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Unternehmenskultur und Pflege - QuePNet - Fachhochschule ...

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Einleitung<br />

<strong>Unternehmenskultur</strong> im Krankenhaus<br />

mit Blick auf die professionelle <strong>Pflege</strong><br />

Ein Referat von Andrea Lamers<br />

Was bedeutet idealerweise <strong>Unternehmenskultur</strong>:<br />

• Die Mitglieder einer Organisation verwenden kollektiv geprägte Kulturmuster, um Situationen zu<br />

deuten, zu erklären <strong>und</strong> zu gestalten<br />

• Sie gehen von einer gemeinsamen Erfahrenswelt <strong>und</strong> einem kollektiv geteilten Wertesystem aus.<br />

Jedoch lässt sich schwerlich behaupten, dass die einzelnen Mitglieder in einem Krankenhaus Ihr<br />

Denken <strong>und</strong> Handeln nach einem Kulturmuster ausrichten, der die Gr<strong>und</strong>lage bildet für:<br />

1. Konsensbildungen in Gr<strong>und</strong>satzfragen oder Konfliktfällen<br />

2. leitend für Kooperation- <strong>und</strong> Koordinationsprozesse ist,<br />

3. <strong>und</strong> ein Wir-Gefühl herstellt.<br />

Die Bezeichnung, das Krankenhaus als Expertenorganisation, macht deutlich, dass in einem<br />

Krankenhaus die <strong>Unternehmenskultur</strong> bestimmt wird:<br />

• durch das Eigenleben der verschiedenen Berufsgruppen,<br />

• der verschiedenen Fachdisziplinen <strong>und</strong> Abteilungen,<br />

• <strong>und</strong> der daraus resultierenden berufsständigen <strong>und</strong> abteilungsspezifischen Interessen.<br />

Betrachtet man diesen Umstand, so sind im Krankenhaus viele Subsysteme vorfindbar, die u. a. nach<br />

Funktionsbereichen, Hierarchiestrukturen <strong>und</strong> Professionen aufzuteilen sind.<br />

Eine große Berufsgruppe, die solch ein Subsystem im Unternehmen Krankenhaus bildet, ist die<br />

professionelle <strong>Pflege</strong>.<br />

Sie bildet gleichzeitig ein Teil der Hauptkultur. Inwieweit der einzelne Berufsangehörige sich mit dem<br />

Unternehmen 'Krankenhaus' oder eher der eigenen Profession identifiziert (Grad der Identifikation <strong>und</strong><br />

Integration) kann sich sprachlich dahingehend ausdrücken, ob ein Angehöriger der Profession sagt:<br />

Ich arbeite in der Uniklinik MS - hier wird die Zugehörigkeit <strong>und</strong> Identifikation mit dem<br />

Unternehmen deutlich.<br />

oder<br />

Ich bin Krankenschwester / Fachkrankenschwester für Intensivpflege - hier wird die<br />

Zugehörigkeit zur Profession deutlicher<br />

M. E. wird man in den meisten Fällen die letzte Äußerung hören. Und zwar die Berufsbezeichnung<br />

zumeist gekoppelt mit der Fachdisziplin, in der der Einzelne arbeitet. Z.B. <strong>Pflege</strong>kraft in der Chirurgie,<br />

Innere Medizin, Psychiatrie, Intensivpflege, Anästhesie, etc. Damit spreche ich den Umstand an, dass<br />

innerhalb des professionellen Subsystems nochmals unterteilt werden kann in weitere Subsysteme,<br />

deren Wertvorstellungen sich nochmals von der professionellen Kultur differenzieren.<br />

Hauptteil<br />

Die Profession <strong>Pflege</strong> hat ihr eigenes kulturelles Werte- <strong>und</strong> Orientierungsmuster, entwickelt aus<br />

historischen Zusammenhängen, Berufssozialisation <strong>und</strong> derzeitigen Professionalisierungsströmungen.<br />

1


Für eine kurze Darstellung des kulturellen Subsystems kann ich mich nur auf einige Aspekte<br />

beschränken, die m. E. wesentlich sind.<br />

Ich möchte die berufliche Sozialisation des <strong>Pflege</strong>berufes im Krankenhaus beleuchten, um ein<br />

Verstehen zu erreichen, aus welchem kulturellen Hintergr<strong>und</strong> heraus die <strong>Pflege</strong> handelt <strong>und</strong> welchen<br />

Anteil sie an der Gestaltung der Subkultur <strong>und</strong> Hauptkultur des Krankenhauses hat.<br />

Dabei bleibe ich vorerst auf einer abstrakten Ebene <strong>und</strong> kann bei Interesse diese mit Beispiele n aus<br />

meiner Berufserfahrung anschaulicher darstellen. Und zwar aus meinem Erfahrungshintergr<strong>und</strong> als<br />

Krankenpflegeschülerin in einer kath. Krankenpflegeschule angeb<strong>und</strong>en an ein Ordens- <strong>und</strong> Mutterhaus<br />

<strong>und</strong> aus meiner Tätigkeit in der Intensivpflege einer Uniklinik, wo ich Wertewandlungen miterlebt habe<br />

Die Bildung der Profession Krankenpflege in Deutschland ist auf den Hintergr<strong>und</strong> der<br />

gesellschaftlich zugeschriebenen Frauenrolle des 19 Jhd. entstanden <strong>und</strong> unweigerlich mit der<br />

Entwicklung der Industriegesellschaft, der Medizin <strong>und</strong> des Krankenhauses verknüpft.<br />

Kurzer historischer Rückblick / Deutschland:<br />

• moderner Frauenberuf: die Krankenpflege - ein Produkt der europäischen Industriegesellschaften<br />

des 19. Jrh.;<br />

• Entwicklung des Berufes auf dem Hintergr<strong>und</strong> der gesellschaftlich zugeschriebenen Frauenrolle des<br />

19. Jrh.;<br />

• Entwicklung der Medizin - mehr Bedarf an Krankenpflegekräfte im Krankenhaus (19. Jrh.);<br />

• Entwicklung der freiberuflichen Krankenpflege (Anfang 20. Jrh.).<br />

Allgemein bekannt ist vermutlich, dass bis zur 2. Hälfte des 19. Jrh. die <strong>Pflege</strong> von Kranken von der<br />

Familie als religiöse Tätigkeit ausgeübt wurde - üblicherweise von Frauen. Mit Eintritt vieler Frauen in<br />

die Industriearbeit konnte diese nicht weiter ausübt werden. Die Entstehung von Hospitälern, zu Anfang<br />

eher die Armenhäuser, <strong>und</strong> der zunehmenden Akzeptanz des Bürgertums, das Krankenhaus als<br />

Heilstätte zu betrachten, gab es seitens der Mediziner einen hohen Bedarf an qualifizierten<br />

<strong>Pflege</strong>personal, das ärztliche Anordnungen gewissenhaft ausführte. Krankenpflege als öffentlich<br />

organisierte Tätigkeit musste geschaffen werden. Sie konnte aber nur gesellschaftlich akzeptabel<br />

durchgesetzt werden, indem die Tätigkeit als eine religiös motivierte, aufopfernde <strong>und</strong> familiäre Arbeit<br />

dargestellt <strong>und</strong> als weibliche Liebestätigkeit aufgewertet wurde, sowie keine entwürdigende Bezahlung<br />

unterlag. Krankenpflege wurde nicht als Erwerbstätigkeit, sondern in kirchliche oder weltliche Verbände<br />

im Mutterhaussystem organisiert. Freiberufliche Krankenpflege entwickelte sich gegen den erheblichen<br />

Widerstand der Muttterhausverbände um die Jrd.-wende (Agnes Karll 1868 - 1927). Die in diesem<br />

Zusammenhang geforderte Ausbildungsregelung kam aber erst 1921 in zweijähriger Form <strong>und</strong> erst<br />

nach dem 2. Weltkrieg in der dreijährigen Fo rm durch. Das Heiratsverbot wurde erst 1928 aufgehoben.<br />

Die ungleiche Bezahlung von Männern <strong>und</strong> Frauen erst 1954.<br />

Im Gegensatz zur deutschen Entwicklung wurde bereits 1907 der erste Lehrstuhl für Krankenpflege<br />

eingerichtet (Columbia-Universität in New York) <strong>und</strong> 1910 ein fünfjähriges Studium der Krankenpflege<br />

(Universität Minnesota).<br />

Warum gebe ich diesen historischen Rückblick?<br />

Er enthält wesentliche kulturelle Wurzeln der deutschen Krankenpflege, die heute noch das<br />

pflegerische Denken <strong>und</strong> Handeln in Krankenhäusern mitbestimmen:<br />

• Die Krankenpflege ist bis heute ein Frauenberuf, es sind 85% Frauen darin berufstätig.<br />

• Die Ausübung des Berufes ist weiterhin mit weiblichen Sozialverhalten assoziiert:<br />

1. Ein provozierendes Musterbeispiel ist die Fernsehserie 'Schwester Stefanie' (allzeit bereit,<br />

omnipotent, fürsorglich, gehorsam gegenüber Vorgesetzten <strong>und</strong> Weisungsbefugten)<br />

2


2. Sprachlich: die Anrede 'Schwester' + Vorname impliziert einen pseudofamiliären Charakter.<br />

Krankenpflege ist die fast einzige Berufsgruppe im Krankenhaus, die sich von allen anderen<br />

Berufsgruppen <strong>und</strong> Patienten / Angehörige mit Vornamen anreden lässt (eigene Erfahrungen<br />

mit Änderung der Anrede ! - Irritation ausgelöst <strong>und</strong> das Gefühl, dass Informationen mit einer<br />

anderen Haltung weitergegeben wurden)<br />

• Krankenpflege gilt überwiegend noch als der verlängerte Arm der Medizin (gesellschaftlich,<br />

rechtlich, ärztliche MA, z.T. intraprofessionel):<br />

1. Sie nimmt einen Hilfsarbeiter-Status gegenüber den Ärzten ein.<br />

2. Unterstützt wird dieser Status noch durch das überwiegend praktizierte <strong>Pflege</strong>system, der<br />

funktionalen <strong>Pflege</strong>. Die Funktionspflege beruht auf eine bürokratisch hierarchische<br />

Organisationsform <strong>und</strong> die auf Zerlegung von vollständigen Aufgaben (Bettenr<strong>und</strong>e,<br />

Blutdruckmessung-R<strong>und</strong>e, Thermometerr<strong>und</strong>e), alle Informationen fließen nur bei der<br />

Stationsleitung zusammen (Hierarchisierung, Machtmonopol).<br />

3. Weisungsbefugnis hat der Arzt, es gibt keinen selbständig rechtlichen Aufgabenbereich der<br />

<strong>Pflege</strong>, für den sie sich verantworten muss. Sie handelt im Sinne der Fremdverantwortung <strong>und</strong><br />

hat gar keinen oder nur einen geringen Einfluss auf die Art <strong>und</strong> Weise der Aufgabenerfüllung,<br />

muss diese Entscheidungen aber häufig mittragen z.B. lebensverlängernde Maßnahmen bei<br />

infauster ärztlicher Diagnose. Das Modell der Fremdverantwortung wirkt nicht förderlich auf die<br />

Identifikation mit der Aufgabenerfüllung <strong>und</strong> kann zu Verhaltenswiderständen führen (- hat sich<br />

in vielen arbeitsorganisatorischen Zusammenhängen als unzweckmäßig erwiesen).<br />

4. Zu guter Letzt fällt es immer noch einem Großteil der <strong>Pflege</strong>gruppe schwer, die Anerkennung<br />

ihrer Tätigkeit aus dem eigenen Berufsverständnis heraus zu schöpfen. Anerkennung wird oft<br />

von den ärztlichen Mitarbeitern erwartet <strong>und</strong> zumeist nicht erfüllt, woraus dann Enttäuschung<br />

resultiert. Dieses hat ganz konkrete Auswirkungen auf das aktive Einbringen einer eigenen<br />

pflegerischen Perspektive in den Behandlungsverlauf , z.B. verhalten sich <strong>Pflege</strong>kräfte bei<br />

ärztlichen Visiten zurückhaltend <strong>und</strong> antworten nur auf Fragen.<br />

• Der langzeitige Widerstand der Mutterhäuser, Krankenpflege als Ausbildungsberuf zu etablieren,<br />

zeigt heute noch Auswirkungen in Bezug auf Etablierung von zeitgemäßen Ausbildungsstrukturen<br />

<strong>und</strong> -inhalten (vertikale <strong>und</strong> horizontale Durchlässigkeit der Ausbildung):<br />

1. Die Krankenpflegeausbildung ist bis heute nicht in das öffentlich-rechtliche System der<br />

Berufsausbildung eingeb<strong>und</strong>en wird (Sonderschulen)<br />

2. Eine Akademisierung fand erst in den letzten Jahren statt (<strong>Pflege</strong>wissenschaft, Pädagogik <strong>und</strong><br />

Management, weiterhin Schwierigkeiten mit der gr<strong>und</strong>ständigen Hochschulausbildung, wie es in<br />

vielen europäischen Ländern mittlerweile der Fall ist)<br />

• Der Einfluss der Mutterhäuser verhinderte die berufspolitische Organisation der <strong>Pflege</strong>berufe (1995:<br />

Mitglieder in Gewerkschaften 22% , in Berufsverbänden 23%) - Resultat ist eine gering<br />

einzuschätzende politische Durchsetzungsfähigkeit, was unweigerlich dazu führt, dass berufliche<br />

Interessen individuelle durchgesetzt werden müssen, was sich wiederum schwierig gestaltet im<br />

Hinblick auf die Hierarchiestrukturen des Krankenhauses.<br />

Trotz dieser historischen Wurzeln <strong>und</strong> deren Auswirkungen auf das berufliche Handeln der<br />

<strong>Pflege</strong>, halten Emanzipations- <strong>und</strong> Professionalisierungstendenzen Einzug in den Berufsalltag,<br />

wenn auch zögerlich <strong>und</strong> unter erschwerten systemischen Bedingungen.<br />

Der Berufsethos der <strong>Pflege</strong> (ICN-Ethikkodex) enthält vier gr<strong>und</strong>legende Aufgaben:<br />

• Ges<strong>und</strong>heit zu fördern, Krankheit zu verhüten, Ges<strong>und</strong>heit wiederherzustellen, Leiden zu lindern<br />

<strong>und</strong> ist untrennbar mit der Achtung der Menschenrechte, des Rechts auf Leben, auf Würde <strong>und</strong><br />

respektvolle Behandlung verb<strong>und</strong>en.<br />

• Hier hat er eine große Ähnlichkeit zu dem Berufsethos des ärztlichen Personals.<br />

3


• Jedoch liegt auch ein Konflikt aufgr<strong>und</strong> rechtlicher Rahmenbedingungen vor, da die<br />

Entscheidungsbefugnis therapeutischer Handlungen letztendlich beim Arzt liegt <strong>und</strong> demnach sich<br />

die <strong>Pflege</strong> häufig fragt, was zu ihrem originären Arbeitsauftrag gehört <strong>und</strong> wo ihr Arbeit delegiert<br />

wird, die womöglich andere nicht mehr übernehmen wollen.<br />

Professionelle <strong>Pflege</strong> wird heute als Dienstleistungsberuf verstanden mit der damit verb<strong>und</strong>enen<br />

arbeitsvertraglichen Regelung <strong>und</strong> der Honorierung von Mehrleistung (Ablösung der altruistischen<br />

Motivation).<br />

Ein wesentliches Charakteristikum des Dienstleistungsberufes ist die Gestaltung einer<br />

professionellen Beziehung zu Patienten, Angehörigen <strong>und</strong> auch anderen Berufsgruppen im<br />

Krankenhaus, d. h.:<br />

• In Bezug auf den kranken Menschen der Aufbau einer Beziehung, die unabhängig von der Arzt-<br />

Patient-Beziehung zu gestalten ist.<br />

• In Bezug auf die Kooperation mit ärztlichen Mitarbeitern, wo erwartet wird, dass die berufliche<br />

Perspektive der <strong>Pflege</strong> gehört <strong>und</strong> einbezogen wird.<br />

• Diese Wandlungen im beruflichen Selbstverständnis trafen in der frühen Vergangenheit <strong>und</strong> z.T.<br />

heute noch auf Widerstände der ärztlichen Berufsgruppe, da diese berufliche Beziehung auf die<br />

Dominanz ärztlicher Entscheidungen <strong>und</strong> der Ausführung von Anordnungen beruht <strong>und</strong> nicht auf<br />

einen Austausch verschiedener professioneller Sichtweisen (kulturelle Differenzen). Auswirkungen<br />

sind Spannungen, Konflikte, massive Abgrenzungen <strong>und</strong> Konkurrenzsituationen zwischen<br />

<strong>Pflege</strong>personal <strong>und</strong> ärztlichen Personal. Damit verb<strong>und</strong>en sind dysfunktionale Arbeitsvorgänge, die<br />

nicht am Interesse des Patienten <strong>und</strong> des Unternehmens orientiert sind<br />

• Eine weitere kulturelle Differenz zwischen der professionellen <strong>Pflege</strong> <strong>und</strong> dem System Krankenhaus<br />

stellt die Ausrichtung des Krankenhauses auf technikintensive Leistungen dar, wo<br />

kommunikationsintensive Leistungen einen wesentlich geringeren Stellenwert im Unternehmen<br />

eingeräumt werden.<br />

Das heutige Selbstverständnis des <strong>Pflege</strong>berufes legt eine ganzheitliche orientierte <strong>Pflege</strong> mit<br />

dem Patienten <strong>und</strong> seinem Bezugssystem zugr<strong>und</strong>e:<br />

• Ganzheitliche <strong>Pflege</strong> ist gekennzeichnet durch:<br />

1. vollständige <strong>Pflege</strong>aufgaben, also keine Fraktionierung der Tätigkeiten an einem Patienten,<br />

2. weiterhin eine hinreichende Patientenorientierung,<br />

3. <strong>und</strong> die Umsetzung des <strong>Pflege</strong>prozessmodells. d.h. eine auf diagnostische Erhebung<br />

basierende zielorientierte Planung, Durchführung <strong>und</strong> Evaluation von <strong>Pflege</strong>handlungen in<br />

Kooperation mit dem Patienten unter Einbezug wissenschaftlicher Erkenntnisse.<br />

• Ganzheitliche <strong>Pflege</strong> ist kaum in funktionsorientierte <strong>Pflege</strong>systeme umzusetzen, sondern erfordert<br />

ein Bezugspflegesystem, in der eine <strong>Pflege</strong>kraft für mehrere Patienten vollständig verantwortlich ist.<br />

Im Bezugspflegesystem laufen alle Informationen bei der verantwortlichen <strong>Pflege</strong>kraft zusammen,<br />

so das ein zielorientierter Behandlungsprozess mit dem Patienten erst möglich ist.<br />

• Die systemischen <strong>und</strong> personellen Rahmenbedingungen für Bezugspflegesysteme werden<br />

allerdings in den höchst arbeitsteilig <strong>und</strong> funktional orientierten Krankenhaussystemen kaum<br />

umgesetzt.<br />

• Viele Krankenhäuser nehmen in ihren Leitbildern die Patientenorientierung als Kriterium einer<br />

qualitätsorientierten Versorgung auf. Jedoch spiegelt sich hier nicht das Verständnis von<br />

Patientenorientierung wieder, wie es von der größten Berufsgruppe des Krankenhaus verstanden<br />

wird. Für viele <strong>Pflege</strong>nde bedeutet dieser Umstand eine Konfliktsituation, der sich nicht mit ihrem<br />

Berufsverständnis von einer qualitativ hochwertigen Patientenversorgung verträgt. Eine<br />

<strong>Unternehmenskultur</strong>, die solche Widersprüche in sich trägt, wird kaum ihre Identifizierung- <strong>und</strong><br />

Integrationsfunktion erfüllen.<br />

4


Die Veränderungen im beruflichen Selbstverständnis <strong>und</strong> somit in den Werthaltungen<br />

bestimmen demnach zunehmend berufliches Handeln, wie z.B.:<br />

• Die Formulierung von eigenen Zielen <strong>und</strong> pflegerischen Behandlungskonzepten sowie die<br />

Anwendung von Bewertungskriterien basierend auf ein ganzheitlich ausgerichtetes<br />

Ges<strong>und</strong>heitskonzept.<br />

• Dies hat wiederum Auswirkungen auf die organisatorische Gestaltung verb<strong>und</strong>en mit der Forderung<br />

nach einem Handlungsspielraum, der nicht durch ärztliche Anordnungen dominiert wird, sondern<br />

eine innerprofessionelle Kooperation verlangt, in der Behandlungsziele <strong>und</strong> -konzepte aller<br />

beteiligten Berufsgruppen <strong>und</strong> die des Patienten in Übereinstimmung gebracht werden müssen.<br />

• Und bei Verfolgung des beruflichen Auftrages die Notwendigkeit, einen Handlungs- <strong>und</strong><br />

Gestaltungsspielraum für technische <strong>und</strong> interaktionistische Leistungen auszuhandeln, um:<br />

1. Beratung, Anleitung <strong>und</strong> Schulung mit Patienten <strong>und</strong> Angehörigen durchführen zu können<br />

2. sowie die als notwendig erachtete Kooperationen mit anderen Berufsgruppen gelebt werden<br />

kann.<br />

Schluss:<br />

Veränderungen <strong>und</strong> Entwicklungen des subkulturellen Systems der <strong>Pflege</strong> haben unweigerlich Einfluss<br />

auf alle anderen Subkulturen im Krankenhaus sowie auf die gesamte <strong>Unternehmenskultur</strong>.<br />

Akzeptiert man die Differenzierung der Subkulturen als Bestandteile des gesamten Unternehmens- <strong>und</strong><br />

Organisationskultur, dann ist es wünschenswert, wenn diese komplementär <strong>und</strong> verstärkend auf die<br />

Hauptkultur wirken. Bislang eingesetzte Problemlösungsstrategien müssen dahingehend angeschaut<br />

werden, ob sie adäquat erscheinen oder dysfunktional wirken hinsichtlich einer gemeinsamen<br />

Hauptkultur. Dysfunktionale Strategien der einzelnen Subsysteme müssen bearbeitet werden.<br />

Dazu ist es notwendig, den Schnittstellen der Professionen besondere Aufmerksamkeit zu widmen.<br />

Wünschenswert wäre eine positiv gestaltete <strong>Unternehmenskultur</strong> im Krankenhaus, in denen die<br />

einzelnen Subkulturen verstärkend wirken, um im Sinne von gemeinsamen Strategien <strong>und</strong> einem<br />

gemeinsamen Konsens den Versorgungsauftrag des Krankenhauses zu erfüllen.<br />

Wie kann eine gemeinsame, berufsgruppenübergreifende Identität geschaffen werden? Dies<br />

geht m. E. nur darüber, dass man:<br />

• die Entwicklungs- <strong>und</strong> Aufbaulogik des jeweiligen Subkulturen reflektiert,<br />

• die Werte <strong>und</strong> Einstellungen, die das Denken, Verhalten <strong>und</strong> die Handlungen der Professionen<br />

kennzeichnen, verstehen lernt <strong>und</strong> sich vor diesem Hintergr<strong>und</strong> innerprofessionell auseinandersetzt<br />

• begreift, dass Tradition <strong>und</strong> Gegenwart der Subkulturen zukünftige Innovationen mitbestimmen,<br />

aber auch, dass Veränderungen in der einen Subkultur Wechselwirkungen haben auf andere<br />

Subkulturen <strong>und</strong> letztendlich auf die <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

• <strong>und</strong> bislang eingesetzte Problemlösungsstrategien dahingehend angeschaut werden, ob sie<br />

adäquat erscheinen oder dysfunktional wirken hinsichtlich einer gemeinsamen Hauptkultur.<br />

Literatur:<br />

Badura, B. & Feuerstein, G. (1996): Systemgestaltung im Ges<strong>und</strong>heitswesen. (S. 21-77, 211-237).<br />

Weinheim: Juventa.<br />

Bellabarba, J. (1997): Zum Konzept der <strong>Unternehmenskultur</strong> in Krankenhäusern. In H.-W. Hoefert,<br />

Führung <strong>und</strong> Management im Krankenhaus, S. 23-48. Göttingen: Hogrefe.<br />

Bischoff-Wanner, C. (2000): <strong>Pflege</strong> im historischen Vergleich. In B. Rennen-Allhoff & D. Schaeffer<br />

(Hrsg.), Handbuch <strong>Pflege</strong>wissenschaft, S. 17-34. Weinheim: Juventa.<br />

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Bleicher, K. (1991): Organisation. Strategien - Strukturen - Kulturen (S. 731-758). Wiesbaden: Gabler.<br />

Büssing A, Barkhausen, M. & Glaser, J. (1996): Die Analyse von Schnittstellen im Krankenhaus am<br />

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Psychologie der TU München, Bericht Nr. 30.<br />

Büssing, A. (1997): Neue Entwicklungen in der Krankenpflege. Reorganisation von der funktionale zur<br />

ganzheitlichen <strong>Pflege</strong>. In A. Büssing (Hrsg.), Von der funktionalen zur ganzheitlichen <strong>Pflege</strong>, S.<br />

15-48). Göttingen: Hogrefe.<br />

Haug, K. (1997): Strukturen in der <strong>Pflege</strong>. Das Beispiel Deutschland <strong>und</strong> England. In A. Büssing (Hrsg.),<br />

Von der funktionalen zur ganzheitlichen <strong>Pflege</strong>, S. 65-90). Göttingen: Hogrefe.<br />

Hoefert, H.-W. (1997): Berufliche Sozialisation <strong>und</strong> Zusammenarbeit im Krankenhaus. In H.-W. Hoefert,<br />

Führung <strong>und</strong> Management im Krankenhaus, S. 99-110. Göttingen: Hogrefe.<br />

Kühnle, S. (2000): Lernende Organisationen im Ges<strong>und</strong>heitswesen: Erfolgsfaktoren von<br />

Veränderungsprozessen. (S. 13-89). Wiesbaden: Gabler.<br />

Rosenstiel. v.L. (1992): Gr<strong>und</strong>lagen der Organisationspsychologie (S. 353-359). Stuttgart: Schäffer-<br />

Poeschel.<br />

Schreyögs, Georg (1999): Organisation. Gr<strong>und</strong>lagen moderner Organisationsgestaltung (S. 435-471).<br />

Wiesbaden: Gabler.<br />

Kontakt:<br />

Andrea Lamers<br />

Email: andres.lamers@fh-bielefeld.de<br />

Andrea Lamers ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der <strong>Fachhochschule</strong> Bielefeld. Sie arbeitet dort im<br />

Rahmen des internationalen Leonardo-Projekts mit an der Modulentwicklung für die <strong>Pflege</strong>ausbildung<br />

(http://www.pflegemodule.de). Andrea Lamers ist Fachkrankenschwester für Intensivpflege <strong>und</strong><br />

Anästhesie <strong>und</strong> Berufspädagogin. Das vorliegende Referat hat sie im Rahmen ihres derzeitigen<br />

Studiums der Ges<strong>und</strong>heitswissenschaften an der Universität Bielefeld gehalten.<br />

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