Ausgabe 1/2012 Ausgabe 1/2012 - Film und Buch
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REZENSION<br />
Interessanterweise wird innerhalb des weiten<br />
Forschungsfeldes der Soziologie vor allem die<br />
<strong>Film</strong>soziologie vernachlässigt. Nicht selten<br />
stößt man bei Soziologen auf ein spöttisches<br />
Lächeln, wenn man erklärt, dass man <strong>Film</strong>e<br />
auf ihren soziokulturellen Inhalt hin<br />
untersuchen möchte. Doch aus welchem<br />
Gr<strong>und</strong> ist das so? Weswegen wird das Thema<br />
<strong>Film</strong> ausgerechnet von Soziologen missachtet?<br />
Eine Antwort darauf sucht der Band<br />
„Perspektiven der <strong>Film</strong>soziolgie“. Doch gehen die<br />
Artikel natürlich auch noch weit über diese<br />
Fragestellung hinaus. Indem <strong>Film</strong> die Gesellschaft<br />
wiederspiegelt, ist er zugleich ein wichtiger<br />
Indikator bei der Untersuchung soziokultureller<br />
Aspekte. Anhand von <strong>Film</strong>analysen ist es<br />
möglich, sozialen Wandel zu untersuchen. Es ist<br />
möglich, soziale Konflikte <strong>und</strong> soziale Probleme<br />
aufzuspüren. Man könnte auch sagen, bei der<br />
<strong>Film</strong>analyse liegt nicht eine einzelne Person,<br />
sondern eine ganze Gesellschaft auf der Couch.<br />
Die Untersuchungsergebnisse helfen dabei, den<br />
sozialen Wandel besser zu verstehen.<br />
Die Artikel, die in dem von Carsten Heinze,<br />
Stephan Moebius <strong>und</strong> Dieter Reicher<br />
herausgegeben Band versammelt sind, weisen<br />
gezielt darauf hin.<br />
Bekannte <strong>Film</strong>- <strong>und</strong> Medienwissenschaftler wie<br />
Rainer Winter <strong>und</strong> Markus Schroer zeigen anhand<br />
ihrer Ausführungen, was die <strong>Film</strong>soziologie bietet<br />
<strong>und</strong> fordern dementsprechend eine stärkere<br />
Auseinandersetzung innerhalb der Soziologie mit<br />
dem Medium <strong>Film</strong>.<br />
Dass innerhalb der <strong>Film</strong>soziologie nicht nur<br />
Spielfilme von Interesse sind, sondern auch<br />
Dokumentarfilme veranschaulicht Carsten<br />
Heinze anhand eines filmhistorischen Überblicks<br />
über dieses Subgenre, welches innerhalb der<br />
Forschung bisher auf nur wenig Resonanz<br />
gestossen ist.<br />
Aber auch die Analyse von Kurzfilmen <strong>und</strong> hier<br />
speziell von Videoclips führen zu großem<br />
Erkenntnisgewinn, wie Ulrike Wohler in ihrem<br />
Artikel über die Inszenierung von Weiblichkeit<br />
in Musikvideos veranschaulicht. Es geht hier<br />
um die Darstellung von Geschlechterrollen,<br />
welche sich innerhalb dieses Mediums sehr gut<br />
analysieren lässt. An dieses Thema schließen<br />
sich im gewissen Sinne weitere Artikel über<br />
soziale Ungleichheit im <strong>Film</strong> (Oliver Berli) <strong>und</strong><br />
über Geschlechternarrationen im Kontext<br />
sozialer Ungleichheit (Eva Flicker/Irene<br />
Zehenthofer) an.<br />
Man könnte schon fast sagen, dass ein Band,<br />
der veranschaulicht, was man mithilfe der<br />
Methoden der <strong>Film</strong>soziologie im Hinblick auf<br />
einen soziokulturellen Erkenntnisgewinn alles<br />
erreichen kann, längst überfällig war. Die letzte<br />
Phase, in der man sich eher halbherzig mit<br />
diesem Thema auseinandergesetzt hat, fand<br />
immerhin in den 70er Jahren statt. Seitdem<br />
herrscht zum großen Teil Funkstille.<br />
Der Band eignet sich sowohl für Studenten als<br />
auch für ausgebildete Akademiker. Die Texte<br />
sind gut geschrieben <strong>und</strong> liefern zudem<br />
interessante Forschungsergebnisse<br />
„Perspektiven der <strong>Film</strong>soziologie“ zeigt, dass<br />
Soziologen <strong>Film</strong> als Forschungsfeld ernst<br />
nehmen sollten. <strong>Film</strong> ist die Kunst- <strong>und</strong><br />
Ausdrucksform des 20. <strong>und</strong> 21. Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />
<strong>Film</strong>e werden von gesellschaftlichen<br />
Veränderungen beeinflusst <strong>und</strong> lösen selbst<br />
gesellschaftliche Veränderungen aus. Vielleicht<br />
löst dieser Band mindestens ansatzweise ein<br />
Umdenken bei den Soziologen aus.<br />
Carsten Heinze/<br />
Stephan Moebius/<br />
Dieter Reicher (Hrsg)<br />
Perspektiven der<br />
Max Pechmann<br />
<strong>Film</strong>soziologie<br />
UVK <strong>2012</strong>, 364 S., 44,00€<br />
ISBN: 978-3-86746-366-5