Die goldenen Regeln bei der Promotion - Verlag C. H. Beck oHG
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Höhen und Tiefen auf dem Weg zur Dissertation<br />
<strong>Promotion</strong>skrisen und ihre Bewältigung<br />
Der Prozess <strong>der</strong> <strong>Promotion</strong> ist mit Höhen und Tiefen verbunden, die sich sowohl auf das wissenschaftliche<br />
Ar<strong>bei</strong>ten im engeren Sinne erstrecken als auch das weitere Umfeld <strong>der</strong> Rahmenbedingungen<br />
und Beziehungsgeflechte betreffen können. Das Ziel dieser Betrachtung<br />
ist es, den Ar<strong>bei</strong>ts-, Erkenntnis- und nicht zuletzt auch persönlichen Entwicklungsprozess<br />
jenseits wissenschaftlicher Disziplinen und ihrer Fachkulturen möglichst allgemeingültig zu<br />
charakterisieren.<br />
Darüber hinaus werden Ansatzpunkte und<br />
Optionen für die aktive Steuerung des <strong>Promotion</strong>sprozesses<br />
aufgezeigt, die sowohl externe<br />
Beratungsimpulse und Hilfestellung als auch<br />
das Potenzial <strong>der</strong> Selbsthilfe und des Selbstmanagements<br />
umfassen. <strong>Die</strong> Darstellung <strong>der</strong><br />
Krisenszenarien soll damit zur aktiven Herstellung<br />
dessen anregen, was gemeinhin unter<br />
einer guten Betreuung und guten Rahmenbedingungen<br />
wissenschaftlichen Ar<strong>bei</strong>tens verstanden<br />
wird und was an den Universitäten lei<strong>der</strong><br />
heute noch immer nicht die Regel ist. <strong>Die</strong><br />
Beobachtungen, Reflexionen und Empfehlungen<br />
beruhen auf langjähriger Erfahrung <strong>bei</strong><br />
<strong>der</strong> Betreuung von <strong>Promotion</strong>sstipendiatinnen<br />
und -stipendiaten <strong>der</strong> Hans-Böckler-Stiftung.<br />
<strong>Die</strong> Erkenntnisse sind aber genauso auf Promovierende<br />
mit und ohne Qualifizierungsstelle<br />
übertragbar.<br />
Bündelt man die Erfahrungswerte über Problemlagen<br />
und Krisenphänomene, so lässt sich<br />
für die Zeit <strong>der</strong> <strong>Promotion</strong> ein typischer Verlauf<br />
rekonstruieren, <strong>der</strong> durch ein Auf und Ab<br />
mit drei krisenhaften Einschnitten gekennzeichnet<br />
ist: Eine Material-, eine Relevanzund<br />
eine Abschlusskrise. <strong>Die</strong>sen emotionalen<br />
Tiefpunkten stehen die emotionalen Höhen<br />
des motivierten und ertragreichen wissenschaftlichen<br />
Ar<strong>bei</strong>tens gegenüber. Damit verbinden<br />
sich Risiken und Chancen zu Phasen<br />
eines Ar<strong>bei</strong>tsprozesses, die durchlaufen werden<br />
müssen, um zum Ziel zu gelangen. Zugleich<br />
markieren sie die Ansatzpunkte für<br />
Steuerungs- und Interventionsmöglichkeiten,<br />
um einen ins Stocken geratenen Prozess wie<strong>der</strong><br />
ans Laufen zu bringen.<br />
Selbstverständlich finden sich in den konkreten<br />
Einzelfällen von <strong>Promotion</strong>svorhaben<br />
viele Variationen dieses Kurvenverlaufs, <strong>der</strong><br />
von persönlichen Voraussetzungen, organisatorischen<br />
Rahmenbedingungen und den verfügbaren<br />
Ressourcen abhängt. <strong>Die</strong>s betrifft die<br />
zeitliche Streckung des Prozesses und die<br />
Bandbreite <strong>der</strong> Befindlichkeiten ebenso wie die<br />
Länge <strong>der</strong> Intervalle o<strong>der</strong> die Krisenfrequenz,<br />
da unbear<strong>bei</strong>tete Probleme bisweilen gerne<br />
wie<strong>der</strong>kehren. Bei dieser Betrachtung nicht be-<br />
rücksichtigt sind Faktoren und Lebensrisiken,<br />
die ihren Ausgangspunkt jenseits des wissenschaftlichen<br />
Ar<strong>bei</strong>tsprozesses und seines unmittelbaren<br />
Kontextes haben, <strong>der</strong>en Dynamik<br />
aber einen gravierenden Einfluss haben kann.<br />
<strong>Die</strong> Phase <strong>der</strong> Vorbereitung<br />
<strong>Die</strong> Entscheidung zur <strong>Promotion</strong> wird oft<br />
mit den Erfahrungen begründet, die in <strong>der</strong><br />
Endphase des Studiums und insbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>bei</strong>m Abfassen <strong>der</strong> Abschlussar<strong>bei</strong>t gemacht<br />
wurden. Zusammen mit dem wissenschaftlichen<br />
Umfeld und dem Zuspruch von Hochschullehrerinnen<br />
und -lehrern und wissenschaftlichen<br />
Mitar<strong>bei</strong>tern kann sich daraus ein<br />
Anregungspotenzial ergeben, das die Suche<br />
nach einem geeigneten <strong>Promotion</strong>sthema beflügelt.<br />
Neben <strong>der</strong> Problemstellung sollte da<strong>bei</strong><br />
die Abklärung methodischer und theoretischer<br />
Voraussetzungen ebenso in den Fokus<br />
<strong>der</strong> Aufmerksamkeit rücken wie die organisatorischen<br />
Rahmenbedingungen, die zur Realisierung<br />
des <strong>Promotion</strong>sprojektes notwendig<br />
sind. Alle diese Vorüberlegungen münden in<br />
eine mehr o<strong>der</strong> weniger zielgerichtete Suche<br />
nach einer wissenschaftlichen Betreuung, <strong>bei</strong><br />
<strong>der</strong> neben den objektiv fassbaren Ar<strong>bei</strong>tsbedingungen<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> thematischen Nähe auch<br />
immer die subjektive Dimension persönlicher<br />
Beziehungen mitschwingt. Leicht können hier<br />
Sympathie und Antipathie den Faktor <strong>der</strong><br />
Sach- o<strong>der</strong> Methodenkompetenzen überlagern<br />
und damit den zentralen Punkt <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />
Passgenauigkeit zwischen <strong>der</strong> Betreuung<br />
und dem Projekt des Promovierenden<br />
ausblenden. Welcher potenzielle Doktorand<br />
vermag die wissenschaftliche Reputation des<br />
auserkorenen Betreuers einzuschätzen o<strong>der</strong><br />
fragt schon danach, wie viele <strong>Promotion</strong>sverfahren<br />
in den vergangenen Jahren an seinem<br />
Lehrstuhl erfolgreich abgeschlossen wurden.<br />
Bereits in <strong>der</strong> Metapher Doktorvater und<br />
Doktormutter kommt <strong>der</strong> familiäre Charakter<br />
<strong>der</strong> Beziehung zum Ausdruck. Und Familienbeziehungen<br />
können harmonisch sein, sie zerrütten<br />
aber auch nicht selten und enden in<br />
Kommunikationschaos. In jedem Fall sind sie<br />
Titel | <strong>Promotion</strong><br />
aber das genaue Gegenteil einer professionellen<br />
Ar<strong>bei</strong>tsbeziehung mit klaren Rollen und<br />
verbindlichen <strong>Regeln</strong>. Es herrscht das Meister-Lehrlingsprinzip<br />
in dem <strong>der</strong> Hochschullehrer<br />
oft wissenschaftlicher Betreuer, Vorgesetzter<br />
und Prüfer in einer Person ist. Generell gilt,<br />
dass Ar<strong>bei</strong>tsbeziehungen immer auch soziale<br />
Beziehungen sind, innerhalb <strong>der</strong>er Promovierende<br />
nicht nur einen Prozess <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />
Qualifikation, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong><br />
akademischen Sozialisation durchlaufen.<br />
Oft ist <strong>der</strong> Schritt zur <strong>Promotion</strong> mit dem<br />
Angebot einer wissenschaftlichen Qualifizierungs-<br />
o<strong>der</strong> Projektstelle verbunden. Und logischerweise<br />
stehen dann die Projektar<strong>bei</strong>t, die<br />
wissenschaftlichen <strong>Die</strong>nstleistungen und <strong>der</strong><br />
Aspekt <strong>der</strong> eigenen materiellen Versorgung im<br />
Vor<strong>der</strong>grund. <strong>Die</strong> <strong>Promotion</strong> wird zum Anhängsel,<br />
denn in den seltensten Fällen sind<br />
<strong>Promotion</strong>szeiten und <strong>der</strong> damit verbundene<br />
Aufwand ar<strong>bei</strong>tsvertraglich geregelt und finanziell<br />
abgesichert. <strong>Die</strong> parallele Ar<strong>bei</strong>t am<br />
<strong>Promotion</strong>sprojekt wird als selbstverständlich<br />
vorausgesetzt. Sie wird quasi zum Privatvergnügen<br />
degradiert, ein Zustand, <strong>der</strong> dem wissenschaftlichen<br />
Status, aber auch dem biographischen<br />
Stellenwert eines <strong>Promotion</strong>svorhabens<br />
nicht angemessen ist.<br />
In jüngster Zeit werden an den Universitäten<br />
und auch an größeren Forschungsinstituten<br />
vermehrt strukturierte <strong>Promotion</strong>sprogramme<br />
aufgelegt, die Graduiertenkollegs, <strong>Promotion</strong>sstudiengänge<br />
und ganze Graduate Schools<br />
umfassen. Ziel ist es, die <strong>Promotion</strong>szeiten zu<br />
verkürzen, die wissenschaftliche Qualität zu<br />
steigern und eine bessere Einbindung <strong>der</strong><br />
Nachwuchswissenschaftler zu gewährleisten.<br />
<strong>Die</strong>s soll durch die Zusammenar<strong>bei</strong>t unter einem<br />
thematischen Dach, ein Betreuungsgeflecht<br />
mehrerer Hochschullehrer sowie zusätzliche<br />
Veranstaltungen und Qualifizierungsangebote<br />
erreicht werden. Aber auch hier ist ein<br />
besserer Erfolg nicht programmiert. Verteilte<br />
Verantwortung kann in organisierter Verantwortungslosigkeit<br />
münden, Seminare, Kolloquien<br />
und Qualifizierungsangebote können<br />
sich schnell zu einem zweiten Studium verdichten,<br />
das die Forschungstätigkeit einengt,<br />
o<strong>der</strong> das eigene Projekt passt doch nicht so<br />
richtig in das Programm. Daher gilt es nicht<br />
nur, sich auf eine passende Ausschreibung zu<br />
bewerben, son<strong>der</strong>n das eigene Vorhaben muss<br />
in <strong>der</strong> Regel auch ein Stück weit dem vorgegebenen<br />
thematischen o<strong>der</strong> methodischen Rahmen<br />
angepasst werden, ohne da<strong>bei</strong> den eigenen<br />
Forscherdrang und die Selbstmotivation<br />
zu beschneiden.<br />
<strong>Promotion</strong>en finden zwischen zu viel und<br />
zu wenig Betreuung, Vereinsamung und struk-<br />
JUSMAGAZIN 1|09<br />
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