. Theophilos von<br />
Alexandrien, damaliger Patriarch, ließ viele Kulturstädte<br />
zerstören, verbrannte Bibliotheken, Universitätsräume<br />
wurden in Viehställe verwandelt. Es gab<br />
blutige, brutale Kämpfe zwischen Juden und<br />
Christen. Theophilos' Nachfolger Kyril scharte gewaltbereite<br />
Mönche aus der Wüste als Miliz um sich.<br />
Orestes, Präfekt von Alexandrien war Schüler von<br />
Hypatia. Er konnte sich Kyril gegenüber nicht durchsetzen<br />
und wurde, obwohl christlich getauft, von<br />
ihm bedroht.<br />
Kyril, der den Einfluss der Hypatia fürchtete, weil er<br />
durch sie Macht zu verlieren drohte, erklärte sie zur<br />
Hexe. Dabei stützte er sich auf Paulus, den er dahingehend<br />
auslegte, dass er die Frau wegen des<br />
Sündenfalls als unwürdig und dem Teufel verfallen<br />
erklärte.<br />
Hypatia wurde mit Scherben und Muscheln das<br />
Fleisch vom Leibe gerissen. Man schleifte sie durch<br />
die Straßen der Stadt, zerrte sie in eine Kirche und<br />
ermordete sie dort.<br />
© siehe Impressum
In unserem Hauptkurs betrachteten wir das Bild der<br />
Frau gesamtgeschichtlich und in Anlehnung an die<br />
Schöpfungsgeschichten (Rudolf Steiner half uns<br />
dabei: GA 11 „Die Akasha-Chronik"). Steiner betont,<br />
dass die Frau für die Entwicklung des Mannes von<br />
großer Bedeutung war. Sie nahm in der lemurischen<br />
Zeit Kräfte der Natur in sich auf und ließ diese in<br />
ihrer Seele nachwirken. Daraus entstanden dann<br />
Keime des Gedächtnisses, die wiederum die ersten<br />
einfachsten moralischen Begriffe bildeten.<br />
Der ausgebildete Wille des Mannes konnte dies zunächst<br />
nicht, er folgt den Antrieben der Natur oder<br />
anderen äußeren Einflüssen (etwa durch Eingeweihte)<br />
noch instinktiv. Die Natur der Frau glich eher<br />
einer seelisch-göttlichen, wohingegen die der<br />
Männer eher einer natürlich-göttlichen glich. Die<br />
Frauen entwickelten ihr Gedächtnis und ihre Phantasie<br />
weiter, Erfahrungen wurden für die Zukunft immer<br />
wichtiger. Einige wussten aus einer besonderen<br />
Tiefe heraus zu deuten, sie äußerten dies in einer Art<br />
Gesang; dies war der Anfang des Gottesdienstes.<br />
Im Blick auf die Bibel fällt schnell auf, dass es bei<br />
genauem Betrachten zwei unterschiedliche Schöpfungsgeschichten<br />
gibt. Etwas Besonderes muss also<br />
zwischen diesen geschehen sein. Die Bibel selbst gibt<br />
darüber keine Auskunft, und auch die Theologen der<br />
großen Konfessionen nehmen dies nicht zur Kenntnis.<br />
Frau Black half uns, in diesen Zwischenraum zu<br />
schauen: Am 6. Tag der Schöpfung wurde der<br />
Mensch als zweigeschlechtliches Wesen (androgyn)<br />
geschaffen (Genesis 1,27), und Gott bestätigte das<br />
Geschaffene das erste Mal mit den Worten: „Und<br />
siehe es war sehr gut!“ Die Entwicklung, speziell die<br />
des Menschen, muss hier zu einem Ende gekommen<br />
sein. Um den Menschen zu einem freien schöpferischen<br />
Wesen machen zu können, ist die Geschlechtertrennung<br />
notwendig. Eine Krise trat ein, und<br />
Jahwe sprach: „Und es ist nicht gut, dass der Mensch<br />
alleine sei" (Genesis 2,18). Es kam zu der Erschaffung<br />
der Männin (hebr. Ischa von Isch - Mann).<br />
Über verschiedenste Philosophen, den Urbegriff der<br />
Hexe, Jeanne d´Arc bis hin zu den verschiedenen<br />
Mariendogmen der katholischen Kirche, gelangten<br />
wir am letzten Tag des Kurses zu dem Thema der<br />
Heiligen. Weniger theoretisch, sondern aus uns heraus<br />
wurden wir aufgefordert, unsere Gedanken in<br />
eine Form zu setzen: Heilig ist nicht … , sondern …<br />
Heilig ist nicht übermenschlich,<br />
sondern menschlich.<br />
Heilig ist nicht ein Kind,<br />
sondern das Kind im Erwachsenen.<br />
Heilig ist nicht, wer glaubt, heilig zu sein,<br />
sondern wer sich weit davon entfernt fühlt.<br />
Heilig ist nicht ein außerordentlicher Zustand,<br />
sondern was heilt – dich und mich.<br />
Heilig ist kein Zustand,<br />
sondern eine Entwickelung.<br />
Heilig ist nicht blinder Glaube,<br />
sondern das Streben nach dem Erkennen<br />
der Wahrheit.<br />
Heilig ist nicht, wer das Gesetz erfüllt,<br />
sondern wer liebt.<br />
Heilig ist nicht jemand, der nicht sündigt,<br />
sondern jemand, der die Sünde<br />
im Prozess überwindet.<br />
Lernen<br />
29
30<br />
Lernen<br />
Referate im Wintertrimester 2013<br />
| Grundstudium 2. Trimester<br />
Daniel Holenweger Die Katharer<br />
Michael Sölch Echnaton<br />
Jaqueline Steigner Simone Weil<br />
Lisa Holthaus Nelly Sachs<br />
Kateryna Gagarina Wladimir Solowjew<br />
Martin Thiele Die Logoslehre des Heraklit<br />
Peter-René Brose Jan Hus und die Husiten<br />
Referate im Sommertrimester 2013<br />
| Grundstudium 3. Trimester<br />
Valentino Franzoi Bernhard von Clairvaux<br />
Kaya Daisuke Friedrich Rittelmeyer<br />
Götz Feeser Der Manichäismus<br />
Till Sarrach Die Entstehung des Königtums in Israel<br />
Margrit Brunner Hildegard von Bingen<br />
Willem Boonstoppel Die Templer<br />
| Vertiefungsstudium 5. Trimester 2013<br />
Sylvia Momsen Die Mission der Andacht (aus GA 58)<br />
Liebe Leser des Seminarbriefes!<br />
Alle Förderer sind herzlich einladen, bei Interesse die Hauptkurse des 1. Jahres wahrzunehmen. Die Kurse finden<br />
in der Regel von Montag bis Samstag von 9.15 bis 10.30 Uhr statt. In den Kurswochen können Sie auch<br />
mit uns morgens um 7.30 Uhr die Menschenweihehandlung in der Kapelle des <strong>Priesterseminar</strong>s feiern und uns<br />
danach bei einem guten Frühstück in geselliger Runde besser kennenlernen. Bitte melden Sie sich möglichst<br />
frühzeitig im Sekretariat des Seminars an, denn die Teilnehmerzahl ist begrenzt.<br />
Die Förderer des <strong>Priesterseminar</strong>s laden wir vom 21. bis 23. Juni zu einem Freundestreffen ein. Einzelheiten zu<br />
all diesen Veranstaltungen können ab Beginn des neuen Jahres bei uns erfragt werden (entweder telefonisch<br />
im Sekretariat oder über unsere Homepage). Bitte notieren Sie heute schon die für Sie interessanten Termine!<br />
Wir freuen uns auf Ihr Kommen!
Kurse im Sommertrimester 2013<br />
KW Datum 3. Trimester 6. Trimester<br />
17 22.4. S. Meyer: Geheimwissenschaft M. Oltmann-Wendenburg: Apokalypse<br />
18 29.4. E. Fischer: Lukasevangelium<br />
19 6.5. G. Dellbrügger: Deutscher Idealismus C. Schikarski: Pastoralmedizin<br />
20 13.5. M. Gädeke:Botanik<br />
21 19.5 Studienfreie Woche, eigene Projekte<br />
22 27.5. R. Halfen: Die Schule von Chartres<br />
23 3.6. M. Horák: Weltreligionen E. Ludwig: Christologie<br />
24 10.6. C. Gerhard: Reformation G. Thriemer: Vorbereitung der Praktika<br />
11.-15.6. Eigene Projekte<br />
25 17.-20.6. J. Andrees: Theaterimprovisation<br />
21.6. Kursfreier Tag<br />
21.-23.6. Freundestreffen – Sonderprogramm, Vorstellung der Projektarbeiten<br />
26 24.6. A. Wolpert: Christus und der Gral A. Wolpert: Leonardos Abendmahl<br />
27 1.7. M. Debus: Trinität G. Dreißig: Das Sakrament der Trauung<br />
Lernen<br />
31
32<br />
Lernen<br />
Einige Betrachtungen zum Wort Gottes<br />
| Daniel Holenweger, 3. Trimester<br />
In der Auseinandersetzung mit der Bibel sind mir<br />
hier am <strong>Priesterseminar</strong> schon eine Anzahl Erkenntnisfrüchte<br />
gereift, für die ich sehr dankbar bin. Dem<br />
Buch der Bücher wohnt ein unendlich tiefer Sinn<br />
inne, wenn man nur dazu kommt, an diesem Teil zu<br />
haben. Dies konnte ich aber für einen großen Teil<br />
meines vergangenen Lebens nicht. Diese Schrift war<br />
mir verschlossen, das sprichwörtliche Buch mit den<br />
sieben Siegeln. Und bis sich mir das erste Siegel öffnete,<br />
musste einiges an Zeit vergehen. Ich erinnere<br />
mich, wie ich als Jugendlicher in einem selbstverfassten<br />
Liedtext geschrieben hatte, dass das Buch<br />
Gottes veraltet sei und ein moderner Mensch wohl<br />
kaum noch etwas damit anfangen könne. Doch in<br />
diesem alten Buch offenbaren sich Vergangenheit,<br />
Gegenwart und Zukunft des Menschen mit dem<br />
höchsten Wesen, Gott. Selbst dann noch, als ich<br />
mich als Christ zu bezeichnen begann, fiel es mir<br />
schwer, in das heilsame Bad des Wortes Gottes einzutauchen.<br />
Das Evangelium war mir wie von hohen,<br />
unüberwindlichen Mauern umgeben. Die Schrift<br />
führte darum ein eigentliches Schattendasein in<br />
meiner Sammlung von noch zu lesenden Büchern. Es<br />
ist nicht zuletzt Rudolf Steiner zu verdanken, dass<br />
ich die Bibel nicht ganz aufgegeben habe, wird doch<br />
in seinen Vorträgen immer wieder deutlich, welch<br />
lebendiger Geist in ihr verborgen ist. Dieser Umstand<br />
des Draußenstehens begann sich langsam zu ändern,<br />
als ich regelmäßiger die wöchentliche Evangelienlesung<br />
in meiner Gemeinde zu besuchen begann,<br />
und vertiefte sich dann weiter in den Kursen am<br />
<strong>Priesterseminar</strong>.<br />
Wie aber ist es möglich, dass aus diesen Buchstaben<br />
und Worten, denen wir auf den Seiten des Alten und<br />
Neuen Testamentes begegnen, das Wort des lebendigen<br />
Gottes wird? Wie kann zu uns durch diese<br />
Schrift das höchste Leben sprechen? Wie geschieht<br />
die Verlebendigung des toten Buchstabens?<br />
Ich lese, aber damit ist nicht gesagt, dass sich<br />
Wesentliches auszusprechen beginnt. Das Wort<br />
erscheint während des Lesens für kurze Zeit in unserer<br />
Wahrnehmung und entschwindet wieder, nachdem<br />
wir diese zu anderen Objekten übergehen lassen.<br />
Oberflächlich, flüchtig kann das Wort an uns<br />
vorüberziehen, und nichts geschieht. Der Sinn<br />
erschöpft sich in Spiegelung und verlischt nach dem<br />
Lesen wieder. Die Bedingungen von Zeit und Raum in<br />
unserem gewöhnlichen, alltäglichen Leben lassen<br />
nur selten eine Qualität zu, in welcher das Wort<br />
mehr als nur ein flüchtiger Hauch ist. Was muss<br />
geschehen, dass das Wort lebendig werden kann?<br />
Von Maria, der Mutter Jesu, heißt es: „Maria aber<br />
behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem<br />
Herzen“ (Lk 2,19). Was bedeutet das? Das, was sie<br />
wahrgenommen hat, hält sie in ihrer Erinnerung fest<br />
und nimmt es mit ihrer Liebe für ihren Sohn in ihr<br />
Herz. Im Herzen beginnt sie diesen Erinnerungsschatz<br />
zu bewegen, sie lässt diesen aufleben, sie<br />
denkt darüber nach. So in die Betrachtung versunken,<br />
bekommt das Wort des Evangeliums den<br />
Nährboden, den es braucht, um sich auf seinen tieferen<br />
Gehalt hin aussprechen zu können. Das Wort,<br />
das Same ist, kann so wachsen und Frucht bringen.<br />
Der Vorgang der Betrachtung selbst schafft eine<br />
neue Qualität von Raum und Zeit, welche die Hetze<br />
der Zeit zur Ruhe bringt und uns einen Ruhepunkt<br />
im inneren Raum finden lässt. In dieser Gegenwart<br />
spricht, durch das gegebene Wort des Evangeliums,<br />
der lebendige Gott zu uns, seiner Kreatur. Eines der<br />
Geheimnisse am Wort Gottes ist, dass es sich in der<br />
Betrachtung niemals erschöpft, dass es sich immer<br />
zunehmend in seiner Offenbarung vertieft.
Die Erfahrung zeigt, dass, wenn man alleine in der<br />
Bibel liest, es nicht immer leicht ist, ihrem Sinn<br />
nahezukommen. Das Lesen in Gemeinschaft hat sich<br />
mir diesbezüglich als große Hilfe erwiesen. Warum<br />
kommt einem da das Evangelium näher? Was<br />
geschieht im Sprechen und Hören des Evangeliums?<br />
Es kann etwas geschehen, wenn in den Teilnehmenden<br />
Ernsthaftigkeit und Glaube anwesend sind. Ist<br />
diese Grundkonstellation der Anwesenden gegeben,<br />
geschieht etwas in der Verbindung von Sprechendem<br />
und Hörenden, es bewegt sich etwas zwischen<br />
ihnen. In diesem Austausch zwischen den Teilnehmern<br />
entsteht ein unsichtbarer Bereich. Über den<br />
sinnlich wahrnehmbaren Bereich von Hören und<br />
Sprechen hinaus entsteht ein nichtsinnlicher Raum,<br />
ein Seelenraum. Die Koordinaten dieses nichtsinnlichen<br />
Raumes werden durch den Inhalt, den Hörende<br />
und Sprechende bewegen, festgelegt. Im so erzeugten<br />
Seelenraum kann sich der geistige Gehalt des<br />
gesprochenen Wortes manifestieren. Wir sprechen<br />
das Evangelium aus; der Sinn oder geistige Gehalt<br />
offenbart sich im Seelenraum dem Hörenden, der ihn<br />
dann in der sinnlichen Welt wiederum aussprechen<br />
kann. Den geistigen Gehalt müssen wir aber wesentlich<br />
als die Offenbarung des lebendigen Gottes verstehen.<br />
Darum kann der Christus zu den Jüngern<br />
sagen: „ Denn wo zwei oder drei in meinem Namen<br />
versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“<br />
(Mth18,20). Wo also mindestens zwei im Namen<br />
Jesu Christi anwesend sind, wird ein Seelenraum<br />
gebildet, in dem sich der Christus Jesus manifestieren<br />
kann. Doch was tut er da. Es heißt in dem Bericht<br />
von den zwei Jüngern, die nach Emmaus unterwegs<br />
waren und denen er erschien; „ Und er fing an bei<br />
Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was<br />
in der ganzen Schrift von ihm gesagt war“ (Lk 24,27).<br />
Und weiter sagen die Jünger, nachdem er sie wieder<br />
verlassen hatte: “Brannte nicht unser Herz in uns, als<br />
er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift<br />
öffnete?“ (Lk 24,32).<br />
Das Geheimnis der heiligen Schrift liegt also darin,<br />
dass die Lesenden durch ihre Einstellung die<br />
Möglichkeit schaffen, dass der lebendige und höchste<br />
Gott sich ihnen direkt mitteilen kann. Die<br />
Bedingungen, die das Wort in unserer Seele findet,<br />
bilden den Nährboden, auf welchem das Wort wachsen<br />
kann. Und je mehr das Wort wachsen kann,<br />
desto mehr kann sich der Himmel darin aussprechen.<br />
Wenn man in einer Lesegruppe einen solchen<br />
Nährboden schafft, kann das zu ganz erstaunlichen<br />
Früchten des Geistes führen, was mich immer wieder<br />
mit großer Dankbarkeit erfüllt.<br />
Lernen<br />
33
34<br />
Lernen<br />
Der Entschluss<br />
| Johanna Taraba, Praktikantin in Ostberlin<br />
Wie ist es, eine Entscheidung zu treffen?<br />
Einen Entschluss zu fassen?<br />
Wann taucht ein solcher das erste Mal auf?<br />
In allen mir bisher bekannten Bruderschaften gab es<br />
immer verschiedene Wegstufen - häufig in Form der<br />
Grade: Lehrling, Geselle, Meister. Bei den Phytagoreern<br />
waren es meines Wissens die Akusmatiker (die<br />
Hörenden), die Adepten (die schon<br />
etwas erlangt haben) und die<br />
Mathematiker. Von Phytagoras ist uns<br />
der Ausspruch überliefert: „Die Zahl<br />
ist das Wesen aller Dinge“. Auf der<br />
dritten Stufe ist man dem Wesen aller<br />
Dinge bereits vertrauter geworden.<br />
Vielleicht ist es beim Studium am<br />
<strong>Priesterseminar</strong> ähnlich. In den ersten<br />
beiden Jahren lernt man durch viele<br />
Kurse und künstlerische Tätigkeiten,<br />
ein Hörender zu werden. Hierbei hört<br />
man auch stark in sein eigenes Inneres<br />
hinein. In der christlichen Freimaurerei<br />
ist das Motto des Lehrling-<br />
Grades: Schaue in dich! Im Hören<br />
wird man sich nach und nach des<br />
göttlichen Funkens in jedem Menschen<br />
bewusst. Der Geselle oder Adept hat schon ein<br />
Stück des Weges hinter sich gebracht. Er hat gewisse<br />
Inhalte aufgenommen und ist nun bereit, einen<br />
weiteren Schritt in den Umkreis zu wagen. Dabei<br />
kommt er aber nicht um die anderen Menschen<br />
herum, sind doch gerade diese sein unmittelbares<br />
Umfeld. Hier gilt darum das Motto: Schaue um dich!<br />
Dies ist beim Studium am <strong>Priesterseminar</strong> besonders<br />
in der Zeit des Praktikums verankert. Geduldig lebt<br />
man sich in konkrete Gemeindezusammenhänge ein,<br />
lernt in ganz unterschiedlichen Begegnungen, dass<br />
man vielleicht selber gar nicht so beweglich, vielseitig<br />
und sozialkompetent ist, wie man noch einsam<br />
über Steiner-Schriften brütend annahm. Oder man<br />
Ein Blick<br />
Ruhet<br />
auf mir.<br />
Er weilt nur einen Moment<br />
Doch ist sein Wesen von Dauer.<br />
Keine Fessel der Welt<br />
bindet mich stärker<br />
an mein eigenes Leben<br />
Denn dieser Blick –<br />
der doch<br />
Tor zur Freiheit ist.<br />
–<br />
Dein Blick ruhet auf mir<br />
Du Ewigkeit meines Werdens.<br />
In stiller Erwartung<br />
harrest du meiner.<br />
Ich nahe dir.<br />
lernt auf einmal Pfarrer kennen, die erst einmal gar<br />
nicht dem erdachten Idealbild eines geweihten<br />
Priesters entsprechen wollen. Außerdem sind da die<br />
vielen Lebens- und Verkündigungsgewohnheiten in<br />
den Gemeinden anzutreffen, die auch ein wenig<br />
ernüchternd sein können. Und die lieblichen quirligen<br />
Kinder im Unterricht, die einen womöglich daran<br />
erinnern, dass man doch viel besser Pädagoge wäre …<br />
Wenn man dann irgendwann an den<br />
Punkt kommt, dass all das „Schaue<br />
in und um dich“ nicht zu einer einsichtigen<br />
klaren Richtungsänderung<br />
führt, sondern einem Kraft gibt,<br />
mutig ein „Schaue über dich“ zu<br />
wagen – man sich also über sein<br />
ganz Persönliches zu erheben vermag,<br />
dass man den Impuls hat, den<br />
Mitmenschen zu dienen, dass sie<br />
ihrem höchsten Wesen folgend den<br />
eigenen Erdenweg finden können –,<br />
nähert man sich der nächsten Stufe,<br />
dem dritten Grad.<br />
Ausgehend von der Frage nach dem<br />
Ursprung eines Entschlusses habe<br />
ich hier den Text über die Grade zu<br />
beschreiben begonnen. Nun, worin<br />
sehe ich den Zusammenhang? Ganz einfach, der<br />
Zusammenhang liegt in mir: Ich habe in mir die Nähe<br />
zum Wesen des Christentums „gehört“. Schon in diesem<br />
Hören hat sich ein zukünftiger Entschluss sachte<br />
angekündigt. Jetzt im Praktikum prüfe ich das innerlich<br />
Wahrgenommene an den äußeren Tatsachen.<br />
Der Ent-Schluss – das Tor oder Nadelöhr – rückt noch<br />
näher an mich heran. Oder gehe ich auf ihn zu?<br />
Wie genau mein Weg weitergeht, wird sich noch zeigen.<br />
Aber ich meine, dieses vorher erwähnte „Schaue<br />
über dich“ anzustreben und u.a. in der Priesterweihe<br />
veranlagt zu finden.
Neugeweihte Priester<br />
Von links nach rechts<br />
Männer<br />
Von links nach rechts<br />
Frauen<br />
Nicht auf dem Bild<br />
Lander van den Bussche, 1974 (entsandt nach Hamburg-Volksdorf, Deutschland)<br />
Sebastian Schütze, 1966 (entsandt nach Basel, Schweiz)<br />
Jakob Butschle, 1981 (entsandt nach Graz, Österreich)<br />
Johannes Beurle, 1979 (entsandt nach <strong>Stuttgart</strong>-Möhringen, Deutschland)<br />
Pekka Asikainen, 1950 (entsandt nach Helsinki, Finnland)<br />
Stanislava Veselková, 1964 (entsandt nach Wien, Östereich)<br />
Ute Lorenz, 1965 (entsandt nach Berlin-Prenzlauer Berg, Deutschland)<br />
Miriam Röger, 1985 (entsandt nach Wuppertal, Deutschland)<br />
Anna von Druska, 1959 (entsandt nach Tampere, Finnland)<br />
Adam Rickets, 1968 (entsandt nach Den Haag, Holland)<br />
Lernen<br />
35
36<br />
Lernen<br />
Vom täglichen Lernen eines werdenden Priesters<br />
| Martin Thiele 3. Trimester<br />
Draußen ist es noch dunkel, als ich im Pyjama über<br />
den dämmrigen Flur zur Toilette schleiche. Im Halbdunkel<br />
kommt mir eine Gestalt entgegen, die Haare<br />
wild wie Antennen in alle Richtungen abstehend, ein<br />
Mitstudent auf dem gleichen Weg wie ich. Aus dem<br />
Badezimmerspiegel schaut mir dasselbe medusenhafte<br />
Bild des Flurs entgegen. Nachts scheinen wir<br />
alle gleichermaßen unsere Antennen auszufahren.<br />
Nach dieser morgendlichen Selbsterkenntnis gehe ich<br />
frisch geordnet in die Kapelle hinunter. Der weite<br />
Raum wird lediglich von einigen Kerzen erhellt. Ich<br />
setze mich schweigend auf einen freien Platz. Nach<br />
und nach füllen sich die Stuhlreihen mit Gästen und<br />
Mitstudenten. Vorne auf der linken Seite neben dem<br />
Predigtpult sitzen vier Priester in kultischen Gewändern.<br />
Wir erleben gemeinsam die Menschenweihehandlung.<br />
Heute wird auf Finnisch zelebriert. Aus<br />
aller Welt kommen die Priester der Christengemeinschaft<br />
als Dozenten oder Gäste zu uns. Dadurch wird<br />
die Weihehandlung im Seminar praktisch in jeder<br />
Sprache zelebriert, in der sie auf der Welt gehalten<br />
wird. Nach der Handlung treffen wir uns alle zum<br />
gemeinsamen Frühstück im Essensraum. Jetzt wird es<br />
langsam lebendig. Das Stimmengewirr der Gespräche<br />
an den Tischen und frischer Kaffeeduft erfüllen die<br />
Luft. Einige Studenten führen einen kleinen Sketch<br />
auf. Natürlich fangen wir wieder viel zu spät mit dem<br />
Abwasch an, kommen aber gerade noch rechtzeitig<br />
zur künstlerischen Einstimmung: zehn Minuten<br />
Theatersport bevor sich unser Trimester im blauen<br />
Raum zum Hauptkurs trifft.<br />
Der Hauptkurs findet jeden Morgen statt und dauert<br />
zu einem bestimmten Thema eine Woche lang. Diese<br />
Woche hält Herr Harlan seinen Kurs über die Substanzen<br />
der Taufe Wasser, Salz und Asche. Neben seinen<br />
spannenden Ausführungen machen wir auch<br />
Experimente. Wir beobachten die Bewegungen des<br />
Wassers in einem Gefäß, lassen eine Salzlösung kristallisieren<br />
und zündeln ein bisschen. Wir sind so bei<br />
der Sache, dass wir beinahe die Obstpause um 10:30<br />
Uhr verpassen.<br />
Die nächste Stunde ist Nachbereitungszeit. Jeder verarbeitet<br />
auf seine Weise das Erlebte. Manche setzen<br />
sich in kleinen Gruppen zusammen und sprechen<br />
über den Kurs. Andere gehen spazieren, um den Kopf<br />
wieder frei zu bekommen. Vor dem Mittagessen haben<br />
wir Theosophie. Wir besprechen das Kapitel über<br />
Reinkarnation. Das Essen beginnt mit einem Gebet.<br />
Frühstück und Mittagessen nehmen wir immer<br />
gemeinsam ein.<br />
Danach ist Pause, wenn man nicht beim Abwasch<br />
helfen muss. Ich lege mich kurz aufs Ohr und lese im<br />
Anschluss noch eine halbe Stunde im Seminargarten,<br />
um ein kleines Referat vorzubereiten. Um kurz vor<br />
drei treffen wir uns im Garten. Normalerweise haben<br />
wir mittags künstlerische Fächer wie Sprachgestaltung<br />
oder Eurythmie und zwischendurch weitere<br />
Fachstunden z.B. zu den Evangelien oder zur Men–<br />
schenweihehandlung. Mittwochs aber treffen wir uns<br />
zur Gartenarbeit. Heute gilt es, einen kleineren Baum<br />
auszureißen. Früh übt sich, wer später mit seinem<br />
Glauben Berge versetzen will. Valentino und ich laborieren<br />
zwei Stunden an dem Baum herum, zunächst<br />
am Wurzelwerk, später mit vollem Körpereinsatz<br />
gegen den Stamm. Nach getaner Arbeit gibt es im<br />
Essensraum Kuchen für alle.<br />
Um halb sechs beginnt der Chor. Herr Ronner leitet<br />
uns gekonnt vom einfachen Lied bis zur Bruckner-<br />
Motette. Der Chor ist offen für alle Studenten aus<br />
den anderen anthroposophischen Seminaren auf der<br />
Uhlandshöhe, die zusammen den Campus A bilden.<br />
Manche Gäste bleiben auch noch zur anschließenden<br />
Andacht in der Kapelle.<br />
Beim Abendessen in der Küche treffe ich Willem und<br />
Lisa. Wir essen gemeinsam und plaudern noch eine<br />
Weile, bis mir mein Artikel für den Seminarbrief wieder<br />
einfällt, der morgen fertig sein soll. Vorher aber<br />
rufe ich noch meine Frau an. Eine ganze Anzahl derer,<br />
die hier studieren, haben eine Familie, die sie nur am<br />
Wochenende oder in den Ferien sehen. Manche wohnen<br />
aber auch zu Hause und kommen von außerhalb<br />
zu den Kursen.
Es ist schon spät als ich mich an den Schreibtisch<br />
setze. Bevor ich einschlafe, mache ich meine Tagesrückschau.<br />
Der steinerschen Empfehlung nach ist es<br />
gut, den Tag rückwärts zu erinnern, vom Abend bis<br />
zum Morgen. Ich komme fast bis zum Abendessen.<br />
Den Rest des vergangenen Tages erinnere ich im<br />
Schlaf weiter.<br />
Zur Seminartagung vom 2. bis 5. Januar 2014<br />
am <strong>Stuttgart</strong>er <strong>Priesterseminar</strong> mit dem Titel<br />
Die Wirklichkeit<br />
der Schwelle heute<br />
Die Brücke<br />
von Idee zu Taten<br />
laden wir von Herzen alle ehemaligen Studentinnen<br />
und Studenten der <strong>Priesterseminar</strong>e der Christengemeinschaft<br />
ein. Die Tagung wird begleitet von Herrn<br />
Debus, Herrn Karlsson und Herrn Dreißig. Ebenfalls<br />
herzlich eingeladen sind für 2014 erstmalig noch aktuell<br />
Studierende der Seminare Chicago / Spring Valley,<br />
Hamburg und <strong>Stuttgart</strong>.<br />
Weitere Auskunft: www.seminartagung.de<br />
Mit sehr herzlichen Grüßen,<br />
Ellen Buhles, Angela Craig-Fournes, Nicola Marks,<br />
Richard Nowaczek, David Plum und Heike Sommer<br />
(Vorbereiterkreis)<br />
Anmeldungen bitte an:<br />
Richard Nowaczek<br />
Hochend 36<br />
47509 Rheurdt<br />
TelFax 02845-60 9000<br />
email: a.r.nowaczek@web.de<br />
Lernen<br />
37
38<br />
Lernen<br />
Die Haut des Logos<br />
| Martin Thiele, 3. Trimester<br />
Die Lyrik als Vorstufe zum Erleben des Geistigen<br />
Sicht.Gesicht<br />
zwischen all den gehetzten Idyllen<br />
und gestohlenen Momenten<br />
findest du immer wieder einen letzten<br />
Augenblick in deinen Taschen<br />
Atemuhr schlägt sieben Fenster auf<br />
Stundenschaukel wartet hin und her<br />
deine Finger wachsen in den Urnen<br />
wurzeln fest in Wüste, Feld und Strand<br />
See und Seele in den Taschen<br />
Spiegelstille ruht auf Atemwelle<br />
Martin Thiele<br />
„Der logische Satz ist unkommunikativ“ schreibt<br />
Kurt Drawert in einem seiner Essays. Beim Definieren<br />
grenzen wir einen Gedankeninhalt von anderen Inhalten<br />
ab und schließen ihn in einen Wortkäfig ein.<br />
Losgelöst aus seinem lebendigen Zusammenhang<br />
erstarrt er zur toten Abstraktion. Als Information ist<br />
er bloßes Instrument für die Meinung seines Erdenkers.<br />
Er teilt sich selber nicht mehr mit, führt kein<br />
Eigenleben. Wie eine entwurzelte Pflanze auf dem<br />
Seziertisch ist er totes Material geworden.<br />
In der Lyrik hat nach Kurt Drawert die Sprache die<br />
Funktion einer Haut. Sie umhüllt das eigentliche<br />
Wesen einer Dichtung, das selbst nicht sprachlich<br />
und dadurch für sich allein auch nicht beschreibbar<br />
ist. Drawert nennt das etwas technisch den „Mehrwert“.<br />
Erst mittels dieser Sprachhaut wird das lebendige<br />
Wesen einer Dichtung erlebbar, berührbar. Sie<br />
begrenzt und öffnet zugleich. Sie wird zum atmenden<br />
Mittler zwischen dem Leser und dem Wesen der<br />
Dichtung. Sie ist eine Tür, grenzt zwei Räume gegeneinander<br />
ab und ist zugleich der Durchgang vom<br />
einen in den anderen. Die Lyrik legt nicht fest, sondern<br />
lässt Raum für Interpretation und Vieldeutigkeit.<br />
Sie schafft einen geistigen Raum, in dem ein<br />
geistiges Wesen nicht nur sich aussprechen, sondern<br />
lebendig anwesend sein, wohnen kann. Es ist möglich,<br />
dem Wesen selbst zu begegnen, mit ihm im<br />
Gespräch zu sein. Eine wahre Dichtung hat immer<br />
etwas über ihren nackten Wortlaut hinaus mitzuteilen.<br />
Ihre homöopathische Behandlung der Sprache<br />
und die Potenzierung der Syntax erschaffen ein winziges<br />
Sprachgebilde mit erstaunlicher geistig-seelischer<br />
Wirkenskraft.<br />
Auch der Wortlaut der Menschenweihehandlung hat<br />
eine solche Sprachhaut, die eine Hülle für den<br />
Christus bildet. Der Logos selbst kann dadurch während<br />
der Handlung anwesend sein. In jedem gesprochenen<br />
Wort des Priesters kann der Christus leben<br />
und wirken. In jeder sprachlichen Gebärde der<br />
Weihehandlung können wir ihm begegnen. Die<br />
Weihehandlung definiert den Christus<br />
nicht, sondern bildet ihm einen<br />
Raum zum Wirken. Sie ist keine Informationsveranstaltung<br />
über die<br />
geistige Welt, der man einmal beigewohnt<br />
haben sollte, um auf dem neusten<br />
Stand zu sein, sondern eine<br />
Möglichkeit, dem Himmel auf der<br />
Erde einen Platz zu geben. „Pflegt die<br />
Gastfreundschaft“, schreibt Paulus<br />
an die Römer. Das Besondere an<br />
einem solchen geistigen Raum ist<br />
natürlich, dass er immer wieder neu<br />
gebildet werden muss. Auf der Erde<br />
bauen wir ein Haus in der Erwartung,<br />
dass es dann da ist. Wir müssen es<br />
zwar pflegen und gelegentlich das<br />
Material erneuern, aber es steht bei<br />
guter Planung fest auf seinem Grund.<br />
© siehe Impressum
Den geistigen Raum für die Weihehandlung müssen<br />
wir immer wieder von neuem erschaffen. Er bleibt<br />
nicht einfach stehen wie das Haus.<br />
Das Gedicht „Sicht.Gesicht“ entstand aus der Stimmung<br />
einer Wiederbegegnung mit guten Freunden.<br />
Es wird gedanklich nicht gleich fassbar, was es mit<br />
Begegnung zu tun hat. Aber vertieft man sich in ein<br />
bekanntes Gesicht, kann man erleben, wie sich der<br />
eigene Blick, die eigene „Sicht“ erweitert. Wie sich<br />
die Eile des Alltags durch die Anwesenheit des Anderen<br />
verflüchtigt. Nicht die Uhr, sondern der Atem<br />
zählt die Stunden, die auf der Schaukel gleich Kindern<br />
spielen, nicht um zu vergehen, sondern um zu<br />
wachsen und zu gedeihen. Man kann die beruhigende<br />
„Spiegelstille“ eines vollkommen ruhigen Sees<br />
erleben und gleichzeitig innerlich von „Atemwellen“<br />
bewegt sein.<br />
Ich möchte damit nicht festlegen, was das Gedicht<br />
im Einzelnen zu bedeuten hat. Jeder vermag vielleicht<br />
etwas Anderes in diesen Zeilen zu entdecken.<br />
Interpretation bedeutet ja nicht zu wissen, was der<br />
Dichter „damit“ sagen wollte. Interpretation<br />
heißt, den geistigen Lebensraum<br />
einer Dichtung zu betreten<br />
und im Idealfall dieses Erlebnis auch<br />
beschreiben zu können.<br />
Wie das Leben selbst hat auch ein<br />
Gedicht unendlich viele Bedeutungsebenen<br />
und -schichten. Immer wieder<br />
lässt sich etwas Neues entdecken<br />
Mit dieser erlebenden Haltung können<br />
wir uns auch immer wieder der<br />
Menschenweihehandlung öffnen und<br />
an ihrem inneren Leben Anteil nehmen.<br />
Steinbildhauerei<br />
in der Osterzeit<br />
| Daiske Kaya, 3. Trimester<br />
Woher kommt<br />
Die Ei-Gestalt<br />
Die allen Eiern gemeinsam ist<br />
Die Form<br />
Und wenn Du Stein<br />
Der schweigende Stein<br />
Wenn dir ein Leben wär’<br />
Welche Form du nähmest<br />
Zeige mir<br />
Was du in dir hast<br />
Durch deine Geste<br />
Ich nun<br />
In der Form den Einklang<br />
Der von innen heraus<br />
Und von außen kommt<br />
Fühle ihn in mir<br />
Wie meine Geistigkeit mit der<br />
Stimme des Steins sich vereint<br />
Lausche in deine Stimme<br />
Höre in deine Geste<br />
Wenn immer ich den Meißel schwinge<br />
Bemerke ich denselben Ton<br />
Der in der ganzen Welt<br />
Und im ganzen Weltall<br />
Erklingt<br />
Erschaffung<br />
Durch diese Tat werde ich<br />
Wissen, dass Einer des Weltalls<br />
Ich bin<br />
Durch die Erschaffung<br />
Wahrhaftig werde ich<br />
Einer des Weltalls<br />
O Erschaffung<br />
Die Welt<br />
Entspringe diese Kunst<br />
Zu schwingen den Meißel<br />
Nicht bloß meiner Willkür sondern<br />
Auch der Liebe zu dir<br />
Und der Dank zu dir<br />
Lehre mich die Liebe<br />
O Dankbarkeit<br />
Um die Liebe zu wissen<br />
Sei mein Ohr<br />
Lernen<br />
39
Leben & Begegnung<br />
40<br />
Was verbindet uns?<br />
| Julian Rögge 6. Trimester<br />
In den Trimesterferien haben sich zehn Studierende<br />
des <strong>Priesterseminar</strong>s auf den Weg gemacht, um die<br />
Gemeinden in Ost-Berlin, Dresden, Chemnitz, Leipzig,<br />
Jena und Prag zu besuchen. Einen Teil der einwöchigen<br />
Fahrt wurden wir von einem unserer Seminarleiter<br />
begleitet. Unser Anliegen bei den Gemeindebesuchen<br />
ist auf der einen Seite, während unseres Studiums<br />
möglichst verschiedene Gemeinden zu erleben.<br />
Dabei ist es uns sehr wichtig, die Menschen in den<br />
Gemeinden kennenzulernen und mit ihnen ins<br />
Gespräch zu kommen. Auf der anderen Seite wollen<br />
wir von unserem Studium und unserem Leben am<br />
Seminar berichten. Dies soll auch das Interesse an<br />
einem Studium am Seminar wecken. Vor allem aber<br />
besuchen wir die Gemeinden, um uns Ihnen allen, die<br />
uns ideell und finanziell unterstützen, vorzustellen<br />
und Ihnen auch einmal persönlich Dank sagen zu<br />
können. Im Folgenden möchte ich Ihnen von meinen<br />
Eindrücken berichten.<br />
Nach einer langen Fahrt kamen wir in Berlin an. Das<br />
Erste was auffiel: Für Ende März war es noch ziemlich<br />
kalt. Dies sollte auch die ganze Woche über so<br />
bleiben … Am Abend trafen wir dann die Berliner<br />
Gemeinde. Wir waren gespannt, was uns erwarten<br />
würde. Nach begrüßenden Worten brachten wir ein<br />
Programm aus inhaltlichen (Leben am Seminar,<br />
Studieninhalte etc.), persönlichen ('Mein Weg ans<br />
Seminar') und künstlerischen (Gedichte, Lieder)<br />
Beiträgen dar. Einen Abschluss fand der Abend mit<br />
einer Frage- und Gesprächsrunde. Dieses bunte Programm<br />
variierten wir für die folgenden Begegnun-<br />
gen, sodass jeder von uns Reisenden Gelegenheit<br />
hatte, zu unterschiedlichen Themen zu sprechen.<br />
Am nächsten Morgen machten wir uns auf nach<br />
Dresden. Hier hatten wir zunächst etwas Zeit, um uns<br />
die schöne Altstadt anzuschauen. Doch auch hier<br />
trieben uns die Kälte und der schneidende Wind relativ<br />
schnell wieder zurück in die Gemeinde. Wir waren<br />
gewarnt worden: Man wisse nicht, wie viele Menschen<br />
bei dem Wetter kommen würden. So waren wir<br />
begeistert, dass wir am Abend in großer Runde<br />
zusammensaßen und vom Seminar berichten konnten.<br />
Wir waren mit unserem Programm schon etwas<br />
vertraut und hatten ein sehr interessiertes Publikum,<br />
sodass es ein runder Abend wurde.<br />
Am nächsten Morgen ging es schon früh weiter, da<br />
wir um 9:00 Uhr zur Menschenweihehandlung in<br />
Chemnitz sein wollten. Danach fand auch hier eine<br />
schöne Begegnung mit der Gemeinde und ein lebhafter<br />
Austausch statt. Kennen Sie eine der Besonderheiten<br />
der Chemnitzer Gemeinde? Dort gibt es eine<br />
Kerzenwerkstatt, in welcher in Handarbeit und aus<br />
reinem Bienenwachs unter anderem Altarkerzen hergestellt<br />
werden. Nach einem Besuch in dieser Werkstatt<br />
und einem leckeren Mittagessen ging es auch<br />
schon weiter nach Leipzig. Die Kirche der dortigen<br />
Gemeinde fällt einem sofort ins Auge. Diese Kirche<br />
wurde in der Zeit der DDR gebaut; die Gemeinde<br />
beherbergte bis zur Wende auch ein <strong>Priesterseminar</strong>.<br />
Ihr Bau war möglich, da die damaligen Machthaber<br />
Devisen aus Westdeutschland gerne annahmen.<br />
Während der Zeit der DDR konnten sich hier auch<br />
Initiativen aus der Anthroposophischen Bewegung<br />
treffen. Die Kirche und ihre Pfarrer waren eine<br />
Institution, die das kulturelle Leben der Stadt mitprägte.<br />
Mir, der die DDR nie erlebt hat, fiel in jedem<br />
Winkel die besondere Atmosphäre dieses Ortes auf.<br />
Am Abend hatten wir auch hier eine lebhafte<br />
Begegnung mit der Gemeinde. Am nächsten Morgen<br />
ging es dann weiter nach Jena.<br />
Die Kirche der Gemeinde in Jena wurde, wie in<br />
Leipzig, schon zur Zeit der DDR erbaut. Sie ist deut-
lich kleiner, liegt verborgener, ist aber sehr schön. In<br />
Jena konnten wir die Sonntagshandlung für die<br />
Kinder und die Menschenweihehandlung miterleben.<br />
Zwischen beiden Gottesdiensten gab es eine sehr<br />
schöne Präsentation eines Liedes und vieler Bilder zur<br />
Schöpfungsgeschichte, die die Kinder im Religionsunterricht<br />
erarbeitet hatten. Im Anschluss an die<br />
Begegnung mit der Gemeinde wurden wir noch fürstlich<br />
bewirtet. So trennten wir uns nur zögerlich von<br />
den vielen lieben Menschen und dem schönen Ort,<br />
um uns auf den Weg nach Prag zu machen.<br />
Die Gemeinde in Prag hat eine ebenso wechselvolle<br />
Geschichte wie die Gemeinden in der ehemaligen<br />
DDR. Sie wurde als eine der ersten Gemeinden außerhalb<br />
Deutschlands gegründet und zunächst zweisprachig<br />
(tschechisch/deutsch) geführt. Durch die<br />
Nationalsozialisten verboten, konnte sie nach dem<br />
Krieg wieder aufblühen. Doch schon bald wurde sie<br />
auch von den neuen kommunistischen Machthabern<br />
wieder verboten. Nach längerem Verbot konnte sie<br />
erst im Rahmen des Zusammenbruchs der UdSSR<br />
wieder in der Öffentlichkeit wirken. Seit ihrer Gründung<br />
kam die Gemeinde immer wieder in neuen<br />
Räumen unter, zur Zeit besitzt sie ein großes Haus in<br />
der Nähe der Prager Burg. In diesem ist ein sehr schöner<br />
Weiheraum eingerichtet, es gibt einen Kindergarten<br />
und Wohnungen für die Pfarrer. Hier war die<br />
Begegnung mit der Gemeinde durch den Sprachunterschied<br />
besonders spannend. Wie würden wir die<br />
Menschen erreichen können, wenn alles übersetzt<br />
werden muss? Doch es gelang, und so wurde auch<br />
dies eine bereichernde Begegnung.<br />
Schaue ich nun auf die verschiedenen Begegnungen<br />
zurück, so ziehen viele Bilder an mir vorbei: verschiedene<br />
Menschen, Geschichten, Räume und Städte.<br />
Durch all dies entstehen in den Gemeinden sehr<br />
unterschiedliche Atmosphären. Verbindet sie auch<br />
etwas? Es sind die Menschen in ihrem Suchen und in<br />
ihrem Streben nach einer neuen Gemeinschaft, einer<br />
Gemeinschaft, die hilft, die Sakramente hier auf<br />
Erden Wirklichkeit werden zu lassen.<br />
Jeder Mensch ist ein<br />
verbogener Gottesname.<br />
| Martina Müller,<br />
| Gemeindemitglied in <strong>Stuttgart</strong> Nord<br />
Leben & Begegnung<br />
Ich hatte ein befreundetes Ehepaar, das bei den<br />
Priesterweihen im Chor mitsang, am Sonntag nach<br />
der Weihe zum Mittagessen eingeladen – quasi als<br />
Belohnung, dass sie den neuen Priestern musikalisch<br />
so tüchtig in Amt und Würden geholfen hatten.<br />
Der Wohlgeruch westfälischen Grünkohls zog bereits<br />
durch die Wohnung, als sie eintrafen und mir zur<br />
Begrüßung ein winziges Papierröllchen in die Hand<br />
drückten, das mit einem goldenen Band umwickelt<br />
war.<br />
„Jeder Besucher der Weihen“, so beantwortete SIE<br />
meine fragenden Blicke, „hat im hinteren Foyer in<br />
einen Korb mit lauter solchen Röllchen greifen dürfen;<br />
auf ihnen stehen kleine Sprüche, die mit etwas<br />
Glück in einen interessanten Zusammenhang mit<br />
dem Schicksal des Betreffenden gebracht werden<br />
können.“<br />
Bei ihr träfe es auf jeden Fall zu. Und als sie das Röllchen<br />
für mich herausgegriffen habe, habe sie ganz<br />
fest an mich gedacht. Oha – ein Priesterorakel also!<br />
Gespannt entfernte ich das goldene Bändchen und<br />
entrollte das Papier. „Lies vor“, sagte ER, „was steht<br />
bei Dir?“ Er schaute mir über die Schulter und ich las:<br />
„Jeder einzelne Mensch ist ein verborgener Gottesname.“<br />
– Friedrich Rittelmeyer<br />
Hm. Ich begann angestrengt in mich zu horchen, ob<br />
ich eine Verbindung zu meinem Schicksal herstellen<br />
könnte, als er mich unterbrach: „Aber das steht da<br />
doch gar nicht! Guck mal, da steht: „Jeder Mensch ist<br />
ein verbogener Gottesname“<br />
Tatsächlich! Wir blickten uns an und prusteten los.<br />
Das Priester-Orakel, scheint mir, hat Humor.<br />
Anmerkung der Redaktion: Diese Zettel waren als<br />
Anregung gedacht und dass keine abergläubische<br />
Schicksalsprophetie damit gemeint ist, sollte ja<br />
eigentlich klar sein.<br />
41
Leben & Begegnung<br />
42<br />
Was hat Improvisationstheater mit<br />
christlicher Erneuerung zu tun?<br />
| Auszüge aus einem Gespräch mit Ulrich Meier,<br />
Seminarleiter am Hamburger <strong>Priesterseminar</strong><br />
Till Sarrach: Herr Meier, in der vergangenen<br />
Woche haben wir jeden Morgen eine spannende<br />
Einstimmung in den Tag mit Ihnen erfahren.<br />
Theatersport. Was begeistert Sie daran?<br />
Ulrich Meier: Mich begeistert der spielerische und<br />
unmittelbare Kontakt zum intuitiven Bereich. Ich<br />
kann immer wieder an die Grenze dessen gehen, dass<br />
mir nichts mehr einfällt, und dann erleben, wie mir<br />
das Neue geschenkt wird.<br />
T.S.: Und wieso ist es für angehende Priester<br />
gut zu improvisieren?<br />
U.M.: Für Seminaristen würde ich das niemals verpflichtend<br />
machen, auch in Hamburg ist Theatersport<br />
freiwillig. Denn es gibt Leute, die auf andere Weise<br />
improvisieren: musikalisch, plastisch, bildnerisch, und<br />
nicht jeder Mensch hat eine Affinität zum Theater.<br />
T.S.: Wäre es denkbar, eine Predigt zu improvisieren?<br />
Gar auf Zuruf von der Gemeinde? Krieg,<br />
Homöopathie, Osterhase, Sündenfall. Bitte, Herr<br />
Pfarrer! Oder ist das nicht erstrebenswert?<br />
U.M.: Die freie Rede in der Predigt ist mir in meiner<br />
Seminarzeit empfohlen worden. Ich habe sie zunächst<br />
nicht praktiziert, weil ich großen Respekt davor<br />
hatte, auf der Kanzel zu sprechen. Ich habe erst<br />
einige Jahre lang alles aufgeschrieben, mich dann<br />
nach und nach vom Manuskript gelöst und irgendwann<br />
nur noch frei gesprochen. Ich halte es für eine<br />
gute Sache, dass die Predigt wirklich frei gesprochen<br />
wird. Improvisatorisches kommt in der Predigt beispielsweise<br />
bei Tagungen oder Abendandachten zum<br />
Tragen, weil es hilfreich ist, dass man die Motive, die<br />
einem aktuell beim Begleiten der Tagung in den Sinn<br />
kommen, zu einer Predigt gestalten kann.<br />
T.S.: … und auf Zuruf?<br />
U.M.: Eine Predigt auf Zuruf würde ich nicht machen.<br />
In der Aus- und Fortbildung könnte man in einem geschlossenen<br />
Rahmen kleine Übungen machen, ein<br />
Motiv oder ein Bild auf Zuruf mit Worten in Bewegung<br />
zu bringen.<br />
T.S.: Theater und Improvisation ist stetige<br />
Erneuerung. Woher kann das Neue kommen<br />
in die Gemeinden der Christengemeinschaft?<br />
Soll es überhaupt kommen?<br />
U.M.: Jeder Mensch, der neu in die Gemeinde aufgenommen<br />
wird, sollte die Gemeinde dafür sensibilisieren,<br />
dass sie sich jetzt ändern muss. Das gilt auch für<br />
den Priesterkreis.<br />
T.S.: Ich versuche es noch mal anders.<br />
Bei der Priesterweihe haben sie die neu<br />
geweihten Priester dazu aufgerufen,<br />
revolutionär zu sein. Gibt es etwas, das<br />
sie gern revolutionieren möchten?<br />
U.M.: Ich halte es sogar für einen urchristlichen Auftrag,<br />
revolutionär zu sein. Was ich der Christengemeinschaft<br />
in dieser Hinsicht wünsche und wofür ich<br />
mich gern einsetzen möchte, ist zum Beispiel ein<br />
Wiederentdecken der Andachtskultur. Ich freue mich,<br />
dass wir unsere Sakramente so pflegen, wie wir sie<br />
pflegen, und ich bin immer wieder erstaunt, wie viele<br />
Menschen auch neu den Zugang zu den Sakramenten<br />
finden. Aber das Bedürfnis der Gemeindemitglieder<br />
nach einer aktiveren Beteiligung an der liturgischen<br />
Gestaltung unseres gottesdienstlichen Lebens finde<br />
ich berechtigt. Welche Formen des gemeinsamen<br />
Betens ließen sich zusätzlich zu den Sakramenten<br />
finden? Ein anderer Bereich, der mir am Herzen liegt,<br />
ist eine Stärkung der tätigen Beteiligung unserer<br />
Gemeinden in den kulturellen und sozialen Zusam-
menhängen unserer Städte. Im christlichen Leben<br />
gibt es neben der Einladung an die Menschen, in die<br />
Gemeinde zu kommen, auch die Initiative, als Christengemeinschaft<br />
aktiv in das heutige Kulturleben<br />
hineinzugehen.<br />
T.S.: Was für Tätigkeitsfelder würden sich da<br />
anbieten? Eine Suppenküche zum Beispiel?<br />
U.M.: Ich glaube, dass Gemeinden auch durch solche<br />
religiösen, karitativen Initiativen sehr viel gewinnen<br />
würden an innerer Kraft und vielleicht auch manches<br />
verlieren würden an selbstbespiegelndem, melancholischem<br />
„Ach-wir-sind-ja-nur-so-klein-Gejammer.“<br />
T.S.: Haben wir die Macht, etwas zu bewegen?<br />
Wie ist Ihr Verhältnis zur Macht?<br />
U.M.: Macht verstehe ich zunächst einmal als Tatsache,<br />
nämlich eine unterschiedliche Möglichkeit von<br />
Menschen zu interagieren. Die einen haben mehr<br />
Macht, die anderen haben weniger. Und die mehr<br />
Macht haben, tragen entsprechend mehr Verantwortung.<br />
Schwierig wird es für mich erst, wenn<br />
Macht missbraucht wird. Oder wenn der Machtbegriff<br />
so weit an die Seite gerückt wird – weil man<br />
ihn für negativ erachtet –, dass man das Machtgefälle,<br />
das in jeder sozialen Beziehung lebt, nicht<br />
mehr beachtet. Auch dann droht der Machtmissbrauch,<br />
wenn zum Beispiel jemand seine Macht nicht<br />
offen zeigt, sondern sie den Menschen so überstülpt,<br />
dass sie es nicht bemerken und sich nicht wehren<br />
können. Auch der Ohnmächtige hat Macht.<br />
T.S.: Manchmal bekommt der Priester<br />
vielleicht Macht zugesprochen, ohne<br />
dass er sie haben will …<br />
U.M.: Das ist die große Herausforderung an den<br />
Priester, wenn er die Führung der Gemeinde verantwortet.<br />
Aus dem Neuen Testament können wir ablesen,<br />
dass die Macht christlich wird, wenn sie sich mit<br />
der Verantwortung verbindet und eine dienende<br />
Macht wird: sich für die Prozesse in der Gemeinde<br />
einzusetzen und sie gerade dadurch fruchtbar zu<br />
machen, dass nicht unsere Person in die Machtsphäre<br />
gerückt wird, sondern dass wir dienen, indem wir<br />
dafür sorgen, dass die anderen Menschen Räume finden,<br />
in denen sie sich selber finden und entfalten<br />
können. Die Tradition der christlichen Kirche ist leider<br />
durchsetzt von mancherlei Machtmissbrauch, und es<br />
haftet der Rolle des Priesters und Pfarrers an, dass er<br />
schnell verdächtigt wird, Macht ausüben zu wollen.<br />
Das bedeutet für uns heute, eine besondere Achtsamkeit<br />
bei der Verwirklichung eines erneuerten<br />
Priesterbildes zu üben.<br />
T.S.: Können Sie ein Beispiel geben?<br />
In der Seelsorge werden uns von unseren Gesprächspartnern<br />
manchmal Angebote gemacht, etwas zu<br />
tun, das weit über die Verantwortlichkeit eines Seelsorgers<br />
hinausgeht, zum Beispiel in biografische Entscheidungsprozesse<br />
einzugreifen. Wir müssen aber<br />
als Seelsorger der Entscheidungsfindung unserer<br />
Klienten genauso dienen, wie wir den sozialen Prozessen<br />
in der Gemeinde zu dienen haben. Wir tragen<br />
die Verantwortung dafür, dass die Prozesse in der<br />
Gemeinde sauber geführt werden – auch zum Schutz<br />
derjenigen, die ohne Einflussmöglichkeit an den<br />
Prozessen teilhaben. Weiter sollten wir auch denen,<br />
die Verantwortung in der Gemeinde übernehmen<br />
wollen, zur Seite stehen und ihnen Räume und<br />
Möglichkeiten eröffnen. Den Jugendlichen zum<br />
Leben &<br />
Begegnung<br />
43
Leben & Begegnung<br />
44<br />
... Was hat Improvisationstheater mit christlicher Erneuerung zu tun?<br />
Beispiel vertrauen, wenn sie mit einer Eigeninitiative<br />
kommen. Sie verantwortlich werden lassen, ihnen<br />
Räume geben. Erneuerung gelingt, wenn ich Vertrauen<br />
in die Potentiale der Menschen investiere.<br />
T.S.: Rudolf Steiner empfiehlt den Pfarrern,<br />
sich auch wirtschaftliche Kompetenz anzueignen,<br />
um in diesen Fragen ihrer Gemeinde helfen zu<br />
können. Aus der göttlichen Weisheit heraus.<br />
Wie handhaben Sie das?<br />
U.M.: Erstens sollte sich der Priester hüten, sein<br />
Augenmerk nur auf das Immaterielle zu richten, sondern<br />
er täte gut daran, auch die Geldprozesse in der<br />
Gemeinde voller Interesse zu begleiten, sich auch in<br />
die Vorgänge des Wirtschaftslebens insgesamt einzuleben.<br />
Aber ich verstehe Rudolf Steiner nicht so, dass<br />
der Priester ungefragt Ratschläge erteilen soll. Vielmehr<br />
geht es darum, dass er, wenn die Menschen mit<br />
Studenten im Praktikum<br />
Von links nach rechts:<br />
Gisela Thriemer, Seminarleiterin<br />
Johanna Taraba, 1991, Deutschland<br />
Kaori Mogi, 1982, Japan<br />
Annette Semrau, 1967, Deutschland<br />
Soledad Davit, 1985, Italien<br />
wirtschaftlichen Fragen an ihn herantreten, durch<br />
seine Kenntnis und sein Interesse den Fragenden dazu<br />
verhelfen kann, ihre eigene Entscheidung zu finden.<br />
Das ist für mich die zentrale Aufgabe des Seelsorgers<br />
– auch auf anderen Lebensgebieten. Oft sind<br />
es nicht die Lösungen, die wir als Priester empfehlen<br />
wollen, die den Menschen weiterhelfen, sondern dass<br />
wir im richtigen Augenblick die richtigen Fragen zu<br />
stellen lernen.<br />
T.S.: Und was hat das nochmal<br />
mit Theatersport zu tun?<br />
U M: Aus dieser Haltung gehen wir mit den Menschen,<br />
die sich uns anvertrauen, gemeinsam an die<br />
Grenze, an der keine alte Lösung mehr weiterhilft. Im<br />
seelsorgerlichen Gespräch kann sich der intuitive<br />
Raum öffnen, aus dem den Menschen das Neue<br />
zukommt.
Jugendtagung zur Priesterweihe<br />
| Michael Sölch, 3. Trimester<br />
Aus allen Regionen Deutschlands sind junge<br />
Menschen ab 14 Jahren zusammengekommen, um in<br />
<strong>Stuttgart</strong> gemeinsam die Priesterweihe zu erleben.<br />
Es gab Jugendliche, die aus ihrer Gemeinde extra<br />
gekommen sind, weil sie einen Weihekandidaten gut<br />
kannten und ihn auf einem sichtbaren Stück Lebensweg<br />
begleiten wollten. So nutzten die Wiener<br />
Jugendlichen die Gelegenheit, um ihren ehemaligen<br />
Gemeindehelfer noch einmal dankend warm zu<br />
beschenken, denn es gab Musik mit selbstgeschriebenen<br />
Texten.<br />
Einige Jugendliche haben selbst schon mit dem<br />
Gedanken gespielt, sich auf den Weg zum Priestertum<br />
zu begeben. Aber nicht nur für sie war es aufregend<br />
und bereichernd, die Priesterweihe zu erleben.<br />
Auch Jugendliche mit weniger konkreten<br />
Fragen an den Priesterberuf wollten die Priesterweihe<br />
erleben, weil sie sich mit der Christengemeinschaft<br />
verbunden fühlen und diese besser kennenlernen<br />
wollen. Es gab eine Begegnung der Jugendlichen<br />
mit einigen älteren Priestern und einer neugeweihten<br />
Priesterin, die im Kreis der Versammelten von<br />
ihrem Weg zum Priestertum erzählten. Dabei standen<br />
vielfältige Aspekte im Raume, die für Jugendliche<br />
auch gut nachvollziehbar sind, wenn sie aus<br />
einer lebendig geschilderten biografischen Erzählung<br />
hervorgehen: das Verhältnis zwischen Christengemeinschaft<br />
und Katholizismus, zwischen Christentum<br />
und Islam und auch persönliche Beweggründe.<br />
Lustig war in diesem Zusammenhang die geschilderte<br />
Tatsache, dass in der Gemeinde die Ankündigung<br />
der Jugendtagung mit einem kleinen Rechtschreibfehler<br />
versehen war. Es hieß dort: „Jugendtagung zu<br />
Priesterweihe“. So wie also etwa Wasser zu Wein<br />
wird oder Weizen zu Brot, konnte man annehmen,<br />
an dieser Tagung werden Jugendliche zu Priestern.<br />
Es wurde aber auch die Frage in der Runde aufgeworfen,<br />
was es eigentlich genau bedeute, wenn man<br />
bekennt, Christ zu sein. Diese Frage machte bestimmt<br />
den einen oder anderen Jugendlichen betrof-<br />
fen, bevor dann die Priester das<br />
Schweigen durchbrachen. Und<br />
dennoch ist es bestimmt gut und<br />
richtig, mit dieser Frage ein wenig<br />
zu ringen, wenn man kurz vor<br />
oder bereits nach der Konfirmation<br />
steht und selbst einen Weg<br />
sucht, Christ zu werden. Die Konfirmation<br />
ist ja in der Christengemeinschaft<br />
nicht als Bekenntnis<br />
zu einer bestehenden Kirche<br />
zu verstehen wie in anderen Konfessionen.<br />
Sie führt den Jugendlichen<br />
aus der mehr autoritären<br />
Erziehungssituation des Kindes in<br />
das selbstständigere Leben. Ein<br />
allfälliges Bekenntnis oder auch nur das Bedürfnis,<br />
sich überhaupt um Religion zu bemühen, ist nach<br />
der Konfirmation gänzlich der Freiheit der Jugendlichen<br />
überlassen. Dennoch berührt die Frage nach<br />
dem Bekenntnis und das Ringen damit für die<br />
Jugendlichen etwas Wertvolles: Sie werden wach für<br />
den eigenen inneren Impuls und können schon ein<br />
wenig Ernst fühlen lernen.<br />
Zur notwendigen Aufgabe wird das Bekennen erst<br />
für den Weihekandidaten. Bis dahin haben aber die<br />
Jugendlichen, die vielleicht selbst einmal an diese<br />
Schwelle kommen wollen, noch genügend Zeit zur<br />
Besinnung auf ihrem Weg vor sich. Aber das<br />
Weiheziel, das dann auch zugleich ein Anfang ist,<br />
haben sie gesehen. Und auch im <strong>Priesterseminar</strong><br />
waren sie zu Besuch, um zu sehen, wo die Priester<br />
studieren. Insofern haben die Jugendlichen in ihrem<br />
Gedächtnis auch schon die örtlichen Stationen eingeprägt,<br />
die eventuell bei diesem oder jenem – von<br />
dieser Jugendtagung ausgehend – beim Antritt zur<br />
eigenen Priesterweihe als Erinnerung auftreten<br />
könnten.<br />
Leben & Begegnung<br />
45
Leben & Begegnung<br />
46<br />
Orientierungswoche am <strong>Priesterseminar</strong><br />
| Jakob Besuch, Teilnehmer der Orientierungswoche<br />
Will ich mich wirklich<br />
am <strong>Priesterseminar</strong> anmelden?<br />
Mit dieser oder vielleicht ähnlichen Fragen trafen die<br />
verschiedensten Schicksalswege zur einwöchigen<br />
Teilnahme am <strong>Priesterseminar</strong> in <strong>Stuttgart</strong> zusammen.<br />
Aus Frankreich, England, Belgien, Tschechien,<br />
Israel und Deutschland (Alter zw. 22 und 44 Jahren)<br />
hatten wir uns eingefunden und teilten nun unsere<br />
Fragen und Hintergründe miteinander, die es zu einer<br />
etwaigen Anmeldung als Student am Seminar geben<br />
kann. Ob es sich um sprachliche, finanzielle und<br />
innere Hürden, das Alter oder einen speziell gläubigen<br />
Familienhintergrund als Schwierigkeit handelte,<br />
für viele schien in irgendeiner Weise die Entscheidung<br />
keine selbstverständliche zu sein.<br />
Für mich hatte diese Frage zunächst die Oberfläche<br />
des persönlichen Wünschens und Wollens, sie sollte<br />
sich aber im Laufe der sechs Tage zwischen Unterricht,<br />
Menschenweihehandlung und dem Austausch<br />
mit den Seminaristen des ersten und zweiten Jahres<br />
verändern.<br />
Das begann schon gleich im allmorgendlichen<br />
Hauptkurs des zweiten Trimesters bei Georg Dreißig,<br />
wo in lebhafter Weise die Freiheit, aber auch die<br />
© siehe Impressum<br />
Wahlfreiheit der Gegenwart erörtert wurde: Während<br />
man den Menschen, je weiter man in der Zeit zurück<br />
geht, immer stärker als in seine traditionell vererbten<br />
Pflichten hineingeboren vorfindet, lässt sich heute<br />
beobachten, dass der moderne Mensch in immer ungebundenerer<br />
Weise seine Pflichten aufsucht und<br />
wahrnimmt. Diese wachsende Selbstbestimmung,<br />
das Verständnis, sich auch im Alter von 50 oder 60<br />
Jahren neu begründen zu können, spiegelt sich nicht<br />
nur in immer bunteren Biografien sondern erweiterte<br />
auch meinen Ausgangspunkt als Orientierungskursler<br />
von einem „Will ich das wirklich?“ zu dem breiteren<br />
„Was will ich denn eigentlich?“.<br />
Ohne dass ich sie gestellt hätte, wurde auch diese<br />
Frage zum Unterrichtsgegenstand: Sie ist eigentlich<br />
ein Selbstgespräch zwischen Fragesteller und Adressatem,<br />
mit welchem man sich in einer Sackgasse<br />
befindet. Gefragt ist derjenige, welcher die Frage<br />
selbst gestellt hat, also der, welcher keine Antwort zu<br />
haben scheint, da er sonst die Frage ganz hätte weglassen<br />
können. Da ich einen solchen Gedanken bisher<br />
nicht zur letzten Konsequenz gedacht hatte, nahm er<br />
unter Einsicht dieser Sackgassensituation an beklemmender<br />
Realität zu. Die Beleuchtung eines solchen<br />
Nullpunktes bekam auch im nachmittäglichen<br />
Unterricht zum Credo, dem Glaubensbekenntnis<br />
innerhalb der Weihehandlung, ein weiteres Licht.<br />
Was heißt es denn, wenn die Worte im Weiheraum<br />
gesprochen werden:<br />
„Dann überwand er den Tod nach dreien Tagen?“<br />
Immerhin scheint die vorher erwähnte Sackgasse<br />
kein festes Gebilde zu sein, sondern vielmehr ein<br />
erlebter Prozess in der Zeit. So erging es mir zumindest,<br />
als ich mich am 3. Tag meiner Orientierungswoche<br />
vor dem Bekenntnis fand: Als der, der ich jetzt<br />
bin, komme ich hier jedenfalls nicht weiter. Wenn ich<br />
an meinem persönlichen Wünschen und Wollen festhalten<br />
möchte, das hieße, wenn ich weiterhin nur<br />
Künstler, Zeichner, Filmschaffender bleiben möchte,<br />
dann brauche ich hier nicht anzufangen. Das zumindest<br />
war das Gefühl nach einem Gespräch mit der
Seminarleitung, wo ich mir im Nachhinein nicht<br />
sicher war, was wohl helfen könnte, um die erlebte<br />
Scham gegenüber meinen eigenen Aussagen in erträgliche<br />
Distanz zu bringen.<br />
Trotzdem waren diese Gefühle am nächsten Morgen<br />
wie von mir genommen; ich verbrachte einen Tag in<br />
völliger Ruhe. Aus dieser Gemütslage heraus, formulierte<br />
sich langsam auch ein Thema für die Restwoche:<br />
das, was ich bin, zu sein glaube oder gerne<br />
sein will, soweit als möglich hinter mir zu lassen.<br />
Und genau dafür war am <strong>Priesterseminar</strong> der Raum<br />
gegeben: Innerhalb einer Atmosphäre, in der ich<br />
Wohlwollen und Vertrauen begegnet bin, durfte ich<br />
an einem Unterricht teilnehmen, der nicht nur von<br />
humorvollen Aufweckungen begleitet war, sondern<br />
auch mich als neu Hinzugekommenen immer persönlich<br />
betroffen hat. Dabei war auch das Haus, welchem<br />
man den „verbindenden Geist“ nachsagt, von<br />
Niemand knetet uns wieder aus Erde und Lehm,<br />
niemand bespricht unsern Staub.<br />
Niemand.<br />
Gelobt seist du, Niemand.<br />
Dir zulieb wollen<br />
wir blühn.<br />
Dir<br />
entgegen.<br />
Ein Nichts<br />
waren wir, sind wir, werden<br />
wir bleiben, blühend:<br />
die Nichts-, die<br />
Niemandsrose.<br />
Mit<br />
dem Griffel seelenhell,<br />
dem Staubfaden himmelswüst,<br />
der Krone rot<br />
vom Purpurwort, das wir sangen<br />
über, o über<br />
dem Dorn.<br />
Bedeutung, da es sich mit seinem weiten Blick über<br />
<strong>Stuttgart</strong> nicht nur thematisch zwischen Himmel und<br />
Erde befindet, sondern auch in seinen verwinkelten<br />
Treppen und lichten Räumen Ort und Übungsfeld von<br />
Gespräch und Begegnung bietet. In diesem Klima und<br />
dem offenen Teilen der Widerstände, die sich ergeben,<br />
wenn man dabei ist, ein Stück Biografie scheinbar<br />
zurückzulassen, war es mir möglich, innerhalb<br />
einer Woche viel Neues aufzunehmen.<br />
Die anfangs gestellte Frage war ernsthafter geworden<br />
und hatte am Ende der Woche ein neues Gegenüber<br />
gefunden:<br />
Liegt es nicht in meiner Pflicht als Mensch, mich der<br />
Verantwortung zu stellen, welche in den nun entgegengetretenen<br />
Fragen, dem Nullpunkt liegt? Dazu<br />
abschließend ein Gedicht von Paul Celan, das allmorgendlich<br />
im Hauptkurs erklang:<br />
Leben & Begegnung<br />
47<br />
© siehe Impressum
Leben & Begegnung<br />
48<br />
Erfahrungen aus dem Rettungsdienst<br />
| Jakob Kraul<br />
Nachdem ich einige Jahre am Seminar war und<br />
damit gerungen habe, wie es weitergehen soll, habe<br />
ich mich dazu entschlossen, mit der Ausbildung zum<br />
Rettungsassistenten zu beginnen. Letzten Herbst<br />
ging es damit los. Dadurch, dass ich den ersten Teil<br />
bereits abgeschlossen habe und die Ausbildung insgesamt<br />
sehr praktisch ist, habe ich jetzt schon die<br />
Möglichkeit, Erfahrungen in der Notfallrettung zu<br />
sammeln.<br />
Inzwischen arbeite und lerne ich beim Rettungsdienst<br />
in Witten. Die Tage auf der Rettungswache<br />
sind äußerst unterschiedlich. Mal sind wir ständig<br />
auf Achse, mal ist es ruhig, und wir haben viel Zeit<br />
für uns. Die Arbeit in diesem Zusammenhang unterscheidet<br />
sich sehr vom Leben am Seminar. Auch die<br />
Kollegen sind grundsätzlich anders. So anders und<br />
neu es für mich ist, so spannend finde ich es, einen<br />
ganz neuen Arbeitsbereich kennenzulernen. Das Stu-<br />
dium am Seminar hilft dabei, Erfahrungen im Rettungsdienst<br />
in einem anderen Licht zu sehen. Auch<br />
wenn viele Einsätze nicht so aufregend sind, wie<br />
man es sich oft vorstellt, gibt es doch immer wieder<br />
Erlebnisse, die einem zu denken geben. Bei Einsätzen<br />
sind wir oft Zeuge von schweren Schicksalsschlägen.<br />
Wichtig ist es dann, innerlich die größtmögliche<br />
Ruhe zu wahren.<br />
An dieser Arbeit ist auch spannend, dass wir ständig<br />
in eine andere Umgebung kommen: in Wohnungen,<br />
an Baustellen, an Arbeitsplätze oder Straßenkreuzungen.<br />
Oft finde ich die Notfallsituationen gar<br />
nicht so erschreckend. Krasser finde ich, was dazu<br />
geführt hat. Die Wohnungen riechen oft erbärmlich<br />
nach Zigarettenrauch. Immer wieder sind die<br />
Einsätze auf Pillen-, Nikotin- oder Alkoholmissbrauch<br />
zurückzuführen. Nicht nur das Medizinische<br />
ist in dem Zusammenhang interessant. Viel aufregender<br />
finde ich die menschliche Begleitung. Sofern<br />
die Patienten ansprechbar sind, ergeben sich im<br />
Krankenwagen immer wieder spannende Gespräche.<br />
Oft zeigt sich, wie sinnlos den Menschen ihr Leben<br />
erscheint. In diesen Minuten ein kleiner, menschlicher<br />
Begleiter zu sein, gehört neben dem<br />
Medizinischen zu dem Wichtigsten an dieser Arbeit.
Liebe Leserinnen und Leser unseres Seminarbriefs,<br />
im 90. Lebensjahr stehend ist Sara Ambrosi in den<br />
Ostertagen verstorben (*7. August 1923 – † 21. April<br />
2013). Am 25. April haben wir ihre Bestattung gefeiert.<br />
Wie stimmig war da alles! Die Sonne hat warm<br />
aus unverstelltem blauen Himmel geschienen, und<br />
die Obstbäume standen hier in <strong>Stuttgart</strong> in voller<br />
Blütenpracht – gerade so, als hätte die Erde sich<br />
ihren Wunsch, wie sie sich am allerliebsten von Sara<br />
Ambrosi verabschieden würde, erfüllen dürfen. Denn<br />
Sonnenwärme und Blütenzauber gehörten zum<br />
Wesen der Verstorbenen innig hinzu. Wenn sie bis<br />
ins hohe Alter rastlos im Garten arbeitete, ging es ihr<br />
stets darum: dass das Gepflanzte für die Sonnenkräfte<br />
erreichbar sein, sie aufnehmen und dadurch<br />
wachsen, erblühen und fruchten könne. Auch die<br />
Seminaristen haben diese dem kosmischen Leben<br />
dienenden Kräfte Sara Ambrosis deutlich gespürt: in<br />
ihrer freundlichen Verbundenheit mit ihnen, ihrer<br />
Herzenswärme, ihrem so völlig selbstverständlichen<br />
Dasein für sie alle. Wer verstehen möchte, was es<br />
damit auf sich hat, dass der Mensch sonnenhaft wirken<br />
soll, an Sara Ambrosi konnten wir es ohne alle<br />
Eitelkeit und Hochmut erleben. Sie brauchte auch<br />
nicht darum zu ringen, sich nicht dafür zu kasteien,<br />
sie war einfach so – meist mit einem freundlichen<br />
Lächeln auf den Zügen begleitete sie die Seminargemeinschaft:<br />
unsere Sonne vom Dienst, deren<br />
Wärmestrahlung uns nun, da wir von ihr Abschied<br />
genommen haben, erst als das Besondere deutlich<br />
wird, das sie war. An Sara Ambrosi war sie nichts<br />
Besonderes, sondern einfach Teil ihres sich selbstlos<br />
einfügenden Wesens. So hat Sara Ambrosi auf ihre<br />
stille, selbstverständliche Art die Studierenden hier<br />
am Seminar etwas gelehrt, das Kurse und Fachstunden<br />
nicht vermitteln können und für das auch<br />
nicht leicht ein Ersatzdozent zu finden sein wird: wie<br />
Menschsein und Sonnesein sich miteinander verbin-<br />
den und fördern können zum Segen der Gemeinschaft.<br />
Denn solche Lehre wird nicht durch Wort vermittelt,<br />
sondern durch die ganz eigene Art, Mensch<br />
zu sein.<br />
Die Veränderungen, die das vergangene Jahr uns in<br />
der Zusammensetzung der Seminarleitung beschert<br />
hat, sind noch nicht ganz abgeschlossen. Zunächst<br />
ist dankbar zu vermerken, dass Stephan Meyer, der<br />
kurzfristig eingestiegen war, um die Durchführung<br />
der Weihevorbereitung zu gewährleisten, sich inzwischen<br />
bereit erklärt hat, neben seiner Mitverantwortung<br />
im Siebenerkreises auch weiterhin in der<br />
Seminarleitung verantwortlich mitzuarbeiten. Nun<br />
steht für dieses Trimester ein weiterer Abschied ins<br />
Haus: Gisela Thriemer wird nach siebenjähriger Mitarbeit<br />
ihre Aufgaben in der Seminarleitung abgeben,<br />
um neben ihrer Gemeindetätigkeit in Darmstadt<br />
ebenfalls im Siebenerkreis mitzuarbeiten. Ab Herbst<br />
wird Françoise Bihin aus Colmar die vakante Stelle in<br />
der Seminarleitung füllen. Wir hoffen, in der neuen<br />
Dreierbesetzung für die kommenden Jahre ein<br />
arbeitsfähiges Gremium bilden zu können, haben<br />
aber auch schon begonnen, uns umzuschauen, wer<br />
in der Zukunft einmal längerfristig in die Seminarverantwortung<br />
hineinwachsen kann. Von all diesen<br />
Veränderungen wird dann im Herbst noch mehr zu<br />
berichten sein.<br />
Nun hoffen wir, dass wir beim Freundestreffen vom<br />
21. bis 23. Juni möglichst vielen persönlich begegnen<br />
und in lebendigen Austausch mit Ihnen treten<br />
können.<br />
Für die Seminargemeinschaft grüßt Sie herzlich<br />
Ihr<br />
Grußwort der Seminarleitung<br />
49
50<br />
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Text- und Bildredaktion<br />
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in Prag von Adrian Sulc.<br />
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Die Einweihung von Faust und Parzival<br />
Die Gralssuche – ein moderner Weg der Erkenntnis und<br />
der Liebe von Aminta Dupuis<br />
„Es gibt nur eine Art, über den Menschen<br />
und seine Gefühle zu sprechen: die Einfachheit<br />
oder Einfalt. Das ist es, was ich in diesem<br />
Werk gefunden habe. Mehr als eine<br />
literarische Studie ist es ein Einweihungsund<br />
Auferweckungsbuch, das universale<br />
Gesetze und Lebensschlüssel enthüllt und<br />
sich „im Namen aller Menschen“ an jeden<br />
authentischen Lebensforscher richtet. Ein<br />
Buch der Zuversicht und des Glaubens an<br />
den Menschen und den Geist, das die Wirklichkeit<br />
der Lebens- und Metamorphosekräfte<br />
aufzeigt, die bei jenen am Werke<br />
sind, die nie den Mut verlieren und die<br />
wahrhafte Gestalt des Menschen verehren.“<br />
Martin Gray (aus dem Vorwort)<br />
In Gesang, Romanistik und Germanistik in Paris ausgebildet, ist Aminta Dupuis Lehrerin<br />
für Literatur. Sie widmet sich der Kunst, namentlich der Dichtung und dem Konzertgesang.<br />
2003 war sie Studentin am <strong>Priesterseminar</strong> <strong>Stuttgart</strong>.<br />
ISBN 978-3-941664-33-3<br />
1. Auflage, 208 Seiten gebunden, Euro 18,–<br />
(A) Euro 18,50, CHF 22,–
© siehe Impressum