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28<br />

Lernen<br />

Hexen und Heilige<br />

| Jaqueline Steigner, 3. Trimester<br />

Im Januar hatten wir eine Woche<br />

lang bei Frau Yaroslava Black,<br />

Pfarrerin in Köln, einen Hauptkurs<br />

mit dem Titel „Hexen und<br />

Heilige“. Wir waren gespannt,<br />

wussten wir doch nicht, was<br />

auf uns zukommen sollte. Wilde<br />

Spekulationen belebten den Frühstückstisch.<br />

Hungrige Blicke, auf der<br />

Suche nach der Hexe im Alltag, auf<br />

der Suche nach den Heiligen unter uns,<br />

streiften die Köpfe der Mitstudenten und<br />

zuletzt auch die der Dozenten.<br />

In der ersten Stunde erhielten wir einen<br />

Überblick über die geografische Ausbreitung<br />

der Hexenverfolgung. Dem<br />

Osten blieb die Hexenverfolgung<br />

erspart, da die orthodoxen Kirchen<br />

ein anderes Menschen- und Christusbild<br />

pflegen. Die letzte offizielle<br />

Hexenverbrennung in der Schweiz fand im Jahr<br />

1782 statt. Schon der Philosoph Sophokles sprach<br />

eine in diesen Zusammenhang passende Wahrheit<br />

aus: „Viel des Unheimlichen ist, doch nichts ist<br />

unheimlicher als der Mensch.“<br />

Im März des Jahres 415 nach Christus wurde Hypatia<br />

von Alexandrien von der frühchristlichen Kirche als<br />

Hexe verurteilt und hingerichtet. Sie war eine griechische<br />

Philosophin und Mathematikerin. Sokrates<br />

von Konstantinopel beschreibt sie als sehr schön,<br />

selbstständig, außerordentlich gebildet. Sie war<br />

ledig und lebte allein für die Wissenschaft.<br />

Hypathia war für ihre außergewöhnliche Unterrichtsweise<br />

bekannt, z.B. schockierte sie ihre Schüler<br />

zunächst mit ungewöhnlichen Gedanken und ließ<br />

diese dadurch zur Erkenntnis des Neuen kommen<br />

Hypatias Unterricht war beliebt, von überall her<br />

kamen die Menschen, sodass ihre Vorlesungen bes-<br />

© siehe Impressum<br />

ser besucht waren als der<br />

kirchliche Gottesdienst am<br />

Sonntag. Sie machte keinen<br />

Unterschied zwischen Menschen<br />

verschiedener Religionen,<br />

alle waren herzlich eingeladen.<br />

Außerdem unterrichtete sie<br />

gerne die Philosophie von Aristoteles<br />

und Plato und galt als die<br />

meist gebildete Person ihrer Zeit.<br />

Alexandrien galt als umkämpfte<br />

Stadt. Hier lebte die letzte<br />

Bastion der Freidenker, und<br />

auch die Gnostiker fühlten<br />

sich hier wohl. Seit das Christentum<br />

zur römischen Staatsreligion<br />

erklärt worden war, wurde es mit Gewalt<br />

verbreitet. In seinem Namen vernichtete man<br />

alles, was andersartig erschien. Theophilos von<br />

Alexandrien, damaliger Patriarch, ließ viele Kulturstädte<br />

zerstören, verbrannte Bibliotheken, Universitätsräume<br />

wurden in Viehställe verwandelt. Es gab<br />

blutige, brutale Kämpfe zwischen Juden und<br />

Christen. Theophilos' Nachfolger Kyril scharte gewaltbereite<br />

Mönche aus der Wüste als Miliz um sich.<br />

Orestes, Präfekt von Alexandrien war Schüler von<br />

Hypatia. Er konnte sich Kyril gegenüber nicht durchsetzen<br />

und wurde, obwohl christlich getauft, von<br />

ihm bedroht.<br />

Kyril, der den Einfluss der Hypatia fürchtete, weil er<br />

durch sie Macht zu verlieren drohte, erklärte sie zur<br />

Hexe. Dabei stützte er sich auf Paulus, den er dahingehend<br />

auslegte, dass er die Frau wegen des<br />

Sündenfalls als unwürdig und dem Teufel verfallen<br />

erklärte.<br />

Hypatia wurde mit Scherben und Muscheln das<br />

Fleisch vom Leibe gerissen. Man schleifte sie durch<br />

die Straßen der Stadt, zerrte sie in eine Kirche und<br />

ermordete sie dort.<br />

© siehe Impressum

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