Magazin 198109
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Dr.-Ing. Rüdig er Wenzel<br />
Die ersten Serienexemplare wurden jetzt ausgeliefert<br />
neue Deutsche Zivilschutz heim<br />
Die Entwicklung des neuen Helmes - Optimaler Schutz und hervorragender Sitz<br />
Vor kurzem wurden die ersten 10000 Serienexemplare<br />
des neuen Deutschen Zivilschutzheimes<br />
ausgeliefert. Damit kam für<br />
das Bundesamt für Zivilschutz (BZS) eine<br />
zehnjährige Entwicklungszeit zu einem erfolgreichen<br />
Abschluß. Den Helfern der<br />
Katastrophenschutz-Organisationen steht<br />
nunmehr ein nach den Erkenntnissen des<br />
Arbeitsschutzes optimaler und typgeprüfter<br />
Schutzhelm zur Verfügung.<br />
Historische Entwicklung<br />
Bei Aufbau des Zivilschutzes nach dem<br />
Kriege (damals noch Luftschutzhilfsdienst<br />
- LSHD - genannt) wurde auf den<br />
bekannten Stahlhelm des Reichs-Luftschutz-Bundes<br />
(RLB) zurückgegriffen<br />
(Bild 1). In gleicher Form wurde der erste<br />
Zivilschutz helm aus glasfaserverstärktem<br />
Polyesterharz eingeführt (Bild 2) und bis<br />
1966 beschafft.<br />
Zahlreiche Mängelberichte über Sitz und<br />
Paßform des Helmes, vor allem aber über<br />
die unzureichende Festigkeit und Alterungsbeständigkeit,<br />
waren der Anlaß, die<br />
Helmschale - noch immer in derselben<br />
LSHD-Form - aus dem höherwertigen Polycarbonat<br />
(PC) nach dem Spritzgießverfahren<br />
herzustellen. Bei Fallkörperprüfungen<br />
wurden die Hoffnungen auf Abste llung<br />
der Mängel enttäuscht. Es stellte sich heraus,<br />
daß die Helmschale aufgrund ihrer<br />
Form ungeeignet war, weil sie bei Auf,<br />
schlag der Fallkörper - ohne selbst Schaden<br />
zu nehmen - soweit durchfederte, daß<br />
der Helmträger schwere Schädelverletzungen<br />
davongetragen hätte. Damit war<br />
die Notwendigkeit der Entwicklung einer<br />
besser geeigneten Helmform gegeben. Eine<br />
Sichtung aller erreichbaren Arbeitsschutzheime<br />
sowie der Schutzhelme der<br />
Zivilschutz-Organisationen des westlichen<br />
Auslandes ergab, daß kein befriedigender<br />
Helm existierte.<br />
Einsatztaktische Forderungen<br />
Die Überlegungen im BZS verdichteten<br />
sich im Jahre 1971 zu einer einsatztaktischen<br />
Forderung für den neuen Helm und<br />
einer Freigabe der Helmform. Der neue<br />
Helm wurde zum universellen Einsatz bei<br />
allen Fachdiensten konzipiert. Da sich zahlreiche<br />
Dienste mit denen anderer Organisationen<br />
und Berufsgruppen decken oder<br />
ähneln, wurden deren Erkenntnisse mit<br />
verwertet. Som it ergab sich die logische<br />
Zusatzforderung , daß der neue Helm entsprechend<br />
den Erfordernissen der DIN<br />
4840 (Arbeitsschutzheime) geprüft und<br />
von den einschlägigen Berufsgenossenschaften<br />
anerkannt werden mußte.<br />
Die wichtigsten einsatztaktischen Forderungen<br />
seien vorangestellt, um einen Eindruck<br />
von den zu bewältigenden Schwierigkeiten<br />
bei der Projekt-Realisierung zu<br />
erhalten :<br />
1. Leichter, bequem zu tragender Helm mit<br />
guter Paß form, Belüftung und niederem<br />
Schwerpunkt.<br />
2. Ästhetisch befriedigende, vollkommen<br />
glatte Helmform ohne senkrechte und waagerechte<br />
Flächen. Grundriß und Höhe nach<br />
Art des Feuerwehrhelmes nach DIN<br />
14940.<br />
3. Fester Schläfen- und Nackenschutz<br />
(Forderung der Steinbruch-Berufsgenossenschaft).<br />
4. Anbringbarkeit einer Kopfhandleuchte<br />
ohne Zusatzeinrichtungen. Elektrische<br />
Durchschlagsfestigkeit, Isolationsfähigkeit<br />
1000 V, keine Durchbrüche in der Schale<br />
(Forderung der Berufsgenossenschaft<br />
Elektro).<br />
5. Einschiebbarer Gesichtsschutz (Planung<br />
der Feuerwehren), Nackenleder nach<br />
DIN 14940, gegabelter Kinnriemen wie bei<br />
DIN 14940 Feuerwehrhelm (Bild 3).<br />
6. Unfallschutz durch bei starkem Zug<br />
selbstöffnenden Kinnriemen .<br />
7. Zeriegbarkeit und Montage ohne Werkzeug<br />
zum leichten und schnellen Auswechseln<br />
unbrauchbar gewordener Teile.<br />
8. Lagerfähigkeit 15 Jahre.<br />
9. Erfüllung der DIN 4840 und Realisierung<br />
möglichst vieler Forderungen der<br />
DIN 14940.<br />
Prototyp des ZS-Helmes<br />
Auf der Grundlage der einsatztaktischen<br />
Forderungen wurde in den Jahren 1972 bis<br />
1974 der Prototyp des neuen ZS-Helmes<br />
in zwei Versionen geschaffen. Beiden gemeinsam<br />
war eine robuste Kalotte aus Polycarbonat<br />
(PC). Die Grundausführung<br />
(Bild 4) wies eine einfache, mit metallenen<br />
Hohlnieten befestigte Innenausstattung ei-<br />
nes Bauarbeiterhelmes, einen einfachen<br />
Kinngurt mit offenem Versch lußbügel und<br />
einen angenieteten Lampen- und Kabelhalter<br />
aus Metall bzw. Kunststoffband mit<br />
Druckknopf auf. Die Brandschutzausführung<br />
(Bild 6) zeichnete sich durch eine<br />
Innenausstattung, den gegabelten Kinngurt<br />
und ein Nackenleder des Feuerwehrheimes<br />
nach DIN 14940 aus. Der Lampenhalter<br />
war aus Plastikmaterial und ebenso<br />
angenietet wie der Kabelhalter aus Kunststoffband<br />
mit Druckknopf. Bemerkenswert<br />
war ein herausziehbares und wieder hereinschiebbares<br />
Flammschutzgitter, das<br />
das Gesicht bis einschließlich der Oberlippe<br />
abdeckte.<br />
Beide Helmvarianten erfüllten die Bedingungen<br />
der DIN 4840. Die Brandschutzausführung<br />
wurde 19741.75 einem einjährigen<br />
Trageversuch bei der Flugplatzfeuerwehr<br />
Manching unterzogen. Von Kleinigkeiten<br />
abgesehen, wurde der Prototyp als<br />
gut geeignet beurteilt. Obwohl die notwendigen<br />
Änderungen technisch ohne größeren<br />
Aufwand hätten durchgeführt werden<br />
können , kam es zu keiner Einführung dieses<br />
Helmes. Der Hauptgrund dafür war<br />
eine von verschiedenen Seiten rein emotional<br />
geführte Kampagne mit dem Argument,<br />
der neue ZS-Helm sehe dem Stahlhelm<br />
der Nationalen Volksarmee (Bild 5) zu<br />
ähnlich aus. Abgesehen davon , daß der<br />
Stahlhelm der NVA beileibe kein" Russenhelm<br />
", sondern eine technisch hervorragende<br />
und zukunftweisende Entwicklung<br />
der Metallwerke in Thale (Thüringen) während<br />
des Zweiten Weltkrieges ist, die zur<br />
Einführung in die Wehrmacht vorgesehen<br />
war, ist das vorgebrachte Argument auch<br />
deswegen absurd, .weil der ZS-Helm immer<br />
in der Farbe weiß geliefert werden<br />
wird. Außerdem wird er im V-Fa ll mit den<br />
international vereinbarten Zeichen "Rotes<br />
Kreuz" oder. "Blaues Dreieck (auf orange)"<br />
versehen, die den Helmträger in auffälliger<br />
Weise als Mitglied einer humanitären<br />
Hilfsorganisation im Zivilschutz kenntlich<br />
machen.<br />
Obwohl rational kaum nachvollziehbar, bewirkte<br />
die erzeugte Verwirrung, daß die rein<br />
technische Zweckform als psychologisch<br />
bedenklich betrachtet und nicht überall akzeptiert<br />
wurde. Wegen der ungeklärten Lage<br />
der Helmform stiegen die beteiligten<br />
Fachfirmen aus dem Projekt aus. Ein neuer<br />
Lieferant konnte jahrelang nicht gefunden<br />
ZS-MAGAZIN 9/81 13