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22<br />
Synthese<br />
... Soll ich meines Bruders Hüter sein?<br />
Wein. Am Ende von Kapitel 7. des Matthäusevangeliums<br />
wird berichtet, dass sich das Volk wegen der<br />
Lehre Christi entsetzte, weil er nicht wie die Schriftgelehrten<br />
spricht, sondern wie einer, in dem die<br />
Schöpferkräfte selbst wirksam sind. Die Sonnenkräfte<br />
vom Urbeginn leben in Christus. So gebietet er<br />
selbst den Elementen bei der Stillung des Sturmes.<br />
Die bestehende Ordnung wird auf den Kopf gestellt.<br />
Ein Einzelner impulsiert mit seiner Geisteskraft die<br />
Gemeinschaft, zunächst die der Jünger. Doch der<br />
Christus nimmt sich aller offenen Menschen an.<br />
Vorher bestimmte die Gemeinschaft mit ihrer Gesetzesordnung<br />
den Einzelnen. Dennoch hebt der Christus<br />
das Gesetz nicht auf. Aber er schenkt das<br />
menschliche Ich, das die Gemeinschaft im Einzelnen<br />
neu erstehen lässt und den lebendigen Geist in die<br />
Menschheit einströmen lässt.<br />
In unserer heutigen Zeit stehen wir als Menschen<br />
immer zwischen diesen beiden Strömen. Auf der<br />
Umgang mit Andersgesinnten<br />
| Michael Sölch, 3. Trimester<br />
Zu Beginn des zweiten Trimesters, als die Hälfte der<br />
Studenten ihre in den Trimesterferien erarbeiteten<br />
Referate der Seminargemeinschaft darstellen durfte,<br />
kam bereits ein Hauch dessen zum Vorschein, was<br />
nun Thema unseres Seminarbriefes ist: Ein Bedürfnis<br />
nach Synthese. Man kann natürlich Aussagen auch<br />
einfach nebeneinander stehen lassen und jede für<br />
sich gelten lassen. Aber dem Anteil nehmenden Mitdenken<br />
kann aus der Zusammenschau der formulierten<br />
Gedanken auch das Bedürfnis entstehen, das<br />
Gesagte gedanklich gegeneinander antreten zu lassen.<br />
Eine Darstellung über die Katharer erweckte die<br />
Frage: Was ist eigentlich wirklich christlich?<br />
einen Seite das einzelne Ich mit seinen Impulsen und<br />
Schwächen und auf der anderen Seite die zu beachtenden<br />
Voraussetzungen und Notwendigkeiten, um<br />
ein ehrliches Miteinander zu gestalten. Rudolf<br />
Steiner bringt diese Spannung wunderbar in dem<br />
Spruch zum Ausdruck: „Heilsam ist nur, wenn im<br />
Spiegel der Menschenseele sich bildet die ganze<br />
Gemeinschaft, und in der Gemeinschaft lebet der<br />
Einzelseele Kraft.“ Die Einzelseele muss das Ganze in<br />
sich nachbilden, in sich tragen, wie der Mond das<br />
Sonnenlicht, um dem Ganzen gemäß handeln zu<br />
können. Und in der Gemeinschaft muss Raum und<br />
Offenheit für die Impulse des Einzelnen sein.<br />
Aus der Embryologie wissen wir, dass sich das Herz<br />
im werdenden Menschen dadurch bildet, dass sich<br />
zwei verschiedene Blutströme verbinden und ein<br />
gemeinsames Gefäß bilden. So bildet auch der<br />
Christus aus dem Kain- und dem Abelstrom das<br />
schlagende Herz der Menschheit.<br />
Diese Frage hatten die Menschen im Mittelalter<br />
auch. Nur führte die Auseinandersetzung, die sich an<br />
diese Frage anschloss dazu, dass man Häretiker oder,<br />
wie man die Katharer nannte, Ketzer verbrannte. Es<br />
wurde deutlich, dass das Christentum verschiedene<br />
Formen annahm, von denen einige aber als seltsame<br />
Randgruppen galten, während andere das offizielle<br />
Christentum repräsentierten. Das Verhältnis zwischen<br />
den verschiedenen Auffassungen war feindlich.<br />
Mit physischer Gewalt begegnete die offizielle<br />
Kirche demjenigen, der eine andere Geistesart vertreten<br />
wollte als jene, die in der Kirche als die objektiv<br />
wahre angesehen wurde. Solche Gewalttaten<br />
können nicht als christlich bezeichnet werden. Aber<br />
auch eine Strömung, die den Begriff von der Real-