Ausgabe 1/2012 Ausgabe 1/2012 - Film und Buch
Ausgabe 1/2012 Ausgabe 1/2012 - Film und Buch
Ausgabe 1/2012 Ausgabe 1/2012 - Film und Buch
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Naudé zu widerlegen, könne er alle<br />
widerlegen.<br />
Es ist für ein Portrait des berühmten Satirikers<br />
<strong>und</strong> Phantasten Gustav Meyrink unerheblich,<br />
ob er selber von seiner eigenen Argumentation<br />
überzeugt war. In seiner Einführung zu den<br />
alchimistischen Texten des Thomas von Aquin<br />
legte er jedenfalls nicht ohne Finesse dar, dass<br />
an der Echtheit der Schriften in seinen Augen<br />
kein Zweifel bestehen könne. Nicht zuletzt<br />
musste er auch deshalb von der Authentizität<br />
überzeugt sein, da das von ihm<br />
herausgegebene Büchlein ihm schließlich das<br />
bescheren sollte, wovon in ihm so eindringlich<br />
die Rede ist: Gold.<br />
Genauer gesagt, das Äquivalent des Goldes in<br />
Form von Geld. In diesem Sinne war Gustav<br />
Meyrink in der Tat ein Alchimist. Wie jeder<br />
mehr oder minder erfolgreiche Literat<br />
verwandelte er eine geistige Emanation – ein<br />
Begriff, den er im Zusammenhang mit<br />
Sonnenenergie benutzte – auf Papier fixiert in<br />
Gold.<br />
Diejenigen, die jetzt glauben, eine derartig<br />
materialistische Sichtweise würde einem der<br />
okkultesten unter den phantastischen<br />
Schriftstellern nicht gerecht, bitte ich noch um<br />
etwas Geduld. Gerade bei einem Meister des<br />
Phantastischen wie Gustav Meyrink ist es<br />
notwendig, die materielle Ebene noch eine<br />
Weile weiter zu verfolgen.<br />
Inflation der Goldmacher<br />
1925 war der Dawes-Plan, der die Modalitäten<br />
der deutschen Reparationszahlungen in Folge<br />
des verlorenen Weltkriegs festlegte, gerade ein<br />
Jahr alt. Während das Gespenst der Inflation,<br />
das die Weimarer Republik in ihren<br />
Gr<strong>und</strong>festen erschütterte, bewirkte, dass sich<br />
das Jahr 1923 in eine ins irdische Diesseits<br />
verpflanzte Hölle verwandelte, deren<br />
Manifestation die schwärzesten Phantasien<br />
jener Jahre bei weitem übertraf.<br />
Meyrink erwähnt in seiner Einführung zu<br />
Thomas von Aquin nicht nur Charles Dawes,<br />
sondern auch den konservativen<br />
Finanzpolitiker des Ersten Weltkriegs Karl<br />
Helfferich, den er als einen der maßgeblichen<br />
Verursacher der Inflation ansah. Auf Politiker<br />
wie ihn war die Ablösung der Mark von der<br />
Goldbindung zurückzuführen. Notenbanken<br />
waren seit 1914 nicht mehr verpflichtet, den<br />
Gegenwert des Geldes in Gold auszuzahlen.<br />
Stattdessen bedeutete der Wert des Geldes in<br />
jener Zeit nichts anderes als einen Kredit auf<br />
die ungewisse Zukunft nach einem – so hoffte<br />
man – siegreichen Krieg. Die zu erwartende<br />
Kriegsbeute <strong>und</strong> die Reparationszahlungen der<br />
geschlagenen Feinde sollten den in Form einer<br />
Inflation aufgenommenen Kredit samt Zins<br />
<strong>und</strong> Zinseszins tilgen.<br />
Bekanntermaßen kam es umgekehrt.<br />
Deutschland verlor den Krieg <strong>und</strong> die in den<br />
Kriegsjahren losgetretene Inflation entwickelte<br />
sich Ende 1922 wie eine Lawine zu jener<br />
Hyperinflation, die zahllose Existenzen<br />
vernichtete. Neben der verelendeten<br />
Arbeiterschaft war vor allem der Mittelstand<br />
davon betroffen.<br />
Da sich Thomas von Aquin, in den ihm<br />
zugeschriebenen alchimistischen Schriften<br />
explizit mit der Goldmacherei beschäftigte,<br />
allerdings hierzu in einem anderen Text eine<br />
interessante, abweichende Meinung äußerte,<br />
auf die ich später noch zurückkommen will,<br />
gab Gustav Meyrink in der Einführung auch<br />
einen Einblick in seine eigenen Experimente<br />
zur Herstellung der prima materia, die nach<br />
Ansicht fast aller namhafter Alchimisten zur<br />
Herstellung von Gold aus unedleren Elementen<br />
wie Blei oder Quecksilber existentiell nötig sei.<br />
Er schrieb, dass die meisten Alchimisten unter