Michael Ballhaus Trikont, Musik & Politik 30 Jahre musa ... - Pony
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Die Masken der Liebe<br />
Kerstin Cornils<br />
Grenzen sind dafür gemacht, überschritten zu werden.<br />
Wie die Potsdamer Autorin Antje Rávic Strubel dem<br />
Denken die Grazie zurückgibt.<br />
pony: In Ihrem Roman „Kältere Schichten der Luft“<br />
erzählen Sie von der jungen Anja aus Halberstadt. Um<br />
der ostdeutschen Tristesse zu entfliehen, schließt Anja<br />
sich einem Feriencamp im schwedisch-norwegischen<br />
Grenzland an. Doch schon bald stellt sich heraus, dass die<br />
Campteilnehmer ihren Traum von einem alternativen Leben<br />
nicht umsetzen können. Sind Grenzüberschreitungen nicht<br />
einmal im Grenzland möglich?<br />
Antje Rávic Strubel: Sie haben Recht, es geht in diesem<br />
Roman um die Frage, inwieweit Grenzen dehnbar sind. Das<br />
bezieht sich nicht nur auf die Geschlechtergrenze, sondern<br />
auf Alter ebenso wie auf das Verhältnis von Fiktion und<br />
Wirklichkeit. Wenn es nicht mehr klar ist, ob hier gerade<br />
von einem Jungen oder einer Frau Mitte dreißig die Rede ist,<br />
entsteht eine Irritation, Körper und Alter werden fließend.<br />
Ich glaube, dass Grenzüberschreitungen heute nicht mehr<br />
einfach in der Zerschlagung von Grenzen bestehen, sondern<br />
in ihrer Neukombination und Verschiebung.<br />
Lesung Antje Rávic Strubel<br />
Anja nimmt in ihrer Beziehung zu Siri spielerisch eine<br />
männliche Identität an. Ihre Verkleidung als Junge führt<br />
dazu, dass sie sich ihre Liebe im Stil einer H&M-Reklame<br />
vorstellt: Siri wird zum „anschmiegsamen Mädchen“,<br />
Anja zum „selbstsicheren Jungen“. Ist die lesbische<br />
Liebe eine Maskerade – eine bloße Imitation der heterosexuellen<br />
Ordnung?<br />
Spielerisch würde ich das nicht nennen. Mit Anjas<br />
Jungenhemd ist es ja nicht getan. Es geht hier nicht um<br />
Rollenspiele, sondern um Bewusstseinserweiterung, die<br />
Vorstellung von einem zweiten möglichen Leben, das momentweise,<br />
blitzlichthaft im Dialog zwischen den beiden<br />
Frauen aufscheint und im Sprechen wirklich wird. Und es<br />
geht darum, dass Liebe Identität schafft, eben auch eine,<br />
die körperliche Grenzen übersteigen kann. Schon im Mythos<br />
wird aus dem Ungeheuer ein Prinz, wenn die Schöne ihm<br />
sagt, dass sie es liebt. Im Übrigen sehe ich keinen Unterschied<br />
zwischen homo- und heterosexueller Maskerade.<br />
Geschlechtliche Identität ist in jedem Fall eine unablässig<br />
wiederholte Handlung, eine gesellschaftlich regulierte Inszenierung,<br />
wie wir seit Judith Butler wissen.<br />
Antje Rávic Strubel erklärt am 8.11.07 um 20.00<br />
Uhr im Lit. Zentrum das Phänomen „Sehnsucht“.<br />
Ihr Roman „Kältere Schichten der Luft“ (2007, 188<br />
Seiten, 17,90 EUR) ist bei S. Fischer erschienen; siehe<br />
auch Rezension in pony 4/07.<br />
Die andere Seite<br />
Jan Langehein<br />
Die Entführung Hanns-Martin Schleyers, das Land<br />
im nicht verhängten Ausnahmezustand, die Entführung<br />
und Befreiung der Urlaubermaschine Landshut, schließlich<br />
der Tod der Stammheimer Gefangenen und die Ermordung<br />
Schleyers – das sind die Ereignisse, die als „Deutscher<br />
Herbst“ in die Zeitgeschichte eingingen.<br />
Dreißig <strong>Jahre</strong> später wütet eine Infotainmentmaschine<br />
über die Bildschirme, die ein Minimum an Erkenntnis und<br />
kritischer Reflexion mit einer King-Size-Portion Gefühlsduselei<br />
unters Volk zu bringen versucht – routiniertester<br />
Guido-Knoppismus; „Baaders Helfer“. Da erfährt man<br />
dann, dass Schleyers Kinder unter dessen Tod schlimmer<br />
litten als die Täter (Wer hätte es gedacht!), und Leute, die<br />
Baader 1967 mal auf einer Party getroffen hatten, durften<br />
erzählen, dass es dem gar nicht um <strong>Politik</strong> gegangen sei,<br />
sondern nur um Weiber und schnelle Autos.<br />
Neu ist an dieser Sicht auf die RAF höchstens deren<br />
Diskussionen Klaus Viehmann & Karl-Heinz Dellwo<br />
küchenfreudianisch begründete Gleichsetzung mit den<br />
Nazis: Im Aufstand gegen die Väter hätten sich Teile der<br />
68er deren „Totalitarismus“ und deren Gewaltfetisch zu<br />
eigen gemacht und seien deshalb Mörder geworden wie<br />
sie. Im Vokabular der hoch gelobten deutschen Vergangenheitsbewältigung<br />
fordern die Kommentatoren, ein<br />
angebliches „Schweigen über damals“ müsse gebrochen,<br />
ein „Schlussstrich unter die Geschichte“ dürfe nicht<br />
gezogen werden – hier wird die RAF zur Wehrmacht, der<br />
Andreas mutiert zum Adolf, und die Schleyerentführung<br />
rückt in die Nähe des an Auschwitz gebildeten Begriffs<br />
„Menschheitsverbrechen“.<br />
Wer sich nicht in Betroffenheit suhlen, sondern 77 begreifen<br />
will, der sollte sich auf diesen Blick nicht beschränken<br />
lassen. Mit Klaus Viehmann, ehemals „Bewegung 2.<br />
Juni“, und Karl-Heinz Dellwo, früher RAF, kommen im November<br />
zwei Referenten in den T-Keller, die im Deutschen<br />
Herbst buchstäblich auf der anderen Seite standen. Auch<br />
sie werden vor allem „Oral History“ zu bieten haben und<br />
wohl kaum eine echte Reflexion der Geschichte liefern<br />
können – aber ihre Perspektive gehört zu dieser Reflexion<br />
unbedingt dazu.<br />
Veranstaltungen im T-Keller zum Thema „<strong>30</strong> <strong>Jahre</strong><br />
Deutscher Herbst“: am 6.11.07 um 20.00 Uhr mit<br />
Klaus Viehmann; am 15.11.07 um 20.00 Uhr mit<br />
Karl-Heinz Dellwo<br />
Klare Trennung!<br />
Porreereste, Bananenschalen,<br />
Möhrengrün …<br />
Zahnbürste, Windeln,<br />
Glühbirnen …<br />
Konservendosen, Milchtüten,<br />
Shampooflaschen …<br />
Zeitungen, Zeitschriften,<br />
Kartons …<br />
Weinflaschen, Saftflaschen<br />
kaputte Gläser …<br />
Eigenbetrieb der Stadt Göttingen<br />
Bei Fragen können Sie sich direkt an uns wenden.<br />
www.stadtreinigung.goettingen.de · Servicenummer 400 5 400<br />
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