Forum Färberpflanzen 2001 - ADAM - Leonardo da Vinci Projects ...
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Gülzower<br />
Fachgespräche<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> <strong>2001</strong>
Gülzower Fachgespräche: Band 18<br />
<strong>Forum</strong><br />
„<br />
<strong>Färberpflanzen</strong>“ <strong>2001</strong><br />
Dornburg, 30./31. Mai <strong>2001</strong><br />
Herausgegeben von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR),<br />
Hofplatz 1, 18276 Gülzow mit Förderung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz,<br />
Ernährung und Landwirtschaft.<br />
FNR, <strong>2001</strong>
Herausgeber:<br />
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.<br />
Hofplatz 1<br />
18276 Gülzow<br />
Tel.: (0 38 43) 69 30-0<br />
Fax: (0 38 43) 69 30-102<br />
E-Mail: info@fnr.de<br />
Internet: http://www.fnr.de<br />
Re<strong>da</strong>ktion:<br />
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.<br />
Abt. Öffentlichkeitsarbeit<br />
Gestaltung und Produktion:<br />
tangram documents, Rostock<br />
Alle Rechte vorbehalten.<br />
Kein Teil dieses Werkes <strong>da</strong>rf ohne schriftliche Einwilligung des Herausgebers<br />
in irgendeiner Form reproduziert oder unter Verwendung elektronischer<br />
Systeme verarbeitet, vervielfältigt, verbreitet oder archiviert werden.
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Inhalt<br />
Vorwort .............................................................................................................. 5<br />
G. Breitschuh<br />
Das Förderprogramm „Nachwachsende Rohstoffe“<br />
der Bundesregierung ....................................................................................... 7<br />
H. Stolte<br />
Aktivitäten auf Bundes- und EU-Ebene<br />
zur Problematik <strong>Färberpflanzen</strong> .................................................................. 17<br />
A. Vetter<br />
Erfahrungen zum Anbau von <strong>Färberpflanzen</strong> in Frankreich .................. 29<br />
P. Faucon<br />
Färbepflanzen aus Ökologischem Landbau ............................................... 41<br />
A. Hartl, C. R. Vogl<br />
Nutzung von Naturfarben in der Türkei .................................................... 54<br />
R. Marquard<br />
Naturfärberei in der Türkei – Potential und Perspektiven ...................... 62<br />
M. Bischof<br />
The “Natural Dyes Product Research and Development Project”<br />
in EVTEK Institute of Arts and Design 2000-2003 .................................... 77<br />
U. Lapiolahti<br />
Züchtung ausgewählter gelbfärbender Pflanzen und Färberknöterich.... 81<br />
G. Wurl, A. Biertümpfel<br />
Gülzow, 30. November 1995 3
Energetische Nutzung halmgutartiger Biomasse: Stand der Technik und Perspektiven<br />
Ergebnisse der züchterischen Bearbeitung von Färberkrapp<br />
(Rubia tinctorum L.) ......................................................................................... 93<br />
S. Siebenborn, R. Marquard<br />
Erfahrungen der Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau Erfurt<br />
zu Erträgen, Fruchtqualitäten, Farbstoffgehalten und Reifeterminen<br />
von 14 Holundersorten ............................................................................... 109<br />
M. Möhler<br />
Ergebnisse zu Krappanbau und Ernte sowie Aspekte zu<br />
Produktlinienentwicklungen mit Pflanzenfarbstoffen ........................... 118<br />
L. A<strong>da</strong>m, B. Dittmann<br />
Züchtungsmethodik bei Pflanzen mit sekundären Inhaltsstoffen ....... 137<br />
A. Plescher<br />
Aktueller Stand der Farbstoffgewinnung aus<br />
nachwachsenden Rohstoffen ...................................................................... 146<br />
A. Wähling<br />
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Druckindustrie .... 149<br />
K. Hanke<br />
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Lederfärbung ....... 162<br />
M. Conrad<br />
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Textilindustrie<br />
Färben von Cellulosefaserstoffen .............................................................. 171<br />
R. Bochmann<br />
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen<br />
in der Süsswarenindustrie .......................................................................... 182<br />
C. Lutz<br />
Zusammenfassung des Veranstalters ....................................................... 186<br />
A. Vetter, A. Biertümpfel<br />
4
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Vorwort<br />
G. Breitschuh<br />
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, Jena<br />
Mehr als 100 Farbstoff liefernde Pflanzen wurden in Europa beschrieben.<br />
Aus anbau- und verarbeitungstechnischer Sicht erlangen <strong>da</strong>von nur einige<br />
wenige Pflanzenarten eine praktische Relevanz. Dazu gehören nach<br />
dem heutigen Erkenntnisstand für die Farbe<br />
gelb: Färberwau, Kanadische Goldrute, Färberhundskamille und<br />
Saflor<br />
rot: Krapp<br />
blau: Färberknöterich, Waid<br />
braun: Dost<br />
Die TLL hat sich an diesen Evaluierungen aktiv beteiligt und für die wichtigsten<br />
unter hiesigen Standortverhältnissen anbaugeeigneten <strong>Färberpflanzen</strong><br />
Anbauanleitungen, insbesondere für die Düngung, die Lückenindikation,<br />
die Ernte und die Nacherntebehandlung vorgelegt.<br />
Sollen <strong>Färberpflanzen</strong> einen nennenswerten Anbauumfang erlangen,<br />
be<strong>da</strong>rf es eines substanziellen Interesses der Farbstoff verbrauchenden<br />
Industrie. Der Farbstoff muss Industrietauglichkeit erreichen.<br />
Dank mehrerer Drittmittelprojekte engagiert sich die TLL Jena, um<br />
über pflanzenspezifische Extraktionsverfahren ausreichende Farbstoffmengen<br />
in solchen Qualitäten herzustellen, die für die Textil- und Lederindustrie<br />
Bedeutung erlangen können. Im Rahmen von drei deutschen<br />
und einem EU-weiten Verbundprojekten ist die TLL insbesondere mit der<br />
Entwicklung von Anbauverfahren, der Züchtung und der Herstellung<br />
von Ausgangsmaterial sowie der Extraktion von Farbstoffen befasst.<br />
Das von der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe Gülzow und<br />
der TLL gemeinsam organisierte „<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong>“ bietet <strong>da</strong>nk der<br />
internationalen Beteiligung eine hervorragende Plattform für die Kennt-<br />
Gülzow, 30. November 1995 5
6<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
nisnahme der europaweit erzielten Ergebnisse und Erfahrungen. Besonders<br />
wichtig ist <strong>da</strong>bei, <strong>da</strong>ss auch in diesem <strong>Forum</strong> Anbau, Farbstoffherstellung<br />
und Farbstoffverwendung als eine Einheit behandelt werden. Es<br />
gibt einen praktisch relevanten <strong>Färberpflanzen</strong>anbau erst, wenn Pflanzenfarbstoffe<br />
über die individuelle Eigenverwendung und im künstlerischen<br />
Bereich hinaus in die industrielle Verarbeitung Eingang gefunden<br />
haben.<br />
Ich <strong>da</strong>nke den Organisatoren dieses <strong>Forum</strong>s für die gelungene Auswahl<br />
von Themen und Referenten und wünsche, <strong>da</strong>ss von diesem <strong>Forum</strong><br />
neue Impulse für die Gewinnung eines respektablen Marktanteils der<br />
Pflanzenfarbstoffe ausgehen.<br />
Prof. Dr. Gerhard Breitschuh<br />
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft<br />
Apol<strong>da</strong>er Str. 4<br />
D-07778 Dornburg
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Das Förderprogramm<br />
„Nachwachsende Rohstoffe“ der<br />
Bundesregierung<br />
H. Stolte<br />
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V., Gülzow<br />
Einleitung<br />
Ich freue mich, sehr geehrte Damen und Herren,<br />
Sie zum heutigen dritten <strong>Forum</strong> „<strong>Färberpflanzen</strong>“ im Namen der Mitarbeiter<br />
und Gremien der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.<br />
sowie des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und<br />
Landwirtschaft begrüßen zu dürfen.<br />
Für die erneute finanzielle Unterstützung der Veranstaltung durch<br />
<strong>da</strong>s Bundesministerium für Verbraucherschutz, aber auch für die im<br />
erheblichen Umfang eingesetzten Eigenmittel und <strong>da</strong>s bei der Ausrichtung<br />
der Veranstaltungsreihe nunmehr bereits zum dritten Mal gezeigte<br />
organisatorische Geschick der Thüringer Landesanstalt möchte ich mich<br />
an dieser Stelle herzlichst be<strong>da</strong>nken.<br />
Wie vielen von Ihnen noch in angenehmer Erinnerung sein dürfte,<br />
wurde die Veranstaltung im Juni 1997 erstmals hier in Dornburg durchgeführt.<br />
Ziel des <strong>da</strong>maligen Expertenforums war es, ausgehend von einer<br />
Sachstandsanalyse die Forschungsprioritäten für die weitere Entwicklung<br />
im Bereich der farbstoffliefernden Pflanzen aufzuzeigen.<br />
Als Fazit dieses ersten <strong>Forum</strong>s konnte festgestellt werden, <strong>da</strong>ss die<br />
Agrarforschung bereits wesentliche Voraussetzungen für einen großflächigen<br />
Anbau des Pflanzenmaterials gelegt hatte. An dieser positiven<br />
Gülzow, 30. November 1995 7
8<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Entwicklung hatte die Thüringer Landesanstalt, bei der wir hier zu Gast<br />
sein dürfen, entscheidende Anteile.<br />
Dennoch konnte auch zwei Jahre später, als <strong>da</strong>s zweite <strong>Forum</strong> im Juni<br />
1999 stattfand, noch kein für die deutsche Landwirtschaft flächenmäßig<br />
interessanter Anbau verzeichnet werden.<br />
Zur Beseitigung der zuvor festgestellten technologischen Hemmnisse,<br />
insbesondere in den Zwischenverarbeitungsstufen (Extraktion, Stabilisierung<br />
und Applikation der Farbstoffe aus Pflanzenmaterial) konnten die<br />
Referenten <strong>da</strong>mals bereits interessante Zwischenergebnisse vermelden<br />
und ich bin überzeugt, <strong>da</strong>ss die hier innerhalb der nächsten zwei Tage<br />
von verschiedenen Referenten präsentierten Endergebnisse dieser Projekte<br />
auf reges Interesse bei den anwesenden Teilnehmern aus Forschung<br />
und Industrie stoßen werden.<br />
Die Probleme bestanden und bestehen dennoch nach wie vor in der<br />
Überführung der Forschungsergebnisse in den kommerziellen Markt.<br />
Getreu dem Motto des zum <strong>Forum</strong> 1999 anwesenden Thüringischen<br />
Landwirtschaftsministers, Herrn Dr. Sklenar: „Nicht <strong>da</strong>s Erzählte reicht,<br />
sondern <strong>da</strong>s Erreichte zählt.“, vertraten die Referenten und Teilnehmern des<br />
zweiten <strong>Forum</strong>s einhellig die Auffassung, <strong>da</strong>ss es in absehbarer Zeit notwendig<br />
wird, zu vermarktungsfähigen Produkten zu kommen. Dies war<br />
<strong>da</strong>s wesentliche Diskussionsergebnis der Veranstaltung vor zwei Jahren<br />
und ich versicherte <strong>da</strong>mals in meinem Schlusswort, <strong>da</strong>ss sinnvolle Projektvorschläge<br />
zur Markteinführung von Pflanzenfarben künftig besonders<br />
unterstützt würden.<br />
Auf Beispiele für entsprechende Entwicklungen, die diesen Worten<br />
folgten, werde ich im abschließenden Teil meines Vortrags noch näher<br />
eingehen.<br />
Das Förderkonzept „Nachwachsende Rohstoffe“ der Bundesregierung<br />
Lassen Sie mich zuvor in aller Kürze (der Mehrzahl von Ihnen ist unsere<br />
Einrichtung bereits bestens bekannt) auf die Organisation und die Aufgaben<br />
der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. eingehen.<br />
Die im Herbst 1993 gegründete Fachagentur mit Sitz in Gülzow bei<br />
Güstrow ist die zentrale Koordinierungsstelle für den Bereich Nachwachsende<br />
Rohstoffe in Deutschland.
Das Förderprogramm „Nachwachsende Rohstoffe“ der Bundesregierung<br />
Sie ist als eingetragener Verein organisiert und hat derzeit 65 Mitglieder<br />
und eine auf 26 gewachsene Mitarbeiterzahl.<br />
Die Aufgaben der FNR liegen in den Bereichen Forschungsförderung/Projektträgerschaft,<br />
Information, Beratung und Öffentlichkeitsarbeit<br />
zu Anbau und Verwertung Nachwachsender Rohstoffe sowie der<br />
Mitwirkung an Aktivitäten auf europäischer Ebene.<br />
Das gesamte Gebiet der nachwachsenden Rohstoffe wird durch die<br />
Bundesregierung, aber auch die Landesressorts auf vielfältige Weise<br />
gefördert.<br />
Die wichtigste Grundlage dieser Fördertätigkeit, mit deren Ausführung<br />
die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) als Projektträger<br />
des Bundes beauftragt ist, stellt <strong>da</strong>s „Programm Nachwachsende<br />
Rohstoffe des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung<br />
und Landwirtschaft“ mit einem jährlich zur Verfügung stehenden Fördermittelvolumen<br />
von ca. 50 Mio. DM <strong>da</strong>r. Es wird seit dem letzten Jahr<br />
um ein Programm zur Markteinführung biogener Treib- und Schmierstoffe<br />
mit einem Jahresvolumen von künftig 20 Mio. DM ergänzt, auf <strong>da</strong>s<br />
ich hier aus Zeitgründen nicht näher eingehen will.<br />
Vorrangiges Ziel der Förderung nachwachsender Rohstoffe ist es, der<br />
Landwirtschaft im Bereich der Pflanzenproduktion Alternativen zur<br />
Nahrungsmittelerzeugung zu erschließen.<br />
Allgemein wird der Begriff Nachwachsende Rohstoffe <strong>da</strong>bei wie folgt<br />
definiert:<br />
Nachwachsende Rohstoffe sind land- und forstwirtschaftlich erzeugte<br />
Produkte, die einer Verwendung im Non-Food-Bereich<br />
zugeführt werden.<br />
Seit dem Jahr 2000 gehören im Unterschied zu früheren Konzepten auch<br />
die Bereiche „Rohstoffe tierischen (aber nicht maritimen) Ursprungs“<br />
und „Abfallstoffe der Land- und Forstwirtschaft“ zu den förderfähigen<br />
Bereichen.<br />
Die Schwerpunkte des Förderprogramms liegen im Bereich der<br />
anwendungsorientierten Forschung und Entwicklung sowie der Demonstration<br />
neuer Technologien.<br />
Das Programm gliedert sich in die Förderschwerpunkte Arbeiten zur<br />
Analyse und Beeinflussung von Rahmenbedingungen, stoffliche Nutzung<br />
von Kohlenhydraten (Stärke, Zucker, Cellulose), Ölen/Fetten, Faser<br />
und Holz, Proteinen sowie besonderen Inhaltsstoffen. Ferner können Pro-<br />
Gülzow, 30. November 1995 9
10<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
jekte zur energetischen Nutzung Nachwachsender Rohstoffe sowie zur<br />
Öffentlichkeitsarbeit gefördert werden.<br />
Diese Schwerpunkte sind im Förderprogramm, <strong>da</strong>s bei der Fachagentur<br />
angefordert werden kann, für den jeweiligen Rohstoff detailliert<br />
untersetzt.<br />
Bei farbstoffliefernden Pflanzen geht es wie bei Arznei- und Gewürzpflanzen<br />
um die Nutzung der sekundären Inhaltsstoffe, also um die Verwertung<br />
chemischer Substanzen, die im Vergleich zu den übrigen Rohstoffgruppen<br />
in einem sehr viel geringeren Prozentanteil im<br />
Sekundärstoffwechsel von den Pflanzen gebildet werden.<br />
Für diesen, für Sie interessanten Bereich, der unter der Bezeichnung<br />
’Besondere Inhaltsstoffe’ zusammengefasst wurde, nennt <strong>da</strong>s Förderkonzept<br />
im Einzelnen folgende Schwerpunkte:<br />
- Evaluierung von Wil<strong>da</strong>rten und Schwellenpflanzen sowie Züchtung<br />
für eine landwirtschaftliche Nutzung<br />
- Untersuchung sekundärer pflanzlicher Inhaltsstoffe auf Anwendungsmöglichkeiten<br />
im Nichtnahrungsmittelbereich<br />
- Entwicklung effizienter Analyseverfahren für die Qualitätsbewertung<br />
- Lösung spezifischer Anbauprobleme, (z. B. Saatgutverfügbarkeit,<br />
fehlende Düngungs- und Pflanzenschutzstrategien, Optimierung<br />
von Ernte- und Pflanztechnik)<br />
- Arbeiten zur Eruierung neuer Anbaukulturen, die eine preisliche<br />
Konkurrenzfähigkeit oder andere marktrelevante Vorteile gegenüber<br />
Arzneirohstoffen aus Wildsammlung erwarten lassen<br />
- Untersuchungen zur Optimierung von Erst- und Aufbereitungsanlagen<br />
- Weiterentwicklung von Extraktionsverfahren und Verarbeitungsmethoden<br />
- Erarbeitung von Anbauempfehlungen und sonstiger Datensammlungen<br />
für die Beratungstätigkeit.<br />
Insgesamt wurden seit der Gründung der Fachagentur im Rahmen des<br />
Förderkonzeptes mehr als 800 Projekte bewilligt.<br />
Das <strong>da</strong>mit verbundene Mittelvolumen verteilt sich wie folgt auf die<br />
zuvor beschriebenen Förderbereiche:<br />
Bei der Betrachtung der aktuellen Fördermittelverteilung (vgl. Abb. 1)<br />
wird deutlich, <strong>da</strong>ss zwischen den einzelnen Produktlinien eine Gewichtung<br />
nach Anbau- und Verwertungspotentialen der jeweiligen Hauptroh-
Das Förderprogramm „Nachwachsende Rohstoffe“ der Bundesregierung<br />
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Abbildung 1: Verteilung der Fördermittel für derzeit laufende Vorhaben nach<br />
Produktlinien (Stand: April <strong>2001</strong>)<br />
stoffe vorgenommen wird. So werden insbesondere in den Bereichen Öle<br />
und Fette, Stärke und für die energetische Nutzung Nachwachsender<br />
Rohstoffe, entsprechend ihrer Bedeutung, die größten Fördermittelbudgets<br />
aufgewendet.<br />
Die Bereiche Anbau und Verwertung farbstoffliefernder Pflanzen ordnen<br />
sich gemäß der vorgestellten Systematik des Förderprogramms<br />
gemeinsam mit den Arznei- und Gewürzpflanzen in die Produktlinie<br />
Besondere Inhaltsstoffe ein. In diesen Bereich fließen derzeit insgesamt<br />
ca. 10 Prozent der Forschungsmittel. Etwa die Hälfte dieses Volumens<br />
kommt den Farbstoffen zugute.<br />
Im Verhältnis zu der derzeit noch geringen Anbaufläche von <strong>Färberpflanzen</strong><br />
(< 100 ha, meist Versuchsflächen) und Medizinalpflanzen (ca.<br />
7.000 ha) sind die Bereiche folglich finanziell bereits recht großzügig ausgestattet.<br />
Es wird deutlich, <strong>da</strong>ss von Fachagentur und Verbraucherschutzministerium<br />
bei den Pflanzen mit besonderen sekundären Inhaltsstoffen<br />
erhebliche Entwicklungspotentiale hinsichtlich Flächenbindung<br />
und Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum gesehen werden.<br />
Andererseits wird der Anteil entsprechender Projekte jedoch aktuell<br />
nicht mehr signifikant gesteigert werden können, was natürlich nicht<br />
bedeutet, <strong>da</strong>ss für den Bereich keine qualifizierten Projektvorschläge<br />
mehr entgegengenommen werden.<br />
Gülzow, 30. November 1995 11
12<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Ausgewählte laufende und bereits abgeschlossene Projekte zu Naturfarbstoffen<br />
werden im folgenden vorgestellt. Ich werde <strong>da</strong>bei bewusst<br />
oberflächlich bleiben, um den Vorträgen, die gemäß dem Tagungsprogramm<br />
zu vielen dieser Projekte folgen werden, nicht vorzugreifen; hoffe<br />
jedoch, <strong>da</strong>ss ich Ihnen eine Übersicht geben kann, die Spannung auf die<br />
sich anschließenden Vorträge erzeugt.<br />
Projektförderung im Bereich Naturfarbstoffe<br />
Am Beginn der Forschungsförderung des Verbraucherschutzministeriums<br />
im Bereich Farbstoffpflanzen standen mit Literaturrecherchen und<br />
erste Anbauversuchen mit einem relativ großen Sortiment von 53 <strong>Färberpflanzen</strong>arten<br />
erste Tastversuche. Die von der Arbeitsgruppe „Gemüsezüchtung“<br />
der Bundesforschungsanstalt für gartenbauliche Pflanzenzüchtung<br />
1991 unter dem Thema „Screening farbstoffliefernder<br />
Pflanzen“ begonnenen Arbeiten zeigten, <strong>da</strong>ss besonders für Färberröte,<br />
Färberwaid und Färberwau eine agronomische Anbaurelevanz besteht,<br />
die eine weitere züchterische Bearbeitung sinnvoll erscheinen lässt. Diese<br />
Pflanzen wurden bereits in der antiken Literatur als <strong>Färberpflanzen</strong> beschrieben.<br />
Ebenfalls eine sehr lange Tradition hatte der Anbau von Färberwaid in<br />
Thüringen. Erfurt war im 13. und 14. Jahrhundert der bedeutendste<br />
Waidhandelsplatz. Der Malermeister Wolfgang Feige unternahm mit seiner<br />
im Jahr 1990 gegründeten Thüringer Waid Verarbeitungs GmbH nach<br />
jahrelangem Experimentieren wieder den ersten großflächigen Anbauversuch<br />
mit dieser Färberpflanze. Waid liefert nicht nur den Farbstoff<br />
Indigo, sondern auch fungizid und insektizid wirkende Holzschutzmittel,<br />
die bereits erfolgreich bei der Sanierung historischer Gebäude eingesetzt<br />
wurden. Unter dem Titel „Produktion von umweltfreundlichen<br />
Grund- und Anstrichfarben, Beizen und Textilfarben auf der Grundlage<br />
des nachwachsenden Rohstoffes Waid“ wurde Herr Feige bei der Aufklärung<br />
der wirksamkeitsbestimmenden Parameter der Gärsäfte unterstützt.<br />
Kompetenter Partner für die wissenschaftliche Betreuung der<br />
Untersuchungen war die Thüringer Landesanstalt (TLL) Jena. Ein weiteres<br />
Projekt zu diesem Thema wurde von der Universität Göttingen durchgeführt.
Das Förderprogramm „Nachwachsende Rohstoffe“ der Bundesregierung<br />
Erste Anbauversuche (u. a. mit Färberwau, Färberknöterich, Kanadischer<br />
Goldrute, Krapp, und Hundskamille) zeigten sehr inhomogene<br />
Ernteerträge bei den überwiegend noch nahezu im Wildpflanzenstadium<br />
befindlichen Pflanzen. Die TLL erhielt deshalb eine Unterstützung für die<br />
Durchführung eines Vorhabens mit dem Ziel der „Züchterischen Bearbeitung<br />
wirtschaftlich bedeutsamer <strong>Färberpflanzen</strong> hinsichtlich Anbaueignung,<br />
Ertrag und Farbstoffgehalt“. Diesem Projekt folgten eine Reihe von<br />
Folgevorhaben in Kooperation mit Partnern aus der verarbeitenden Industrie.<br />
Erste Anbaurichtlinien für die moderne, auf Nachhaltigkeit ausgerichtete<br />
Landwirtschaft wurden als Zwischenergebnis der Arbeiten zum<br />
Thema: „<strong>Färberpflanzen</strong> – Anbau, Ernte, Nachbehandlung“ von der<br />
Brandenburgischen Landesanstalt für Landwirtschaft erstellt.<br />
Als würdiger Abschluss zu diesem bereits 1996 begonnenen Projekt<br />
wird es im September diesen Jahres eine eigene Veranstaltung auf dem<br />
Gelände der Bundesgartenschau Pots<strong>da</strong>m geben. Ich erwarte, <strong>da</strong>ss der<br />
Redebeitrag des Projektleiters Dr. A<strong>da</strong>m ähnlich wie <strong>da</strong>s unmittelbar folgende<br />
Referat über den Anbau von <strong>Färberpflanzen</strong> in der Türkei der Herren<br />
Marquard und Bischof der Veranstaltung Impulse geben wird, indem<br />
diese Vorträge verdeutlichen werden, wie man auch mit bescheidenen<br />
finanziellen Mitteln, aber vielen Worten, die gezielt zur Überzeugung der<br />
erforderlichen Akteure der Produktionskette eingesetzt werden, enorm<br />
viel bewegen kann.<br />
Ein wesentliches Fazit des ersten <strong>Forum</strong>s „<strong>Färberpflanzen</strong>“ im Sommer<br />
1997 war die Forderung nach verstärkt interdisziplinärer Verbun<strong>da</strong>rbeit<br />
von Vertretern aus Landwirtschaft und Industrie, um mittelfristig<br />
mit pflanzlichen Farbstoffen wieder einen Marktanteil von 1 % des Farbstoffmarktes<br />
zu erreichen.<br />
Ein in diese Richtung zielendes, sehr groß angelegtes Vorhaben mit<br />
sechs Verbundpartnern begann wenige Monate nach der Veranstaltung<br />
unter dem Titel „Entwicklung einer Technologie zum Färben von Cellulose-<br />
und Proteinfaserstoffen mit einheimischen Pflanzenfarben“.<br />
Partner waren <strong>da</strong>bei <strong>da</strong>s Sächsisches Textilforschungsinstitut e. V.<br />
(STFI) als Verbundkoordinator, <strong>da</strong>s Textilforschungsinstitut Thüringen<br />
Vogtland e. V. (TITV), die TLL Jena, <strong>da</strong>s Institut für Getreideverarbeitung<br />
Bergholz-Rehbrücke, <strong>da</strong>s Institut für Umweltforschung Schlieben e. V.<br />
(IfU,) und die Nahrungs-Ingenieurtechnik GmbH Magdeburg (NIG).<br />
Gülzow, 30. November 1995 13
14<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Zusammengefasst betrachtet sollten mit dem Projekt die wesentlichen<br />
technologischen Lücken zwischen der Landwirtschaft, die in den zurückliegenden<br />
Jahren grundsätzlich in die Lage versetzt wurde, farbstoffliefernde<br />
Pflanzen in befriedigender Qualität anzubauen, und der endverarbeitenden<br />
Industrie, die Anwendungspotentiale bereithält, geschlossen<br />
werden. Innerhalb der nächsten zwei Tage werden wir hören, welche<br />
Fortschritte <strong>da</strong>bei erzielt wurden.<br />
Ein weiteres von der Fachagentur betreutes Projekt wurde von der<br />
Fachhochschule Anhalt unter dem Titel „Entwicklung biotechnologischer<br />
Verfahren zur Erzeugung von Pflanzmaterial aus Rhabarber als Voraussetzung<br />
zur großtechnischen Isolierung der Inhaltsstoffe (Gerb- und<br />
Farbstoffe)“ durchgeführt. Besonders interessant ist hierbei, wie im Projekttitel<br />
angedeutet, die Doppelnutzung der Extrakte zum Zwecke der<br />
Ledergerbung und -färbung.<br />
Mit einem hinsichtlich des angestrebten Endprodukts ähnlichen<br />
Ansatz beschäftigt sich auch ein Verbundprojekt zum Thema „Züchterische<br />
Bearbeitung von <strong>Färberpflanzen</strong> sowie Extraktion der Farbstoffe<br />
und deren Einsatz in der Lederfärbung“, <strong>da</strong>s von der TLL koordiniert<br />
wird. Auch dieser Verbund wird gleich von mehreren Vorträgen tangiert.<br />
Nach dem zweiten <strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> starteten weitere Projekte,<br />
mit denen Ergänzungen zur klassischen Nutzung von <strong>Färberpflanzen</strong> in<br />
der Textilnutzung untersucht werden sollen.<br />
So testet die Firma Huber München gemeinsam mit der TLL in Dornburg<br />
sowie der Agrar- und Umweltanalytik GmbH (AUA) Jena den Einsatz<br />
der aus <strong>Färberpflanzen</strong> gewonnenen Extrakte in neuartigen umweltfreundlichen<br />
Druckfarbensystemen. Hierzu hören wir ebenfalls am<br />
morgigen Tag mehr.<br />
Im Ergebnis erster Tastversuche, die unter der Koordination von Dr.<br />
A<strong>da</strong>m, Landesanstalt für Landwirtschaft Brandenburg, angestellt wurden<br />
und <strong>da</strong>s beteiligte Unternehmen für eine intensivere Beschäftigung<br />
mit dieser Produktentwicklung unter Einsatz entsprechender Eigenmittel<br />
begeistern konnte, begann im Frühjahr diesen Jahres ein Projekt der<br />
Firma Dr. Otto in Wittenberge zum Thema „Herstellung von gefärbten<br />
Hackschnitzeln auf der Basis von Pflanzenfarbstoffen und Applikationsversuche<br />
im Garten- und Landschaftsbau“. Erste Produktmuster sollen<br />
u.a. auf dem Gelände der Bundesgartenschau in Pots<strong>da</strong>m als Beetbedekkung<br />
eingesetzt werden.
Das Förderprogramm „Nachwachsende Rohstoffe“ der Bundesregierung<br />
In einem in den nächsten Tagen beginnenden anwendungsorientierten<br />
Projekt beschäftigen sich die Mitarbeiter des Ingenieurbüros für Verpackung<br />
Dresden mit der „Entwicklung von Farbkonzentraten auf Basis<br />
von Naturfarben zur Einfärbung von Biokunststoffen“. Im Rahmen des<br />
Vorhabens sollen erstmals Farbstoff-Batchs für die Einfärbung von biologisch<br />
abbaubaren Kunststoffen entwickelt werden, die auf pflanzlichen<br />
Pigmenten basieren. Ziel ist es, auf Basis geeigneter Trägerwerkstoffe ein<br />
für mehrere Biokunststofftypen geeignetes Farbkonzentrat auf Naturfarbenbasis<br />
zu entwickeln. Dabei sollen Extrakte aus rot-, gelb- und blaufärbenden<br />
Arten zum Einsatz kommen.<br />
Ein weiteres, gerade begonnenes Projekt unter Koordination der brandenburgischen<br />
Landesanstalt für Großschutzgebiete werden „Untersuchungen<br />
zur Farbstoffderivation aus Kulturkartoffelstämmen (Solanumtuberosum-Genpool)<br />
und Prüfung der wirtschaftlichen Nutzbarmachung<br />
<strong>da</strong>rin enthaltener Farbpigmente“ angestellt. Dieses, unter der Kurzbezeichnung<br />
„Blauer Schwede“ gestartete Projekt beschäftigt sich im<br />
wesentlichen mit dem Einsatz von Farbpigmenten als Lebensmittelfarbstoff.<br />
Als Nebenziel leistet es einen Beitrag für die Erhaltung genetischer<br />
Ressourcen.<br />
Mit einem Beispiel für Aktivitäten aus dem Bereich Öffentlichkeitsarbeit<br />
zu <strong>Färberpflanzen</strong> möchte ich meinen Vortrag abschließen.<br />
Schon mehrfach nannte ich die im April eröffnete Bundesgartenschau<br />
in Pots<strong>da</strong>m. Erstmals wurde hier im Ergebnis gemeinsamer Gespräche<br />
<strong>da</strong>s Thema „Faser- und <strong>Färberpflanzen</strong>“ als Schwerpunkt für die Sonderausstellung<br />
Nachwachsende Rohstoffe gewählt. Auch dies bitte ich als<br />
Hinweis auf den großen Stellenwert zu verstehen, den wir dem Bereich,<br />
über den wir in den nächsten zwei Tagen hier diskutieren werden, derzeit<br />
einräumen. Weitere relevante Ergebnisse der Öffentlichkeitsarbeit entnehmen<br />
Sie bitte unseren Auslagen.<br />
Ich be<strong>da</strong>nke mich für Ihre Aufmerksamkeit.<br />
Zusammenfassung<br />
In den letzten Jahren hat der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen<br />
wieder an Bedeutung gewonnen. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung<br />
bieten nachwachsende Rohstoffe sowohl für die Landwirtschaft als<br />
auch für die abnehmende Industrie vielfältige Chancen.<br />
Gülzow, 30. November 1995 15
16<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Die zukünftige Entwicklung in diesem Bereich wird nicht zuletzt<br />
durch Fördermaßnahmen der öffentlichen Hand beeinflusst. Daher<br />
wurde 1993 auf Initiative der Bundesregierung hin die Fachagentur<br />
Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gegründet, die seither die Forschungsaktivitäten<br />
in diesem Bereich im Auftrag des Bundesministeriums<br />
für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft koordiniert.<br />
Im Rahmen ihrer Tätigkeit förderte die Fachagentur bisher eine Vielzahl<br />
von Einzelprojekten zu Naturfarbstoffen und führt <strong>da</strong>rüber hinaus<br />
eine Reihe von Maßnahmen mit Öffentlichkeitswirksamkeit auf diesem<br />
Fachgebiet durch.<br />
Literatur<br />
/1/ <strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong>. Schriftenreihe „Gülzower Fachgespräche“, Fachagentur<br />
Nachwachsende Rohstoffe e.V. (Herausg.), 1997<br />
/2/ <strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong>. Schriftenreihe „Gülzower Fachgespräche“, Fachagentur<br />
Nachwachsende Rohstoffe e.V. (Herausg.), 1999<br />
/3/ Nachwachsende Rohstoffe Projektdokumentation 1993 - 1996. Schriftenreihe des<br />
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Reihe A:<br />
Angewandte Wissenschaften Sonderheft, Köllen Druck + Verlag GmbH Bonn,<br />
1997<br />
/4/ Nachwachsende Rohstoffe Projektdokumentation 1997 - 1999. Schriftenreihe des<br />
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Reihe A:<br />
Angewandte Wissenschaften Sonderheft, Landwirtschaftsverlag GmbH Münster-Hiltrup<br />
GmbH, 2000<br />
/5/ Bericht des BML 5 Jahre Nachwachsende Rohstoffe 1993 - 1997. Schriftenreihe des<br />
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Reihe A:<br />
Angewandte Wissenschaften Sonderheft, Köllen Druck + Verlag GmbH Bonn,<br />
1998<br />
/6/ Nachwachsende Rohstoffe Programm des Bundesministeriums für Verbraucherschutz,<br />
Ernährung und Landwirtschaft zur Förderung von Forschungs-, Entwicklungs- und<br />
Demonstrationsvorhaben. Broschüre des Bundesministeriums für Verbraucherschutz,<br />
Ernährung und Landwirtschaft (Herausg.), 2000<br />
H. Stolte<br />
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.<br />
Hofplatz 1<br />
D-18276 Gülzow<br />
h.stolte@fnr.de
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Aktivitäten auf Bundes- und EU-Ebene<br />
zur Problematik <strong>Färberpflanzen</strong><br />
A. Vetter<br />
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, Dornburg<br />
Klassische Anwendungsfelder von Naturfarbstoffen waren die Textilfärbung<br />
inklusive der Teppichfärbung, die Kosmetik, <strong>da</strong>bei vor allem die<br />
Haarfärbung und die Lebensmittelindustrie. Letztgenanntes hatte z. B. in<br />
der Region um Jena eine lange Tradition. So wurden auf den Muschelkalkböden<br />
Pfingstrosen angebaut, um dem, von der Farbe her gesehen,<br />
einem Roséwein ähnlichen Rotwein der Umgebung etwas nachzuhelfen.<br />
Später kamen die Farbstoffe der Pfingstrose bei der Produktion von Lippenstiften<br />
zur Anwendung.<br />
Eine weitere sogenannte „Schönungsdroge“ ist z. B. die Blaue Malve<br />
(Malva silvestris), die obwohl offizinal, vor allem in Teemischungen als<br />
farbgebende Komponente zum Einsatz kommt. Beide Arten haben<br />
gemeinsam, <strong>da</strong>ss es sich um Antocyanfarbstoffe handelt und die Blüten<br />
als Farbstoffträger per Hand zu ernten sind. Die <strong>da</strong>mit verbundenen<br />
hohen Kosten und preiswertere chemische Farbstoffe brachten, was auch<br />
bei den Textilfarbstoffen zu beobachten war, den Anbau fast vollkommen<br />
zum Erliegen. Dies betraf auch <strong>da</strong>s „Goldene Vlies Thüringens“, den<br />
Waid.<br />
In Thüringen begann Ende der 80er Jahre der Malermeister Wolfgang<br />
Feige <strong>da</strong>mit, Waid wieder in Kultur zu nehmen. Allerdings nicht als indigoliefernde<br />
Pflanze, sondern als Zusatz mit fungizider Wirkung für<br />
Anstrichfarben auf Leinölbasis. Dies war Anfang der 90er Jahre Veranlassung<br />
für die Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, sich mit der<br />
Problematik des Anbaus von Waid zu beschäftigen. Im Rahmen eines von<br />
der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projektes konnte ein<br />
Gülzow, 30. November 1995 17
18<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Anbauverfahren entwickelt werden. Gleichzeitig wurde begonnen, die<br />
Inhaltsstoffspektren als Grundlage für Züchtungsarbeiten zu untersuchen<br />
und Extraktionsmethoden zur Gewinnung der Inhaltsstoffe zu entwickeln.<br />
Ein von der Bundesanstalt für Züchtungsforschung (Siebeldingen)<br />
bis 1995 durchgeführtes Projekt beschäftigte sich mit dem<br />
„Screening farbstoffliefernder Pflanzen“. Analog zu den Anfangsaktivitäten<br />
bei nachwachsenden Rohstoffen, z. B. Miscanthus, zeigt sich auch bei<br />
diesen Projekten, <strong>da</strong>ss nur die Betrachtung der gesamten Kette, von der<br />
Züchtung über den Anbau, der Erstverarbeitung (Trocknung, Extraktion)<br />
bis zur Endverarbeitung (Färbung) Erfolg verspricht.<br />
Mit dem EU-Projekt „Cultivation and extraction of natural dyes for<br />
industrial use in natural textile production“ (7/94-6/97) wurde erstmals<br />
versucht, die „Produktlinie <strong>Färberpflanzen</strong>“ komplett zu betrachten. Das<br />
Projekt, bearbeitet von der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft,<br />
der LIVOS Pflanzenchemie Wieren und der Universität Bristol, gliederte<br />
sich dementsprechend in die drei Schwerpunkte:<br />
1 Entwicklung von Anbausystemen<br />
2 Entwicklung von Methoden zur Farbstoffgewinnung<br />
3 Entwicklung von Färbeverfahren.<br />
Die Komplexität der Aufgabestellung ist in Abbildung 1 beispielhaft am<br />
1. Schwerpunkt <strong>da</strong>rgestellt.<br />
Obwohl sich <strong>da</strong>s Projekt auf die <strong>Färberpflanzen</strong> Waid, Färberknöterich,<br />
Färberwau, Kanadische Goldrute und Krapp konzentrierte, konnte<br />
die Gesamtproblematik nur ansatzweise abgearbeitet werden. Es zeigten<br />
sich jedoch deutlich die Lücken im Gesamtsystem, die es weiter zu bearbeiten<br />
galt. Von Vorteil war <strong>da</strong>bei, <strong>da</strong>ss etwas versetzt in Deutschland<br />
zwei Projekte der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. sich der<br />
Problematik Züchtung, Anbau und Nacherntebehandlung näher annahmen.<br />
Zum einen war dies <strong>da</strong>s von der Lehr- und Versuchsanstalt für Integrierten<br />
Pflanzenbau e. V. Güterfelde (Brandenburgische Landesanstalt<br />
für Landwirtschaft) initiierte Projekt „<strong>Färberpflanzen</strong> – Anbau, Ernte und<br />
Nachbehandlung“, in dem vor allem für Färberwau und Krapp versucht<br />
wurde, ein Anbauregime zu entwickeln. Das Projekt „Züchterische Bearbeitung<br />
wirtschaftlich bedeutender <strong>Färberpflanzen</strong> hinsichtlich Anbaueignung,<br />
Ertrag und Farbstoffgehalt“ der Thüringer Landesanstalt für<br />
Landwirtschaft hatte <strong>da</strong>s Ziel, aus einem ausgewählten Spektrum von<br />
<strong>Färberpflanzen</strong> durch Individual- und Massenauslese sowie Herkunfts-
Aktivitäten auf Bundes- und EU-Ebene zur Problematik <strong>Färberpflanzen</strong><br />
<br />
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Abbildung 1: Aufgabenstellung des EU-Projektes „Cultivation and extraction<br />
of natural dyes for industrial use in natural textil production“ im<br />
Teilthema Entwicklung von Anbauverfahren<br />
prüfung Genotypen bzw. Herkünfte zu selektieren, die einen hohen Farbstoffertrag<br />
je Flächeneinheit mit guter agrotechnischer Handhabbarkeit<br />
und Färbeeignung verbinden.<br />
Die Arbeiten konzentrierten sich in erster Linie auf die wegen ihrer<br />
Anbauwürdigkeit und Echtheit der Färbung wichtigsten europäischen<br />
<strong>Färberpflanzen</strong> 1 :<br />
- Färberknöterich (Polygonum tinctorum) → Herkunftsprüfung<br />
- Färberscharte (Serratula tinctoria) → Individualauslese<br />
- Wiesenflockenblume (Centaurea jacea) → Individualauslese<br />
- Kanadische Goldrute (Soli<strong>da</strong>go canadensis)→ Individualauslese<br />
- Färberwau (Rese<strong>da</strong> luteola) → Massen- und Individualauslese<br />
- Krapp (Rubia tinctorum) → Individual- und Massenauslese<br />
- Weitere potentiell bedeutsame <strong>Färberpflanzen</strong>, wie Fäberhundskamille<br />
(Anthemis tinctoria), Dost (Origanum vulgare), Rainfarn (Chy-<br />
1 <br />
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Gülzow, 30. November 1995 19
20<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
santhemum vulgare) und Steinsame-Arten (Lithospermum species)<br />
sind in die Untersuchungen einbezogen worden.<br />
Die Ergebnisse beider Projekte wurden zum 2. <strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong><br />
1999 vorgestellt. Mit den vorgestellten Vorhaben konnte die „Eruierungsphase“<br />
im wesentlichen abgeschlossen werden. Es zeigte sich, <strong>da</strong>ss analog<br />
zu anderen Pflanzen mit sekundären Inhaltsstoffen, z. B. Arznei- und<br />
Gewürzpflanzen, die gleichen Probleme auftreten, um eine erfolgreiche<br />
Praxiseinführung zu gewährleisten:<br />
- Konzentration auf wenige aussichtsreiche Arten<br />
- Anwendung klassischer Methoden der Züchtung sowie Ausleseund<br />
Mutationszüchtung<br />
- Auswahl von Arten, für deren Anbau, Ernte und Nachbehandlung<br />
Technik in der Praxis vorhanden ist bzw. diese nur geringfügig modifiziert<br />
werden muss<br />
- Erarbeitung von spezifischen und effizienten Extraktionsverfahren<br />
für die jeweilige Art und Verwendung<br />
- Entwicklung von Färbeverfahren für die einzelnen Farbstoffe und<br />
Anwendungsgebiete<br />
- Lückenlose Betrachtung mit Qualitätssicherung vom Anbau bis<br />
zum Endprodukt<br />
- Entwicklung und Einführung von marktfähigen Produkten<br />
Mit dem Projekt „Entwicklung biotechnologischer Verfahren zur Erzeugung<br />
von Pflanzenmaterial aus Rhabarber als Voraussetzung zur großtechnischen<br />
Isolierung der Inhaltsstoffe“ der Fachhochschule Anhalt<br />
wurde 1998 begonnen, ein neues Einsatzfeld – die Lederfärbung – zu erschließen.<br />
Entsprechend spielen neben der Analyse und Extraktion der<br />
Farbstoffe die Gerbstoffe eine wichtige Rolle. Mit der Beteiligung eines<br />
Verarbeiters von Leder (Schomisch Leder GmbH) konnten erstmals Forschungsergebnisse<br />
direkt in ein Produkt überführt werden.<br />
Ausgehend von diesen Erfahrungen wurde bei der Forschung zunehmend<br />
<strong>da</strong>zu übergegangen, Verbundprojekte unter Beteiligung der Industrie<br />
zu etablieren. Die gerade vor dem Abschluss stehenden bzw. noch<br />
laufenden Vorhaben gehen von den Endprodukten Textil-, Leder- und<br />
Druckfarben aus.<br />
Die textile Kette wird komplett im Verbundvorhaben „Entwicklung<br />
einer Technologie zum Färben von Cellulose- und Proteinfaserstoffen mit<br />
einheimischen Pflanzenfarben“ bearbeitet. In diesem Vorhaben sind 6<br />
Partner mit klar abgegrenzten Aufgaben beteiligt (Tab. 1).
Aktivitäten auf Bundes- und EU-Ebene zur Problematik <strong>Färberpflanzen</strong><br />
Tabelle 1: Verbundvorhaben „Entwicklung einer Technologie zum Färben von<br />
Cellulose- und Proteinfaserstoffen mit einheimischen<br />
Pflanzenfarben“ – beteiligte Einrichtungen und Aufgabenstellung<br />
Teilvorhaben 1:<br />
Färben von Cellulosefaserstoffen (Projektkoordination)<br />
LF: 01.02.1998 - 31.03.<strong>2001</strong><br />
Sächsisches Textilforschungsinstitut e. V. Chemnitz<br />
Teilvorhaben 2:<br />
Färben von Proteinfaserstoffen<br />
LF: 01.02.1998 - 31.03.<strong>2001</strong> (30.06.<strong>2001</strong>)<br />
Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland e. V. Greiz<br />
Teilvorhaben 3:<br />
Bereitstellung von <strong>Färberpflanzen</strong>material für Extraktionsversuche im Technikumsmaßstab<br />
LF: 01.02.1998 - 31.03.<strong>2001</strong><br />
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft Jena<br />
Teilvorhaben 4:<br />
Entwicklung von Verfahren zur Gewinnung und Stabilisierung von Farbstoffen<br />
LF: 01.02.1998 - 31.03.<strong>2001</strong> (31.07.<strong>2001</strong>)<br />
Institut für Getreideverarbeitung GmbH Bergholz-Rehbrücke<br />
Teilvorhaben 5:<br />
Gewinnung von Farbstoffen durch wässrige Extraktion<br />
LF: 01.02.1998 - 31.03.<strong>2001</strong><br />
Institut für Umweltforschung Schlieben<br />
Teilvorhaben 6:<br />
Erprobung und Optimierung verfahrenstechnischer Varianten<br />
LF: 01.02.1998 - 31.03.<strong>2001</strong><br />
Nahrungsingenieurtechnik GmbH Magdeburg<br />
Eine Schlüsselstellung in diesem Projekt hat die Gewinnung der Farbstoffe.<br />
Als Schwerpunkt gilt unter anderem die Reproduzierbarkeit, um<br />
bei der Färbung entsprechende Echtheiten bei den gewünschten Farbtönen<br />
garantieren zu können. Die wichtigsten Punkte, die es zu bearbeiten<br />
galt, sind in Tabelle 2 <strong>da</strong>rgestellt.<br />
Ein weiteres Verbundvorhaben geht von den Anforderungen der<br />
Lederindustrie aus (Tabelle 3).<br />
An der Universität Gießen und an der Thüringer Landesanstalt für<br />
Landwirtschaft (TLL) Jena werden die wichtigsten <strong>Färberpflanzen</strong> züch-<br />
Gülzow, 30. November 1995 21
22<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Tabelle 2: Schwerpunkte des Verbundprojektes „Entwicklung einer<br />
Technologie zum Färben von Cellulose- und Proteinfaserstoffen mit<br />
einheimischen Pflanzenfarben“<br />
<strong>Färberpflanzen</strong><br />
Färberknöterich<br />
Krapp<br />
Färberwau<br />
Kanadische<br />
Goldrute<br />
Färberhundskamille<br />
Farbstoffgewinnung<br />
Indigoextraktion<br />
wässrige<br />
Extraktion<br />
wässrig-alkoholische<br />
Extraktion<br />
alkoholische<br />
Extraktion<br />
CO 2 -Extraktion<br />
Färbung Faser/Textil<br />
Flottenkonzentration<br />
Beizung<br />
Temperatur<br />
Verweil<strong>da</strong>uer<br />
Nachbehandlung<br />
pH-Wert<br />
Wolle<br />
Baumwolle<br />
Leinen<br />
(Hanf)<br />
Viskose<br />
Qualitätssicherung<br />
Analytik<br />
FarbstoffreinigungFarbstoffstabilisierung<br />
Farbausfall<br />
Gebrauchsechtheiten<br />
Tabelle 3: Verbundvorhaben „Züchterische Bearbeitung von <strong>Färberpflanzen</strong><br />
sowie Extraktion der Farbstoffe und deren Einsatz in der<br />
Lederfärbung“ – beteiligte Einrichtungen und Aufgabenstellung<br />
Teilvorhaben 1:<br />
Züchterische Bearbeitung von <strong>Färberpflanzen</strong> sowie Extraktion der Farbstoffe<br />
und deren Einsatz in der Lederfärbung (Projektkoordination)<br />
LF: 09/1999 - 08/2002<br />
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft Jena<br />
Teilvorhaben 2:<br />
Verbesserung der Ertragsleistung und Qualität von Färberkrapp (Rubia<br />
tinctorum L.) durch Selektion und züchterische Maßnahmen<br />
LF: 09/1999 - 08/2002<br />
Justus-Liebig-Universität Gießen<br />
Teilvorhaben 3:<br />
Entwicklung von Lederfarben zur Anwendung in der industriellen Lederfärbung<br />
LF: 09/1999 - 08/2002<br />
LIVOS Pflanzenchemie & Co KG Wieren
Aktivitäten auf Bundes- und EU-Ebene zur Problematik <strong>Färberpflanzen</strong><br />
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Abbildung 2: Zusammenarbeit und Ziele der Partner im Verbundvorhaben<br />
„Züchterische Bearbeitung von <strong>Färberpflanzen</strong> sowie Extraktion<br />
der Farbstoffe und deren Einsatz in der Lederfärbung<br />
terisch bearbeitet. In Jena konnte <strong>da</strong>bei auf Material aus dem vorherigen<br />
Züchtungsprojekt, in Gießen auf umfangreiches Material aus Projekten<br />
mit der Türkei zur Eruierung von Krappherkünften, zurückgegriffen<br />
werden. In enger Zusammenarbeit mit den Partnern des „Textilprojektes“,<br />
insbesondere der Nahrungsingenieurtechnik GmbH Magdeburg,<br />
erfolgt in der TLL Dornburg auf der Technikumsanlage die Herstellung<br />
der Extrakte, die hinsichtlich ihrer Eignung für die Lederfärbung zu optimieren<br />
sind. Die Entwicklung von Lederfarben für die Industrie hat die<br />
Fa. LIVOS Pflanzenchemie Wieren übernommen. Parallel <strong>da</strong>zu werden<br />
bei der „Thüringer Lederfabrik Wei<strong>da</strong> GmbH“ Färbeversuche im Technikumsmaßstab<br />
durchgeführt (Abb. 2).<br />
Aussichtsreiche Muster konnten an die weiterverarbeitende Industrie<br />
zur Prüfung übergeben werden. Ziel ist es, bis zum Projektende eine erste<br />
Markteinführung zu erreichen.<br />
Eine analoge Zielstellung, allerdings für Textilien mit dem Schwerpunkt<br />
Hanf und dem Einsatz von Naturfarbstoffen im Landschaftsbau,<br />
verfolgt <strong>da</strong>s Verbundvorhaben „Naturfarbstoffe Brandenburg“. Es wird<br />
mit zwei sehr praxisnahen Forschungsvorhaben der Fachagentur Nachwachsende<br />
Rohstoffe e. V. unterstützt (Abb. 3).<br />
Auch in diesem Projekt ist es gelungen, von Anfang an Industriepartner<br />
einzubeziehen. Dementsprechend ist eine schnelle Praxiseinführung<br />
zu erwarten bzw. schon teilweise gegeben.<br />
Gülzow, 30. November 1995 23
24<br />
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<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Abbildung 3: Aufgabenstellung im Verbundvorhaben „Naturfarbstoffe Brandenburg“<br />
Dieser Weg wurde konsequent bei dem Verbundprojekt „Entwicklung<br />
neuartiger ökologischer Druckfarben unter Nutzung von Naturfarbstoffen<br />
aus <strong>Färberpflanzen</strong> und Untersuchung der technologischen<br />
Anforderungen zur Substitution umweltkritischer synthetischer Farbpigmentsysteme“<br />
beschritten (Tab. 4).<br />
Tabelle 4: Verbundvorhaben „Entwicklung neuartiger ökologischer Druckfarben<br />
unter Nutzung von Naturfarbstoffen aus <strong>Färberpflanzen</strong> und<br />
Untersuchung der technologischen Anforderungen zur Substitution<br />
umweltkritischer synthetischer Farbpigmentsysteme“ – beteiligte<br />
Einrichtungen und Aufgabenstellung<br />
Teilvorhaben 1:<br />
Produkt- und Verfahrensentwicklung (Projektkoordination)<br />
LF: 10/2000 - 09/2003<br />
Michael Huber München GmbH<br />
(Unterauftragnehmer: Agrar- und Umweltanalytik GmbH Jena)<br />
Teilvorhaben 2:<br />
Bereitstellung von Naturfarbstoffen aus <strong>Färberpflanzen</strong><br />
LF: 10/2000 - 09/2003<br />
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft Jena
Aktivitäten auf Bundes- und EU-Ebene zur Problematik <strong>Färberpflanzen</strong><br />
Initiator und Koordinator des Vorhabens ist mit der Firma Michael<br />
Huber München GmbH ein großer europäischer Druckfarbenhersteller.<br />
Die notwendige Verlackung der von der Thüringer Landesanstalt für<br />
Landwirtschaft bereitzustellenden Extrakte übernimmt die Agrar- und<br />
Umweltanalytik GmbH Jena, so <strong>da</strong>ss die Kette vom Anbau bis zum Endprodukt<br />
geschlossen ist.<br />
Kurz vor dem Abschluss steht <strong>da</strong>s C.A.R.M.E.N.-Projekt „Interdisziplinäres<br />
Forschungs- und Entwicklungsvorhaben <strong>Färberpflanzen</strong>“ der<br />
Universität Bayreuth und der Fachhochschule Hof. Schwerpunkte des<br />
Vorhabens sind:<br />
- Eruierung von <strong>Färberpflanzen</strong> (gelb, braun, grau)<br />
- Pilotanbau bei Landwirten<br />
- wässrige Extraktion der Farbstoffe im Labormaßstab<br />
- Färbeversuche auf Wolle, Baumwolle und Seide.<br />
Die Untersuchungen ergaben u. a., <strong>da</strong>ss sich Tagetes und Coreopsis gut<br />
zur Gewinnung von Naturfarbstoffen eignen.<br />
In der Europäischen Union arbeiten neben Deutschland vor allem<br />
Österreich, die Niederlande, Italien, Großbritannien, Frankreich und<br />
Finnland an der <strong>Färberpflanzen</strong>- und Naturfarbstoffproblematik. Am<br />
bekanntesten ist sicherlich <strong>da</strong>s Projekt der Kooperative „Rubia“ in den<br />
Niederlanden. Die gewonnenen Extrakte werden nach Aussagen des Projektleiters<br />
(Prof. Capelle) vorrangig in den USA vermarktet. Die österreichischen<br />
Aktivitäten sind der folgenden Aufstellung zu entnehmen.<br />
1. Erarbeitung von Grundlageninformationen und Strategien zur Erzeugung,<br />
Verarbeitung und Vermarktung von Faser- und <strong>Färberpflanzen</strong><br />
aus ökologischem Landbau<br />
LF:01/1997 - 01/2000<br />
Universität für Bodenkultur Wien<br />
→ Anbauversuche mit Rese<strong>da</strong>, Färberhundskamille, Färberknöterich<br />
im Ökolandbau<br />
→ Quantifizierung der Erträge, Farbstoffgehalte und Farbstoffqualitäten<br />
2. Flavonoidextrakte aus heimischen Kulturpflanzen - Anwendung<br />
als Naturfarben für die Textil- und als Antioxi<strong>da</strong>ntien für die Lebensmittelindustrie<br />
LF:1999 - <strong>2001</strong><br />
Universität für Bodenkultur Wien<br />
Gülzow, 30. November 1995 25
26<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
→ Entwicklung eines sprühgetrockneten Extraktes aus Färberkamille<br />
3. Potential an nachwachsenden Rohstoffen unter Aspekten der<br />
Nachhaltigkeit: Produktion von farbstoffliefernden Pflanzen in<br />
Österreich und ihre Nutzung in der Textilindustrie<br />
LF:01/2000 - 12/2000<br />
→ Entwicklung von Szenarien für den <strong>Färberpflanzen</strong>anbau<br />
→ Darstellung möglicher Produktionsketten vom Anbau bis zum<br />
Textil<br />
→ Ableitung von Empfehlungen für die Forschung und Förderpolitik<br />
→ Anforderungen für die Weiterentwicklung von Färbeverfahren<br />
Einen Schwerpunkt bildet <strong>da</strong>bei der ökologische Landbau. Sehr interessant<br />
erscheint ebenfalls der Ansatz zur Herstellung von Flavonoidextrakten<br />
für den Einsatz als Antioxi<strong>da</strong>tionsmittel.<br />
Im fünften Rahmenprogramm werden seitens der Europäischen<br />
Union zwei Projekte gefördert. Das Vorhaben „Extraktion und Stabilisierung<br />
von Naturfarbstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen zum<br />
Gebrauch in non food Anwendungen: Kosmetik, Textilien und Malerfarben“<br />
hat nur eine Laufzeit von einem Jahr (05/00 – 05/01). Neben der<br />
Naturfarbstoffgewinnung aus pflanzlichem Material soll ebenfalls die<br />
Gewinnung aus Algen und Pilzkulturen untersucht werden.<br />
Bedeutend spezifischer ist <strong>da</strong>s EU-Projekt „Sustainable production of<br />
plant-derived indigo“ (Abb. 4).<br />
Dieses Vorhaben konzentriert sich auf die Gewinnung von Indigo aus<br />
Färberknöterich und Waid. Zielstellung ist es, qualitativ hochwertiges<br />
Naturindigo vollmechanisiert und mit geringen Kosten bereitzustellen.<br />
Neben Forschungseinrichtungen aus Spanien, Italien, Großbritannien,<br />
Finnland und Deutschland sind an diesem Vorhaben Industriebetriebe<br />
aus Großbritannien und Deutschland beteiligt.<br />
Zusammenfassung<br />
In den letzten Jahren wurde vor allem mit Unterstützung der Fachagentur<br />
Nachwachsende Rohstoffe e. V. und der Europäischen Kommission<br />
die Problematik <strong>Färberpflanzen</strong>/Naturfarbstoffe sehr breit bearbeitet.<br />
Daraus konnten sowohl für die Züchtung, die Extraktion als auch für die
Aktivitäten auf Bundes- und EU-Ebene zur Problematik <strong>Färberpflanzen</strong><br />
<br />
<br />
Abbildung 4: Aufgabenstellung im EU-Projekt „Sustainable production of<br />
plant-derived indigo“ (vereinfachte Darstellung)<br />
<br />
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Abbildung 5: Naturfarbstoffcluster<br />
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Gülzow, 30. November 1995 27
28<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
industrielle Färbung die Schwerpunkte für laufende Forschungsarbeiten<br />
abgeleitet werden. Die Hauptaufgabe für die kommenden Jahre ist, neben<br />
der Suche nach neuen Einsatzgebieten (Kosmetik, Lebensmittelfärbung),<br />
vor allem die Umsetzung der gewonnenen Ergebnisse in die Praxis. Die<br />
Bildung eines Naturfarbstoffclusters (Abb. 5) erscheint <strong>da</strong>für als eine<br />
zwingende Notwendigkeit.<br />
Zielsetzung sollte eine möglichst schnelle Markteinführung bei ausgewählten<br />
Produktlinien sein.<br />
Dr. habil Armin Vetter<br />
Thüringer Zentrum Nachwachsende Rohstoffe der Thüringer Landesanstalt für<br />
Landwirtschaft<br />
Apol<strong>da</strong>er Str. 4<br />
D-07778 Dornburg<br />
a.vetter@dornburg.tll.de
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Erfahrungen zum Anbau von<br />
<strong>Färberpflanzen</strong> in Frankreich<br />
P. Faucon<br />
Arrdhor CRITT Horticole, Rochefort, Frankreich<br />
1 Einführung<br />
1.1 Die Region Poitou-Charentes<br />
Poitou-Charentes liegt im Süd-Westen von Frankreich, zwischen Nantes<br />
und Bordeaux, und ist besonders bekannt durch den Cognac.<br />
Die Region hat eine Fläche von 25 800 km 2 . Es gibt verschiedene<br />
Böden: Die meisten sind kalkhaltig (mit Lehm). Aber es gibt auch säurehaltige<br />
Böden, sandige Böden und Sumpfböden. Die Nähe zum Atlantischen<br />
Ozean sorgt für gemässigte Temperaturen.<br />
Lufttemperatur (in °C):<br />
J F M A M J J A S O N D ∅<br />
Rochefort 5,8 6,9 8,3 10,4 13,7 16,9 19,3 19,1 17,1 13,7 8,9 6,3 12,2<br />
Regen (in mm):<br />
J F M A M J J A S O N D<br />
Monat 82 69 57 58 66 46 39 44 67 75 86 87<br />
Kumuliert 82 151 208 266 332 378 417 461 523 603 689 776<br />
Tage mit einer minimalen Temperatur < 0 ° C:<br />
Station J F M A M J J A S O N D<br />
Rochefort 9 7 6 2 0 0 0 0 0 0 5 9<br />
Gülzow, 30. November 1995 29
30<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Die Landwirtschaft ist vielartig:<br />
- Viehzucht im Osten (auf granithaltigen Böden)<br />
- Viehzucht und Waldwirtschaft im Nordwesten<br />
- Getreide, Sonnenblumen, Wein (900.000 ha) und Raps im Zentrum<br />
(auf kalkhaltigen Böden).<br />
Der CRITT Horticole (Centre Régional d’Innovation et de Transfert de<br />
Technologie = Regionales Zentrum für Innovation und Technologietransfer)<br />
Der Verband ARRDHOR CRITT Horticole besteht seit 10 Jahren. Sein Ziel<br />
sind die Gartenbauentwicklung und die Gewinnung von Färberstoffen<br />
pflanzlichen Ursprungs in der Region Poitou-Charentes.<br />
Wir sind 9 Mitarbeiter und haben 2 Aufgabengebiete:<br />
- Gartenbau: wir sind Gewächshausdesigner, wir betreiben Wirtschaftsarbeit,<br />
und wir beraten 300 Betriebe. Unser Team besteht aus<br />
4 Mitarbeitern.<br />
- <strong>Färberpflanzen</strong>: Das Aufgabengebiet "colorants végétaux" wurde<br />
1996 in Saint Savin gegründet. Unser Team besteht aus 5 Mitarbeitern:<br />
Direktorin: Anne de la Sayette; Anbau: Emmanuelle Béaur,<br />
Anne Marie Genet; Laboratorium und Industrialisierung: Patrick<br />
Choisy, Patrick Brenac.<br />
Unser Umsatz beträgt 4 Millionen FF (1,2 Millionen DM). Die "colorants<br />
végétaux" sind <strong>da</strong>ran mit 2,5 Millionen FF (0,8 Millionen DM) beteiligt.<br />
Europa (FEOGA) und die Französische Regierung (Landwirtschaftsministerium<br />
und Technologieministerium) subventionieren unsere Projekte<br />
zu 50 %. Für den Rest kommen die privaten Kunden (Kosmetikindustrie,<br />
Textilindustrie, Farbstoffindustrie) auf. Das bedeutet, <strong>da</strong>ss wir<br />
schnell (und gut!!) arbeiten müssen, um unsere Kunden zufriedenzustellen.<br />
Das bedeutet auch, <strong>da</strong>ss wir eine kommerzielle Arbeit leisten müssen.<br />
Wir arbeiten mit den Universitäten von La Rochelle, Poitiers und einigen<br />
Landwirtschaftsschulen zusammen.<br />
Unser Projekt hat mehrere Stufen:<br />
- Kennzeichnung und Auswahl der <strong>Färberpflanzen</strong><br />
- Bestimmung der besten Anbaumethode
Erfahrungen zum Anbau von <strong>Färberpflanzen</strong> in Frankreich<br />
- Bestimmung der besten Extraktionsmethode der Färberstoffe (im<br />
kleinen Maßstab)<br />
- Verwendung von <strong>Färberpflanzen</strong> im industriellen Maßstab (mit<br />
landwirtschaftlichen Aspekten und Wertschöpfung)<br />
Die Landwirtschaft interessiert sich besonders für unsere Arbeit, <strong>da</strong> diese<br />
eine landwirtschaftlische Diversifizierung erlaubt; nämlich den Anbau<br />
von pflanzlichen Rohstoffen, die nicht zu Ernährungszwecken bestimmt<br />
sind.<br />
Unsere grössten Schwierigkeiten sind:<br />
- Industrielle Kunden zu finden. Diese Kunden müssen an Naturfarben<br />
interessiert sein, denn leider ist in Frankreich <strong>da</strong>s Ökologische<br />
Denken nicht so entwickelt wie in Deutschland.<br />
- Schneller Erfolg, um Untersuchungskosten zu decken.<br />
- Etablierung eines kompletten Produktionsweges vom Landwirt bis<br />
zur Industrialisierung.<br />
2 Die <strong>Färberpflanzen</strong> in Frankreich<br />
2.1 Farbstoffe für Lebensmittel<br />
Lebensmittelfarbstoffe sind in Frankreich von 2 Forschungszentren untersucht<br />
worden. Beide arbeiteten mit Anthocyanen:<br />
- ENSAIA (Fachhochschule für Lebensmittel), in Nancy,<br />
- Universität von Montpellier (M. Claude An<strong>da</strong>ry).<br />
Weiterhin gibt es in Frankreich wie in Europa private Forschungszentren<br />
(Diana Végétal in Bretagne, die dänische Firma Christian Hansen in<br />
Montpellier zum Beispiel).<br />
2.2 Andere Färberstoffe<br />
Geordnet nach aufsteigender Bedeutung gibt es:<br />
- kleine Betriebe in ganz Frankreich, die ohne wissenschaftliche Mittel<br />
und ohne industrielle Entwicklungsmöglichkeiten arbeiten.<br />
- Forscher an Universitätsapotheken. Sie stellen Untersuchungen<br />
über bestimmte Moleküle an (Protein, zum Beispiel), die Farbstoffe<br />
enthalten.<br />
- Zwei Forschungszentren leiten komplexe Arbeitsprogramme über<br />
<strong>Färberpflanzen</strong>:<br />
Gülzow, 30. November 1995 31
32<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
- CATAR in Toulouse arbeitet seit 5 Jahren über Waid, zusammen<br />
mit einer Agrargenossenschaft für verschiedene Züchtungsaspekte.<br />
- CRITT Horticole.<br />
3 CRITT Horticole<br />
Wir stellen seit 5 Jahren botanische und landwirtschaftliche Forschungen<br />
zu Extraktionsvorgängen und Analysen an, die uns eine Auswahl der interessantesten<br />
<strong>Färberpflanzen</strong> erlaubt haben.<br />
Dies waren <strong>da</strong>bei die Auswahlkriterien:<br />
- Der Farbertrag<br />
- Landwirtschaftliche Produktionskosten<br />
- Extraktions- und Prozesskosten (von Ernte bis Ende)<br />
- Farbstoffqualität (Lichtechtheit, Waschechtheit, Farbstärke)<br />
- Industrielle Nutzung<br />
- Schaffung einer kompletten Farbskala<br />
- Einstellung auf die verschiedenen Arbeitsgebiete (Textilien, Kosmetik,<br />
Lasuren, Farben ...)<br />
Unser Ausgangspunkt waren ungefähr 100 verschiedene Pflanzen, wovon<br />
sich nur 30 als interessant und 9 als sehr interessant herausgestellt haben.<br />
Dennoch stellen wir weiter Nachforschungen über Herkunft und<br />
Arten an. Die Auswahl ist niemals fertig. Wir müssen neue Herkünfte,<br />
neue Varianten und neue Spezies studieren.<br />
Kreuzungen, um eine Art zu verbessern, vermeiden wir bis jetzt.<br />
3.1 Landwirtschaftlicher Bereich<br />
1. Sammlung von 92 <strong>Färberpflanzen</strong><br />
Unsere Sammlung befindet sich an zwei Orten, in Rochefort und in St Savin.<br />
Die Böden und <strong>da</strong>s Klima sind verschieden, und es ist besser für die<br />
Sicherheit (Frostschaden, Gewitter...).
2. Sammlung von Samen<br />
Erfahrungen zum Anbau von <strong>Färberpflanzen</strong> in Frankreich<br />
Wir sind im ständigen weltweiten Kontakt mit botanischen Gärten. Für<br />
eine Pflanzenart erhalten wir Samen aus verschiedenen Ländern.<br />
3. Untersuchungsvorgänge und Untersuchungsmittel<br />
Mittel<br />
Wir verfügen über eine Experimentierparzelle von 2 ha. Auf dieser Parzelle<br />
befinden sich 70 Einheiten (Module) von je 100 Quadratmetern.<br />
Wir verfügen über ein Gewächshaus mit einer Größe von 60 Quadratmetern<br />
für die Keimpflanzen. Wir arbeiten zusammen mit Gartenbauern,<br />
die in ihren Gewächshäusern unsere Jungpflanzen anbauen.<br />
Züchtungsvorgänge für 9 Pflanzen<br />
Wir studieren verschiedene Arten der Vermehrung<br />
- Aussaat<br />
- Keimpflanzen im Gewächshaus<br />
- Vegetative Vermehrung.<br />
Wir studieren auch:<br />
- Düngung<br />
- Unkrautbekämpfung: mit oder ohne Herbizide (mit Plastikfolie<br />
oder biologisch abbaubarem Papier)<br />
- Krankheiten und Schädlingsbekämpfung<br />
- Mechanisierung der Ernte, der Aussaat, des Anbaus.<br />
Wir arbeiten besonders an der Entwicklung von 9 Pflanzen.<br />
Die 9 Pflanzen sind:<br />
Rese<strong>da</strong> luteola – Färberwau (Gelb)<br />
Aussaat und Anbau im April<br />
Ernte der ganzen Pflanze im August mit einer Mähmaschine<br />
Trocknungsvorgang bei 40 Grad<br />
Extraktion mittels: Wasseralkohollösung<br />
Im Jahr <strong>2001</strong> haben wir diese Pflanze auf einer Fläche von 3000 m 2 angebaut.<br />
Rubia tinctorum – Krapp (Rot)<br />
Anbau von Keimpflanzen im April<br />
Ernte der Wurzeln im Oktober mit einer Häckselmaschine<br />
Trocknungsvorgang bei 40 Grad<br />
Gülzow, 30. November 1995 33
34<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Verschiedene Extraktionsvorgänge sind hier möglich<br />
<strong>2001</strong> haben wir eine Fläche von 1,5 ha<br />
Polygonum tinctorium – Färberknöterich (Blau)<br />
Aussaat im Mai<br />
4 Erntefolgen von Juli bis Oktober<br />
Die Extraktion erfolgt an der frisch geschnittenen Pflanze.<br />
<strong>2001</strong> eine Fläche von 2000 m 2<br />
Genista tinctoria – Färberginster (Gelb)<br />
Anbau im April oder Oktober von zwei Jahre alten Stecklingen<br />
Der Färberginster ist ein mehrjähriger Strauch<br />
Ernte der Blütenstandszweige mit Hilfe der Mähmaschine im Juni<br />
Trocknungsvorgang bei 40 Grad<br />
Extraktion mittels: Wasseralkohollösung<br />
<strong>2001</strong> eine Fläche von 600 m 2<br />
Soli<strong>da</strong>go canadensis – Kanadische Goldrute (Gelb)<br />
Anbau im Mai<br />
Ernte des Blütenstandes im Juli mit Hilfe einer Mähmaschine<br />
Trocknungsvorgang bei 40 Grad<br />
Extraktion mittels: Wasseralkohollösung<br />
<strong>2001</strong> eine Fläche von 2000 m 2<br />
Rhamnus cathartica – Echter Kreuzdorn (Gelb)<br />
Anbau ist möglich von Oktober bis Februar<br />
Handernte der unreifen Beeren im August und der reifen Beeren im Oktober<br />
Trocknungsvorgang bei 40 Grad<br />
Extraktion mittels: Wasserlösung<br />
Fläche von 1 ha<br />
Coreopsis tinctoria – Schönauge (orange)<br />
Anbau im Mai<br />
2 Erntevorgänge sind möglich:<br />
Handernte der Blüten jeden zweiten Tag<br />
Ernte der gesamten Pflanze mit Hilfe einer Mähmaschine<br />
Trocknungsvorgang bei 40 Grad<br />
Extraktion mittels: Wasseralkohollösung<br />
<strong>2001</strong> eine Fläche von 200 m 2<br />
Cosmos sulphureus – Cosmea-Spez. (Kenikir) (orange)<br />
Wie Coreopsis<br />
<strong>2001</strong> eine Fläche von 1000 m 2
Erfahrungen zum Anbau von <strong>Färberpflanzen</strong> in Frankreich<br />
Anthemis tinctoria – Färberhundskamille (Gelb)<br />
Aussaat im April im Gewächshaus, Anbau im Mai<br />
Ernte im Juli (nur Blütenstandszweige)<br />
Trocknungsvorgang bei 40 Grad<br />
Extraktion mittels: Wasseralkohollösung<br />
4. Versuche mit neuen Pflanzenarten<br />
Ein Screening muss jedes Jahr erfolgen.<br />
5. Produktion von Samen oder Stecklingen<br />
Wir produzieren unser Pflanzenmaterial für die Vermehrung.<br />
6. Entwicklung der Pflanzen beim Landwirt<br />
Wir arbeiten mit 7 Landwirten zusammen, mit denen wir einen Produktionsvertrag<br />
abgeschlossen haben. Sie bauen die <strong>Färberpflanzen</strong> auf einer<br />
Fläsche von 1000 m 2 bis zu einem ha an. Wir beliefern sie mit Samen oder<br />
Keimpflanzen und kaufen ihnen die Ernte ab.<br />
Wir trocknen die Pflanzen in einer elektrischen Trockenanlage.<br />
Unser Ziel für die Zukunft ist es, eine landwirtschaftliche Genossenschaft<br />
für <strong>Färberpflanzen</strong> zu bilden, die in der Lage ist, Unternehmen, die<br />
auf dem Gebiet der Extraktion spezialisiert sind, mit getrockneten zerkleinerten<br />
Pflanzen zu beliefern.<br />
Wir kooperieren mit der Landwirtschaftskammer im Bereich der<br />
genauen Kalkulation der Produktionskosten für die landwirtschaftlischen<br />
Rohstoffe.<br />
3.2 Labortätigkeit<br />
1. Arbeitsgebiet<br />
Wir arbeiten in folgenden Aufgabengebieten:<br />
- Kosmetik<br />
- Textil (natürliche Fasern wie Wolle, Baumwolle, Leinen und Seide)<br />
- Leder<br />
- Farbe<br />
Gülzow, 30. November 1995 35
36<br />
- Lasuren für Holz.<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
2. Optimierung der Zerkleinung der getrockneten Pflanzen<br />
Wir untersuchen die verschiedenen Arten der Pulverisierung, um die<br />
Farbgewinnung zu optimieren und um mögliche Verklumpungen bei der<br />
Filtration zu verhindern. Wir stellen Versuche über verschiedene Zerkleinerungsgrade<br />
an.<br />
3. Extraktionsvorgänge<br />
Je nach Pflanzenart extrahieren wir entweder mittels einer Wasserlösung<br />
oder einer Wasseralkohollösung.<br />
Wir versuchen für jede Pflanzenart die beste Abstimmung zwischen<br />
T °C Zeit und pH-Wert zu finden.<br />
Wir arbeiten über <strong>da</strong>s richtige Verhältnis Pflanzenstoffe/Lösung.<br />
4. Bestimmung der Farbstoffe<br />
Es bestehen genormte Analysevorgänge für jede Pflanzenart. Für diese<br />
genormten Analysen verwenden wir folgende Geräte:<br />
- Photospektrometer<br />
- Farbspektrometer<br />
- HPLC<br />
Das Ziel dieser Analysen ist die Qualitätskontrolle der Ernteerträge pro<br />
Jahr und pro Landwirt. Ausserdem erlauben uns diese Analysen, die besten<br />
Anbaumethoden zu bestimmen und die Reproduzierbarkeit zu verstehen<br />
und zu verbessern.<br />
Wir arbeiten an Beizmitteln (organische und anorganische Beizmittel).<br />
Wir erstellen Farbkataloge auf verschiedenen Trägerstoffen für die<br />
Kundenwerbung.<br />
Wir studieren auch:<br />
- die genaue Formulierung der Extraktionsmoleküle und deren Eingliederung<br />
in den Produktionsprozess zusammen mit den betroffenen<br />
Industrien.<br />
- die Bestimmung der Haltbarkeits<strong>da</strong>uer und der Lagerstabilität<br />
- den Scale up auf eine Extraktionsgewinnung von 100 kg.
5. Lichtechtheit<br />
Erfahrungen zum Anbau von <strong>Färberpflanzen</strong> in Frankreich<br />
Wir untersuchen verschiedene Extrakte auf ihre Lichtechtheit auf verschiedenen<br />
Trägerstoffen.<br />
4 Abschluss<br />
In den vergangenen 5 Jahren haben wir viel Erfolg gehabt, aber wir haben<br />
noch viel zu tun. Für die Zukunft haben wir uns den folgenden Herausforderungen<br />
angenommen:<br />
- Verbesserung des Anbaus<br />
- Verbesserung der Extraktionsanlagen<br />
- Verbesserung der Lichtechtheit<br />
- Verbesserung der Reproduzierbarkeit<br />
- Arbeiten mit industriellen Partnern, die sich auf die Färbung mit<br />
<strong>Färberpflanzen</strong> verstehen, und die an die <strong>Färberpflanzen</strong> glauben<br />
- Etablieren eines Produktionsweges von der Landwirtschaft bis<br />
zum Industriepartner, der fähig ist, große Mengen zu verarbeiten.<br />
Die zwei letzten Punkte sind die schwersten und brauchen viel Energie.<br />
Bis <strong>da</strong>hin werden wir auch <strong>da</strong>s Screening weiterführen und uns um<br />
neue Arbeitsgebiete kümmern (wie Lebensmittel, zum Beispiel).<br />
Wir wollen auch unsere Erfahrungen mit anderen Europäischen Forschungszentren<br />
austauschen, um eine gute Zusammenarbeit zu erreichen<br />
und natürlich auch um Zeit zu sparen. Momentan haben wir mit dem<br />
<strong>Forum</strong> "<strong>Färberpflanzen</strong> <strong>2001</strong>" unseren ersten Schritt <strong>da</strong>zu gemacht. Damit<br />
sind wir offen für eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Recherchen<br />
mit anderen Ländern und wir laden sie herzlich ein, uns in Frankreich zu<br />
besuchen.<br />
Gülzow, 30. November 1995 37
<strong>Färberpflanzen</strong>sammlung des CRITT Horticole<br />
38<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Botanischer Name franz. Artbezeichnung Familie Farbe<br />
Achillea millefolium L. Achillée millefeuille Asteraceae<br />
Agrimonia eupatoria L. Aigremoine eupatoire Rosaceae<br />
Alcea rosea L. Rose trémière Malvaceae<br />
Alchemilla vulgaris L. Alchémille vulgaire Rosaceae<br />
Alkanna tinctoria Tausch. Orcanette des teint. Boraginaceae<br />
Anthemis tinctoria L. Anthémis des teinturiers Asteraceae<br />
Atriplex hortensis L. Arroche cultivé Chenopodiaceae<br />
Berberis vulgaris L. Epine vinette Berberi<strong>da</strong>ceae<br />
Calendula officinalis L. Souci des jardins Asteraceae<br />
Calluna vulgaris (L.) Hull. Callune Ericaceae<br />
Centaurea cyanus L. Bleuet Asteraceae<br />
Chrozophora tinctoria (L.) A. Juss. Maurelle Euphorbiaceae<br />
Coprosma rhamnoides Cunn. Rubiaceae<br />
Coreopsis tinctoria Nutt. Coréopsis des teint Asteraceae orange<br />
Cosmos sulphureus Cav. Cosmos orange Asteraceae orange<br />
Crocus sativus L. Safran Iri<strong>da</strong>ceae<br />
Cynara cardunculus L. Cardon Asteraceae<br />
Dahlia variabilis (Willd.) Dahlia Asteraceae<br />
Eupatorium cannabinum L. Eupatoire chanvrine Asteraceae<br />
Fagopyrum esculentum Moench. Sarrasin Polygonaceae<br />
Fumaria officinalis L. Fumeterre officinal Fumariaceae<br />
Galium mollugo L. Caille-lait blanc Rubiaceae<br />
Galium tinctorium L. Gaillet des teinturiers Rubiaceae<br />
Galium verum L. Gaillet vrai Rubiaceae<br />
Gardenia jasminoides Ellis. Jasmin du Cap Rubiaceae<br />
Genista tinctoria L. Genêt des teinturiers Fabaceae jaune<br />
Helianthus annuus L. Tournesol Asteraceae<br />
Hypericum perforatum L. Millepertuis perforé Hypericaceae<br />
Iris germanica L. Iris germanica Iri<strong>da</strong>ceae<br />
Isatis tinctoria L. Pastel ou Guède Brassicaceae<br />
Juglans regia L. Noyer commun Juglan<strong>da</strong>ceae noir<br />
Lawsonia inermis L. Henné Lythraceae<br />
Ligustrum vulgare L. Troëne Oleaceae<br />
Lithospermum erythrorhizon<br />
Sieb. et Zucc.<br />
Murasaki Boraginaceae<br />
Lycopus europaeus L. Lycope d’Europe Lamiaceae<br />
Lythrum salicaria L. Salicaire commune Lythraceae
Erfahrungen zum Anbau von <strong>Färberpflanzen</strong> in Frankreich<br />
Botanischer Name franz. Artbezeichnung Familie Farbe<br />
Maclura pomifera (Raf.)<br />
C. Schneid.<br />
Oranger des Osages Moraceae<br />
Mahonia aquifolium (Pursh.) Nutt. Mahonia feuilles de houx Berberi<strong>da</strong>ceae<br />
Matricaria recutita L. Petite camomille Asteraceae<br />
Morus alba L. Mûrier blanc Moraceae<br />
Morus nigra L. Mûrier noir Moraceae<br />
Onosma echioides L. Orcanette jaune Boraginaceae<br />
Papaver orientale L. Pavot d’Orient Papaveraceae<br />
Papaver rhoeas L. Coquelicot Papaveraceae<br />
Physalis franchetii Mast. Solanaceae<br />
Phytolacca americana L. Raisin d’Amérique Phytolaccaceae<br />
Polygonum tinctorium Ait. Renouée des teinturiers Polygonaceae bleu<br />
Potentilla erecta (L.) Raüschel Potentille tormentille Asteraceae<br />
Rese<strong>da</strong> luteola L. Résé<strong>da</strong> Rese<strong>da</strong>ceae jaune<br />
Rhamnus alaternus L. Nerprun alaterne Rhamnaceae jaune<br />
Rhamnus cathartica L. Nerprun purgatif Rhamnaceae jaune<br />
Rhamnus frangula L. Nerprun bour<strong>da</strong>ine Rhamnaceae jaune<br />
Rhamnus infectorius L. Nerprun fétide Rhamnaceae<br />
Rheum rabarbarum L. Rhubarbe Polygonaceae<br />
Rheum chinensis L. Rhubarbe de chine Polygonaceae jaune<br />
Rubia peregrina L. Garance voyageuse Rubiaceae<br />
Rubia tinctorum L. Garance des teinturiers Rubiaceae reuge<br />
Rudbeckia hirta L. Rudbeckia Asteraceae<br />
Rudbeckia laciniata L. Rudbeckia Asteraceae<br />
Rumex patientia L. Patience Polygonaceae<br />
Ruta graveolens L. Rue fétide Rutaceae<br />
Sambucus nigra L. Sureau noir Caprifoliaceae<br />
Serratula tinctoria L. Serratule des teint. Asteraceae<br />
Solanum nigrum L. Morelle noire Solanaceae<br />
Soli<strong>da</strong>go canadensis L. Soli<strong>da</strong>ge du Cana<strong>da</strong> Asteraceae jaune<br />
Soli<strong>da</strong>go virgaurea L. Soli<strong>da</strong>ge verge d’or Asteraceae<br />
Sophora japonica L. Sophora du Japon Fabaceae jaune<br />
Tagetes erecta L. Rose d’Inde Asteraceae<br />
Tagetes patula L. Oeillet d’Inde Asteraceae<br />
Tanacetum vulgare L. Tanaisie Asteraceae<br />
Fitis vinifera L. Vigne Vitaceae<br />
Xanthium strumarium L. Lampourde glouteron Asteraceae<br />
Zea mays L. Maïs Poaceae<br />
Gülzow, 30. November 1995 39
Philippe Faucon<br />
Arrdhor CRITT Horticole<br />
18 rue de l’Arsenal<br />
F-17300 Rochefort<br />
France<br />
arrdhor@wanadoo.fr<br />
40<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Tropische Spezies<br />
Botanischer Name<br />
Franz. Artbezeichnung Familie Farbe<br />
Acacia catechu (L.f.) Willd. Acacia à cachou Fabaceae<br />
Areca catechu L. Palmier aréquier Arecaceae<br />
Aspidosperma quebracho-blanco<br />
Schltdl.<br />
(Aspidosperma) Apocynaceae<br />
Baptisia tincioria R. Br. Indigo sauvage Fabaceae<br />
Bixa orellana L. Rocouyer ou Annatto Bixaceae<br />
Caesalpinia brasiliensis L. Bois du Brésil Cesalpiniaccae<br />
Caesalpinia crista L. Bois de pernambouc Cesalpiniaccae<br />
Caesalpinia sappan L. Bois de sappan Cesalpiniaceae rouge<br />
Cassia senna L. (Cassia) Fabaceae<br />
Cochlospermum tinctorium A. Rich. Cochlospermaceae<br />
Curcuma longa L. Curcuma Zingiberaceae<br />
Haematoxylon campechianum L. Campêche Fabaceae violet<br />
Indigofera tinctoria L. Indigotier Fabaceae bleu<br />
Maclura affinis Miq. (Maclura) Moraceae<br />
Morin<strong>da</strong> citrifolia L. Suranji ou Al Rubiaceae<br />
Morus tinctoria mûrier des teinturiers jaune<br />
Pterocarpus santalinus Blanco Santal rouge Fabaceae rouge<br />
Pterocarpus soyauxii Taub. bois de Padeuk Fabaceae orange
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Färbepflanzen aus Ökologischem<br />
Landbau<br />
A. Hartl, C. R. Vogl<br />
Institut für Ökologischen Landbau, Universität für Bodenkultur Wien<br />
Die vorgestellten Ergebnisse sind Teil des Forschungsprojektes „Ökotextilien<br />
aus Ökolandbau“ (Kurztitel) 1 . Ziel des Projektes war die Bereitstellung<br />
von Grundlageninformationen zu Anbau, Verarbeitung und Handel<br />
von Flachs, Hanf, Fasernessel und Färbepflanzen aus Biologischem Anbau<br />
bzw. den <strong>da</strong>raus hergestellten Naturtextilien. Es sollten sowohl die<br />
aktuelle Situation als auch <strong>da</strong>s Potential und die limitierenden Faktoren<br />
für eine weitere Entwicklung in Österreich erhoben und <strong>da</strong>rgestellt werden.<br />
Die Daten basieren auf Literatur- und Datenbankrecherchen, Interviews<br />
mit AkteurInnen aus der Landwirtschaft und der textilen Kette sowie<br />
einer Befragung österreichischer NaturtextilherstellerInnen und<br />
-händlerInnen.<br />
Im Rahmen dieses Projektes wurde ein einjähriger Feldversuch mit<br />
Färbepflanzen durchgeführt (HARTL & VOGL 2000 c). Ziel des Feldversuchs<br />
war eine erste Quantifizierung von Erträgen, Farbstoffgehalten und<br />
Färbequalitäten der unter den Bedingungen des Biologischen Landbaus<br />
kultivierten Färbepflanzenarten Färber-Resede (Rese<strong>da</strong> luteola), Färberkamille<br />
(Anthemis tinctoria) und Färberknöterich (Polygonum tinctorium).<br />
Farbstoffgehalt und Färbequalität von je drei verschiedenen Saatgutherkünften<br />
pro Art sollten im Vergleich mit aktuell im Handel erhältlichen<br />
bzw. von FärberInnen eingesetzten Färbedrogen bewertet werden.<br />
1 Projekt L 1043/96 „Erarbeitung von Grundlageninformationen und Strategien zur<br />
Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von Faser- und Färbepflanzen aus<br />
Ökologischem Landbau“ (HARTL & VOGL 2000 a, b, und c). Finanzierung: BMLFU<br />
und BMVIT, Laufzeit: 01/97 bis 01/2000.<br />
Gülzow, 30. November 1995 41
Material und Methoden<br />
42<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Der Feldversuch wurde auf zwei Biobetrieben im Marchfeld in Niederösterreich<br />
(Glinzendorf und Dörfles) im Jahr 1999 angelegt (Tab. 1,<br />
Tab. 2). Als Versuchsdesign wurde eine systematische Anlagemethode<br />
gewählt (Langparzellenmethode, MUNZERT 1992).<br />
Die getesteten Saatgutherkünfte stammten von deutschen Saatgutfirmen<br />
bzw. von deutschen, österreichischen und japanischen Forschungsstationen.<br />
Die Bestandesetablierung erfolgte durch Auspflanzen von<br />
Jungpflanzen mittels Pflanzmaschine. Der Anbau erfolgte den Richtlinien<br />
des Ökologischen Landbaus entsprechend ohne chemisch-synthetischen<br />
Pflanzenschutzmittel und Düngemittel.<br />
Für die Trockenmassebestimmung bzw. Probennahme (Farbstoffanalyse<br />
und Färbung) von Färber-Resede und Färberkamille wurde <strong>da</strong>s Erntegut<br />
bei 40-60 °C getrocknet. Der Indicangehalt der Färberknöterichherkünfte<br />
wurde aus frischen Blättern bestimmt, der Indigo für die<br />
Probefärbung wurde im wesentlichen nach der von WURL et al. (1999)<br />
beschriebenen Methode unmittelbar nach der Ernte extrahiert.<br />
Für den Vergleich der Ergebnisse aus dem Anbauversuch mit praxisüblichen<br />
Qualitäten wurden Proben von Färber-Resede, Färberkamille<br />
und Indigo (aus dem tropischen Indigostrauch Indigofera sp., <strong>da</strong> Indigo<br />
aus Färberknöterich nicht erhältlich ist) hinzugezogen.<br />
Die Analysen des Farbstoffgehaltes wurden mittels HPLC durchgeführt.<br />
Die Analyse der Färbequalität erfolgte mittels Remissionsmessung<br />
und Test der Gebrauchsechtheiten. Bei den durchgeführten Färbungen<br />
handelt es sich um Vergleichsausfärbungen zwischen Proben aus<br />
dem Feldversuch und Warenpartieproben unter stan<strong>da</strong>rdisierten Bedingungen.<br />
Es fanden keine Optimierungen hinsichtlich Farbstoffaufnahme,<br />
Flottenauszug usw. statt. (Tab. 1, genaue Angaben siehe HARTL & VOGL<br />
2000 c). 1<br />
1 Die Analysen des Farbstoffgehaltes wurden am Institut für Chemie der Universität<br />
für Bodenkultur Wien durchgeführt. Die Färbungen, Remissionsmessungen und<br />
Echtheitstests erfolgten am Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland e.V.<br />
(Greiz).
Tabelle 1: Versuchskonzeption<br />
VersuchsanlageParzellengröße<br />
Färbepflanzen aus Ökologischem Landbau<br />
Färber-Resede Färberkamille Färberknöterich<br />
Langparzellenmethode, 2 Standorten<br />
pro Art: 3 Herkünfte, 4 Wiederholungen<br />
6 m 2 9 m 2 24 m 2<br />
Ertrag Frischmasse, Trockenmasse<br />
Farbstoffgehalt<br />
&<br />
-zusammensetzung<br />
Gesamtflavonoidgehalt(Luteolin<br />
u. Glycoside;<br />
Apigenin, andere Flavonoide<br />
als Quercetin<br />
berechnet; HPLC)<br />
Gesamtflavonoidgehalt(berechnet<br />
als Quercetin;<br />
HPLC)<br />
Indigovorstufen<br />
(Indicanglycoside;<br />
HPLC)<br />
Färbung Vergleichsausfärbungen bei stan<strong>da</strong>rdisierten Färbeverfahren;<br />
Remissionsmessung und Test der Gebrauchsechtheiten (Lichtechheit,<br />
Reibechheit naß/trocken, Schweißechtheit alkalisch/<br />
sauer, Waschechtheit)<br />
Probenanzahl<br />
aus dem<br />
Versuch<br />
ProbenanzahlWarenpartien <br />
Probenanzahlinsgesamt<br />
Für Farbstoffanalyse<br />
und Färbung:<br />
pro Herkunft und<br />
Standort 2 Proben<br />
(je eine Mischprobe<br />
aus WH 1+2 und<br />
WH 3+4); in Summe<br />
12 Proben<br />
Für Farbstoffanalyse<br />
und Färbung:<br />
pro Herkunft und<br />
Standort 2 Proben<br />
(je eine Mischprobe<br />
aus WH 1+2 und<br />
WH 3+4); in Summe<br />
12 Proben<br />
Für Farbstoffanalyse:<br />
pro Herkunft<br />
und Standort 4 Proben<br />
zu 2 Schnittterminen<br />
(je 1 Probe<br />
pro WH), in Summe<br />
48 Proben<br />
Für Färbung:<br />
1 Probe pro Herkunft<br />
und WH, ein<br />
Standort;<br />
in Summe 12 Proben<br />
3 3 3<br />
15 15<br />
48 (Farbstoffanalyse)<br />
bzw.<br />
15 (Färbung)<br />
Gülzow, 30. November 1995 43
Tabelle 2: Versuchsstandorte<br />
Ergebnisse und Diskussion<br />
Trockenmasseerträge<br />
44<br />
Biohof A<strong>da</strong>mah, Familie<br />
Zoubek<br />
Glinzendorf<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Biobetrieb Familie Hof,<br />
Dörfles<br />
Biobetrieb seit 1998 1989<br />
Vorfrucht 1998 Wintergerste, Zwischenfrucht:<br />
Ölrettich und Phacelia<br />
Sommergerste,<br />
Zwischenfrucht: Erbse<br />
Boden k.A.<br />
kalkhaltige Feucht-<br />
(von Bodenkartierung schwarzerde auf feinem<br />
nicht erfaßt)<br />
Schwemmmaterial<br />
N gesamt a 0,15 - 0,20 %<br />
pH a 7,6<br />
Humus aus TOC a 2,9 - 3,0 % 4,1 - 6,4 %<br />
Karbonat a 9,7 - 11,7 % 12,2 - 12,9 %<br />
P 2 O 5 , K 2 O a Klasse C und D<br />
Niederschlag 608 mm (mittel)<br />
549 mm (1999)<br />
521 mm (mittel)<br />
550 mm (1999)<br />
Temperatur 9,8 °C (mittel) 9,9 °C (mittel)<br />
a. Gehalt im Oberboden (0-25 cm). Genaue Angaben siehe Hartl & Vogl (2000 c).<br />
Die Trockenmasseerträge von Färber-Resede liegen zwischen 0,7 und<br />
2,7 t/ha und somit deutlich unter den aus der Literatur bekannten Werten<br />
von 4-5 t/ha (Thüringen und Brandenburg; TLL 1999, <strong>ADAM</strong> & DITT-<br />
MANN 1998). Eine mögliche Ursache könnte im starken Befall mit Cercospora<br />
rese<strong>da</strong>e liegen (Abb. 1).<br />
Auch die Trockenmasseerträge der Färberkamille (Blütenköpfchen)<br />
liegen mit 1,1-1,8 t/ha wesentlich unter den aus Thüringen bekannten<br />
Werten von 2-2,5 t/ha (TLL 1997). Sowohl bei Färber-Resede als auch bei
Trockenmasse (t/ha) Trockenmasse (t/ha)<br />
Färbepflanzen aus Ökologischem Landbau<br />
Abbildung 1: Trockenmasseerträge von Färber-Resede (ganze Pflanze)<br />
Mittelwerte, die mit dem selben Buchstaben bezeichnet sind,<br />
unterscheiden sich nicht signifikant. Test auf Signifikanzen zwischen<br />
den Herkünften eines Standortes.<br />
Gülzow, 30. November 1995 45
46<br />
Trockenmasse (t/ha) Trockenmasse (t/ha)<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Abbildung 2: Trockenmasseerträge von Färberkamille (Blütenköpfchen)<br />
Mittelwerte, die mit dem selben Buchstaben bezeichnet sind,<br />
unterscheiden sich nicht signifikant. Test auf Signifikanzen zwischen<br />
den Herkünften eines Standortes.
Färbepflanzen aus Ökologischem Landbau<br />
Färberkamille sind signifikante Unterschiede im Trockenmasseertrag<br />
zwischen den Herkünften feststellbar (Abb. 2).<br />
Die Blatt-Trockenmasseerträge des Färberknöterichs (Summe 1. + 2.<br />
Schnitt) liegen auf beiden Standorten im Mittel bei 3,1 t/ha. Die Erträge<br />
der getesteten Herkünfte unterscheiden sich auf beiden Standorten nicht<br />
signifikant. Verglichen mit den Erträgen in der Literatur, liegen die<br />
Blatt-Trockenmasseerträge somit innerhalb der Bandbreite der Erträge<br />
der drei besten im Rahmen einer Herkunftsprüfung von BIERTÜMPFEL &<br />
VETTER (1999) getesteten Herkünfte mit Erträgen von 2,3-3,9 t/ha<br />
(Abb. 3).<br />
Farbstoffgehalt<br />
Der Gesamtflavonoidgehalt der Färber-Resede liegt bei den Proben aus<br />
dem Feldversuch bei 1,53-4,00 % der Trockenmasse. Der Gesamtflavonoidgehalt<br />
der Warenpartien liegt bei 2,55-2,96 %. Von den 12 Proben aus<br />
dem Feldversuch liegen 8 unter dem niedrigsten Wert der Warenpartien,<br />
die anderen 4 deutlich über dem höchsten Wert der Warenpartien.<br />
Der Gesamtflavonoidgehalt der Färberkamille liegt bei 0,84-1,50 %<br />
der Blütenköpfchen-Trockenmasse. Diese Werte liegen unter den Gehalten<br />
der Warenpartien (1,64-2,43 %). Die Werte von Färber-Resede und<br />
Färberkamille wurden aufgrund der geringen Stichprobenanzahl nicht<br />
statistisch ausgewertet.<br />
Der Indicangehalt in den frischen Blättern des Färberknöterichs weist<br />
je nach Herkunft starke Unterschiede auf: die beiden japanischen Herkünfte<br />
Furusho und Ono haben statistisch signifikant höhere Gehalte<br />
(Tab. 3). Die von YONEKAWA (1993) festgestellten Unterschiede des Farbstoffgehalts<br />
zum 1. und 2. Schnitttermin konnten nicht bestätigt werden.<br />
Der aus dem Indicangehalt berechnete Indigogehalt des Färberknöterichs<br />
liegt bei 0,22-0,64 % der Blatt-Trockenmasse.<br />
Der Gesamtflavonoidgehalt der Färber-Resede entspricht größenordnungsmäßig<br />
der in der Literatur genannten Bandbreite. Der Farbstoffgehalt<br />
von Färberkamille und Färberknöterich liegt jedoch so deutlich unter<br />
den in der Literatur genannten Werten, <strong>da</strong>ß die Ursache <strong>da</strong>für nicht in<br />
Standortunterschieden, sondern in unterschiedlichen Analysemethoden<br />
liegen dürfte (Abb. 4).<br />
Gülzow, 30. November 1995 47
48<br />
Trockenmasse (t/ha)<br />
Trockenmasse (t/ha)<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Abbildung 3: Trockenmasseerträge von Färberknöterich<br />
Mittelwerte, die mit dem selben Buchstaben bezeichnet sind,<br />
unterscheiden sich nicht signifikant. Test auf Signifikanzen zwischen<br />
den Herkünften eines Standortes.
Tabelle 3: Übersicht Farbstoffgehalte<br />
TM=Trockenmasse<br />
Färber-Resede<br />
Gesamtflavonoidgehalt<br />
(% TM)<br />
Färberkamille<br />
Gesamtflavonoidgehalt<br />
(% TM Blütenköpfchen)<br />
Färberknöterich<br />
Indigogehalt (berechnet<br />
aus Indican;<br />
% Blatt-TM)<br />
Feldversuch<br />
Farbmetrische Bewertung und Gebrauchsechtheiten<br />
Färbepflanzen aus Ökologischem Landbau<br />
Warenpartien<br />
Literatur<br />
1,53-4,00 % 2,5-2,96 % 2-4 % (TLL 1999)<br />
2-3 % (A<strong>da</strong>m & Dittmann<br />
1998)<br />
0,84-1,5 % 1,64-2,43 % 4-5 % (Vetter et al. 1999)<br />
2,54-6,82 % (Biertümpfel<br />
& Vetter 1999)<br />
0,22-0,64 % - 2,06-6,37 % (Biertümpfel<br />
& Vetter 1999)<br />
Die Ausfärbungen mit Färberkamille und Färber-Resede zeigen einen<br />
sehr gleichmäßigen Farbstoffaufzug. Das Warenbild ist ruhig und weist<br />
keinerlei Unregelmäßigkeiten auf. Beim Indigo kann man in der Tendenz<br />
erkennen, <strong>da</strong>ß <strong>da</strong>s Warenbild umso unruhiger wirkt, je heller die Färbung<br />
ist.<br />
Bei den Ausfärbungen mit Färber-Resede fällt nur eine Probe (Warenpartie)<br />
durch Farbtonunterschiede auf (auffallend reiner, wesentlich brillianterer<br />
gelber Farbton). Die Ursache wird in einer Vorbehandlung des<br />
Probenmaterials vermutet. Die Helligkeitsunterschiede zwischen den<br />
Proben sind gering. Bei der Färberkamille weichen einzelne Proben im<br />
Farbton ab, allerdings nicht so deutlich wie bei der Resede. Beim Färberknöterich-Indigo<br />
basieren die Unterschiede zwischen den Ausfärbungen<br />
(deutlich hellere Färbungen der Herkunft TLL) auf dem durch die Farbstoffanalyse<br />
bestätigten geringeren Indigogehalt dieser Herkunft. Die<br />
Nuancenverschiebungen zwischen den Proben sind gering.<br />
Unterschiede in den Gebrauchsechtheiten der Proben (Lichtechtheit,<br />
Reibechtheit trocken und naß, Schweißechtheit alkalisch und sauer,<br />
Waschechtheit) sind bei Färber-Resede und Färberkamille, den Fehlerbereich<br />
ausgeschlossen, kaum erkennbar. Bei den Indigo-Proben sind die<br />
Gülzow, 30. November 1995 49
50<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Abbildung 4: Indicangehalt der Färberknöterichherkünfte<br />
Mittelwerte, die mit dem selben Buchstaben bezeichnet sind,<br />
unterscheiden sich nicht signifikant. Test auf Signifikanzen zwischen<br />
den Herkünften eines Standortes.
Färbepflanzen aus Ökologischem Landbau<br />
Unterschiede in den Echtheiten durch die sehr unterschiedlichen Farbtiefen<br />
der Ausfärbungen bedingt.<br />
Die Ergebnisse bestätigen, <strong>da</strong>ß mit Ausnahme der Lichtechtheiten bei<br />
den Beizenfarbstoffen Färber-Resede und Färberkamille auch mit Naturfarbstoffen<br />
gute bis sehr gute Echtheitsnoten erzielt werden können. Die<br />
Lichtechtheiten von Färber-Resede (Note 2 bzw. 2-3) und Färberkamille<br />
(Note 2, 2-3 bzw. 3) sind nicht befriedigend. In der Praxis werden, abhängig<br />
vom Artikel, Noten von mindestens 3-4 gefordert. Ein Verbesserungspotential<br />
liegt hier in der Optimierung der Färbemethoden (v.a. Beizenwahl)<br />
und in der Anwendung von Extrakten: mit Extrakten aus<br />
Färber-Resede wurden auf Wollgewebe Lichtechtheiten bis Note 4<br />
erreicht, bei Färberkamille wurde die Note 4-5 erzielt. Auf Leinen wurden<br />
mit Resede Lichtechtheiten bis zur Note 5-6 und mit Färberkamille bis zur<br />
Note 5 erreicht (BOCHMANN & WEISER 1999).<br />
Die Indigofärbungen weisen mit Note 4, 4-5 und 5 gute bzw. sehr gute<br />
Lichtechtheiten auf.<br />
Ausblick<br />
Da es sich beim vorliegenden Feldversuch um eine einjährige Versuchsanlage<br />
handelt, sollten die Ergebnisse durch weitere Versuche abgesichert<br />
werden. Speziell für den Biologischen Landbau sollten <strong>da</strong>bei v.a.<br />
Möglichkeiten der Ertragserhöhung bei Färber-Resede und Färberkamille,<br />
die Regulierung von Cercospora rese<strong>da</strong>e und die Unkrautregulierung<br />
v. a. beim Färberknöterich berücksichtigt werden (die Erfahrungen aus<br />
der Pflege des Versuchs zeigen, <strong>da</strong>ß v. a. beim Färberknöterich mit einem<br />
höheren Aufwand in der Unkrautregulierung zu rechnen ist, Färber-Resede<br />
und Färberkamille wiesen bei der im Versuch angewandten Methode<br />
der Bestandesetablierung mit Jungpflanzen geringere Probleme<br />
mit Unkräutern auf).<br />
Im gesamten gesehen liegen die wesentlichen Hemmnisse für die weitere<br />
Entwicklung jedoch weniger im Anbau, sondern in der Verarbeitung<br />
der Rohstoffe (Extraktion, Färbung) und in der Vermarktung der pflanzengefärbten<br />
Produkte (spezielle Marketingkonzepte, die die Besonderheiten<br />
der Pflanzenfärbung hervorheben). Bei den im Zuge des<br />
Forschungsprojektes befragten NaturtextilherstellerInnen und -händler-<br />
Innen ist ein zurückhaltendes Engagement bezüglich pflanzengefärbten<br />
Gülzow, 30. November 1995 51
52<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Naturtextilien zu erkennen. Es herrscht ein Informationsdefizit bezüglich<br />
der Produktionsweise der Färbedrogen (konventionell, bio oder Wildsammlung)<br />
und der Färbemethoden. Erwünscht sind einheitliche ökologische<br />
Qualitätsstan<strong>da</strong>rds – v. a. von seiten der befragten HändlerInnen<br />
wurden umweltverträgliche Färbemethoden und Rohstoffe (Färbedrogen)<br />
aus Biologischem Landbau gefordert (HARTL & VOGL 2000 a).<br />
Das Potential für einen Anbau von Färbepflanzen im Biologischem<br />
Landbau in Österreich liegt in der Nutzung der bereits vorhandenen<br />
Erfahrungen und Strukturen im biologischen Heil- und Gewürzkräuteranbau.<br />
Speziell im Biologischen Landbau ist aufgrund der zu erwartenden<br />
höheren Kosten im Anbau und des höheren Ertragsrisikos die Entwicklung<br />
von hochwertigen Produkten, Möglichkeiten der<br />
Kuppelproduktnutzung und Entwicklung von Kooperationsformen mit<br />
weiterverarbeitenden Betrieben, die eine hohe Wertschöpfung für die<br />
LandwirtInnen ermöglichen, gefordert.<br />
Quellenverzeichnis<br />
/1/ <strong>ADAM</strong>, L. und B. DITTMANN (1998): <strong>Färberpflanzen</strong>. Färber-Resede (Rese<strong>da</strong><br />
luteola L.) – Anbau, Ernte und Nachbehandlung. Anbautelegramm der Landesanstalt<br />
für Landwirtschaft, Abteilung Acker- und Pflanzenbau, Güterfelde.<br />
/2/ BIERTÜMPFEL, A. und A. VETTER (1999): Züchterische Bearbeitung von <strong>Färberpflanzen</strong>.<br />
In: Gülzower Fachgespräche: <strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> 1999. Hrsg.:<br />
Fachagentur nachwachsende Rohstoffe e.V./Gülzow. Tagungsband zum<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> 1999, 2. und 3. Juni 1999 in Dornburg. S. 94-105.<br />
/3/ BOCHMANN, R. und M. WEISER (1999): Applikation von Pflanzenfarben auf Leinen<br />
und Wolle. In: Gülzower Fachgespräche: <strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> 1999.<br />
Hrsg.: Fachagentur nachwachsende Rohstoffe e.V./Gülzow. Tagungsband zum<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> 1999, 2. und 3. Juni 1999 in Dornburg. S. 187-208.<br />
/4/ HARTL, A. und C. R. VOGL (2000 a): Faser- und Färbepflanzen aus Ökologischem<br />
Landbau. Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung. Endbericht zum Forschungsprojekt<br />
L 1043/96 (Erarbeitung von Grundlageninformationen und<br />
Strategien zu Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von Faser- und Färbepflanzen<br />
aus Ökologischem Landbau) im Auftrag des BM:LFU und BM:VIT.<br />
Erschienen in der Schriftenreihe „Berichte aus Energie- und Umweltforschung“,<br />
1a/<strong>2001</strong>. Hrsg. BM:VIT, Wien.<br />
/5/ HARTL, A. und C. R. VOGL (2000 b): Faser- und Färbepflanzen aus Ökologischem<br />
Landbau. Anbauversuche Fasernessel. Endbericht zur Projekterweiterung Teil<br />
A (Ertragsleistung, Fasergehalt und Faserqualität von fünf Fasernesselklonen<br />
auf einem Biobetrieb in Niederösterreich) des Forschungsprojekts L 1043/96 im
Färbepflanzen aus Ökologischem Landbau<br />
Auftrag des BM:LFU und BM:VIT. Erschienen in der Schriftenreihe „Berichte<br />
aus Energie- und Umweltforschung“, 1b/<strong>2001</strong>. Hrsg. BM:VIT, Wien.<br />
/6/ HARTL, A. und C. R. VOGL (2000 c): Faser- und Färbepflanzen aus Ökologischem<br />
Landbau. Anbauversuche Färbepflanzen. Endbericht zur Projekterweiterung<br />
Teil B (Ertragsleistung und Farbstoffgehalt von Färber-Resede (Rese<strong>da</strong> luteola<br />
L.), Färberkamille (Anthemis tinctoria L.) und Färberknöterich (Polygonum<br />
tinctorium AIT.) auf Biobetrieben in Niederösterreich im Vergleich mit praxis-<br />
und handelsüblichen Warenpartien) des Forschungsprojekts L 1043/96 im Auftrag<br />
des BM:LFU und BM:VIT. Erschienen in der Schriftenreihe „Berichte aus<br />
Energie- und Umweltforschung“, 1c/<strong>2001</strong>. Hrsg. BM:VIT, Wien.<br />
/7/ MUNZERT, M. (1992): Einführung in <strong>da</strong>s pflanzenbauliche Versuchswesen. Berlin,<br />
Hamburg: Parey-Verlag.<br />
/8/ TLL (1999): Anbautelegramme zu Färberknöterich (Polygonum tinctorium),<br />
Färberwau (Rese<strong>da</strong> luteola), Kanadische Goldrute (Soli<strong>da</strong>go canadensis) und<br />
Waid (Isatis tinctoria). Hrsg.: Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, Jena.<br />
/9/ VETTER, A.; I. SCHWABE und A. BIERTÜMPFEL (1999): Ergebnisse zum Anbau und<br />
zur Erstverarbeitung von Färbepflanzen. In: Gülzower Fachgespräche: <strong>Forum</strong><br />
<strong>Färberpflanzen</strong> 1999. Hrsg.: Fachagentur nachwachsende Rohstoffe e.V./Gülzow.<br />
Tagungsband zum <strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> 1999, 2. und 3. Juni 1999 in<br />
Dornburg. S. 68-82.<br />
/10/ WURL, G.; I. SCHWABE und D. HILL (1999): Gewinnung von Indigo aus Waid und<br />
Färberknöterich. Unveröffentlichtes Manuskript zum Vortrag beim <strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong><br />
1999, Dornburg. Organisation: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe<br />
Gülzow.<br />
/11/ YONEKAWA, T. (1993): Ai, the Japanese Natural Indigo Dye; ist Present and<br />
Future Challanges. In: Beiträge zur Waidtagung, International Woad Conference<br />
in Erfurt 1992, Jahrgang 4/5, Teil 2 und Teil 3. Arnstadt. S. 18-21.<br />
DI Anna Hartl und Dr. Christian Vogl<br />
Institut für Ökologischen Landbau, Universität für Bodenkultur Wien<br />
Gregor Mendel Str. 33<br />
A-1170 Wien<br />
ahartl@edv1.boku.ac.at<br />
Gülzow, 30. November 1995 53
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Nutzung von Naturfarben in der Türkei<br />
R. Marquard<br />
Justus-Liebig-Universität Gießen<br />
Textilfärbungen haben in der Türkei eine sehr lange Tradition, d. h. es<br />
wurden bereits vielfältige Färbungen mit Naturfarben durchgeführt, bevor<br />
synthetische Farben entwickelt waren.<br />
Somit werden in der einschlägigen Literatur auch sehr häufig Beispiele<br />
aus der Türkei herangezogen, wenn es um die Verwendung von<br />
Naturfarbstoffen geht (BRÜGGEMANN & BÖHMER 1982; ROTH et al.<br />
1992; SCHWEPPE 1992).<br />
Im Handbuch der Naturfarbstoffe von SCHWEPPE (1992) sind insgesamt<br />
35 Färbepflanzen aufgelistet, die in der Türkei früher verwendet<br />
wurden oder neuerdings wieder verwendet werden.<br />
Tabelle 1: Türkische Färbepflanzen und ihre Farbtöne auf Wolle (nach<br />
SCHWEPPE 1992)<br />
Botanischer Name<br />
Volkstümlicher<br />
Name<br />
Farbton auf<br />
Wolle<br />
Beize<br />
Pflanzenteile zum<br />
Färben<br />
Isatis tinctoria Waid blau - Blätter<br />
Rubin peregrina Wilder Krapp rot Al Wurzeln<br />
Rubia tinctorum Krapp rot violett Al Fe Wurzeln<br />
Alkanna tinctoria Alkannawurzel violett Al Wurzel<br />
Carthamus tinctorius Saflorkarmin rosa auf Seide Blüten<br />
Rese<strong>da</strong> luteola Wau gelb Al Ganze Pflanze<br />
Salvia triloba Dreiblättriger Salbei gelb Al Ganze Pflanze<br />
Anthemis chia Hundskamille gelb Al Blüten<br />
Euphorbia rigi<strong>da</strong> M.B. (E.<br />
biglandulosa DESF.)<br />
Wolfsmilch-Art gelb Al Ganze Pflanze<br />
54 Biotechnologie und Gentechnik in der Industriepflanzenzüchtung
Nutzung von Naturfarben in der Türkei<br />
Tabelle 1: Türkische Färbepflanzen und ihre Farbtöne auf Wolle (nach<br />
SCHWEPPE 1992) (Forts.)<br />
Botanischer Name<br />
Volkstümlicher<br />
Name<br />
Farbton auf<br />
Wolle<br />
Beize<br />
Pflanzenteile zum<br />
Färben<br />
Hypericum empetrifolium Johanniskraut-Art gelb Al Ganze Pflanze<br />
Mentha longifolia Roßminze gelb Al Ganze Pflanze<br />
Agrimonia eupatoria Odermennig gelb Al Ganze Pflanze<br />
Tanacetum vulgare Ralnfarn gelb Al Ganze Pflanze<br />
Filipendula ulmaria Echtes Mädesüß gelb Al Ganze Pflanze<br />
Rhamnus petiolaris Kreuzbeeren gelb Al Unreife Beeren<br />
Rhamnus lycioides ssp.<br />
oleoides<br />
Kreuzbeeren gelb Al Unreife Beeren<br />
Anthemis tinctoria Färberkamille gelb Al Blüten<br />
Vitex agnus-castus Mönchspfeffer gelb Al Blätter<br />
Hieracum pilosella Kleines Habichtskraut<br />
gelb Al Ganze Pflanze<br />
Verbascum densiflorum Großblumige gelb Al Blüten<br />
BERTOL (V. thapsisforme<br />
SCHRAD.)<br />
Königskerze<br />
Curcuma domestica Kurkuma gelb Al Rhizome<br />
Berberis vulgaris, B. crataegina<br />
Berberitzen-Spezies gelb Rinde, Wurzelrinde<br />
Crocus sativus Safran gelb Al Stigmata<br />
Allium cepa Küchenzwiebel gelb Al Farbige Fruchtschalen<br />
Alnus glutinosa Schwarzerle gelb Al Rinde<br />
Genista tinctoria Färberginster gelb Al Blätter und Blüte<br />
Digitalis purpurea Roter Fingerhut gelb Al Blätter '<br />
Cotinus coggygria Fisetholz orange Al Kernholz<br />
Frangula Alnus Faulbaum gelbbraun Al Rinde<br />
Lawsonia inermis Henna ocker Al Blätter<br />
Juglans regia Walnußbaum braun - Grüne Nußschalen,<br />
Blätter<br />
Alnus glutinosa Schwarzerle schwarz Fe Rinde<br />
Rhus coriaria Gerbersumach schwarz Fe Blätter<br />
Quercus macrolepis Knoppern schwarz Fe Fruchtbecher<br />
Gallen v. Quercus infectoria Aleppogallen schwarz Fe<br />
Punica granatum Granatapfel schwarz Fe Fruchtschale<br />
Gülzow, 30. November 1995 55
56<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Mit der Entwicklung synthetischer Farben wurden in der Türkei, wie<br />
auch in anderen Ländern, die natürlichen Farbstoffe sehr schnell verdrängt<br />
und <strong>da</strong>mit ging auch <strong>da</strong>s Wissen um traditionelle Färbetechniken<br />
teilweise verloren.<br />
Eine Rückbesinnung auf die Textilfärbung mit Naturfarben setzte<br />
etwa Mitte der 80er Jahre ein, ausgelöst durch die steigende Nachfrage<br />
der Touristen nach natürlich gefärbten Teppichen. Da die Wollfärbung in<br />
der Türkei schon immer in enger Verbindung zu der Herstellung handgeknüpfter<br />
Teppiche stand, wurde von der Marmara Universität in Istanbul<br />
und zwar von der Fakultät für „Schöne Künste“ ein Projekt initiiert, <strong>da</strong>s<br />
zum Ziel hatte, die Herstellung traditioneller handgeknüpfter und mit<br />
Naturfarben gefärbte Teppiche zu fördern.<br />
Mit deutscher Unterstützung durch die GTZ wurde in den 80er Jahren<br />
<strong>da</strong>s DOBAG-Projekt (Dogal Boya Arastirma ve Gelestirme Projesi) begonnen,<br />
in dem um 1990 bereits 40 Dörfer mit ca. 350 Familien mitarbeiteten.<br />
Die Teppiche erhielten ein Zertifikat von der Marmara Universität<br />
und waren somit von jenen Produkten zu unterscheiden, bei denen durch<br />
chemische Behandlung Naturfarben und hohes Alter vorgetäuscht werden.<br />
In der Türkei gibt es eine Reihe von Zentren, in denen Teppiche<br />
geknüpft werden, die nach Muster und Färbung charakteristisch sind.<br />
Es soll nun die Frage etwas beleuchtet werden, welche der in Tabelle<br />
1 aufgelisteten Pflanzen in der Türkei bei der Wollfärbung eine größere<br />
Rolle spielen.<br />
Da vor dem Färben mit Naturfarben die Wolle behandelt werden<br />
muß, sollen zunächst einige in der Türkei gebräuchliche Hilfsstoffe vorgestellt<br />
werden (Tab. 2).<br />
Die Auswahl der Farbstoffpflanzen richtet sich einmal nach den<br />
gewünschten Farben aber auch nach dem Vorkommen der Farbstoffpflanzen<br />
in der Region.<br />
Wenn man zunächst die Primärfarben blau, rot und gelb berücksichtigt,<br />
stehen nach Umfragen und Literaturhinweisen folgende Pflanzen im<br />
Vordergrund:<br />
Für Blaufärbungen wird vor allem importierter Naturindigo (Indigo<br />
tinctoria L.) verwendet, insbesondere wenn eine tiefblaue Farbe erzeugt<br />
werden soll. Dazu gibt es verschiedene Rezepte zur Herstellung der<br />
Küpe, die bei ROTH et al. (1992) beschrieben sind.
Nutzung von Naturfarben in der Türkei<br />
Abbildung 1: Zentren der Teppichherstellung in der Türkei (nach ROTH et al.<br />
1992)<br />
Auch Färberwaid (Isatis tinctoria L.) wurde früher in Anatolien angebaut<br />
und kommt heute noch an zahlreichen Standorten verwildert vor.<br />
Ob er derzeit zur Wollfärbung eingesetzt wird, konnte nicht ermittelt<br />
werden.<br />
Ähnlich wie in Deutschland und Westeuropa wurde der Waid auch in<br />
der Türkei zuerst durch Indigo verdrängt und später beide durch synthetischen<br />
Indigo. Da die Färbungen mit natürlichem und synthetischem<br />
Indigo visuell nicht und analytisch nur schwer zu unterscheiden sind,<br />
kann man in der Regel nicht feststellen ob es sich bei den in Dörfern<br />
geknüpften Teppichen um natürlich oder synthetisch gefärbte Produkte<br />
handelt.<br />
Für Rotfärbungen stehen nur die beiden Rubia-Arten, Rubia peregrina,<br />
der auch als wilder Krapp bezeichnet wird und Rubia tinctorum, der früher<br />
weit verbreitet angebaut wurde und heute noch als Wildpflanze in<br />
Anatolien und auch in der Ägäis-Region vorkommt. Seit einigen Jahren<br />
Gülzow, 30. November 1995 57
58<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Tabelle 2: In der Türkei gebräuchliche Vorbehandlungsmittel bei der Färbung<br />
mit Naturfarben<br />
Wolle Alaun (Kalium-Aluminiumsulfat, türk. Sap)<br />
AlK(SO4 ) 2 ·12H2O Chrom in Form von Kaliumdichromat (türk. Krom)<br />
K2Cr2O7 Eisen-II-sulfat (Eisenvitriol, türk. sacikibris (karaboya)<br />
FeSO4 ·7H2O Kupfer-II-sulfat (Kupfervitriol, türk. göztasi)<br />
CuSO4 ·5H2O Zinn-II-chlorid (türk. kalay-II-klorür oder Kalay)<br />
SnCl2 Baumwolle Tannin (türk. tannik asit)<br />
Polyphenole unterschiedlicher Zusammensetzung<br />
Pflanzen, die natürliches Tannin enthalten z.B. Galläpfel, sog.<br />
Aleppogallen von Quercus infectoria<br />
Türkischrotöl, Emulsion ranziger Öle aus Rückständen der<br />
Olivenöl-Gewinnung; Emulgatoren sind So<strong>da</strong>, Schafsmist und<br />
Wasser<br />
Kaliumhydrogentartrat (weinsaueres Kalium, türk. Krem Tartar)<br />
als Hilfsstoff, KHC4H4O6 wird auch in der Türkei wieder versucht Krapp anzubauen, z.B. im Rahmen<br />
unseres durch die DFG/GTZ geförderten Projektes. Auch andere<br />
Institutionen und Organisationen befassen sich neuerdings mit Krappanbau.<br />
Soweit ich dies für die Westtürkei beurteilen kann, ist der Input nicht<br />
sehr hoch und der Erfolg somit auch recht bescheiden.<br />
Da Färberkrapp verschiedene Farbstoffkomponenten in variabler<br />
Konzentration enthalten kann, können recht unterschiedliche Farbtöne<br />
entstehen. Außerdem kann durch die Zusammensetzung der Beize <strong>da</strong>s<br />
Färbeergebnis modifiziert werden. Auch hier stellt sich die Frage, ob<br />
„Das Rot, <strong>da</strong>s aus der Wurzel kam“ (MARQUARD & SIEBENBORN<br />
1999) natürlichen oder synthetischen Ursprungs ist.<br />
Weitere Pflanzen, die rote Farbe liefern, gibt es in der Türkei nicht,<br />
jedoch wurden früher auch Farbstoffinsekten zur Rotfärbung von Textilien<br />
eingesetzt. Bekannt sind die Cochenille (Dactylopsis coccus) mit dem
Nutzung von Naturfarben in der Türkei<br />
Farbstoff Karminsäure (Anthrachinonderivat) sowie Kermes (Kermes vermilio)<br />
und Lac-Dye (Kerria lacca).<br />
Zur Gelbfärbung gibt es eine breite Palette von Pflanzen, wie aus<br />
Tabelle 1 zu ersehen ist.<br />
Welche Pflanzen hier überwiegend verwendet werden, war leider<br />
nicht zu erfahren. Es wurde aber immer wieder berichtet, <strong>da</strong>ß hier regional<br />
große Unterschiede bestehen, die aus dem Vorkommen der Pflanzen<br />
in der Wildflora resultieren.<br />
Für Übergangsfarben zu braun werden der Färbersumach, auch Fisetholz<br />
genannt (orange), Faulbaumrinde (gelbbraun), Henna (ocker) und<br />
Walnussschalen (dunkelbraun) verwendet.<br />
Weiterhin gibt es eine Reihe schwarzfärbender Pflanzen oder Pflanzenteile,<br />
z. B. die Aleppogallen, die Fruchtschale vom Granatapfel, der<br />
Fruchtbecher und die Rinde der Knoppeneiche, der Gerbersumach u. a.<br />
Die Frage nach der Bedeutung der Naturfarbstoffe in der Türkei kann<br />
näherungsweise über die derzeit eingesetzten Mengen an natürlichen<br />
Farbstoffdrogen beantwortet werden.<br />
Leider sind Farbstoffpflanzen nicht in der Statistik des Landwirtschaftsministeriums<br />
enthalten, so <strong>da</strong>ß die Zahlen auf persönlichen Auskünften<br />
basieren.<br />
Für Rubia tinctorum wird ein jährlicher Verbrauch von 70 bis 80 t Wurzeldroge<br />
angegeben (TAMCI <strong>2001</strong>). Das Aufkommen stammt ausnahmslos<br />
aus Wildsammlungen aus der Türkei und angeblich aus Pakistan und<br />
Afghanistan. Bei den restlichen Farbstoffpflanzen wird ein jährlicher<br />
Be<strong>da</strong>rf von 10 t Droge angegeben, allerdings sei die Tendenz steigend, <strong>da</strong><br />
die Herstellung natürlich gefärbter Teppiche in der Türkei zunimmt.<br />
Bei einer kürzlichen Sitzung der türkischen Teppichexporteur-Vereinigung<br />
in Istanbul wurde der Umstellung auf natürlich gefärbte Teppiche<br />
eine große Beachtung beigemessen, <strong>da</strong> die in der Türkei geknüpften und<br />
mit synthetischen Farben gefärbten Teppiche aufgrund des höheren<br />
Lohnniveaus in der Türkei mit den Erzeugnissen aus Indien, Pakistan<br />
und China vom Preis her nicht mehr konkurrenzfähig sind, so <strong>da</strong>ß die<br />
Teppichknüpfer künftig nur über hochwertigere Produkte ein auskömmliches<br />
Einkommen erzielen können.<br />
Laut Statistik werden in der Türkei ca. 100.000 m 2 handgeknüpfte<br />
Wollteppiche hergestellt, von denen ca. 25 % naturgefärbte Wolle enthalten<br />
sollen (BFAI <strong>2001</strong>).<br />
Gülzow, 30. November 1995 59
60<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Diese offizielle Zahl wird von verschiedenen Teilnehmern der o. g. Sitzung<br />
in Frage gestellt, wobei Zahlen bis zu 14 Mio. m 2 genannt werden.<br />
Nach einer Mitteilung der Bundesstelle für Außenhandelsinformationen<br />
(BFAI <strong>2001</strong>) sind etwa 3 Mio. m 2 handgeknüpfte Teppiche als realistisch<br />
anzusehen.<br />
Wenn man diese Zahl und den genannten Verbrauch an Rubia-Wurzeldroge<br />
als Kalkulations-Basis annimmt, so kommt man zu dem Ergebnis,<br />
<strong>da</strong>ß ca. 19 bis 22 % der handgeknüpften Teppiche Wolle enthalten die<br />
mit Rubia gefärbt ist (vgl. Tab. 3).<br />
Tabelle 3: Schätzzahlen für die Verwendung von Farbstoffdrogen in der<br />
Türkei<br />
Rubia<br />
übrige<br />
70-80 t Droge/Jahr<br />
ca. 10 t Droge/Jahr (Mitteilung Prof. Tamci)<br />
Herstellung handgeknüpfter Teppiche/Jahr<br />
offizielle Statistik<br />
Schätzungen, maximal<br />
Schätzungen, realistisch<br />
100.000 m 2<br />
14.000.000 m 2<br />
3.000.000 m 2<br />
Davon sollen ca. 25 % naturgefärbte Wolle enthalten.<br />
Kalkulation der benötigten Rubia-Menge:<br />
→ laut Angaben aus der Türkei werden 20 g Droge für 1 kg Wolle benötigt<br />
→ Wollteppiche enthalten ca. 6 kg Wolle/m 2<br />
→ 70-80 t Rubia-Droge reichen somit für ca. 580-660.000 m 2 Teppiche,<br />
→ d.h. wenn man von 3.000.000 m 2 ausgeht sind dies 19-22 %
Literatur<br />
Nutzung von Naturfarben in der Türkei<br />
/1/ BRÜGGEMANN, W. & H. BÖRNER, 1982: Teppiche der Bauern und Nomaden<br />
in Anatolien. K & A – Verlag Hannover<br />
/2/ ROTH,L., KORMANN,K. & H.SCHWEPPE, 1992: Färbepflanzen, Pflanzenfarben.<br />
Ecomed-Verlag, Landsberg/Lech<br />
/3/ SCHWEPPE, H., 1992: Handbuch der Naturfarbstoffe. Ecomed-Verlag, Landsberg/Lech<br />
/4/ TAMCI, 2002: Prof. Dr. Metin TAMCI, EGE-Universität Izmir; persönliche Mitteilung<br />
/5/ MARQUARD, R, & S. SIEBENBORN, Das Rot, <strong>da</strong>s aus der Wurzel kam. DFG-<br />
Forschung Heft 2/1999<br />
/6/ BFAI, <strong>2001</strong>: Mitteilung der Bundesstelle für Außenhandelsinformation<br />
Prof. Dr. Richard Marquard<br />
Justus-Liebig-Universität<br />
Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung I<br />
Ludwigstraße 23<br />
D-35390 Gießen<br />
Gülzow, 30. November 1995 61
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Naturfärberei in der Türkei –<br />
Potential und Perspektiven<br />
M. Bischof<br />
Lonsheim<br />
Die reichhaltige Textilgeschichte der Türkei ist in Museen unterschiedlich<br />
gut dokumentiert. Wir haben aber Anschauungsmaterial, <strong>da</strong>s bis ins 13.<br />
Jahrhundert zurückgeht, in Form der weltberühmten Seldschuken-Teppiche<br />
aus Konya. Wie hundert bis siebenhundert Jahre alte Naturfarben<br />
auf Wolle aussehen, kann man sich durch deren Anschauung leicht einprägen.<br />
Alle Farbe auf Textilien war, wie bei uns, bis Ende des 19. Jahrhunderts<br />
Naturfarbe. Daß im Wesentlichen nur Teppiche und Kelims auf uns<br />
gekommen sind, verfälscht leicht den Blick aufs Wesentliche: quantitativ<br />
muß die meiste Farbe im Bereich tragbarer Kleidung benutzt worden<br />
sein. Da diese sich schneller abnutzt und selten gut in Museen dokumentiert<br />
worden ist, wissen wir <strong>da</strong>rüber sehr wenig. Oberschichten-Textilien<br />
sind in Museen zu sehen, die bäuerlichen Trachten fast nie, von der alltäglichen<br />
Kleidung einmal ganz abgesehen.<br />
Wie gefärbt wurde, ist im Orient nie systematisch schriftlich fixiert<br />
worden. Eine umfangreiche Literatur, wie sie in Europa ab etwa der zweiten<br />
Hälfte des 18. Jahrhunderts kompiliert wurde, fehlt. Schutzvorschriften,<br />
nach denen man von Anderen entwickelte Färbemethoden gegen<br />
Geld, wie heute bei Software üblich, benutzen konnte, hat es im Orient<br />
nie gegeben. „Geistiges Eigentum“ stiebitzt man vom Nachbarn. Durch<br />
Geheimniskrämerei schützte man sich <strong>da</strong>vor.<br />
Das know how ist dementsprechend ausgestorben. Dies hat enorme<br />
Bedeutung für <strong>da</strong>s Verständnis der heutigen Situation.<br />
62 Biotechnologie und Gentechnik in der Industriepflanzenzüchtung
Naturfärberei in der Türkei - Potential und Perspektiven<br />
Vom vielfältigen Textilhandwerk ist nur noch <strong>da</strong>s Weben von Kelims<br />
und Teppichen im Verlagssystem übriggeblieben, bei der im Gegensatz<br />
zu den echten Dorfteppichen der „alten Zeit“ die Weberinnen nach vorgefertigten<br />
Designs Knoten für Knoten arbeiten. Die gesamte Ästhetik<br />
traditionell orientalischer Textilien basierte auf der harmonischen Verwendung<br />
äußerst gesättigter Naturfarben – nur diese sind hinreichend<br />
echt. Ein Kelim oder Teppich repräsentiert so viel „geronnene Arbeitszeit“,<br />
<strong>da</strong>ß er auch <strong>da</strong>nn als hochwertiges langlebiges Gebrauchstextil gelten<br />
muß, wenn die Arbeitsöhne im Verhältnis zum Westen sehr gering<br />
sind.<br />
Die Verwendung von synthetischen Farben mit ihrer überwiegend<br />
geringeren (!) Echtheit ab Ende des 19. Jahrhunderts stellte <strong>da</strong>s Farbbild<br />
der traditionellen Textilien sozusagen auf den Kopf. Wir können von<br />
einem ästhetischen Fiasko sprechen. Dementsprechend ging die Bedeutung<br />
dieses Teils des Textilsektors immer weiter zurück, denn mit dem<br />
Wert der Teppiche tauchten auch die Preise ab.<br />
Anfang der achtziger Jahre haben nun drei deutsche Lehrer, unabhängig<br />
voneinander 1 , nicht geplant, den Versuch unternommen, Naturfarben<br />
wiedereinzuführen. Die Motivation <strong>da</strong>für war eine ästhetische, keine<br />
ökologische! Der Erfolg dieser Innovation war enorm, freilich indirekt.<br />
Diese Projekte waren durchweg wirtschaftlich keine „Renner“, wurden<br />
aber sogleich kopiert. Da <strong>da</strong>s know how fehlte, hat man schnell und findig<br />
geeignete Hobbyfärbeliteratur aus dem Westen hereingebracht und<br />
fing an, ohne es so recht gelernt zu haben, „naturgefärbte“ Teppiche und<br />
Kelims zu produzieren.<br />
Nur hier werden zur Zeit Naturfarben angewendet. Der Verbrauch an<br />
Färbepflanzen <strong>da</strong>für ist aber enorm, zumindest im Vergleich zu dem der<br />
westlichen Länder.<br />
Bei uns gibt es Naturfarben in winzigem Rahmen im Bereich von Projekten,<br />
die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, oder im Hobbybe-<br />
1 In Nordwestanatolien Manfred Bieber aus Würzburg. Mit einem Verbundprojekt<br />
zwischen der Marmara- Universität Istanbul und Dörfern in Nordwestanatolien, als<br />
DOBAG bekannt geworden, konnte Harald Böhmer die Anfangsförderung durch<br />
die GTZ/CIM erreichen. Bis heute arbeiten türkische Beamte an diesem Projekt mit.<br />
Wir haben Anfang der achtziger Jahre im Privatsektor in Konya mit der Naturfärberei<br />
angefangen. 1992 starte <strong>da</strong>nn KÖK als CIM-gefördertes Projekt in Karaman.<br />
Im Rahmen der Selcuk Universität Konya sollte es um Qualitätskontrolle und<br />
-sicherung gehen sowie um eine Ausbildung zum Färber.<br />
Gülzow, 30. November 1995 63
64<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
reich. Ein einziger Großhändler, gar nicht so weit weg von hier, reicht aus<br />
den Be<strong>da</strong>rf ganz Europas zu versorgen.<br />
Wenn man in Istanbul ein schickes Teppichgeschäft betritt, sollte man<br />
sich von der sorgfältig zusammengestellten äußeren Pracht nicht täuschen<br />
lassen. Die orientalische Teppichindustrie ist sozio-kulturell im<br />
Bereich des besonders Rückständigen angesiedelt. Wie man Menschen<br />
gegeneinander ausspielt, um die Weblöhne zu drücken, wie man know<br />
how abkupfert, wie man chemische Tricks verschleiert, mit der man die<br />
Integrität der Ware beschädigt hatte, um einen besseren „look“ zu erzielen,<br />
wie man durch märchenhafte Geschichten den Verkauf befördert ...<br />
<strong>da</strong>s sind die Themen in dieser Welt.<br />
Neue Fahrzeuge mit dem guten Stern vor dem Geschäft, wendiger<br />
Gebrauch von handy-Telefonen und Kreditkarten, die letzte Mode, die<br />
man bei uns noch nicht kennt – all dies läßt leicht vergessen, <strong>da</strong>ß die in<br />
diesem Bereich arbeitenden Händler mental in einem anderen Zeitalter<br />
leben.<br />
„Moralisch“ sind sie sicher nicht schlechter oder besser als die Menschen<br />
im Westen. Es funktioniert nur anders. Niemandem würde bei uns<br />
im Traum einfallen, bezüglich technischer Eigenschaften, die man mit<br />
Hilfe analytischer Verfahren messen kann, zu täuschen und zu betrügen.<br />
Wir lügen anders – und haben uns <strong>da</strong>ran gewöhnt.<br />
Seit dem überragenden Erfolg der Naturfarbenmode im Teppichsektor<br />
ist es üblich, neue Teppiche als „naturfarben“ zu bewerben. Das<br />
stimmt in 99,9% der Fälle nicht. Immer sind alle Blau- und Grüntöne mit<br />
synthetischem Indigo gefärbt. Man müßte also sagen „teilweise naturgefärbt“.<br />
Das tut aber niemand 1 .<br />
Stücke, die man aus billiger Wolle und mit billigen Farben hergestellt<br />
hat, sehen neu nicht gut aus. Man zerstört ihre Wolle durch einen Prozess<br />
namens „chemische Wäsche“ (der aus dem Westen als Antikwäsche eingeführt<br />
worden war!): abwechselnde alkalische Behandlungen mit<br />
Hydrosulfit und Hypochlorit.<br />
Der Teppichsektor fürchtet qualifizierte Arbeit, und dementsprechende<br />
Löhne, wie der Teufel <strong>da</strong>s Weihwasser. Man will den Profit erhöhen,<br />
indem man unbemerkt Wasser in den Wein gießt. Deshalb werden<br />
die für die Integrität der Fasern so riskanten Prozesse des Färbens und<br />
1 Mit Ausnahme der Projekte von Manfred Bieber in Nordwestanatolien oder Wilfried<br />
Stanzer in Marokko oder von uns. Das liegt aber auch <strong>da</strong>ran <strong>da</strong>ß die Adressaten<br />
ganz andere sind.
Naturfärberei in der Türkei - Potential und Perspektiven<br />
Nachbehandelns durchweg von unqualifizierten Hilfskräften durchgeführt,<br />
denen man noch nicht einmal im Minimalumfang Geräte an die<br />
Hand gibt, mit deren Hilfe sie die Parameter kontrollieren können. In keiner<br />
einzigen uns bekannten Färberei wird ein pH-Meter (schon gar keine<br />
Redoxelektrode) bei der riskanten Indigofärberei benutzt! Dabei ist ein<br />
solches Gerät billiger als der Wert einer einzigen 50 kg-Wollcharge, die<br />
man bei zu hohem pH-Wert und zu tiefem Redoxpotential „verbrennt“.<br />
Im Grunde haben wir auf diesem Markt strukturell <strong>da</strong>s gleiche Problem<br />
wie auf dem Weinmarkt vor 20 Jahren. Dehalb haben wir 1 schon<br />
Anfang der neunziger Jahre als erste eine <strong>da</strong>mals neue Methode zur Analyse<br />
von Naturfärbungen vorgestellt, die sich prinzipiell (<strong>da</strong> sie qualitativ<br />
und quantitativ arbeitet) zur Grundlage einer wissenschaftlich begründeten<br />
Qualitätskontrolle von Naturfärbungen hätte eignen können. Es ist<br />
aber leider nicht gelungen Ansprechpartner zur Entwicklung solch einer<br />
Methode als Stan<strong>da</strong>rd zu finden.<br />
Den deutschen Entwicklungshilfeorganisationen, deren jeweilige Projektleiter<br />
immer mehr an schnellen Medienerfolgen interessiert sind (sein<br />
müssen), ist die Schlüsselstellung der Qualitätssicherung bei der Markteinführung<br />
von Naturfarben nicht aufgegangen. Schade, denn es betrifft<br />
ja bei Weitem nicht nur die Türkei, sondern eine Reihe wichtiger Länder<br />
der sogenannten Dritten Welt.<br />
Färbepflanzen als Rohstoffe<br />
Offizielle Statistiken zum Verbrauch von Färbepflanzen gibt es nicht. Das<br />
hängt <strong>da</strong>mit zusammen wie sie gewonnen werden.<br />
Die besten Färbepflanzen sind Ruderalpflanzen – man findet sie am<br />
Straßenrand, neben Feldern, auf Ödland.<br />
Riesige natürliche Massenvorkommen existieren an verschiedenen<br />
Plätzen Anatoliens.<br />
1 Fischer, C.-H., Bischof, M., Rabe, J.G.(1990): Identification of natural and early synthetic<br />
textile dyes with HPLC and UV-Vis-Spectroscopy by Diode Array detection.-J.<br />
Liq. Chrom. 13: 119 ff.<br />
Rabe, J.G., Bischof, M., Fischer, C.-H.(1990): Natürliche und synthetische Farbstoffe<br />
in Teppichen und Flachgeweben. - Wege zu ihrer Identifizierung. - Restauro, 96,<br />
189-195.<br />
Gülzow, 30. November 1995 65
66<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Wir zeigen hier einige Bildbeispiele, vorwiegend von Waid-Arten (Isatis<br />
sspec. - Anatolien ist <strong>da</strong>s Evolutionszentrum der Gattung: es gibt ungefähr<br />
30 Arten, unzählige Unterarten, Lokalrassen, Populationen, die sich<br />
gerade trennen ...) nur um einmal eine Vorstellung zu geben.<br />
Waid wurde in der Türkei offenkundig (seriöse Tests an antiken Textilien<br />
gibt es bisher nicht) in früher Zeit, bis etwa ins 16. Jahrhundert, zum<br />
Färben eingesetzt. Man erkennt <strong>da</strong>s an Eigenheiten der Indigofarben<br />
solch früher Textilien, die nach unserem Wissen mit Naturindigo allein<br />
nicht <strong>da</strong>rgestellt werden können.<br />
In Einzelfällen mag Waid aber auch später eingesetzt worden sein. So<br />
wurde soeben im Rahmen einer Ausstellung in Essen ein ungewöhnlich<br />
früher, <strong>da</strong>tierter Kelim (im Jahre 1765 <strong>da</strong>tiert), dessen ungewöhnlich<br />
leuchtendes Blau unter Verwendung von Waid gefärbt worden sein<br />
dürfte 1 . Wenn Kelimsammler sich fragen, ob dieses Blau denn wirklich<br />
aus Naturindigo gewonnen wurde, sind sie auf dem richtigen Weg – zum<br />
Waid.<br />
Was man mit Waid alles machen kann, haben wir früher schon wiederholt<br />
<strong>da</strong>rgestellt. Hier sei noch einmal ein kleiner Teppich im Format<br />
eines minder gezeigt, dessen Farben ausschließlich aus Waid hergestellt<br />
worden sind 2 .<br />
Alle Färbepflanzen werden mit der Hand geschnitten, getrocknet und<br />
gemahlen, nachdem man eine Vereinbarung mit Dorfbewohnern in der<br />
Nähe organisiert hat. Oft organisieren <strong>da</strong>s die Färbereien selber. Einen<br />
regulären Handel mit Färbepflanzen, in der Hand von spezialisierten Firmen,<br />
gibt es in der Türkei fast nicht. Man zahlt den Bauern vor der Saison<br />
einen Vorschuß und rechnet <strong>da</strong>nn die Ernte ab.<br />
Wie gut oder wie verantwortungslos der Umgang mit den Pflanzenbeständen<br />
ist, hängt ausschließlich von den Unternehmen ab.<br />
Die Bauern geben traditionell keine Quittung, so <strong>da</strong>ß die Transaktion<br />
nicht in staatlichen Statistiken erscheint. Nur wenige Insider, die mit Fär-<br />
1 de Werd, Guido, Pelz, Dietmar : Gewirkt, geschweisst, Linie und Farbe im Raum -<br />
Stahlplastik von Günther Zins und der anatolische Kelim auf Zollverein. Essen,<br />
<strong>2001</strong>.<br />
2 Bischof, M. (1992): Woad-seng in Erfurt. A report about the I. International Congress<br />
on Woad, Pastel and other natural dyes in Erfurt. - Oriental Rug Review, Oct. 1992.<br />
Frunzke, Kurt, Bischof, Michael & Meyer, Waltraud(1993): Analysis of Indigo and<br />
Indirubin in Textiles of Wool, Cotton and Silk. - (unpubl. Results)<br />
Bischof, M.; Kürtül, M. & Kurnaz, M.(1995): Isatis - Pastel - Civit Otu in Turkey. - II.<br />
International Congress on Woad, Pastel and other natural dyes. Toulouse.
Naturfärberei in der Türkei - Potential und Perspektiven<br />
bepflanzen handeln oder im großen Stil Naturfarben machen, kennen den<br />
tatsächlichen Verbrauch. Diese Zahl gilt als „top secret“. Wenn Kunden<br />
kommen, spielt man den Nabob internationaler Größenordnung. Kommt<br />
<strong>da</strong>s Finanzamt, gibt man den ungebildeten, fleißigen Dorftrottel, der <strong>da</strong>s<br />
Beste aus seiner winzig kleinen Klitsche machen möchte. Als Insider können<br />
wir sagen, <strong>da</strong>ß auch die größten Kunden weniger als 10 Tonnen Färbepflanzen<br />
im Jahr kaufen – mit Krapp als Ausnahme (s. u.).<br />
Bei der Menge natürlicher Massenvorkommen muß man Färbepflanzen<br />
nicht anbauen. Wir tun <strong>da</strong>s dennoch mit Waid und Wau, aber nur,<br />
um <strong>da</strong>s jährliche Aufkommen zu verstetigen. Ein Nachteil des Steppenklimas<br />
ist nämlich, <strong>da</strong>ß die Ernte stark von der Ergiebigkeit der Winterniederschläge<br />
abhängt. Diese schwankt mitunter beträchtlich von Jahr zu<br />
Jahr.<br />
Krapp<br />
Die mit Abstand wichtigste Färbepflanze ist Krapp. Es gibt in der Türkei<br />
einige Arten der Gattung Rubia.<br />
R. tinctoria und R. peregrina sind die färberisch wichtigsten. Auf einem<br />
Bild lassen sie sich schlecht <strong>da</strong>rstellen, deshalb hier nur wenige Aufnahmen.<br />
R. tinctoria kommt in Zentralanatolien an Garten- und Feldrändern<br />
wie ein widerliches Unkraut vor, dessen Haken unangenehme und<br />
extrem langsam heilende Hautwunden zufügen. Angebaut wird die<br />
Pflanze schon lange nicht mehr. Man findet aber in vielen Gemarkungsteilen<br />
von Dörfern Bezeichnungen wie „boyali“, was bedeutet, <strong>da</strong>ß dort<br />
früher Krapp angebaut wurde. Bis heute kommen dort regelmäßig Wurzelaustriebe<br />
an die Oberfläche. Ohne Herbizide, für die die Kleinbauern<br />
kein Geld haben, kann man die Pflanze nicht ausrotten.<br />
Aussichtsreiche Massenvorkommen werden regelmäßig ausgebeutet.<br />
Man pflügt den Boden und zieht raus, was man bekommen kann.<br />
Von der weiteren Verarbeitung hängt <strong>da</strong>nn die Qualität des Krapps<br />
ab. Da die Tradition erloschen ist und auch ältere Leute nicht mehr wissen,<br />
worauf es <strong>da</strong>bei ankommt, schwanken die Qualitäten extrem. Wir<br />
hatten schon Chargen in der Hand, die kaum noch färbten.<br />
Als durch unsere Arbeit eine Art Naturfarbenmode entstanden war,<br />
hat die staatliche Sümerbank in einem Jahr in den Achtzigern mit staatli-<br />
Gülzow, 30. November 1995 67
68<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
chen Geldern fast alle Chargen, die auf dem Markt waren, aufgekauft. Da<br />
man sie nicht recht anwenden konnte, wurden sie mit synthetischen Farben<br />
verschnitten. Dieser Impuls hat ausgereicht, soviele Hoffnungen auf<br />
Spekulationsgewinne zu erwecken, <strong>da</strong>ß bis heute der Krapp-Preis deutlich<br />
über dem Niveau vor dieser Intervention liegt (in Devisen gerechnet)<br />
und Krapp wie ein Spekulationsobjekt gehandelt wird. Da die Qualitäten<br />
der Chargen enorm schwanken (es gibt sogar welche, die gar keinen Farbstoff<br />
mehr freisetzen), ist dieser Markt sehr riskant.<br />
Der Mangel an know how ist ein Engpaß einer breiteren Anwendung<br />
von anatolischer R. tinctoria. Gerade die farbstoffreichsten Chargen geben<br />
wenig Farbe frei, wenn man sie einfach in Wasser gibt und erwärmt.<br />
Deshalb gibt es auf dem Binnenmarkt überall „iranischen“ Krapp. Er<br />
ist reich an Purpurin leicht mit Wasser zu extrahieren.<br />
Woher er wirklich stammt, ist schwer zu ermitteln – die fein-pulverförmig<br />
Konsistenz macht Bestimmungen schwer. In Deutschland wurde<br />
dieses Material sogar schon als „Extrakt“ angeboten.<br />
Meist handelt es sich um die iranisch-indische Pflanze R. cordifolia, die<br />
ein ganz anderes Spektrum an Farbstoffen hat als R. tinctoria. Für die<br />
kommerzielle Teppichweberei, in der es auf geringe Preise und Schnelligkeit<br />
der Anwendung ankommt, ist dieses Material tatsächlich geeigneter.<br />
Schließlich laufen keine Kunden mit geschulten Augen auf die unvermeidlichen<br />
Untiefen der Resultate auf. Die Echtheiten sind überhaupt<br />
nicht vergleichbar mit den Resultaten kompetenter Anwendung von R.<br />
tinctoria.<br />
Das Grundproblem der Färberei mit Krapp ist der „Dreck“. Damit<br />
sind die Gesamtheit aller Substanzen gemeint, welche die Farblackbildung<br />
stören und der erzielbare Lichtechtheit herabsetzen.<br />
Man kann rohen Krapp nicht einfach in Wasser erwärmen. Dann<br />
bekommt man auf alaungebeizter Wolle lediglich einen ziemlich stumpfen<br />
(ziegel-)braunroten Ton. Auf eisengebeizter Wolle ergibt sich eine<br />
graubraune Nuance. Nach dieser Operation ist der Krapp kräftig rot<br />
gefärbt. Er enthält also noch viel Farbstoff, der aber nicht mehr durch weiteres<br />
Erwärmen in Wasser extrahiert werden kann. Um eine Sättigung zu<br />
erreichen, welche mit derjenigen antiker Textilien konkurrieren kann,<br />
braucht man mehr als 1,3 kg Krapp für 1 kg Wolle, bis etwa 2,2 kg für die<br />
höchsten Sättigungen. Das gilt für den Fall, <strong>da</strong>ß man die westlichen Hobbyfärbemethoden<br />
benutzt.
Naturfärberei in der Türkei - Potential und Perspektiven<br />
Um dieses Problem zu lösen, stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:<br />
- man muß lernen, wie man durch geeignete Führung des Färbeprozesses<br />
diesen „Dreck“ <strong>da</strong>ran hindert, auf die Faser zu ziehen. Dafür<br />
bräuchte man eine langjährige theoretische und praktische Ausbildung,<br />
die es in der Türkei außer in glücklichen temporären Einzelfällen<br />
nicht gibt. Die einzige mögliche Anwendungsform dieses<br />
know hows ist die handwerklich arbeitende Färberei. Die Ausfärbungen<br />
<strong>da</strong>uern Stunden bis Tage.<br />
- man kann den Krapp für <strong>da</strong>s Färben so vorbereiten, <strong>da</strong>ß dieser<br />
„Dreck“ nicht mehr <strong>da</strong> ist. Diese Methode ist nicht für die Industrie<br />
geeignet, <strong>da</strong> man diesen gereinigten Krapp nicht in moderne Färbeapparaturen<br />
geben kann.<br />
- man kann aus dem Krapp nur die reinen Farbstoffe extrahieren und<br />
<strong>da</strong>nn mit diesem Extrakt färben. Diese Methode wäre, im großem<br />
Stil angewandt, die ökologisch vorteilhafteste. Man erhält erheblich<br />
mehr Farbstoff aus der Pflanze, bis zu 47 g reinen Farbstoff, und <strong>da</strong>mit<br />
weniger Abfall. Die Energiekosten und der Wasserverbrauch<br />
sind leicht zu optimieren – falls der Extrakt brauchbar ist (siehe unten).<br />
Freilich wird diese Methode nur <strong>da</strong>nn preiswert, wenn man<br />
sie im großen Stil mit Industriemengen anwendet. Denn man<br />
braucht <strong>da</strong>für Technologie und gute Techniker.<br />
Naturfarben in der Industrie<br />
Es ist in Vergessenheit geraten, <strong>da</strong>ß die europäische Naturfärberei im 19.<br />
Jahrhundert bereits industrialisiert war. Führend hierin war Frankreich<br />
(Elsaß). Freilich waren die benutzten Methoden alles andere als ökologisch<br />
verantwortbar.<br />
Um industriefähige Krappextrakte herzustellen, hat man konzentrierte<br />
Schwefelsäure eingesetzt. Das ist ein Brachialverfahren mit einer<br />
unübersehbar großen Menge an giftigen Nebenprodukten, neben dem<br />
<strong>da</strong>s Calciumhydrogensulfitverfahren der Zellstoffindustrie als sauber<br />
eingeschätzt werden muß.<br />
Seit 20 Jahren tragen wir Kleidung aus selbst eingefärbten Naturfasern.<br />
Ausdrücklich sei gesagt: auch aus Zellulosefasern! Die brutalstmögliche<br />
Methode des Testens ist: tragen, waschen, tragen, waschen .... bis die<br />
Gülzow, 30. November 1995 69
70<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Fasern auseinanderfallen 1 . Es ging ohne Weiteres. Ab und zu haben wir<br />
eigene Färbungen mit der Xenonlampentestmethode prüfen lassen. Die<br />
Ergebnise lagen im Bereich 5-7 (2 Ausreißer mit 3 kamen aber auch vor.<br />
Die Gründe kennen wir bis heute nicht).<br />
Einer der von nachstehend beschriebenen Fiaskos gebeutelten Konfektionäre<br />
in Deutschland ist Egon Heger von der Firma Holstein Flachs.<br />
Weil er nach seinen eigenen Erfahrungen nicht so recht glauben wollte,<br />
<strong>da</strong>ß man mit Naturfarben auf Leinen hinreichende Echtheiten hinbekommen<br />
kann (außer Indigo, <strong>da</strong>s ist ohnehin bekannt) hat er uns Leinenhemden<br />
gegeben, die nach den Methoden einer deutschen Firma gefärbt worden<br />
waren. Das trockene (!) Anthrazit-Hemd färbte die Finger grau; ein<br />
„chlorophyllgrünes“ Hemd zeigte dort, wo es im Schrank ans Licht kam,<br />
nach einem halben Jahr eine auffällige Ausbleichung, von mittelgrün zu<br />
einem leicht lindgrünen Zitat von „Nicht-Weiß“. Wir haben mit KÖK<br />
END-Verfahren die Hemden überfärbt. Er benutzt sie bis heute (seit 1999)<br />
und hat mir (M.B.) erlaubt, ihn hier als Beweis <strong>da</strong>für zu zitieren, <strong>da</strong>ß es<br />
doch geht 2 .<br />
Es gibt ja hier eine sogenannte Naturtextilszene. Warum „sogenannt“?<br />
Wenn nachhaltige, weil ökologisch optimierte Färbeverfahren, und<br />
solche können nur Naturfärbeverfahren sein, die eine positive Wirkung<br />
auf die Umwelt haben sollen, müssen sie nach einer mehr oder weniger<br />
langen, mehr oder weniger schwierigen Einführungsperiode im größtmöglichen<br />
Umfang angewendet werden.<br />
Der Hobbyfärber mag jubeln wenn seine 250 g Wollgarne nach einem<br />
halben Tag Arbeit, unter Verbrauch von 700 g getrockneter Pflanzen und<br />
enormen Wassermengen, wirklich bunt sind ... und sogar so echt, <strong>da</strong>ß<br />
man sie in einem Pullover verstricken kann. Für einen ökologisch denkenden<br />
Menschen ist <strong>da</strong>s noch nicht einmal ein Wimpernschlag.<br />
Größtmöglicher Umfang heißt unausweichlich industrielle Anwendung.<br />
Dazu ist es bisher nicht gekommen. Wo liegen die Gründe ?<br />
1 Mit der Waschmaschine bei 60 °C, außer bei handgewebten/handgestrickten Textilien.<br />
Es wurde ein selbst entwickeltes, voll abbaubares sanftes Waschmittel ohne<br />
Bleichmittel benutzt.<br />
2 Telefonat am 29.5.<strong>2001</strong>. - KÖK E cological N atural D yes sind optimierte Verfahren,<br />
bei denen z. B. die Faser nicht einmal heiß gebeizt werden <strong>da</strong>rf. Der Einsatz von<br />
Komplexierungsmitteln wie etwa Weinstein ist untersagt, weil dies die Abwasserproblematik<br />
der Beizenentsorgung verschärft.
Fiaskos<br />
Naturfärberei in der Türkei - Potential und Perspektiven<br />
Als die Ökotextilmode hierzulande „frisch“ war, versuchten viele kleine<br />
Handelsfirmen auf diesen Zug aufzuspringen. Sie brauchten <strong>da</strong>für freilich<br />
erst einmal verkaufsfähige Produkte. Diese wurden oft von „Aussteigern“<br />
hergestellt, die einem ganzheitlichen Lebensentwurf sich verschrieben<br />
hatten und auf professionelle Anforderungen unwirsch reagierten.<br />
Andere Firmen versuchten hastig unausgereifte Verfahren auf den Markt<br />
zu werfen nach einem Motto, <strong>da</strong>s man in der Türkei etwa so ausgedrückt<br />
hätte: verbleicht die Farbe vor oder nach dem Verkauf ?<br />
Die Szene ist voll von Geschichten <strong>da</strong>rüber, wer mit welchen Produkten<br />
Geld verloren hat, als die Reklamationen der Kunden kamen. Daß<br />
zum Beispiel alle in diesem Rahmen hergestellten Indigofarben extrem<br />
unökologisch, mit dem sehr giftigen synthetisch-chemischen Reduktionsmittel<br />
Hydrosulfit, ausgefärbt worden waren, fand man nicht mal einer<br />
Erwähnung wert.<br />
Dazu kommt, <strong>da</strong>ß wie im Orient schlicht gefälscht wird. Das letzte<br />
Mal, wo wir diesbezüglich den Finger in den Wind gehalten haben, war<br />
die InaTex im Februar 2000. Von 6 Angeboten mit Naturfarben waren 3<br />
nicht „koscher“ ( außereuropäisches Ausland).<br />
Ungelöstes Rohstoffproblem<br />
Die billigsten Rohstoffe kamen aus der „3. Welt“. Oder man ließ die Sachen<br />
gleich dort färben. Daß dies natürlich ökologisch eher schrecklich als<br />
hoffnungsvoll war, kam bei Stippvisiten kritischer Journalisten immer<br />
mal wieder heraus und hat <strong>da</strong>s Image der Produkte in Zweifel gezogen.<br />
Hätten andererseits diese eher kleinen Handelsfirmen, die nur notgedrungen<br />
in die Organisation ihrer Produkte dort unten eingestiegen waren,<br />
weil sie sonst keine erhalten hätten, in die ökologische Optimierung<br />
oder meinetwegen Ehrlichkeit investiert und zu diesem Zweck laufend<br />
westliche Experten dorthin geschickt, wäre der Kostenvorteil der Produktion<br />
dort auf der Strecke geblieben. Deshalb glauben wir, <strong>da</strong>ß Naturfarben<br />
aus solchen Ländern nur eine Randerscheinung bleiben werden, sofern<br />
man die Ökologie ernst nimmt.<br />
Färbepflanzen gibt es in Europa weiterhin nur in Minimengen und zu<br />
Apothekenpreisen, was seine Hauptursache im geringen Verbrauch<br />
haben dürfte. Durch die als vorbildlich einzustufende Arbeit der TLL<br />
Gülzow, 30. November 1995 71
72<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Thüringen ist die Anbauseite jetzt soweit systematisiert worden, <strong>da</strong>ß<br />
diese Pflanzen wohl einfach anzubauen wären – wenn es denn konstante<br />
Abnehmer in interessanten Größenordnungen gäbe. Bisher gibt es sie<br />
nicht.<br />
Naturtextiler - Selbstständige Kleingewerbetreibende<br />
Die Ökomode hatte sich aus vielen kleinen, aber vorgeblich feinen Nischen<br />
heraus entwickelt. Um es noch einmal zu sagen: ökologisch zu optimieren<br />
heißt immer auch den Versuch zu unternehmen, möglichst viele<br />
Elemente der nicht nachhaltigen synthetisch-chemischen Textilveredlung<br />
durch ökologisch unbedenkliche sanfte Naturstoffchemie zu ersetzen<br />
und dies immer im größtmöglichen Umfang anzustreben. Nur so merkt<br />
unsere Umwelt etwas <strong>da</strong>von.<br />
Diese Zielsetzung kollidiert aber mit dem Anspruch der einzelnen<br />
Firma auf größtmöglichsten wirtschaftlichen Erfolg bei möglichst geringem<br />
Aufwand, also mit der Logik der Ökonomie.<br />
Textile Produkte sind Ergebnisse einer sehr lange textilen Kette.<br />
Gleichzeitig wird seit vielen Jahren die Textilindustrie in Deutschland<br />
abgebaut, die Maschinen werden second hand nach Osteuropa, in den<br />
Mittelmeerraum und den Nahen und Fernen Osten verkauft.<br />
Wer in diesem sozio-ökonomischem Umfeld als kleine Firma mit großem<br />
Ziel nicht mit Anderen kooperieren kann oder will, muß auf jeden<br />
Fall <strong>da</strong>s ökologische Ziel verfehlen.<br />
Ein Beispiel: pflanzengefärbte Pullover aus feinen maschinengesponnenen<br />
Garnen, maschinengestrickt, könnte man ohne Weiteres seit etwa<br />
15 Jahren produzieren. Das know how haben wir von KÖK schon lange.<br />
Die Lichtechtheiten der Färbungen auf Wolle oder Mohair liegen bei<br />
5-7 (Xenonlampentest). Wie solche Pullover aussehen können wenn man,<br />
wie es bei den besten bekannten antiken Textilien üblich war, all sein<br />
Können ohne Rücksicht auf Kosten in die Qualität der handgesponnenen<br />
Garne und die Sättigung und Tonreinheit der Farben investiert, zeigen<br />
wir hier. Solche Stücke entstanden ohne fertige Vorlagen und mußten von<br />
den Strickerinnen, Stück für Stück, immer wieder neu erfunden werden.<br />
Dieses Konzept haben wir nach einem bekannten türkischen Roman<br />
„fikrimin ince gülü“ genannt. Das ist, wohlgemerkt, reines Kunsthandwerk,<br />
<strong>da</strong>s den Strickereien und uns Vergnügen bereitet, keine langweilige<br />
serielle Arbeit.
Naturfärberei in der Türkei - Potential und Perspektiven<br />
Ohne Abstriche an der technisch-handwerklichen Qualität kann man<br />
so etwas auch mit maschinengesponnenen Garnen und kleinen, halbautomatischen<br />
Strickmaschinen machen. Der Preis sinkt beträchtlich.<br />
Es hat bisher nie geklappt, weil jede dieser kleinen Firmen einerseits<br />
<strong>da</strong>s Produkt und die Idee exklusiv für sich selber wollte, andererseits die<br />
Minimalmenge zur Herstellung eines geeigneten Garns bei der Spinnerei<br />
bei etwa 1 Tonne liegt. Das ist für nur eine kleine Öko-Boutique natürlich<br />
zuviel. Mit Anderen kooperieren wollte man nicht. Damit sehen wir den<br />
Beweis <strong>da</strong>für erbracht, <strong>da</strong>ß die Identität als selbständiger Kleingewerbetreibender<br />
wichtiger war als die ökologische Motivation.<br />
Extrakte – strategische Bedeutung für die Wiedereinführung der<br />
Naturfarben<br />
Etwa seit Beginn der neunziger Jahre konnten wir die Rohstoff-Situation<br />
so organisieren <strong>da</strong>ß Färbepflanzen im Tonnenmaßstab verfügbar waren.<br />
Das Know how um alle Fasern, wohlgemerkt auch (!) Zellulosefasern, mit<br />
Echtheiten von 5 und höher einzufärben, war entwickelt worden, sogar<br />
für unterschiedlich weit gehende Ansprüche an Ökologie und Nachhaltigkeit.<br />
Es stellte sich <strong>da</strong>nn schnell heraus, <strong>da</strong>ß in der deutschen Naturtextilszene<br />
keine innovative Firma bereit war, sich <strong>da</strong>rauf einzulassen zu lernen,<br />
Färbepflanzen im eigenen Betrieb vor respektive während der<br />
Färbung zu extrahieren. Gleichzeitig gab es zahlreiche Endkunden der<br />
Veredler, etwa Konfektionäre und Versandhäuser, die gleichwohl ökologisch<br />
und nachhaltig produzierter Textilien – und <strong>da</strong>s können nur naturgefärbte<br />
sein – kaufen wollten. Es war nie gelungen eine Art Verbund<br />
mehrerer Elemente der textilen Kette herzustellen. Die Konfektionäre<br />
schoben es auf die Veredler, die behaupteten, erst müsse ein Markt <strong>da</strong><br />
sein. Das Motto war: Hannemann, geh Du voran ...<br />
Einer der wesentlichen Gründe <strong>da</strong>für waren die o. g. Fiaskos. Färbepflanzen<br />
in Beutelchen zu packen und in den Ansatzbehälter einer industriellen<br />
Färbemaschine zu geben, war nicht die Methode der Wahl: zu<br />
teuer, die Pflanzen wurden nicht richtig ausgezogen, bei genauem Hinsehen<br />
war es nicht sonderlich ökologisch, die Skala war auf pastellige Töne<br />
beschränkt ...<br />
Daher blieb als technische Alternative zur Wiedereinführung der<br />
Naturfarben nur übrig, vorher, getrennt vom Anwender, die reinen Farb-<br />
Gülzow, 30. November 1995 73
74<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
stoffe aus den Pflanzen zu extrahieren und diese dem Veredler als reine<br />
Extrakte zur Verfügung zu stellen.<br />
Welchen Anforderungen muß ein guter Extrakt genügen ?<br />
Er muß sich rückstandsfrei in Wasser auflösen, weil andernfalls die<br />
Färbemaschinen zusetzen würden. Substanzen in der Pflanze, die die<br />
Farblackbildung stören und deshalb den Ton „verschmutzen“ und/oder<br />
die erzielbaren Echtheiten beschränken, sollten im Extrakt nicht mehr<br />
vorhanden sein. Vorstufen von Farbstoffen, die in der Pflanze vorhanden<br />
sind und oft brillante, aber unechte Färbungen ergeben, sollten im Extrakt<br />
ebenfalls nicht mehr vorkommen. Wird der Extrakt höher dosiert, muß<br />
der Ausfall der Färbung proportional <strong>da</strong>zu gesättigter sein.<br />
Bei der wichtigsten Färbepflanze, dem Krapp, ist <strong>da</strong>s o. g. Problem des<br />
„Drecks“ entscheidend. Ein guter Krappextrakt sollte auch <strong>da</strong>nn, wenn<br />
man über 60 °C erwärmt, Violett ohne Braunstich färben. Das ist der am<br />
leichtesten zugängliche Qualitätsparameter 1 .<br />
Nachdem wir 20 Jahre lang alle Extrakte, derer wir habhaft werden<br />
konnten, ausprobiert haben (aus Indien, USA, Deutschland und Holland)<br />
können wir heute resümieren, <strong>da</strong>ß es nach unserem besten Wissen der<br />
Magdeburger Firma nig gelungen ist, diesen Anforderungen nachzukommen,<br />
speziell, was den Krappextrakt angeht. Deshalb testen wir ab<br />
sofort andere Extrakte nur noch <strong>da</strong>nn, wenn im Consultingbereich <strong>da</strong>s<br />
Honorar stimmt. Das Problem halten wir für gelöst, was die technische<br />
1 Im Textilbereich fehlt die Demut, mit der viele mit Computersoftware umgehen.<br />
Auf kaum einem Bereich findet man solch unintelligente Bemerkungen wie bei der<br />
Einschätzung des Preises von Extrakten. Deshalb für die „Dummies“:<br />
- ein Extrakt ist um so besser je weniger Nebenkompenenten einer Färbepflanze er<br />
enthält<br />
- <strong>da</strong>nn ist die Ausbeute aus der Pflanze am geringsten und der Extrakt dementsprechend<br />
teurer<br />
- gleichzeitig ist aber der Preis für <strong>da</strong>s Färbemittel, <strong>da</strong>s man braucht um eine bestimmte<br />
Tiefe zu erreichen, am geringsten und die Qualität der erzielten Farblacke am<br />
höchsten. Nicht der Kilopreis des Extrakts zählt, sondern wieviel die nötige Menge<br />
wirksamen Farbstoffs kostet.<br />
- je höher die Ausbeute beim Extrahieren einer bestimmten Pflanze ist desto größer<br />
sind die Anteile an nichtfärbenden Stoffen. Das Arbeiten <strong>da</strong>mit ist <strong>da</strong>nn in jedem<br />
Falle langwieriger und teurer. Die Chancen <strong>da</strong>für Probleme mit den Färbemaschinen<br />
zu bekommen, sind <strong>da</strong>nn größer.<br />
Bisher entpuppten sich alle getesteten Krappextrakte bis auf den von nig als<br />
unbrauchbar.
Naturfärberei in der Türkei - Potential und Perspektiven<br />
Seite angeht. Den Rest müssen jetzt alle die (zusammmen) tun, welche<br />
eine nachhaltige und ökologisch verantwortbare Textilveredlung wollen.<br />
Ausblick<br />
Nachdem nun die technischen Probleme einer Wiedereinführung der Naturfärberei<br />
gelöst sind, geht es um die Markteinführung. Wesentlich hierfür<br />
scheint die Wiedererlangung des Vertrauens der Anwender, der Veredler<br />
und der Konfektionäre, zu sein. Naturfarben haben immer noch <strong>da</strong>s<br />
janusköpfige Image der Verheißungen einer ökologisch problemarmen,<br />
aber von der Gebrauchsfähigkeit her unzureichenden Alternative. Die in<br />
der Szene intensiv diskutierten Fiaskos spielen <strong>da</strong>für immer noch eine<br />
wichtige Rolle.<br />
Also muß man, wieder einmal, durch reproduzierbare Probefärbungen,<br />
die von unabhängiger Seite nach Stan<strong>da</strong>rdmethoden gemessen, aber<br />
auch veröffentlicht (!) werden, versuchen, dieses notwendige Vertrauen<br />
wiederzuerlangen. Vor vollmundigen Ankündigungen à la „industriegerecht“,<br />
„ausgereift“ bis zur Farbkarte usw. muß man sich hüten. Die<br />
Adressaten wissen es bereits besser.<br />
Da die in Deutschland verbliebene Textilindustrie insgesamt dramatisch<br />
geschrumpft ist, sind die meisten Veredler heute kleine Firmen, die<br />
nach fremdbestimmten Vorlagen im Lohn färben. Denen zuzumuten,<br />
diese neue Technologie mit eigener Kraft (was hauptsächlich finanziell<br />
gemeint ist) bis zur Großserienreife zu entwickeln, wird nicht gehen. Es<br />
müssen vielmehr Verbindungen zwischen solchen Veredlern und deren<br />
Kunden, den Konfektionären, auf den Weg gebracht werden – und <strong>da</strong><br />
jeder, der <strong>da</strong>s Geld <strong>da</strong>für hat, sich beliebige Werbung kaufen kann und<br />
der Verbraucher dieser längst nicht mehr glaubt, sollte von unabhängiger<br />
Seite die ökologische und technische Integrität dieser alternativen Veredlung<br />
glaubhaft gemacht werden. Zumindest gilt dies für den Anfang.<br />
Daß man mit dem oben erwähnten Krappextrakt, der energischer<br />
färbt als jedes uns bekannte Textilfärbemittel (man kann sogar kalt färben<br />
und hat schon nach 30' ein noch nicht gesättigtes, aber schon vorzeigefähiges<br />
Resultat), schon in einem Gläschen haltbare Textilfarben hervorbringen<br />
kann, werden wir Anfang September im Rahmen einer schulischen<br />
Projektwoche beweisen. Nach dem Motto: was die deutsche<br />
Textilindustrie bisher nicht geschafft hat – Schulkinder können es !<br />
Gülzow, 30. November 1995 75
Michael Bischof<br />
Obergasse 22<br />
D-55237 Lonsheim<br />
koek@dv-kombinat.de<br />
KÖK<br />
Marangozlar Sanayi<br />
Yürekli Sok. 19<br />
TR-42300 Konya<br />
76<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
The “Natural Dyes Product Research<br />
and Development Project” in EVTEK<br />
Institute of Arts and Design 2000-2003<br />
U. Lapiolahti<br />
EVTEK Institute of Art and Design, Vantaa, Finnland<br />
1 Introduction<br />
The ”Natural Dyes Product Research and Development Project” was started<br />
in Finland in autumn 2000 and it will continue until year 2003. The<br />
project is supported by the European Union and led by the EVTEK Institute<br />
of Arts and Design.<br />
In the “Natural Dyes Product Research and Development Project” we<br />
will concentrate on the possibilities to increase the use of natural dyes as<br />
a source of a dye in textile production. We are aiming to combine the long<br />
tradition and knowledge of natural dyes with the modern possibilities in<br />
textile design and technology. One of the main targets in our project is to<br />
develop products, which have both an ecological life cycle and are highlevel<br />
designed.<br />
In Finland we have a strong and living tradition in using natural dyes.<br />
In our country there are plenty of enthusiasts in the field of leisure activities,<br />
but there is quite a lack of commercial use of natural dyes. It has also<br />
been very interesting and encouraging to us in Finland to follow the research<br />
work on natural dyes in the other countries of Europe. The results of<br />
researching and the increasing environmental awareness of the consumers<br />
are urging us in our work.<br />
Gülzow, 30. November 1995 77
78<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
2 The EVTEK Institute of Arts and Design - A Polytechnic school<br />
of Arts<br />
The history of the EVTEK Institute of Arts and Design goes back to 1984,<br />
when it offered education of vocational level. Nowa<strong>da</strong>ys EVTEK is part of<br />
the Finnish polytechnic school system. EVTEK Institute of Arts and Design<br />
offers studying programs under four primary headings. The polytechnic<br />
degree is equivalent to the Bachelor of Arts (Hons) in the UK, the<br />
French Licence, the German “Diplom Fachhochschule” and the Dutch<br />
HBO Diploma.<br />
The four basic degree programs of the school are:<br />
- Conservation; which is sub-divided in five different areas<br />
- Design; which is divided into textile design and fashion design<br />
- Media<br />
- Restoration<br />
3 The main targets of the Natural Dyes Product Research and<br />
Development Project<br />
3.1 The main target groups of the project<br />
The main target groups of the project are textile industry and people working<br />
or studying in the field of textiles; artists, craftsmen, teachers and<br />
students.<br />
Information and education<br />
Project gathers together and spreads out knowledge of natural dyes. We<br />
will also arrange educational events as symposiums, short and longer lasting<br />
courses. During the education events we will gather together the<br />
participants to learn both natural dye techniques and the modern technology<br />
in the field of textiles.<br />
During the education we will be able to support the use of natural<br />
dyes in the production of our participants. We shall also teach them to use<br />
modern technology in design and also in production of textiles. Their production<br />
will be planned to be safe and ecological throughout the process,<br />
so the life cycle of the product is ecological. In the end of the project we<br />
shall create marketing possibilities for their ecological products.
The “Natural Dyes Product Research and Development Project” 2000-2003<br />
Researching and product development<br />
During our project we will be aiming to develop production of textiles,<br />
which are made by using natural dye techniques (interior textiles and<br />
clothing). Products should fulfil the highest technical and industrial stan<strong>da</strong>rds.<br />
Products should as well comply with the ecological requirements.<br />
Modern technology and natural dyes<br />
An important element of the project is to research the possibilities of natural<br />
dyes in industrial use. We will try to combine the tradition of natural<br />
dyes with modern technology in designing and in production of the textiles.<br />
During the Natural Dyes Product Research and Development Project<br />
the industrial textile printing process will be tested. We will also research<br />
the possibilities to use natural dyes in the new digital textile production.<br />
In this field we will co-operate with textile printing companies and other<br />
specialists needed.<br />
Natural Dyes Project and the year 2003<br />
In the year of 2003 we hope that we have succeeded to develop products<br />
together with our target groups and co-operating companies. Products<br />
will be ready for marketing providing a high level of design and an ecological<br />
life cycle. The production process has been tested to ensure its ecological<br />
life cycle. Hopefully natural dyes will then be a competitive alternative<br />
to synthetic dyes.<br />
In the future we are concentrating on using cultivated dye plants and<br />
extractions made of natural dyes. Hopefully natural dyes would be able<br />
to offer also some new economical possibilities to the people living on the<br />
countryside; farmers and farm tourism.<br />
4 Printing textiles with natural dyes – from handprinted textiles<br />
to industrial production<br />
The researching work in printing with natural dyes started already in<br />
1998. Ulla Lapiolahti developed the basic printing method for direct printing<br />
during her studies in the Textile Department of the EVTEK Institute<br />
of Arts and Design.<br />
Gülzow, 30. November 1995 79
80<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Working in the field of textile printing techniques has been promising.<br />
Textile printing seems to be an interesting and usable complement to the<br />
usage of the natural dyes. Already during this first year of the activity in<br />
our project, we have been teaching this technique to many eager and<br />
satisfied course participants.<br />
In the Natural Dyes Product Research and Development Project we<br />
are aiming to research and develop natural dye textile printing techniques<br />
further on. For the meanwhile we use hand printing-technique,<br />
but later on we are aiming to develop an industrial procedure. We will<br />
start this work co-operating with some companies in Finland which work<br />
in the field of industrial textile printing.<br />
Natural dyes printing technique is:<br />
- a direct printing technique<br />
- suitable for mor<strong>da</strong>nt dyes and natural fibres<br />
- simple and economical to practise<br />
- lifelike and ecological<br />
The natural dyes printing technique step by step:<br />
- making the dyebath from the dye plants or from extraction<br />
- adding helping agents:<br />
- mor<strong>da</strong>nt to fix the dye to the fibre<br />
- urea to give the moisture needed during the process<br />
- adding the thickening agent to turn the liquor into the printing<br />
paste<br />
- printing<br />
- steaming<br />
- washing away the non-fixable dye and thickening agent from the<br />
printed fabric<br />
Kirsi Niinimäki, Ulla Lapiolahti<br />
Natural Dyes Product Research and Development Project<br />
EVTEK Institute of Art and Design<br />
Lummetie 2<br />
SF-01300 Vantaa, Finland<br />
kirsi.niinimaki@iad.evtek.fi; ulla.lapiolahti@iad.evtek.fi
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Züchtung ausgewählter gelbfärbender<br />
Pflanzen und Färberknöterich<br />
G. Wurl, A. Biertümpfel<br />
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, Dornburg<br />
1 Einleitung<br />
Ähnlich wie bei der Arzneipflanzenzüchtung kommt bei der <strong>Färberpflanzen</strong>züchtung<br />
der Qualitätszüchtung eine größere Bedeutung zu als der<br />
Quantitätszüchtung, wobei <strong>da</strong>s anzustrebende Zuchtziel wie bei anderen<br />
Kulturpflanzenarten in einer Kombination der höchsten Massenerträge<br />
mit den höchsten Wirkstoffgehalten besteht. Gerade weil nach allgemeiner<br />
Ansicht eine nachhaltige Anwendung von pflanzlichen Farbstoffen<br />
zur Färbung von Textilien, Leder, Papier und Holz nur erreicht wird,<br />
wenn sie ähnlich den synthetischen Farbstoffen als Pulver oder Pasten angeboten<br />
werden, sind zur Minimierung der hohen Extraktionskosten<br />
qualitativ hochwertige Rohstoffe erforderlich. Zwar lässt sich durch einen<br />
optimierten Anbau mit einer artgerechten Nährstoffversorgung, Unkrautbekämpfung,<br />
der Ernte zum optimalen Zeitpunkt und einer wertstoffschonenden<br />
Nacherntebehandlung die Qualität beträchtlich beeinflussen,<br />
weitaus größere Fortschritte sind aber nach dem bisherigen<br />
Kenntnisstand durch züchterische Maßnahmen zu erwarten.<br />
2 Material und Methoden<br />
In einem vorhergehendem von der FNR geförderten Projekt „Züchterische<br />
Bearbeitung wirtschaftlich bedeutsamer <strong>Färberpflanzen</strong> hinsichtlich<br />
Anbaueignung, Ertrag und Farbstoffgehalt“ ist ein umfangreiches und<br />
aussichtsreiches Ausgangsmaterial gesammelt und teilweise neu geschaf-<br />
Gülzow, 30. November 1995 81
82<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
fen und gleichzeitig Erkenntnisse über die Befruchtungsverhältnisse und<br />
Erblichkeit wichtiger Merkmale der farbliefernden Pflanzenarten gewonnen<br />
worden.<br />
Als besonders ertragsstarke, ertragssichere und in färberischer Hinsicht<br />
gut geeignete Arten sind unter den Gelbfarbstoffpflanzen Kanadische<br />
Goldrute (Soli<strong>da</strong>go canadensis), Färberwau (Rese<strong>da</strong> luteola) und Färberhundskamille<br />
(Anthemis tinctoria) sowie für Blaufärbungen<br />
Färberknöterich (Polygonum tinctorium) für weitere züchterische Arbeiten<br />
ausgewählt worden. Durch eine mehrjährige Prüfung einer Vielzahl von<br />
Herkünften von Färberhundskamille und Färberwau werden die in qualitativer<br />
und ertragsmäßiger Hinsicht besten ermittelt und zu anmeldungsfähigen<br />
Sorten (Färberhundskamille) bzw. Populationen zu entwickeln<br />
versucht.<br />
Bei der Kanadischen Goldrute konnte aufgrund der Ergebnisse des<br />
vorhergehenden Projektes sämtliches langstängliges Material ausgeschlossen<br />
werden. Für eine weitere züchterische Bearbeitung blieb nur<br />
die kurzstänglige Ziersorte ‚Goldkind’ (Pflanzenlänge
Züchtung ausgewählter gelbfärbender Pflanzen und Färberknöterich<br />
Tabelle 1: Farbstoffgehalte 1997-2000 verschiedener Färberhundskamille-<br />
Herkünfte sowie Erträge und Blühtermine 2000<br />
Herkunft<br />
A 1<br />
A 3<br />
A 4<br />
A 6<br />
A 7<br />
A 8<br />
A 9<br />
A 10<br />
A 11<br />
A 13<br />
A 16<br />
A 18<br />
A 19<br />
A 20<br />
A 22<br />
A 23<br />
A 24<br />
A 26<br />
1997<br />
-<br />
-<br />
4,28<br />
4,07<br />
4,34<br />
-<br />
3,75<br />
-<br />
3,35<br />
4,07<br />
4,21<br />
4,76<br />
-<br />
6,32<br />
3,78<br />
3,56<br />
3,85<br />
5,85<br />
Rang<br />
-<br />
-<br />
4<br />
7<br />
5<br />
-<br />
10<br />
-<br />
12<br />
7<br />
6<br />
3<br />
-<br />
1<br />
9<br />
11<br />
8<br />
2<br />
Farbstoffgehalt (% in der TM)<br />
1998<br />
-<br />
-<br />
6,35<br />
5,97<br />
6,32<br />
-<br />
6,57<br />
-<br />
5,95<br />
5,71<br />
5,44<br />
5,72<br />
-<br />
6,72<br />
6,32<br />
6,82<br />
5,71<br />
6,47<br />
Rang<br />
-<br />
-<br />
5<br />
7<br />
6<br />
-<br />
3<br />
-<br />
8<br />
9<br />
12<br />
11<br />
-<br />
2<br />
6<br />
1<br />
10<br />
4<br />
1999<br />
-<br />
-<br />
5,32<br />
4,90<br />
-<br />
6,09<br />
5,82<br />
6,98<br />
6,23<br />
5,68<br />
5,39<br />
5,23<br />
-<br />
5,43<br />
5,55<br />
5,68<br />
4,20<br />
5,94<br />
Ertrag 2000<br />
(dt TM/ha)<br />
Blühtermin<br />
2000<br />
1997 und 2000 nahezu 100 %. Leider wechseln die gegenseitigen Verhältnisse<br />
im Wirkstoffgehalt von Jahr zu Jahr. So nimmt A 20 1997 Rang 1,<br />
1998 Rang 2, 1999 Rang 9 und 2000 Rang 10 ein. Umgekehrt weist A 23<br />
1997 Rang 11, 1998 <strong>da</strong>gegen Rang 1 auf.<br />
Aus den Ergebnissen <strong>da</strong>rf deshalb sicher mit Recht geschlossen werden,<br />
<strong>da</strong>ss die Über- oder Unterlegenheit einer Färberhundskamilleherkunft<br />
in Bezug auf ihren Farbstoffgehalt in einen bestimmten Jahr nicht<br />
genetisch bedingt ist, sondern die Folge der Wirkung verschiedener<br />
Außenfaktoren <strong>da</strong>rstellt. Eine Ausnahme hierzu scheint allein die Herkunft<br />
A 26 zu sein, die mit ihren Werten über alle 4 Versuchsjahre in der<br />
Spitzengruppe liegt.<br />
Gülzow, 30. November 1995 83<br />
Rang<br />
-<br />
-<br />
11<br />
13<br />
-<br />
3<br />
5<br />
1<br />
2<br />
5<br />
10<br />
12<br />
-<br />
9<br />
8<br />
7<br />
14<br />
4<br />
2000<br />
3,41<br />
6,12<br />
5,91<br />
4,93<br />
-<br />
4,32<br />
3,73<br />
5,39<br />
-<br />
5,02<br />
6,01<br />
4,83<br />
5,34<br />
4,83<br />
3,12<br />
4,00<br />
4,91<br />
5,22<br />
Mittel 4,41 6,16 5,38 4,77<br />
s x 3,35-6,32 5,44-6,82 4,20-6,98 3,12-6,12<br />
Rang<br />
14<br />
1<br />
3<br />
8<br />
11<br />
13<br />
4<br />
7<br />
2<br />
10<br />
5<br />
10<br />
15<br />
12<br />
9<br />
6<br />
25,2<br />
26,6<br />
25,1<br />
21,2<br />
-<br />
23,0<br />
25,7<br />
24,3<br />
-<br />
22,4<br />
20,7<br />
10,6<br />
25,8<br />
22,7<br />
26,6<br />
19,4<br />
23,8<br />
26,7<br />
02.08<br />
02.08.<br />
02.08.<br />
03.08.<br />
-<br />
08.08.<br />
08.08.<br />
03.08.<br />
-<br />
08.08.<br />
08.08.<br />
17.08.<br />
17.08.<br />
17.08.<br />
09.08.<br />
04.08.<br />
04.08.<br />
04.08.
84<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Die Blütenerträge der Färberhundskamilleherkünfte sind nur für <strong>da</strong>s<br />
Jahr 2000 in Tabelle 1 aufgeführt. Mit Ausnahme der Herkunft A 18 unterscheiden<br />
sie sich nicht signifikant voneinander. Damit wird der bereits<br />
mehrfach festgestellte Befund bestätigt, <strong>da</strong>ss zwischen den einzelnen<br />
Herkünften (und auch innerhalb derselben) nur eine geringe Variabilität<br />
in Bezug auf <strong>da</strong>s Ertragsvermögen besteht und eine alleinige Selektion<br />
auf Blütenertrag bei Färberhundskamille nicht sinnvoll ist.<br />
Neben der Fortsetzung der Herkunftsprüfung und der Beschaffung<br />
neuer Herkünfte gilt es, durch Einzelpflanzenauslese aus der Herkunft A<br />
26 homozygote Stämme zu entwickeln. Das sollte keine allzu komplizierte<br />
Aufgabe sein, weil bei Färberhundskamille die Selbstbefruchtung<br />
vorherrschend ist. Die Herkunft A 26 ist frühblühend, so <strong>da</strong>ss mit relativ<br />
hoher Sicherheit eine zweite Blütenpflücke möglich ist. Gleichzeitig weist<br />
sie einen lockeren Blütensitz sowie eine gute Standfestigkeit auf und<br />
besitzt somit die technologische Eignung für eine maschinelle Blütenernte.<br />
Mangelhafte Standfestigkeit und zu fester Blütensitz waren im<br />
übrigen die Ursachen für <strong>da</strong>s Ausscheiden der nicht in der Tabelle 1 aufgeführten<br />
Herkünfte aus dem Prüfungsprozess.<br />
3.2 Färberwau<br />
Im Gegensatz zur Färberhundskamille ist Färberwau ein ausgesprochener<br />
Fremdbefruchter mit beträchtlichen Inzuchtdepressionen bereits in<br />
der 1. Inzuchtgeneration. Infolge der kurzen Projekt<strong>da</strong>uer ist es nur möglich,<br />
<strong>da</strong>s Herkunftsspektrum weiter zu verbreitern. Wegen der räumlich<br />
isolierten Vermehrung der einzelnen Herkünfte, z. B. in Botanischen Gärten<br />
dürfte es sich bei ihnen meistens um gut ausbalancierte Populationssorten<br />
handeln. Die besten von ihnen gilt es zu erhalten und nach Möglichkeit<br />
durch Entfernung negativer und morphologisch abweichender<br />
Typen zu verbessern. Der Aufbau neuer Sorten aus Synthetics kann im<br />
vorliegenden Projekt nur begonnen werden, weil die Züchtung reiner Linien<br />
mindestens 6 aufeinanderfolgende Generationen umfasst. Insgesamt<br />
ist aber die Aussicht, durch Züchtung bei Färberwau zu wesentlich besseren<br />
Formen zu gelangen als sie bisher angebaut werden, sehr groß. Das ist<br />
u. a. die Konsequenz aus den Ergebnissen der Ertragsprüfung 2000 mit 14<br />
Herkünften in Dornburg. Sie zeigen die große Variabilität zwischen den<br />
einzelnen Prüfgliedern sowohl in ertraglicher als auch insbesondere qualitätsmäßiger<br />
Hinsicht (Tab. 2).
Züchtung ausgewählter gelbfärbender Pflanzen und Färberknöterich<br />
Tabelle 2: Trockenmasseerträge, Farbstoffgehalte und Farbstofferträge von 14<br />
Färberwauherkünften, Dornburg 2000<br />
Herkunft TM-Ertrag<br />
(dt/ha)<br />
Farbstoffgehalt<br />
(% Luteolinäquivalent i. d. TM)<br />
Farbstoffertrag<br />
(kg/ha)<br />
1 37,1 2,35 87,6<br />
2 55,2 2,17 116,5<br />
3 37,4 3,59 139,3<br />
4 60,5 2,47 149,6<br />
5 34,9 3,35 112,3<br />
6 47,1 4,11 189,7<br />
7 43,7 3,89 170,3<br />
8 47,9 1,91 92,1<br />
9 51,2 2,06 105,4<br />
10 51,0 2,57 131,1<br />
11 49,7 3,35 160,0<br />
12 50,7 2,24 111,9<br />
13 32,9 1,32 43,0<br />
14 53,8 1,56 83,4<br />
Die großen Unterschiede des Farbstoffgehaltes der Herkünfte war<br />
auch bei der Probefärbung von Leder mit Extrakten, die aus ihnen<br />
gewonnen wurden, zu erkennen. Während die Färbungen der Herkünfte<br />
6 und 7 hinsichtlich Farbtiefe und Brillanz hervorragten, wirkten diejenigen<br />
der Herkünfte 13 und 14 ausgesprochen blass und stumpf. Farbstoffgehalt<br />
und Biomasseertrag sind bei Färberwau nicht miteinander korreliert,<br />
wie Abbildung 1 verdeutlicht, wo die gegenseitige Abhängigkeit der<br />
Werte der Tabelle 1 noch einmal grafisch <strong>da</strong>rgestellt ist.<br />
Aus den ermittelten Zusammenhängen ergibt sich, <strong>da</strong>ss kurzfristig<br />
die Selektion der farbstoffreichsten Formen eine indirekte Selektion auf<br />
die höchsten Farbstofferträge pro Flächeneinheit, auf die es bekanntlich<br />
ankommt, bedeutet. Langfristig ist eine Kombination der ertragreichsten<br />
Gülzow, 30. November 1995 85
86<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Abbildung 1: Beziehungen zwischen Ertrag und Farbstoffgehalt und -ertrag bei<br />
Färberwauherkünften, Dornburg 2000
Züchtung ausgewählter gelbfärbender Pflanzen und Färberknöterich<br />
Typen mit solchen höchster Qualität anzustreben. Ähnliche Beziehungen<br />
wie 2000 konnten auch bereits in früheren Versuchen beobachtet werden.<br />
3.3 Kanadische Goldrute<br />
Obgleich bei der Kanadischen Goldrute Fremdbefruchtung vorherrscht<br />
und sämtliche wild vorkommende Bestände Hybridpopulationen sein<br />
dürften, reagiert sie auf Selbstbefruchtung nicht negativ. Die Sorte ‚Goldkind’<br />
z. B., die auf einen hohen Blütenanteil und <strong>da</strong>mit indirekt auf einen<br />
hohen Farbstoffgehalt (die Farbstoffe der Goldrute sind vor allem in der<br />
Blüte enthalten) gezüchtet worden ist, kann ohne Inzuchtdepressionen<br />
bei isoliertem Anbau samenecht vermehrt werden. In dichten Beständen<br />
erscheint diese Zierform vollkommen homogen. Bei weiten Pflanzabständen<br />
zeigen sich Unterschiede zwischen den Einzelpflanzen hinsichtlich<br />
ihrer Zeitigkeit (Tab. 3) und auch bei der Pflanzenlänge.<br />
Tabelle 3: Blühtermin der aus einer Großparzelle selektierten Einzelpflanzen<br />
der Sorte ‚Goldkind‘, Dornburg 2000<br />
Pflanzennummer Blühtermin<br />
1 - 19<br />
20 - 55<br />
56 - 77<br />
78 - 112<br />
03.07.2000<br />
07.07.2000<br />
11.07.2000<br />
19.07.2000<br />
Quantitative Bestimmungen der Farbstoffgehalte und des Gewichtes<br />
der Einzelpflanzen weisen eine hohe Variabilität für die beiden Merkmale<br />
aus, wie aus den beiden Modifikationskurven ersichtlich ist (Abb. 2 u. 3).<br />
Um zu ergründen, ob die festzustellende Variabilität allein umweltbedingt<br />
oder genetisch bedingt ist, sind 19 ‚Goldkind’-Einzelpflanzen 1997<br />
geklont und der Farbstoffgehalt (und auch der Ertrag) der einzelnen<br />
Klone in den <strong>da</strong>rauffolgenden Jahren bestimmt worden. Die Ergebnisse<br />
der Farbstoffgehalt-Bestimmung von 5 ausgewählten Klonen sind in<br />
Tabelle 4 aufgeführt.<br />
Von den 5 Klonen wiesen 4 von ihnen als Einzelpflanzen 1996 Spitzenwerte<br />
hinsichtlich des Farbstoffgehaltes auf, während die 5. 1996 nur<br />
einen mittleren Wert erreichte. Wenn man die Werte des Jahres 1997, die<br />
wahrscheinlich als eine Folge des Verklonens total aus dem Rahmen fal-<br />
Gülzow, 30. November 1995 87
88<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Abbildung 2: Verteilung der Einzelwerte des Trockenmasseertrages bei ‚Goldkind’-Einzelpflanzen,<br />
Dornburg 2000 (n=112)<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Abbildung 3: Verteilung der Einzelwerte des Farbstoffgehaltes bei ‚Goldkind’-Einzelpflanzen,<br />
Dornburg 2000 (n=104)
Züchtung ausgewählter gelbfärbender Pflanzen und Färberknöterich<br />
Tabelle 4: Farbstoffgehalte ausgewählter „Goldkind“-Klone 1996-2000<br />
Klon-<br />
Nr.<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
1996<br />
4,11<br />
3,83<br />
3,67<br />
3,59<br />
4,80<br />
Rang<br />
2<br />
4<br />
5<br />
8<br />
1<br />
len, ausklammert, zeigt sich, <strong>da</strong>ss unter den 19 Klonen mit der Nr. 1<br />
immerhin einer ist, der über alle Jahre seine Spitzenposition beibehält<br />
und <strong>da</strong>mit zumindest eine hohe Umweltstabilität seines Farbstoffgehaltes<br />
aufweist, was die Selektion weiterer farbstoffreicher Idiotypen aus den<br />
‚Goldkind’-Pflanzen erfolgreich erscheinen lies. Aus diesem Grunde ist<br />
im Jahr 2000 mit einem neuen Selektionszyklus von ‚Goldkind’-Einzelpflanzen<br />
begonnen worden.<br />
3.4 Färberknöterich<br />
1997<br />
1,75<br />
2,56<br />
1,86<br />
1,69<br />
1,83<br />
Farbstoffgehalt (% in der TM)<br />
Rang<br />
14<br />
2<br />
11<br />
15<br />
12<br />
1998<br />
4,15<br />
2,82<br />
2,27<br />
3,07<br />
3,89<br />
Färberknöterich ist ein strenger Selbstbefruchter, was sicher die geringe<br />
Variabilität innerhalb einer Herkunft aber auch möglicherweise die beschränkte<br />
Variabilität zwischen den Herkünften erklärt. Um hier eine<br />
Veränderung zu erreichen, bietet sich eine mutagene Behandlung an. Von<br />
den in Abständen von 30 x 30 cm gepflanzten 5.000 Einzelpflanzen wurden<br />
in 2000 231 auf ihren Farbstoffgehalt (= Indicangehalt) untersucht.<br />
Mehr war aus Kapazitätsgründen (20 Einzelpflanzen pro Tag) nicht möglich.<br />
Alle 231 untersuchten Einzelpflanzen stammten aus der Variante<br />
‚6 mM NMH’. Im Gegensatz zur Variante ‚10 mM NaN 3’ waren hier mehrere<br />
morphologisch veränderte Pflanzen zu beobachten, so <strong>da</strong>ss hier auch<br />
bei weiteren Merkmalen mit einer mutativen Veränderung gerechnet<br />
werden konnte. Über die Variabilität der ermittelten Werte berichtet Tabelle<br />
5.<br />
Gülzow, 30. November 1995 89<br />
Rang<br />
1<br />
6<br />
14<br />
3<br />
8<br />
1999<br />
3,53<br />
4,08<br />
3,18<br />
3,25<br />
3,89<br />
Rang<br />
6<br />
1<br />
11<br />
10<br />
2<br />
2000<br />
4,57<br />
2,71<br />
2,83<br />
3,86<br />
3,58<br />
Mittel 3,42 1,94 2,72 3,12 3,38<br />
n 19 19 16 16 18<br />
s x 2,84-4,80 0,98-2,67 1,98-4,15 1,52-4,08 2,37-4,57<br />
Rang<br />
1<br />
15<br />
12<br />
5<br />
9
90<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Tabelle 5: Variabilität des Mutationsramsches, Dornburg 2000<br />
Merkmal n Mittel Minimum Maximum s s x<br />
Indicangehalt (% TM) 231 4,51 0,0 8,89 1,77 0,12<br />
Die Einzelwerte für den Indicangehalt folgen weitgehend einer Normalverteilung<br />
(Abb. 4).<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Abbildung 4: Verteilung der Einzelwerte des Indicangehaltes bei Färberknötericheinzelpflanzen,<br />
Dornburg 2000<br />
Außerhalb des für die Beurteilung der Variabilität üblichen Bereiches<br />
0 + 2 s (= 8,05 % Indican in der Blatttrockenmasse) liegen 6 Pflanzen. Sie<br />
sollten mit 95%iger Wahrscheinlichkeit veränderte Idiotypen <strong>da</strong>rstellen.<br />
Wenn man jeden Erntetermin für sich betrachtet, ergeben sich die in<br />
Tabelle 6 wiedergegebenen Verhältnisse.<br />
Danach sind die Mittelwerte wie auch die Maximalwerte der Farbstoffgehalte<br />
zu den einzelnen Ernteterminen sehr unterschiedlich, was<br />
auf eine starke Umweltabhängigkeit des Merkmals hinweist. Immerhin<br />
sind es 10 Pflanzen, die <strong>da</strong>nn die vorgegebene Selektionsgrenze überschreiten.<br />
Mit Werten zwischen 7,60 und 8,89 % Indican i. d. TM weisen<br />
die positiven Abweicher relativ hohe und konstante Gehalte an der Indi-
Züchtung ausgewählter gelbfärbender Pflanzen und Färberknöterich<br />
Tabelle 6: Variabilität des Indicangehaltes von<br />
Färberknöterich-Einzelpflanzen zu verschiedenen Ernteterminen,<br />
Dornburg 2000<br />
Erntetermin<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
9<br />
10<br />
11<br />
n<br />
20<br />
20<br />
20<br />
20<br />
20<br />
20<br />
20<br />
20<br />
20<br />
30<br />
21<br />
Mittel<br />
3,11<br />
4,09<br />
4,37<br />
5,20<br />
4,66<br />
3,21<br />
3,18<br />
4,57<br />
6,08<br />
5,08<br />
5,72<br />
govorstufe auf. Das bedeutet, wenn sie sich bestätigen sollte, eine Erhöhung<br />
der Farbstoffausbeute um mindestens 70 % gegenüber dem bisherigen<br />
Material. Von allen Mutanten sowie weiteren 10 Pflanzen, die nahezu<br />
mit ihren Indicangehalten an die Selektionsgrenze heranreichen, ist Saatgut<br />
geerntet worden, <strong>da</strong>s <strong>2001</strong> in größerem Umfang angebaut und in<br />
mehreren Wiederholungen zu verschiedenen Ernteterminen auf den<br />
Farbstoffgehalt untersucht wird.<br />
4 Zusammenfassung<br />
Indicangehalt (% i.d.TM) Anzahl Pflan-<br />
Minimum<br />
1,00<br />
1,43<br />
2,17<br />
2,82<br />
0,00<br />
0,00<br />
1,45<br />
3,00<br />
4,40<br />
2,51<br />
2,73<br />
Maximum<br />
7,60<br />
6,50<br />
7,14<br />
8,86<br />
7,94<br />
6,78<br />
4,38<br />
7,69<br />
8,78<br />
8,89<br />
8,04<br />
s s x<br />
1,81<br />
1,41<br />
1,29<br />
1,45<br />
1,74<br />
1,97<br />
0,83<br />
1,45<br />
1,28<br />
1,57<br />
1,52<br />
0,40<br />
0,32<br />
0,29<br />
0,32<br />
0,39<br />
0,44<br />
0,19<br />
0,32<br />
0,29<br />
0,29<br />
0,33<br />
zen mit > (X +<br />
2s) % Indican<br />
Bei den bisherigen Untersuchungen hat sich immer wieder gezeigt, <strong>da</strong>ss<br />
einzelne Herkünfte und einzelne Individuen der wichtigen Gelbfarbstoffpflanzen<br />
Färberhundskamille, Färberwau und Kanadische Goldrute hinsichtlich<br />
des Merkmals Farbstoffgehalt über <strong>da</strong>s Mittel hinausragen.<br />
In mehrjährigen Untersuchungen hat sich außerdem herausgestellt,<br />
<strong>da</strong>ss diese Überlegenheit nicht nur durch verschiedene Umweltfaktoren<br />
verursacht wird, sondern offenbar genetisch bedingt ist. Es besteht <strong>da</strong>mit<br />
die berechtigte Hoffnung, <strong>da</strong>ss es sein sollte, ausgeglichene Stämme bzw.<br />
Populationen zu entwickeln, die im Hinblick auf ihre Qualität und deren<br />
Gülzow, 30. November 1995 91<br />
1<br />
0<br />
1<br />
1<br />
1<br />
0<br />
0<br />
2<br />
3<br />
1<br />
0
92<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
jahresstabile Ausprägung dem bisher angebauten Material deutlich überlegen<br />
sind.<br />
Bei Färberknöterich wird eine qualitative Verbesserung durch Identifizierung<br />
und Auslese positiver Mutanten aus einem Mutationsramsch<br />
zu erreichen versucht.<br />
Dr. G. Wurl, Dipl. Ing. agr. A. Biertümpfel<br />
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft<br />
Apol<strong>da</strong>er Str. 4<br />
D-07778 Dornburg<br />
a.biertuempfel@dornburg.tll.de
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Ergebnisse der züchterischen<br />
Bearbeitung von Färberkrapp<br />
(Rubia tinctorum m L.)<br />
S. Siebenborn, R. Marquard<br />
Justus-Liebig-Universität Gießen<br />
1 Einleitung<br />
Anbau und Verwendung von <strong>Färberpflanzen</strong> waren bis ins ausgehende<br />
19. Jahrhundert in Europa weit verbreitet und Rubia tinctorum L., auch<br />
Krapp oder Färberröte genannt, war die wichtigste Pflanze für die Rotfärbung<br />
von Textilien (ROTH et al., 1992; SCHWEPPE, 1992). Die Pflanze ist<br />
eine mehrjährige Staude aus der Familie der Rötegewächse (Rubiaceae).<br />
Charakteristisch ist der knorrige Wurzelkopf, dem zahlreiche lange Wurzeln<br />
und z. T. auch Ausläufer entspringen (KÖRBER-GROHNE, 1987;<br />
RENZ-RATHFELDER, 1990; SCHÖNFELDER & SCHÖNFELDER, 1995; AICHELE &<br />
SCHWEGLER, 1995).<br />
Hauptkomponente des Gesamtfarbstoffkomplexes ist Alizarin<br />
(1,2-Dihydroxyanthrachinon), welches an den Zucker Primverose glykosidisch<br />
gebunden ist. Weiterhin kommen in den Wurzeln noch Purpurin<br />
und Pseudopurpurin sowie in geringeren Anteilen Rubiadin und Munjistin<br />
vor, ebenfalls weitgehend in glykosidischer Bindung (BERGER, 1960;<br />
SCHWEPPE, 1992).<br />
Im Jahr 1869 wurden weltweit noch ca. 70.000 t Krappwurzeln produziert.<br />
Im gleichen Jahr gelang GRAEBE und LIEBERMANN die chemische<br />
Darstellung des wichtigsten Krappfarbstoffes Alizarin. Die Folge<br />
war eine wesentlich billigere Produktion des synthetischen Farbstoffes,<br />
so <strong>da</strong>ss der Krapp innerhalb kurzer Zeit völlig vom Markt verdrängt<br />
wurde (SCHAEFER, 1940; BIELIG, 1956; PLOSS, 1962; ZÄHRINGER, 1980;<br />
Gülzow, 30. November 1995 93
94<br />
<br />
<br />
(Primverose)<br />
Ruberythrinsäure: : R1 = R2 = H<br />
Galiosin: : R1 = COOH, R2 = H R1 = COOH, R2 = H<br />
<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
R1 R2 R3<br />
Alizarin OH H H<br />
Pseudopurpurin OH COOH OH<br />
Purpurin OH H OH<br />
Purpuroxanthin H OH H<br />
Rubianin Glucose OH H<br />
Rubiadin CH3 OH H<br />
Lucidin CH2OH OH H<br />
Munjistin COOH OH H<br />
Xanthopurpurin H OH H<br />
Abbildung 1: Färbewirksame Anthrachinonderivate in Rubia tinctorum L.<br />
(nach KARRER, 1958; WIJNSMA & VERPOORTE, 1986; SCHWEPPE,<br />
1992)<br />
BRÜGGEMANN & BÖHMER, 1982; BIEN et al., 1985; ZOLLINGER, 1987; HOF-<br />
MANN, 1992a/b; SCHWEPPE, 1992). Lediglich aufgrund der Tatsache, <strong>da</strong>ss<br />
mit Krapppräparaten auch bei der Behandlung von Nierensteinen nachweisbare<br />
Erfolge erzielt wurden, und die Wurzeltinktur in der Homöopathie<br />
von Bedeutung war, fand bis vor wenigen Jahren in Mitteleuropa<br />
noch ein begrenzter Anbau als Arzneipflanze statt (SCHNEIDER, 1974;<br />
HOPPE, 1977; ZEPERNICK et al., 1983; SCHILCHER, 1984; HAAS 1991; SCHLOS-<br />
SER et al., 1991, SCHNEIDER & HILLER, 1999).<br />
Heute ist der Krapp nur noch an Wildstandorten im östlichen Mittelmeergebiet<br />
und in Vorderasien zu finden. In den letzten Jahren kam<br />
durch die steigende Nachfrage nach Naturfarbstoffen eine mögliche Wiederbelebung<br />
der Krappkultur in die Diskussion. In Deutschland wird<br />
angestrebt, die steigende Nachfrage nach Naturfarbstoffen durch Produkte<br />
aus einheimischem Anbau zu decken. Dabei sollten gezielt Pflanzen<br />
ausgewählt werden, die unter mitteleuropäischen Klimabedingungen<br />
rentabel angebaut werden können und die benötigte Farbpalette<br />
abdecken. Weil der Krapp eine der wenigen Farbstoffpflanzen zur Rotfär-
Ergebnisse der züchterischen Bearbeitung von Färberkrapp<br />
bung ist besteht großes Interesse an seiner Inkulturnahme, <strong>da</strong> aus Wildsammlung<br />
stammende Färbedrogen in der Farbstoffqualität stark<br />
schwanken (EGGERS, 1997; VETTER, 1997; VETTER et al., 1997). Dadurch<br />
können bei den Endprodukten erhebliche Farbvariationen auftreten.<br />
Diese Schwierigkeiten könnten durch die Inkulturnahme des Krapps und<br />
die Optimierung des Anbauverfahrens sowie die Bereitstellung von Sorten<br />
mit einheitlichen Farbstoffgehalten überwunden werden (MARQUARD<br />
& SIEBENBORN, 1999 & 2000). Da der Krapp seit ca. 100 Jahren nicht mehr<br />
kultiviert wird, gibt es auch keine als anbauwürdig anerkannten Herkünfte<br />
oder Sorten (HEEGER, 1956). Das primäre Ziel ist <strong>da</strong>her die Gewinnung,<br />
Evaluierung und Selektion von Basismaterial, welches die Grundlage<br />
für die Entwicklung leistungsfähiger Sorten bilden soll. Diese<br />
Arbeiten wurden 1995 in der Türkei mit einem von DFG und GTZ unterstütztes<br />
Projekt begonnen und seit 1999 im Rahmen eines von der FACH-<br />
AGENTUR NACHWACHSENDE ROHSTOFFE (FNR) geförderten Verbundprojektes<br />
zur züchterischen Bearbeitung von Farbstoffpflanzen fortgesetzt.<br />
2 Material und Methoden<br />
Herkunftsscreening und Selektion<br />
Im Jahr 1992 wurden in der türkischen Provinz Cesme aus dort vorkommenden<br />
Wildpopulationen jeweils Samen von 96 Einzelpflanzen gesammelt<br />
und auf dem Versuchsfeld in Antalya ausgesät. Die Wurzeln wurden<br />
im Frühjahr 1995 von Hand gerodet, die 13 ertragsfähigsten Stämme<br />
nach Ertragskriterien selektiert und zur Anlage von Leistungsprüfungen<br />
über Wurzelstecklinge vermehrt. Von allen Herkünften wurden für qualitätsanalytische<br />
Untersuchungen Wurzelproben bei 40 °C getrocknet.<br />
Stecklingspflanzen der 13 selektierten türkischen Herkünften (Cesme-Selektionen)<br />
wurden 1996 Rauischholzhausen in Gefäßen kultiviert, zusammen<br />
mit neun Krappherkünften, angezogen aus Samen von botanischen<br />
Gärten in Westeuropa. Dieses Sortiment wurde noch ergänzt von zwei<br />
Herkünften der thüringischen Landesanstalt („Artern“ und „England“),<br />
die 1997 nach Anzucht aus Samen in Gefäße gepflanzt wurden. Eine Erweiterung<br />
des Sortimentes erfolgte 1998 mit der Aussaat von 30 Einzelpflanzenachkommen<br />
aus Wildsammlung in Usak (vgl. Abb. 2).<br />
Im November 1997 wurden von den 1996 gepflanzten Herkünften aus<br />
Cesme und botanischen Gärten zwei bis drei Gefäße geerntet, die Wurzel-<br />
Gülzow, 30. November 1995 95
96<br />
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<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
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Abbildung 2: Übersicht über die Züchtungsarbeiten mit Rubia tinctorum L.<br />
von 1992-2000
Ergebnisse der züchterischen Bearbeitung von Färberkrapp<br />
frischmasse bestimmt und die einzelnen Wurzeln in drei Fraktionen<br />
geteilt: Ein Teil wurde in Styroporkästen mit Sand bedeckt bei 5 °C gelagert,<br />
der Rest für Farbstoffanalysen und zur Bestimmung der Gesamttrockenmasse<br />
teils 72 h bei 40 °C und teils 12 h bei 105 °C getrocknet.<br />
Nach Bestimmung der Farbstoffgehalte wurden Einzelpflanzen nach<br />
Ertrag, besonderen Eigenschaften (Blühbeginn u.a) und hohem Farbstoffgehalt<br />
selektiert. Ursprünglich war geplant, die Einzelpflanzen ausschließlich<br />
über Wurzelstecklinge zu vermehren. Da jedoch einige der<br />
über Winter eingelagerten Wurzeln im Frühjahr nicht mehr austrieben,<br />
wurden selektierte Pflanzen teilweise auch über Samen vermehrt.<br />
Von den 27 zur Selektion ausgewählten Einzelpflanzen konnten 13<br />
über Wurzelstecklinge vermehrt werden. Insgesamt wurden 66 Nachkommen<br />
von 22 selektierten Einzelpflanzen im Frühjahr 1998 in Gefäße<br />
gepflanzt. Insgesamt wurden 103 Einzelpflanzen nach morphologischen<br />
Kriterien (Wuchshöhe, Blattgröße, Blühbeginn, Bestockung, Stängeldurchmesser,<br />
Wurzelmorphologie) charakterisiert. Nach der Ernte im<br />
zweiten Jahr wurden Wurzelertrag und Farbstoffgehalt bestimmt und die<br />
Daten mittels Clusteranalyse (UPGMA) verrechnet. Von Einzelpflanzenselektionen,<br />
bei denen ausreichend Samen vorlagen, wurden zusätzlich<br />
zehn Pflanzen in Einzelparzellen ins Freiland gepflanzt (Pflanzabstand<br />
30 x 30 cm).<br />
Qualitätsanalytik<br />
Über die Entwicklung einer photometrischen Schnellmethode zur Bestimmung<br />
des Farbstoffgehaltes wurde bereits 1999 auf dem <strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong><br />
ausführlich berichtet (MARQUARD & SIEBENBORN, 1999).<br />
Parallel zu den photometrischen Analysen wurden auch Probefärbungen<br />
durchgeführt. Dazu wurden 0,5 g gemahlene Wurzeln in 50 ml Wasser<br />
über Nacht vorfermentiert, im Einweichwasser 10 min bei 100 °C<br />
erhitzt und filtriert. In dem so gewonnenen Farbstoffextrakt wurde ein<br />
mit 0,6 %iger Alaunlösung behandeltes Wollgewebe 1 h bei 70 °C gefärbt<br />
(SIEBENBORN, <strong>2001</strong>).<br />
Gülzow, 30. November 1995 97
3 Ergebnisse und Schlussfolgerungen<br />
98<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Wurzelerträge der Herkünfte aus Wildsammlung in Cesme/Türkei<br />
Von 96 Einzelpflanzennachkommen wurden nach dreijähriger Kultur auf<br />
dem Standort Antalya die Wurzelerträge ermittelt. Umgerechnet auf dt/<br />
ha lag der Mittelwert bei 22,4 dt mit einer Variationsbreite von<br />
5,6-55,5 dt/ha.<br />
Farbstoffqualität<br />
Um einen Überblick über Farbintensität und Farbstoffzusammensetzung<br />
der verschiedenen Wurzelextrakte zu erhalten, wurden bei allen<br />
Cesme-Herkünfte die Farbstoffgehalte nach der photometrischen Methode<br />
bestimmt. Die Variationsbreite der Farbstoffgehalte lag zwischen<br />
2,4 und 4,4 % Farbstoff in der Trockenmasse.<br />
Bei ersten Probefärbungen zeigte sich, <strong>da</strong>ss die analytisch bestimmten<br />
Farbstoffgehalte von Wurzelextrakten in der Farbintensität der mit den<br />
entsprechenden Wurzelproben gefärbten Wolle sichtbar wurden. Somit<br />
stellt die photometrisch ermittelte Variation im Farbstoffgehalt ein objektives<br />
Auswahlkriterium für die zukünftige Selektion <strong>da</strong>r. Auf Grundlage<br />
der bei den türkischen Herkünften ermittelten Variation wurden vorläufige<br />
Qualitätskriterien festgelegt:<br />
Gute Farbstoffqualität: Farbstoffgehalt > 3,5 % in der<br />
Wurzeltrockenmasse<br />
Schlechte Farbstoffqualität: Farbstoffgehalt < 2,8 % in der<br />
Wurzeltrockenmasse<br />
Charakterisierung der Rubia-Herkünfte 1998-1999<br />
Mehr als die Hälfte der Rubia-Pflanzen in Rauischholzhausen überstand<br />
den Winter nicht, so <strong>da</strong>ss im zweiten Jahr nur 42 Einzelpflanzen geerntet<br />
werden konnten. In Tabelle 1 sind die Korrelationen zwischen den Charakterisierungsmerkmalen<br />
der Herkunftsversuche 1999 <strong>da</strong>rgestellt. Die<br />
Korrelationen wurden nach PEARSON, bzw. bei ordinalskalierten oder<br />
nicht normalverteilten Daten nach SPEARMAN berechnet. Signifikante<br />
Wechselbeziehungen zeigen sich insbesondere zwischen den verschiedenen<br />
Parametern des Krautwachstums. Die eigentlichen Leistungsmerk-
Ergebnisse der züchterischen Bearbeitung von Färberkrapp<br />
male Wurzeltrockenmasse und Farbstoffgehalt weisen keine Korrelation<br />
mit Merkmalen des oberirdischen Habitus auf. Eine negative Beziehung<br />
besteht allerdings zwischen Wurzelmorphologie und Farbstoffgehalt<br />
(r = -0,602**).<br />
Tabelle 1: Korrelationstabelle der Charakterisierungsmerkmale bei den<br />
Herkunftsversuchen 1999 in Gefäßen<br />
Tage bis Blüte<br />
(Pearson)<br />
Wuchshöhe<br />
(Pearson)<br />
Stängeldurchmesser<br />
(Spearman)<br />
Battbreite<br />
(Pearson)<br />
Blattlänge<br />
(Pearson)<br />
Wurzel-TM<br />
(Spearman)<br />
Farbstoffgehalt<br />
(Pearson)<br />
Wurzelmorph.<br />
(Spearman)<br />
Bestockung<br />
(Spearman)<br />
Tage bis Blüte<br />
-0,495**<br />
Wuchshöhe<br />
-0,443** 0,674**<br />
Stängeldurchmesser<br />
-0,289 0,457** 0,596**<br />
Gülzow, 30. November 1995 99<br />
Blattbreite<br />
-0,206 0,401** 0,591** 0,712**<br />
Blattlänge<br />
-0,204 0,025 -0,112 0,032 0,029<br />
Wurzel-TM<br />
-0,049 0,078 0,058 -0,171 0,035 -0,040<br />
Farbstoffgehalt<br />
0,038 0,252 0,213 0,393* 0,282 -0,085 -0,602**<br />
Wurzelmorphol.<br />
0,166 -0,436** -0,700** -0,690** -0,699** 0,190 0,045 -0,229<br />
* Die Korrelation ist auf dem Niveau von 5% (2-seitig) signifikant<br />
** Die Korrelation ist auf dem Niveau von 1% (2-seitig) signifikant
100<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Tabelle 2: Faktorladungen der Variablen im Gefäßversuch mit verschiedenen<br />
Einzelpflanzennachkommen von Rubia tinctorum L<br />
Bestockung -0,852<br />
Stängeldurchmesser 0,847<br />
Blattlänge 0,811<br />
Blattbreite 0,788<br />
Komponente<br />
1 2 3<br />
Wuchshöhe 0,624 0,563<br />
Farbstoffgehalt -0,831<br />
Wurzelmorphologie 0,761<br />
Blühbeginn -0,838<br />
Wurzelertrag 0,536<br />
Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse<br />
Rotationsmethode:Varimax mit Kaiser-Normalisierung<br />
Mit den gleichen Daten wurde auch eine Hauptkomponentenanalyse<br />
durchgeführt Die Anzahl der Faktoren wurde nach dem Kaiser-Kriterium<br />
(Eigenwert > 1) bestimmt. Auf diese Weise wurden drei Faktoren extrahiert,<br />
die insgesamt 73 % der Varianz der Variablen erklären. Dabei weist<br />
der Faktor 1 mit Abstand den größten Eigenwert auf. Mit diesem Faktor<br />
sind die Variablen Stängeldurchmesser, Blattlänge, Blattbreite und<br />
Wuchshöhe positiv und die Bestockung negativ verknüpft. Dies geht aus<br />
der Tabelle 2 hervor, in der die Faktorladungen der Variablen nach einer<br />
„Varimax-Rotation“ <strong>da</strong>rgestellt sind. Zur besseren Übersichtlichkeit wurden<br />
Faktorladungen < 0,5 nicht aufgeführt. Faktor 2 lädt hauptsächlich<br />
auf die Merkmale Farbstoffgehalt und Wurzelmorphologie, während<br />
Faktor 3 in korrelativer Beziehung zu Blühbeginn, Wuchshöhe und Wurzeltrockenmasse<br />
steht.<br />
Abbildung 3 zeigt <strong>da</strong>s Dendrogramm einer Clusteranalyse, zu deren<br />
Berechnung die drei in der Hauptkomponentenanalyse ermittelten Faktoren<br />
als Variablen herangezogen wurden. Danach können fünf Gruppen<br />
unterschieden werden, in denen die Einzelpflanzen mehr oder weniger
Ergebnisse der züchterischen Bearbeitung von Färberkrapp<br />
Abbildung 3: Clusteranalyse für die Einzelpflanzennachkommen aus Wildsammlung<br />
in Usak sowie für die Selektionen aus Cesme (C) und<br />
Westeuropa Ma., Ar., Kö.)<br />
Gülzow, 30. November 1995 101
102<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
große Ähnlichkeit zueinander aufweisen. Die Herkünfte aus Westeuropa<br />
befinden sich in einem Cluster und unterscheiden sich von den türkischen<br />
Herkünften aus Cesme und Usak hauptsächlich durch Merkmale,<br />
die <strong>da</strong>s Krautwachstum charakterisieren. Die Pflanzen wurden sehr hoch<br />
mit einem dominanten Haupttrieb und großen Blättern. Die Pflanzen aus<br />
Usak waren im Vergleich <strong>da</strong>zu kleinwüchsig mit schmalen Blättern und<br />
vielen Bestockungstrieben. Dies gilt besonders für die Herkünfte, die in<br />
Cluster III vereinigt sind und sich durch hohe Wurzelerträge und gute<br />
Farbstoffgehalten auszeichnen. Die Herkünfte aus Cesme werden hauptsächlich<br />
den Clustern I und VI zugeordnet. Die Pflanzen im Cluster I weisen<br />
relativ hohe Farbstoffgehalte auf. Die Gruppe VI besteht aus zwei Einzelpflanzen<br />
der Selektion C73, die zwar einen hohen Wurzelertrag<br />
(Mittel = 29,4 g), aber einen niedrigen Farbstoffgehalt (Mittel = 2,10 %)<br />
aufweisen. Diese Genotypen sind charakterisiert durch einen hohen<br />
Haarwurzelanteil. Dies führt zu hohen Wurzelerträgen, aber niedrigen<br />
Farbstoffgehalten. Auch die Korrelationsberechnungen (Tab. 1) zeigen,<br />
<strong>da</strong>ss zwischen Wurzelmorphologie und Farbstoffgehalt ein Zusammenhang<br />
besteht (r = -0,602**). Das heißt, Pflanzen mit bräunlichen Wurzeln<br />
und einem hohen Haarwurzelanteil (hohe Boniturnote) wiesen meist<br />
niedrige Farbstoffgehalte auf. In der Abbildung 4 sind die Ergebnisse der<br />
Wurzelbonitur für die Selektionen aus Cesme und botanischen Gärten<br />
sowie für Wildpflanzennachkommen aus Usak <strong>da</strong>rgestellt.<br />
Daraus geht hervor, <strong>da</strong>ss die Wildherkünfte aus Usak mit einem Boniturmittel<br />
von 3,3 mehr zu einem lichten Wurzeltyp mit wenig Haarwurzeln<br />
tendierten. Die Selektionen aus Cesme wiesen bedingt durch einen<br />
hohen Feinwurzelanteil im Mittel eine Boniturnote von 5 auf. Bemerkenswert<br />
ist, <strong>da</strong>ss die Herkünfte aus Usak im Mittel den höchsten Farbstoffgehalt<br />
und somit einen hohen Farbstoffertrag erbrachten, obwohl der mittlere<br />
Wurzelertrag mit 14,7 g deutlich unter dem der Nachkommen aus<br />
Cesme und Artern lag. Die vegetativ vermehrten Herkünfte aus Cesme<br />
wiesen die niedrigsten Farbstoffgehalte auf, verbunden mit einer hohen<br />
Boniturnote für die Wurzelbeschaffenheit. Eine besonders starke Haarwurzelbildung<br />
wurde bei den über Samen aus isolierter Abblüte vermehrten<br />
Pflanzen (Cesme IS) beobachtet, Farbstoffgehalte und -erträge<br />
lagen aber auf einem durchschnittlichen Niveau. Aus botanischen Gärten<br />
lagen nur drei Einzelpflanzennachkommen vor, die aufgrund geringer<br />
Wurzelmassebildung und niedriger Farbstoffgehalte den schlechtesten<br />
Farbstoffertrag erbrachten.
Leistungprüfungen in Aydin/Türkei<br />
<br />
Ergebnisse der züchterischen Bearbeitung von Färberkrapp<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Abbildung 4: Wurzelmorphologie und Farbstoffertrag bei Einzelpflanzennachkommen<br />
aus Usak und den selektierten Herkünften aus Cesme<br />
und bot. Gärten<br />
Die Abbildung 5 zeigt die Ergebnisse der Leistungsprüfung in Aydin.<br />
Nach der Varianzanalyse liegen signifikante Unterschiede im Wurzelertrag<br />
zwischen den Jahren und zwischen den Herkünften sowie signifikante<br />
Wechselwirkungen zwischen Herkunft und Jahr vor. Der Wurzelertrag<br />
war im dritten Jahr mit einem Mittelwert von 25,7 dt/ha<br />
signifikant höher als im zweiten Jahr, in dem nur durchschnittlich 7,3 dt/<br />
ha geerntet wurden.<br />
Während im zweiten Jahr zwischen den einzelnen Prüfgliedern kaum<br />
statistisch gesicherte Unterschiede vorliegen, wurden für <strong>da</strong>s dritte Jahr<br />
mittels Tukey-Test signifikante Ertragsdifferenzen ermittelt. Als besonders<br />
ertragreich erwiesen sich die Selektionen C54, C29 und C66. Letztere<br />
hatte allerdings in beiden Jahren den niedrigsten Farbstoffgehalt. Bei der<br />
Variante C54 lagen die Gehalte immer über 3 %, so <strong>da</strong>ss hier im zweiten<br />
Gülzow, 30. November 1995 103<br />
<br />
<br />
OA: Vermehrung über Samen aus offener Abblüte W: Vermehrung über Wurzelstecklinge<br />
IS: Vermehrung über Samen aus Isolation
104<br />
<br />
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<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
<br />
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<br />
<br />
<br />
Wurzelertrag (dt/ha) 1998: Mittel: 7,3 Stabw.: 1,68V: 4,7-9,31999: Mittel: 25,7 Stabw.: 9,00V:<br />
14,3-45,1<br />
Farbstoffgehalt (%) 1998: Mittel: 3,0 Stabw.: 0,26V: 2,4-3,51999: Mittel: 2,90 Stabw.: 0,35V:<br />
2,49-3,28<br />
Farbstoffertrag (kg/ha)1998: Mittel: 21,8 Stabw.: 5,50V: 15,2-28,61999: Mittel: 74,7 Stabw.: 30,6V:<br />
43,1-144,3<br />
gleiche Buchstaben: keine signifikanten Unterschiede im Wurzelertrag nach Tukey-Test (5%)<br />
gleiche Zahlen: keine signifikanten Unterschiede im Farbstoffertrag nach Dunnett T3-Test (5%)<br />
Abbildung 5: Wurzeltrockenmasse und Farbstoffgehalt in der Leistungsprüfung<br />
verschiedener Rubia-Herkünfte in Aydin/Türkei<br />
Jahr mit 144 kg/ha der höchste Farbstoffertrag erreicht wurde. Für die<br />
Varianten C72, C75, C83 und C89 wurden sehr niedrige Farbstofferträge<br />
ermittelt, die höchsten Farbstofferträge erreichten im dritten Jahr die<br />
Selektionen C29, C54, C68 und C91. Während bei den drei erstgenannten<br />
auch im zweiten Jahr bereits gute Farberträge erzielt wurden, wies die<br />
Herkunft C91 im zweiten Jahr einen niedrigen Farbstoffertrag auf, hauptsächlich<br />
bedingt durch einen geringen Wurzelertrag.<br />
4 Zusammenfassung und Ausblick<br />
Da der Krapp seit ca. 100 Jahren nicht mehr kultiviert wird, gibt es auch<br />
keine als anbauwürdig anerkannten Herkünfte oder Sorten (HEEGER,
Ergebnisse der züchterischen Bearbeitung von Färberkrapp<br />
1956). Das primäre Ziel unserer Züchtungsarbeit war <strong>da</strong>her die Gewinnung<br />
und Evaluierung von Basismaterial, <strong>da</strong>s die Grundlage für die Entwicklung<br />
leistungsfähiger Sorten bilden soll.<br />
Die Erstellung eines solchen Rubia-Sortimentes war mit verschiedenen<br />
Schwierigkeiten verbunden. Zu Beginn standen nur die 96 Einzelpflanzennachkommen<br />
aus Cesme zur Verfügung, die auf dem Versuchsfeld in<br />
Antalya angebaut und lediglich hinsichtlich ihrer Wurzelertäge beurteilt<br />
wurden. Da die Einzelpflanzendifferenzierung im Feld sehr problematisch<br />
war, konnte nur der Parzellenertrag der gesamte Nachkommenschaft<br />
einer Einzelpflanze bestimmt werden. Morphologische Merkmale<br />
wurden nicht erfasst und die Farbstoffgehalte konnten aufgrund der fehlenden<br />
Methode erst später festgestellt werden. Daher wurden aus dieser<br />
Population nur 13 Genotypen über Wurzelstecklinge vermehrt und ein<br />
Teil der Ausgangsvariabilität dieser Population ging verloren.<br />
Das Rubia-Sortiment wurde im Verlauf von vier Jahren auf der Gefäßstation<br />
in Rauischholzhausen etabliert. Ein objektiver Vergleich der Herkünfte<br />
aus den verschiedenen Populationen war erst 1999 möglich, als<br />
sich alle Pflanzen in einem einheitlichen Entwicklungsstadium befanden.<br />
Die Erfassung war <strong>da</strong>durch erschwert, <strong>da</strong>ss die Wurzeln erst im zweiten<br />
Vegetationsjahr geerntet wurden und viele Pflanzen den Winter nicht<br />
überstanden. Einige Genotypen mit guten Eigenschaften gingen zuvor<br />
schon durch mangelnden Samenansatz, schlechte Keimungsraten und<br />
Schwierigkeiten bei der Stecklingsvermehrung verloren.<br />
Für die Leistungsprüfung wurden die 13 Selektionen nach der Wurzelernte<br />
1996 zunächst über Wurzelstecklinge und <strong>da</strong>nn über Samen vermehrt.<br />
Da bei der Samenvermehrung die einzelnen Herkünfte nicht isoliert<br />
wurden, sind Einkreuzungen nicht auszuschliessen, so <strong>da</strong>ss die<br />
ursprüngliche genetische Zusammensetzung der Selektionen nur noch<br />
bei den Pflanzen vorhanden war, die 1996 aus dem gleichen Wurzelmaterial<br />
auf der Gefäßversuchsstation in Rauischholzhausen angezogen wurden.<br />
Ein Vergleich dieser Einzelpflanzenprüfung in Gefäßen mit der Leistungsprüfung<br />
in Aydin ist aufgrund des zusätzlichen generativen<br />
Vermehrungsschrittes vor Anlage des Feldversuches in Aydin nur noch<br />
bedingt möglich.<br />
In den Gefäßversuchen waren die Farbstoffgehalte der Selektionen<br />
aus Cesme deutlich niedriger als 1996 bei der Feldprüfung in Antalya.<br />
Auf den Feldparzellen in Rauischholzhausen war der mittlere Farbstoffgehalt<br />
<strong>da</strong>nn wieder höher und entsprach dem Mittel der Leistungprü-<br />
Gülzow, 30. November 1995 105
106<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
fung in Aydin. Nach den eingangs genannten Qualitätskriterien liegen<br />
die meisten der in Feldparzellen kultivierten Einzelpflanzennachkommen<br />
im Bereich mittlerer Farbstoffqualität. Die Rohware, die in den<br />
Gefäßversuchen geerntet wurde, wäre zum großen Teil in der Kategorie<br />
schlechte Farbstoffqualität einzuordnen. Es ist anzunehmen, <strong>da</strong>ss sich die<br />
Krappwurzeln in den Gefäßen nicht optimal entwickeln konnten. Somit<br />
ist eine derartige Einzelpflanzenkultur mit eingeschränktem Wurzelraum<br />
trotz der Vorteile, die sie in Bezug auf die Individualauslese bietet, für<br />
zukünftige Züchtungsarbeiten nur bedingt geeignet. Im Jahr 2000 wurden<br />
<strong>da</strong>her die nach der Ernte 1999 selektierten Einzelpflanzen (siehe<br />
Abb. 2) in Rauischholzhausen in kleine Feldparzellen ausgepflanzt. Da<br />
unter mediterranen Klimabedingungen eine wesentlich besserer Samenansatz<br />
erreicht wird, werden diese Pflanzen zur Zeit auch zur Saatgutproduktion<br />
in der Türkei angebaut. Nach der Vermehrung können die<br />
Stämme in Feldparzellen hinsichtlich ihrer Ertrags- und Qualitätsmerkmale<br />
beurteilt werden. Vergleichsweise große Pflanzabstände sollen die<br />
Differenzierung der Einzelpflanzen und die Erfassung der in den Gefäßversuchen<br />
beschriebenen morphologischen Merkmalen auch in der Feldkultur<br />
ermöglichen. Zur Vereinfachung können die Pflanzen auch in<br />
Wuchstypen eingeteilt werden, in denen die stark korrelierenden Merkmale<br />
Pflanzenhöhe, Stängeldurchmesser und Blattgröße und Bestockung<br />
(entsprechend dem Faktor 1 nach der Faktorenanalyse) zusammengefasst<br />
sind. Auf diese Weise kann die auf Basis der bisher vorliegenden Ergebnisse<br />
erstellte Strukturierung der Rubia-Populationen überprüft werden.<br />
Parallel <strong>da</strong>zu sollen die besten Stämme der Leistungsprüfung zur<br />
schnellen Bereitstellung von anbauwürdigem Saatgut noch weiter in<br />
Feldparzellen geprüft und unter Isolation vermehrt werden. Dazu werden<br />
im Jahr <strong>2001</strong> Versuche in Deutschland und in der Türkei angelegt.<br />
Nach Prüfungen über drei Jahre an verschiedenen Standorten könnten<br />
die besten Varianten <strong>da</strong>nn zu einer verbesserten Cesme-Population vereinigt<br />
werden.<br />
5 Literatur<br />
/1/ AICHELE, D. & H.W. SCHWEGLER, 1995: Die Blütenpflanzen Mitteleuropas, Band<br />
3. Kosmos Verlag Stuttgart, 539-540.<br />
/2/ BERGER, F., 1960: Handbuch der Drogenkunde, Bd.V - Erkennung, Wertbestimmung<br />
und Anwendung. Maudrich-Verlag, Wien, Bonn, Bern, 408-411.
Ergebnisse der züchterischen Bearbeitung von Färberkrapp<br />
/3/ BIELIG, H. J. 1956: Natürliche Farbstoffe. In: W. FOERST (ed.): Ullmanns Enzyklopädie<br />
der technischen Chemie, Band 7 1956, Verlag Urban und Schwarzenberg<br />
München und Berlin, 84-144.<br />
/4/ BIEN, S., J. STAWITZ, K.WUNDERLICH, 1985: Anthraquinone Dyes and Intermediates.<br />
In: W. GERHARTZ (eds.): Ullmann´s Encyclopedia of Industrial Chemistry<br />
Vol. A.2., VCH Verlagsgesellschaft mbH Weinheim, 356-412.<br />
/5/ BRÜGGEMANN, W. & H. BÖHMER, 1982: Teppiche der Bauern und Nomaden in<br />
Anatolien. K & A - Verlag, München. 36-57 und 88-118.<br />
/6/ EGGERS, U., 1997: Der Einsatz von pflanzlichen Rohstoffen für Farben – Gegenwart<br />
und Zukunft. In: FACHAGENTUR NACHWACHSENDE ROHSTOFFE (ed.):<br />
Tagungsband Gülzower Fachgespräche - <strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> 1997, 39-47.<br />
/7/ HAAS, H., 1991: Arzneipflanzenkunde für Studenten der Medizin, Pharmazie<br />
und Biologie sowie für Ärzte und Apotheker. BI-Wiss.-Verl. Mannheim, Wien,<br />
Zürich, 114-115.<br />
/8/ HEEGER, E.F., 1956: Handbuch des Arznei-und<br />
Gewürzpflanzenbaues - Drogengewinnung. Deutscher Bauernverlag, Berlin,<br />
613-617.<br />
/9/ HOFMANN R., 1992a): Nutzpflanzen zur Textilherstellung – Pflanzen mit Vergangenheit<br />
und Zukunft. In: HEINDL B. (ed.): Textil-Landschaft Mühlviertel,<br />
Edition Sandkorn, Linz, 75-84.<br />
/10/ HOFMANN R., 1992b): Färbepflanzen und ihre Verwendung in Österreich, Verh.<br />
Zool.-Bot. Ges. Österreich 129, 227-269.<br />
/11/ HOPPE H.A., 1977: Drogenkunde Band II, Verlag de Gruyter Berlin, 944-945.<br />
/12/ KARRER, W., 1958: Konstitution und Vorkommen der organischen Pflanzenstoffe<br />
(exclusive Alkaloide). Birkhäuser Verlag Basel und Stuttgart, 497-503.<br />
/13/ KÖRBER-KROHNE, U., 1987: Nutzpflanzen in Deutschland, Kulturgeschichte u.<br />
Biologie. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart, 409-429.<br />
/14/ MARQUARD R. & S. SIEBENBORN, 1999: Züchtung und Anbau von Krapp in<br />
Deutschland und der Türkei, In: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (ed.):<br />
Tagungsband Gülzower Fachgespräche-<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> 1999, 83-93.<br />
/15/ MARQUARD R. & S. SIEBENBORN, 1999: Das Rot <strong>da</strong>s aus der Wurzel kam,<br />
DFG-Forschung 2/99, 16-18.<br />
/16/ MARQUARD R. & S. SIEBENBORN, 2000. The Red which came from the Root, german<br />
research 1/2000, 18-20.<br />
/17/ PLOSS, E.E., 1962: Ein Buch von alten Farben. Impuls Verlag Heidelberg und Berlin,<br />
9-142:<br />
/18/ RENZ-RATHFELDER, S., 1990: Pflanze und Farbe. Sonderheft 14, Palmengarten<br />
Frankfurt, 62-82.<br />
/19/ ROTH, L., KORMANN, K. & H. SCHWEPPE, 1992: Färbepflanzen-Pflanzenfarbstoffe.<br />
Ecomed Fachverlag, Landsberg/Lech, 11-29, 125-128, 244-247.<br />
/20/ SCHAEFER, G., 1940: Der Anbau und die Verwendung der Krappwurzel.<br />
Ciba-Rundschau 47, 1714-1722.<br />
Gülzow, 30. November 1995 107
108<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
/21/ SCHILCHER, H., 1984: Pflanzliche Urologika. Deutsche Apotheker Zeitung 124/<br />
47, 2435-2436.<br />
/22/ SCHLOSSER, S., L. REICHHOFF & P. HANELT (eds.), 1991: Wildpflanzen Mitteleuropas,<br />
Nutzung und Schutz. DLV-Verlag, Berlin, 395-396.<br />
/23/ SCHNEIDER, G. & K.HILLER, 1999: Arzneidrogen. 4. Auflage, Spektrum-Verlag<br />
Heidelberg und Berlin, 168-169.<br />
/24/ SCHNEIDER, W., 1974: Lexikon zur Arzneimittelgeschichte Band V/3. Frankfurt,<br />
189-190.<br />
/25/ SCHÖNFLEDER, P. & I. SCHÖNFELDER, 1995: Der Kosmos-Heilpflanzenführer.<br />
6. Auflage, Kosmos-Verlag Stuttgart, 114.<br />
/26/ SCHWEPPE, H., 1992: Handbuch der Naturfarbstoffe. Ecomed Fachverlag, Landsberg/Lech,<br />
200-239.<br />
/27/ SIEBENBORN S., <strong>2001</strong>: Untersuchungen zur Inkulturnahme und Qualitätsverbesserung<br />
Rubia tinctorum L.. Dissertation Universität Giessen, im Druck.<br />
/28/ VETTER, A., 1997: Potentielle Pflanzen zur Gewinnung von Naturfarbstoffen -<br />
Bedeutung und Markt. In: FACHAGENTUR NACHWACHSENDE ROHSTOFFE (ed.):<br />
Tagungsband Gülzower Fachgespräche-<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> 1997, 21-39.<br />
/29/ VETTER, A., G. WURL & A. BIERTÜMPFEL 1997: Auswahl geeigneter <strong>Färberpflanzen</strong>für<br />
einen Anbau in Mitteleuropa. Zeitschrift für Arznei- und Gewürzpflanzen<br />
4/97, 186-192.<br />
/30/ WIJNSMA, R., R. VERPOORTE, 1986: Anthraquinones in the Rubiaceae. Progress in<br />
the chemistry of organic natural products Vol. 49, 79-149.<br />
/31/ ZÄHRINGER, F., 1980: Mit Achtsamkeit zurück zur Färbepflanze. Sandoz Bulletin<br />
53, 21-37.<br />
/32/ ZEPERNICK, B., L. LANGHAMMER & J.B.P. LÜDCKE, 1993: Lexikon der offizinellen<br />
Arzneipflanzen. Verlag de Gruyter Berlin und New York, 358-359.<br />
/33/ ZOLLINGER, H., 1987: Colour Chemistry (Synthese, Properties and Applications<br />
of Organic Dyes and Pigments). VCH Weinheim, 159-169.<br />
Simone Siebenborn, Prof. Dr. Richard Marquard<br />
Justus-Liebig-Universität<br />
Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung I<br />
Ludwigstraße 23<br />
D-35390 Gießen
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Erfahrungen der Lehr- und<br />
Versuchsanstalt Gartenbau Erfurt zu<br />
Erträgen, Fruchtqualitäten,<br />
Farbstoffgehalten und Reifeterminen<br />
von 14 Holundersorten<br />
M. Möhler<br />
Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau, Erfurt<br />
Versuchshintergrund und Versuchsziel<br />
Die Wildobstart Holunder hat sich als Nischenprodukt in den vergangenen<br />
Jahren auch am Standort Thüringen etabliert. Der gesundheitliche<br />
Wert dieser Wildobstart, die hohen Anthocyangehalte verbunden mit<br />
den vielfältigen Verarbeitungsmöglichkeiten zu Marmeladen, Säften,<br />
Weinen bzw. zu Farbstoffen und <strong>da</strong>mit als natürlicher Farbzusatz zu den<br />
verschiedensten Nahrungsmitteln, waren <strong>da</strong>für ebenso Grundlage wie<br />
die Möglichkeit, Holunder ohne bzw. mit einem Minimum an Pflanzenschutz<br />
produzieren zu können.<br />
Holundersorten weisen jedoch hinsichtlich ihrer Inhaltsstoffe starke<br />
Unterschiede auf.<br />
Ein wichtiges Merkmal für die Verarbeitungsbetriebe stellt der Farbstoffgehalt<br />
der Sorte <strong>da</strong>r. An zwei Thüringer Standorten wurden 7 Holundersorten<br />
aufgepflanzt und hinsichtlich der Erntetermine, der Erträge,<br />
der Doldenzahlen und Doldengewichte sowie der Farbstoffgehalte über<br />
mehrere Jahre verglichen. 1996 erfolgte eine Erweiterung auf 14 Sorten.<br />
Die Eignung der Sorten zur Anbauform als Strauch oder Stamm wurde<br />
bewertet sowie die Krankheitsanfälligkeit der untersuchten Sorten mit<br />
zunehmendem Alter in die Bonituren einbezogen. Auf der Suche nach<br />
Gülzow, 30. November 1995 109
110<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
weiteren Verwendungsmöglichkeiten des Holunders wurden <strong>da</strong>s Doldengewicht<br />
zur Blüte sowie die Blühtermine mit erfasst.<br />
Ergebnisse<br />
Die exakte Bestimmung des Farbstoffgehaltes gestaltete sich schwierig,<br />
<strong>da</strong> dieser stark vom Reifezustand und <strong>da</strong>mit vom Erntetermin der Sorten<br />
abhängt. Weiterhin wird er vom Standort, Pflegezustand und der Jahreswitterung<br />
beeinflusst. Außerdem werden verschiedene Nachweismethoden<br />
angewandt. Für die Ermittlung der Farbstoffgehalte 1998 und 1999<br />
nutzte Schwarick, Fachhochschule Erfurt, die Absorbtionsmethode, bei<br />
der der Antocyangehalt der Sorte im Saft als auch im Fruchtfleisch/<br />
Schale (Trester) bei einer Wellenlänge von 512 nm gemessen wird. Die<br />
Summe beider Komponenten ergibt den Farbstoffgehalt der Sorte. Dabei<br />
konnte er feststellen, <strong>da</strong>ss sich ein hoher Anteil des Farbstoffs (bis 60 %) in<br />
den Schalen der Holunderfrüchte befindet. Die höchsten Farbstoffgehalte<br />
wurden 1998 bei den Sorten 'Samyl', 'Haschberg' und 'Sambu' festgestellt.<br />
Dieses Ergebniss wird durch mehrjährige Untersuchungen bestätigt.<br />
Auch die Sorten 'Weihenstephan', 'Mammut' und 'Bergmann' bestätigten<br />
die guten Farbwerte über die gesamte Standzeit. Beim Vergleich von<br />
Wildholunder mit den Kultursorten schwankten die Farbwerte zwischen<br />
200 und 650 Farbeinheiten je nach Jahr und Herkunft. Die Farbstoffgehalte<br />
von ‘Korsör‘ und den Haidegger Klonen blieben 1998 unter den<br />
Erwartungen. Besonders deutlich wurden bei den Haidegger Klonen die<br />
unterschiedlichen Farbstoffanteile in Saft und Trester. So lagen die Farbstoffgehalte<br />
dieser Sorten im Saft deutlich unter den Farbstoffgehalten im<br />
Trester.<br />
Bei der Ernte der Sorten zu verschiedenen Ernteterminen wurde deutlich,<br />
<strong>da</strong>ss zu früh geerntete Proben weit unter dem erreichbaren Farbstoffgehalt<br />
blieben. Zu spät geerntete Proben wiesen einen Rückgang bereits<br />
erreichter Farbwerte auf. Jährliche Schwankungen der Farbstoffgehalte<br />
innerhalb einer Sorte wurden deutlich (vgl. Abb. 2). Die Farbstoffgehalte<br />
der Haidegger Klone lagen im Jahr 1999 erheblich über den Vorjahresgehalten,<br />
erreichten jedoch die Spitzensorten nicht.<br />
Die Auswertung der Ertragsfähigkeit brachte die höchsten mittleren<br />
Baumerträge im 7. Standjahr bei den Sorten 'Samyl' mit 34 kg/Baum, bei
Erträge, Fruchtqualitäten, Farbstoffgehalte und Reifetermine von 14 Holundersorten<br />
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Abbildung 1: Holunder-Sortenversuche LVG Erfurt, 1998<br />
Farbstoffgehalte als Summe von Saft und Trester<br />
Abbildung 2: Holunder-Sortenversuche LVG Erfurt, 1999<br />
Farbstoffgehalte als Summe von Saft und Trester<br />
<br />
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'Weihenstephan' mit 33 und bei 'Sampo' und 'Sam<strong>da</strong>l' mit 32 kg/Baum<br />
(vgl. Abb. 3).<br />
Gülzow, 30. November 1995 111
112<br />
<br />
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<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
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Abbildung 3: Holunder-Sortenversuch LVG Erfurt 1999, 7. Standjahr<br />
Mittl. Ertrag in kg/Baum und Erntetermine von Holundersorten<br />
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Abbildung 4: Holunder-Sortenversuch LVG Erfurt 1999, 3. Standjahr<br />
Mittl. Ertrag in kg/Baum und Erntetermine von Holundersorten
Erträge, Fruchtqualitäten, Farbstoffgehalte und Reifetermine von 14 Holundersorten<br />
Dies entspricht bei Pflanzdichten von 500 Bäumen/ha und 30 kg/<br />
Baum einem Hektarertrag von ca. 150 dt.<br />
Die Sorte 'Haschberg' blieb mit einem mittleren Ertrag von 28 kg/<br />
Baum unter den Ergebnissen der Vorjahre, die im 5. Standjahr beispielsweise<br />
bei 40 kg/Baum lagen.<br />
Bei den dreijährigen Holunderklonen aus Haidegg fielen die Klone 25<br />
und 17 durch eine hohe Ertragsfähigkeit bei gleichzeitig guter Neutriebbildung<br />
auf. Auch 'Korsör' erreichte mit einem mittleren Baumertrag von<br />
25 kg eine beachtliche Ertragshöhe (vgl. Abb. 4).<br />
Die Erntetermine der untersuchten Sorten waren sehr differenziert, sie<br />
werden in Abb. 3 und 4 mit <strong>da</strong>rgestellt. Die frühesten Sorten waren die<br />
dänischen Sorten 'Sambu', 'Sampo', 'Sam<strong>da</strong>l' und 'Samyl', die bereits<br />
Anfang bis Mitte August 1999 erntereif waren. Auch die Sorte 'Mammut'<br />
war bereits am 18. August 1999 reif.<br />
In der ersten Septemberwoche konnten die Sorten 'Korsör', 'Pregarten'<br />
und 'Haschberg' sowie die Haidegger Klone 13 und 25 geerntet werden.<br />
Die späten Sorten 'Weihenstephan', 'Bergmann' und die Haidegger Klone<br />
14 und 17 wurden am 10. September reif.<br />
Wichtige Daten für entstehende Ernteaufwendungen sind die Verhältnisse<br />
von mittlerem Doldengewicht und mittlerer Doldenzahl (vgl.<br />
Abb. 5 und 6).<br />
Hier wird deutlich, <strong>da</strong>ss bei den farbstoffreichsten Sorten 'Samyl' und<br />
'Haschberg' 372 bzw. 320 Stück Dolden erforderlich waren, um den gleichen<br />
Ertrag zu erreichen wie bei den Sorten 'Sampo' und 'Sam<strong>da</strong>l' mit 246<br />
bzw. 216 Stück Dolden. Die Doldengewichte lagen bei diesen Sorten mit<br />
233 und 248 g/Dolde mit ca. 80 g über dem Doldengewicht von 'Samyl'<br />
und 'Haschberg' und waren <strong>da</strong>mit etwa 1/3 schwerer. Besonders hohe<br />
Doldengewichte erreichten im 3. Standjahr die Haidegger Klone 13, 14<br />
und 17 mit Doldengewichten zwischen 297 und 383 g je Dolde. So lieferten<br />
105 Dolden des Klones 17 einen Baumertrag von 26 kg, während bei<br />
der Ernte des Klones 25 für einen Ertrag von 28 kg 186 Dolden zu ernten<br />
waren. Bei der Verwendung von Holunder als Tee u. ä. interessieren<br />
Blühtermin und Doldengewicht der Blüte, diese sind in Abb. 7 und 8 <strong>da</strong>rgestellt.<br />
Für eine Stammerziehung eigneten sich alle geprüften Sorten. Für den<br />
Strauchanbau waren die dänischen Sorten, insbesondere ‘Samyl‘, durch<br />
einen stark überhängenden Wuchs ungeeignet.<br />
Gülzow, 30. November 1995 113
114<br />
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<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
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Abbildung 5: Holunder-Sortenversuch LVG Erfurt 1999, 7. Standjahr<br />
Mittlere Doldenzahl und Doldengewicht von Holundersorten<br />
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Abbildung 6: Holunder-Sortenversuch LVG Erfurt 1999, 3. Standjahr<br />
Mittlere Doldenanzahl
Erträge, Fruchtqualitäten, Farbstoffgehalte und Reifetermine von 14 Holundersorten<br />
<br />
Abbildung 7: Holunder-Sortenversuch LVG Erfurt, 1999, 7. Standjahr<br />
Blühtermine und mittleres Doldengewicht in g/Dolde<br />
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Abbildung 8: Holunder-Sortenversuch LVG Erfurt 1999, 3. Standjahr<br />
Blühtermine und mittleres Doldengewicht in g/Dolde<br />
Gülzow, 30. November 1995 115
Zusammenfassung<br />
116<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Bei der abschließenden Bewertung der untersuchten Sorten fällt auf, <strong>da</strong>ss<br />
alle günstigen Eigenschaften kaum in einer Sorte vereint sind. Unter Berücksichtigung<br />
von Ertrag und Farbstoffgehalt sind die Sorten ‘Haschberg‘<br />
und ‘Samyl‘ besonders geeignet. Bei ‘Samyl‘ wurde mit Zunahme<br />
der Standzeit und <strong>da</strong>mit dichteren Beständen eine Anfälligkeit für Blattfleckenkrankheit<br />
festgestellt, die ohne Fungizidbehandlung zu vorzeitigem<br />
Blattfall führte. Werden <strong>da</strong>gegen Sorten gesucht, die bei frühem Erntetermin<br />
durch hohe Doldengewichte und jährlich hohe Erträge bei<br />
mittleren Farbstoffgehalten überzeugen, so sind die dänischen Sorten<br />
‘Sampo‘ und ‘Sam<strong>da</strong>l‘ empfehlenswert. Die Ergebnisse aus Thüringen bestätigen<br />
somit die Aussagen von Kaack (Arslev, 1989) zur Eignung dieser<br />
Sorten für die industrielle Saftherstellung. Außerdem bescheinigt er den<br />
Sorten ‘Samyl‘, ‘Sam<strong>da</strong>l‘ und ‘Sampo‘ gute Geschmackseigenschaften. Da<br />
nach Aussagen von Kaack die Pflanzung verschiedener Holundersorten<br />
durch eine verbesserte Befruchtung zu höheren Hektarerträgen führt, erlangen<br />
<strong>da</strong>mit die Sorten ‘Weihenstephan‘ sowie die Haidegger Klone<br />
ebenfalls Anbaubedeutung. Sorten wie ‘Bergmann‘, ‘Mammut‘, ‘Pregarten‘<br />
und ‘Sambu‘ befriedigen durch die geringe Ertragsfähigkeit nicht.<br />
Eine Übersicht über die Merkmale der untersuchten Holundersorten gibt<br />
Tabelle 1.<br />
Dipl.-Gartenbauing. Monika Möhler<br />
Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau<br />
Leipziger Straße 75a<br />
D-99085 Erfurt
Erträge, Fruchtqualitäten, Farbstoffgehalte und Reifetermine von 14 Holundersorten<br />
Tabelle 1: Übersicht von Merkmalen der an der LVG Erfurt untersuchten<br />
Holundersorten<br />
Sorte/<br />
Herkunft<br />
Weihenstephan<br />
Deutschland<br />
Haschberg<br />
Österreich<br />
Sambu<br />
Dänemark<br />
Sampo<br />
Dänemark<br />
Sam<strong>da</strong>l<br />
Dänemark<br />
Samyl<br />
Dänemark<br />
Mammut<br />
Deutschland<br />
Korsör<br />
Dänemark<br />
Pregarten<br />
Österreich<br />
Bergmann<br />
Deutschland<br />
Haidegg Klon 13<br />
Österreich<br />
Haidegg Klon 14<br />
Österreich<br />
Haidegg Klon 17<br />
Österreich<br />
Haidegg Klon 25<br />
Österreich<br />
Reifetermin<br />
Ertrag Doldengewicht<br />
Farbstoffgehalt<br />
Wuchs<br />
Anfällig-<br />
keiten<br />
A...M 9 hoch mittel hoch sehr stark Blattlaus<br />
A...M 9 hoch mittel sehr hoch stark Blattlaus,<br />
ungleiche<br />
Doldenreife<br />
A .. M 8 mittel mittel sehr hoch schwach...<br />
mittelstark<br />
M 8.. A 9 hoch sehr<br />
hoch<br />
M 8.. A 9 hoch sehr<br />
hoch<br />
mittel...<br />
hoch<br />
gering...<br />
mittel<br />
mittelstark etwas Rieseln,Spinnmilbe<br />
sehr<br />
stark<br />
M 8.. A 9 hoch mittel sehr hoch mittelstark<br />
überhäng.<br />
M 8.. A 9 gering...<br />
mittel<br />
mittel hoch schwach...<br />
mittelstark<br />
E 8.. A 9 hoch mittel gering mittelstark<br />
...stark<br />
A 9 mittel gering<br />
mittel<br />
A..M 9 gering gering mittel...<br />
hoch<br />
A 9 mittel sehr<br />
hoch<br />
M 9 mittel sehr<br />
hoch<br />
mittel stark<br />
aufrecht<br />
mittel...<br />
hoch<br />
M 9 hoch hoch gering...<br />
mittel<br />
A 9 hoch mittel gering...<br />
mittel<br />
etwas Rieseln<br />
vorzeitig.<br />
Blattfall<br />
Neutrieb<br />
gering<br />
mittelstark sehr starkes<br />
Rieseln<br />
mittelstark<br />
...stark<br />
gering schwach Neutrieb<br />
gering<br />
mittel ungleiche<br />
Doldenreife<br />
stark,<br />
aufrecht<br />
Gülzow, 30. November 1995 117
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Ergebnisse zu Krappanbau und Ernte<br />
sowie Aspekte zu Produktlinienentwicklungen<br />
mit Pflanzenfarbstoffen<br />
L. A<strong>da</strong>m, B. Dittmann<br />
Landesanstalt für Landwirtschaft des Landes Brandenburg<br />
Abteilung Acker- und Pflanzenbau Güterfelde<br />
Eine Nutzung der Krappwurzel zur Farbstoffgewinnung setzt einen<br />
mehrjährigen Anbau der Pflanze voraus. Leistungsmerkmale, wie Wurzelertrag<br />
und Farbstoffgehalt, können entscheidend die Aussagen zur<br />
Wirtschaftlichkeit des Anbaus beeinflussen. Unstrittig ist auch die große<br />
Bedeutung des Standortfaktors Boden, <strong>da</strong> dieser bei der Beerntung über<br />
Beimengenanteile im Erntegut und Befahrbarkeit des Bodens allgemein<br />
und grundsätzlich über die Eignung zur Boden/Ernteguttrennung entscheidet.<br />
Dies umso mehr, <strong>da</strong> eine Beerntung von Krapp (Rubia tinctorum<br />
L.) außerhalb der gängigen Erntezeitspannen, z. B. für Kartoffeln, am ehesten<br />
vergleichbar mit der Baldrianernte, im Spätherbst oder im zeitigen<br />
Frühjahr erfolgen kann.<br />
Aus dem Fördervorhaben 1 „Anbau, Ernte und Nacherntebehandlung<br />
von <strong>Färberpflanzen</strong>“ werden im folgenden ersten Teil Ergebnisse zum<br />
Produktionsverfahren Krapp vorgestellt. Im zweiten Teil dieses Beitrages<br />
werden einige Aspekte zum Aufbau von Produktlinien, in denen Pflanzenfarbstoffextrakte<br />
zum Einsatz kommen, vorgestellt. Dahinter steht die<br />
Absicht, für den landwirtschaftlichen Erzeuger Absatzpotentiale aufzuzeigen<br />
und für die verarbeitende Industrie Chancen zur Entwicklung<br />
neuer Produkte zu nutzen.<br />
1 gefördert vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft;<br />
Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. Gülzow, FKZ:<br />
95 NR 148 II<br />
118 Biotechnologie und Gentechnik in der Industriepflanzenzüchtung
Krappanbau und Ernte sowie Produktlinienentwicklungen mit Pflanzenfarbstoffen<br />
<br />
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Abbildung 1: Anbau von Krapp (Rubia tinctorum L.)<br />
Produktionstechnik<br />
<br />
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<br />
<br />
Ausgehend von älteren Literaturangaben (KOPPE (1885), HEGI (1906 ff),<br />
HEEGER (1956)) und auch den neueren Ergebnissen aus dem Thüringer<br />
Raum (WURL u.a. (1996), MEYER (1997), Anonym (1999)) wurde bei der<br />
Erarbeitung eines Anbauverfahrens für die leichten, meist sommertrockenen<br />
anlehmigen Sandstandorte Brandenburgs den für die Verfahrenssicherheit<br />
bestimmenden Abschnitten besondere Aufmerksamkeit gewidmet.<br />
Das in Abbildung 1 <strong>da</strong>rgestellte Fließschema für den Anbau von<br />
Krapp soll diese Stadien von der Aussaat bis zur Ernte der Wurzeln nach<br />
etwa 2-3 Jahren verdeutlichen. Die Etablierung erfolgte sowohl als Drillsaat<br />
(D) als auch mittels Pflanzung (P) durch Jungpflanzen nach Gewächshausanzucht.<br />
Als Anbauformen wurden <strong>da</strong>s Dammverfahren<br />
(Thüringer Methode) und <strong>da</strong>s Beetverfahren (Brandenburger Methode)<br />
untersucht. Weitere Schwerpunkte stellen die Untersuchungen zur Düngung<br />
und zum Pflanzenschutz <strong>da</strong>r.<br />
Gülzow, 30. November 1995 119
Unkrautbekämpfung<br />
120<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Krapp-Saatgut keimt sehr langsam und benötigt bis zum Auflaufen bei<br />
Direktsaat ca. vier Wochen. Da sich <strong>da</strong>nn eine zögerliche Jugendentwicklung<br />
anschließt, ist im ersten Anbaujahr eine Unkrautbekämpfung unverzichtbar.<br />
Auch Pflanzbestände aus vorgezogenen Jungpflanzen benötigen<br />
im ersten Jahr ihrer Entwicklung für ein gutes Wachstum eine<br />
effektive Unkrautbekämpfung. Mechanische Pflegemaßnahmen wurden<br />
mit der Hackbürste und der Fingerhacke durchgeführt. Mit beiden Geräten<br />
sind, solange die Krapp-Pflanzen nicht zu groß sind, gute Unkrautbekämpfungserfolge<br />
zu erreichen. Neben mechanischen Pflegemaßnahmen<br />
wurden in den Jahren 1997 und 1998 Herbizide auf ihre Wirksamkeit und<br />
Verträglichkeit im einjährigen Aufwuchs überprüft (Tab. 1).<br />
Es kamen vorzugsweise Herbizide zum Einsatz, die eine Wirkschwäche<br />
bzw. Wirklücke bei der Bekämpfung von Kletten-Labkraut (Galium<br />
aparine L.) aufweisen, weil der Krapp (Rubia tinctorum L.) wie <strong>da</strong>s Kletten-Labkraut<br />
zur Familie der Rötegewächse (Rubiaceae) gehören.<br />
Ohne Wuchsstörung wurden vom Krapp die Herbizide Stomp SC<br />
(Pendimethalin) und Afalon (Linuron) in Vorauflaufanwendung toleriert.<br />
Die Anwendung von Stefes PMP (Phenmedipham) mit 3,0 l/ha<br />
Aufwandmenge im Nachauflaufverfahren verursachte 1997 eine geringe<br />
Schädigung der Kulturpflanze von 2 %. Um eine verbesserte Unkrautwirkung<br />
zu erzielen, wurde die Verträglichkeit von Stefes PMP mit 6,0 l/ha<br />
zu einem späteren Termin in einer Spritzfolge (SF) überprüft. Der Wirkstoff<br />
Phenmedipham in dieser Konzentration führte zu einer chlorotischen<br />
Aufhellung der Krapp-Pflanzen. Diese Wuchsstörung hatte sich<br />
nach 10 Tagen wieder verwachsen. Die Anwendung von Gropper mit<br />
den Aufwandmengen 20 und 40 g/ha verursachte ebenfalls Wuchsstörungen<br />
der Krapppflanzen. Während sich bei der geringen Aufwandmenge<br />
die Schädigungen schnell wieder überwuchsen, blieb bei Anwendung<br />
von 40 g/ha Gropper eine leichte Stauchung der Krapppflanzen<br />
bestehen. Hora Flo flüssig (Isoproturon) kann unter Beachtung seines<br />
Wirkungsspektrums problemlos eingesetzt werden. Nach dem Reihenschluß<br />
weisen Krappbestände eine hohe Konkurrenzkraft gegenüber<br />
Unkräutern auf, so <strong>da</strong>ss sich nur einzelne Unkrautarten durchsetzen können.<br />
Auf den Besatz von potentiellen Flächen für den Krappanbau mit<br />
der Acker-Kratzdistel (Cirsium arvense) als konkurrenzkräftiges Unkraut<br />
ist zu achten. Durch die Mehrjährigkeit des Krappanbaus hat die
Krappanbau und Ernte sowie Produktlinienentwicklungen mit Pflanzenfarbstoffen<br />
Acker-Kratzdistel gute Entwicklungsmöglichkeiten. Eine aktive Bekämpfung<br />
kann mit dem Herbizid Lontrel 100 erfolgen. Ungräser sind mit<br />
Graminiziden zu beseitigen.<br />
Die Ertragserfassung ist aufgrund der Mehrjährigkeit der Kultur nicht<br />
durchgeführt worden. Die in Tabelle 2 aufgeführten Herbizide erwiesen<br />
sich bei Anwendung der entsprechenden Aufwandmengen als weitgehend<br />
verträglich.<br />
Tabelle 1: Kulturschäden durch Unkrautbekämpfung in Krapp nach Drillsaat<br />
1997 und 1998<br />
1997<br />
Varianten Aufwandmenge Anwendungstermin<br />
Phytotoxizität a<br />
Hackbürste - Nachauflauf 0/0<br />
Fingerhacke - Nachauflauf 0/0<br />
Stomp SC 3,0 l/ha Vorauflauf 100/2<br />
Afalon 1,5 kg/ha Vorauflauf 0/0<br />
Stefes PMP 3,0 l/ha Nachauflauf 80/2<br />
Gropper 20 g/ha Nachauflauf 90/10<br />
Gropper 40 g/ha Nachauflauf 100/20<br />
Lontrel 100 1,2 l/ha Nachauflauf 0/0<br />
Hora Flo flüssig 2,0 l/ha Nachauflauf 0/0<br />
Focus Ultra 2,0 l/ha Nachauflauf 0/0<br />
1998<br />
SF Stomp SC /<br />
Stefes PMP<br />
3,0 l/ha<br />
6,0 l/ha<br />
Vorauflauf<br />
Nachauflauf<br />
0/0<br />
100/15<br />
Afalon 1,5 kg/ha Vorauflauf 0/0<br />
SF Stefes PMP /<br />
Lontrel 100<br />
3,0 l/ha<br />
1,2 l/ha<br />
Nachauflauf<br />
Nachauflauf<br />
0/0<br />
0/0<br />
Gropper 20 g/ha Nachauflauf 90/10<br />
a. Phytotoxizität: Anteil der geschädigten Pflanzen / Beschädigungen der Blattfläche<br />
in %<br />
Gülzow, 30. November 1995 121
Tabelle 2: Unkrautbekämpfung<br />
122<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Präparat Wirkstoff Mittelmenge Anwendungstermin<br />
Stomp SC Pendimethalin 3,0 l/ha Vor- und Nachauflauf<br />
Afalon Linuron 1,5 kg/ha Vorauflauf<br />
Lontrel 100 Clopyralid 1,2 l/ha Nachauflauf<br />
Stefes PMP Phenmedipham 3,0 l/ha Nachauflauf<br />
Hora Flo flüssig Isoproturon 2,0 l/ha Nachauflauf<br />
Gropper Metsulfuron-methyl 20 g/ha Nachauflauf<br />
Focus Ultra<br />
u.a. Graminizide<br />
Folgende Herbizide werden nicht empfohlen: Butisan, Betanal Progress,<br />
Gropper > 20g/ha<br />
Die Anwendung der Herbizide hat unter Beachtung des aktuellen Zulassungsstandes<br />
und der Beauflagung der Mittel zu erfolgen. Entsprechend<br />
den Forderungen des Pflanzenschutzgesetzes ist eine Zulassung im Rahmen<br />
der Lückenindikation erforderlich. Die Ergebnisse werden <strong>da</strong>her<br />
dem Arbeitskreis Lückenindikation der Pflanzenschutzdienste der Länder<br />
unter Geschäftsführung der Biologischen Bundesanstalt für Landund<br />
Forstwirtschaft mit Abschluß des Projektvorhabens zugearbeitet.<br />
Düngung<br />
Cycloxydim 2,0 l/ha Nachauflauf<br />
Um die in der Literatur (HEEGER (1956), WURL u.a. (1996)) empfohlenen<br />
Düngergaben für anlehmige Sandstandorte (Tab. 3) zu überprüfen, wurden<br />
die Nährstoffgehalte von Krapp-Pflanzen nach unterschiedlicher<br />
Stand<strong>da</strong>uer untersucht.<br />
Die Anbau<strong>da</strong>uer beeinflusste die Nährstoffgehalte nur unwesentlich,<br />
so <strong>da</strong>ss sich auch Krapp-Bestände nach Direktsaat oder Pflanzung unabhängig<br />
von ihrer Wuchsstärke wenig unterschieden. Die mittleren Nährstoffentzüge<br />
in kg/dt Trockensubstanz sind in Tabelle 4 <strong>da</strong>rgestellt. Diese<br />
Entzugswerte liegen im Vergleich mit anderen landwirtschaftlichen<br />
Fruchtarten auf durchschnittlichem Niveau. Die entsprechend bisherigen
Krappanbau und Ernte sowie Produktlinienentwicklungen mit Pflanzenfarbstoffen<br />
Tabelle 3: Standort<strong>da</strong>ten – Boden und Klima der Versuchsstation Güterfelde,<br />
Brandenburg<br />
Kreis:<br />
Versuchsfläche:<br />
Ackerzahl:<br />
Bodenform:<br />
Bodenart:<br />
Niederschlag:<br />
Lufttemperatur:<br />
Pots<strong>da</strong>m-Mittelmark<br />
55 ha<br />
35<br />
Salm- bis Sandtieflehm-Fahlerde<br />
anlehmiger Sand (Sl)<br />
545 mm<br />
8,6 °C<br />
Mittlere Nährstoffversorgung (mg/100 g Boden; 0-30 cm, 1999/2000)<br />
Phosphor:<br />
Kalium:<br />
Magnesium:<br />
pH-Wert:<br />
10,75<br />
9,80<br />
6,03<br />
5,6<br />
Gehaltsklasse<br />
Düngeempfehlungen erwartete höhere Stickstoff-Bedürftigkeit des<br />
Krapp bestätigte sich nicht.<br />
Auch ein ergänzend angelegter Stickstoff-Steigerungs-Versuch unterstreicht<br />
diese Ergebnisse der Nährstoffentzugsermittlung.<br />
In diesem Feldversuch mit gepflanztem Krapp, Raster 40 x 25 cm,<br />
bewirkten Stickstoff-Gaben von über 160 bzw. 240 kg/ha sowohl beim<br />
Frischmasse- als auch beim Trockenmasseertrag einen signifikanten<br />
Rückgang der Wurzelmasse (Abb. 2). Im Farbstoffgehalt wiesen die Varianten<br />
keine signifikanten Unterschiede auf.<br />
Infolge des abnehmenden Ertragsniveaus in den höchsten Düngungsstufen<br />
wurde mit zunehmendem N-Düngungsniveau jedoch auch der<br />
Farbstoffertrag vermindert. Die Ursachen für den vergleichsweise geringen<br />
Stickstoffbe<strong>da</strong>rf von Krapp können sowohl in dem sehr intensiven<br />
und tiefgehenden Wurzelsystem der Pflanze als auch in dem Verbleib der<br />
oberirdischen Biomasse nach Vegetationsende auf dem Feld gesehen<br />
werden. Beide Faktoren führen letztlich zu einer neuen Betrachtungsweise<br />
für die zu beurteilende Nährstoffbedürftigkeit von Krapp.<br />
Bei unterstellten Trockenmasseerträgen von ca. 40 dt/ha Trockensubstanz<br />
Wurzelertrag und 75 dt/ha Trockensubstanz Krautmasse ergibt<br />
sich entsprechend den Nährstoffentzügen folgender Düngebe<strong>da</strong>rf für<br />
anlehmige Sandstandorte (Tab. 5):<br />
Gülzow, 30. November 1995 123<br />
E<br />
C<br />
C<br />
B
124<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
<br />
<br />
Abbildung 2: Einfluß der Stickstoffdüngung auf den Wurzel- und Farbstoffertrag;<br />
Standort Güterfelde, 3-jähriger Pflanzenbestand<br />
Tabelle 4: Nährstoffentzüge Krapp, Güterfelde, Mittel 1999 + 2000<br />
Nährstoffentzug kg/dt TS<br />
Saatbestand Pflanzbestand ∅<br />
N Wurzel 1,80 1,75 1,77<br />
Kraut 1,65 1,67 1,66<br />
∑ 3,45 3,42 3,43<br />
P Wurzel 0,22 0,20 0,21<br />
Kraut 0,15 0,16 0,16<br />
∑ 0,37 0,36 0,37<br />
K Wurzel 2,22 2,03 2,11<br />
Kraut 1,86 1,77 1,81<br />
∑ 4,08 3,80 3,92<br />
Mg Wurzel 0,13 0,15 0,14<br />
Kraut 0,24 0,27 0,26<br />
∑ 0,37 0,42 0,40<br />
Ca Wurzel 1,10 1,00 1,04<br />
Kraut 2,90 2,73 2,79<br />
∑ 4,00 3,73 3,83
Krappanbau und Ernte sowie Produktlinienentwicklungen mit Pflanzenfarbstoffen<br />
Tabelle 5: Düngungsempfehlung für Krapp ( 2- bis 3-jährige Nutzung)<br />
Nährstoffart Aufwandmenge je ha Gabe<br />
Stickstoff<br />
Phosphor<br />
Kalium<br />
Magnesium<br />
Eine gute Kalkversorgung des Bodens ist zu gewährleisten, <strong>da</strong> hohe<br />
Entzüge von 250 kg Ca/ha ermittelt wurden.<br />
Anbauverfahren<br />
80 kg N<br />
25 kg P<br />
240 kg K<br />
30 kg Mg<br />
(57 kg P 2 O 5 )<br />
(289 kg K 2 O)<br />
(50 kg MgO)<br />
jährlich<br />
einmalig<br />
einmalig<br />
einmalig<br />
Um den Einfluß verschiedener Herkünfte von Krapp zu untersuchen, erfolgte<br />
ein dreijähriger Vergleichsanbau von Krappsaatgut aus Artern,<br />
Jena und Haarhausen. Im Aussaatjahr 1998 wurde zugleich der Effekt einer<br />
Saatgutbeizung auf Pflanzenauflauf und -entwicklung erfaßt. Die<br />
Herkünfte Artern und Haarhausen reagierten mit einer gering erhöhten<br />
Bestandesdichte durch die Thiram-Beizung, Tutan Flüssigbeize 400 ml/<br />
dt, während die Herkunft Jena auch ohne Beizung eine hohe Bestandesdichte<br />
erzielte. In der Bestandesentwicklung waren keine Unterschiede<br />
festzustellen. Zur Ernte Anfang April <strong>2001</strong> schnitt bei allen Merkmalen<br />
(Ertrag, Wurzelstärkenanteil, Einzelpflanzengewicht) in der Tendenz die<br />
Herkunft aus Jena, gefolgt von der Herkunft Artern, am besten ab. Der<br />
Anthrachinongehalt lag im Durchschnitt der 5 Erntetermine bei 3,074 %<br />
in der Trockensubstanz, wobei die Herkünfte Artern und Jena mit jeweils<br />
3,097 bzw. 3,096 % etwas <strong>da</strong>rüber lagen. Die Trockenmasseerträge<br />
schwankten zwischen 22,6 dt/ha (Artern) und 27,1 dt/ha (Jena). Die<br />
Beerntung erfolgte mit einem modifizierten Gemüsevorratsroder der Fa.<br />
Wühlmaus bei einer Rodetiefe von 25-30 cm.<br />
In einem weiteren dreijährigen Versuch sollte der Einfluss von 4 Saatmengen<br />
und im Vergleich <strong>da</strong>zu von 2 Pflanzabständen vorgezogener<br />
Krapppflanzen auf Bestandesentwicklung, Ertrag, Wurzelentwicklung<br />
und Farbstoffgehalt untersucht werden. Günstige Bodenverhältnisse im<br />
Frühjahr 1998 gewährleisteten auch bei den Direktsaaten günstige Auflaufergebnisse.<br />
Die im Freiland ermittelten Keimraten (etwa 60 %) lagen<br />
infolge Saatgutbeizung ca. 20 % über den ermittelten Labortestwerten.<br />
Gülzow, 30. November 1995 125
126<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Die Einzelergebnisse zu den Bewertungskriterien sind in Tabelle 6 aufgeführt.<br />
Die aufgeführte Pflanzenzahl wurde zum Erntezeitpunkt ermittelt.<br />
Die Pflanzenzahl lag jedoch in den Drillvarianten deutlich unter denen<br />
nach dem Auflaufen im Jahre 1998 ermittelten Ausgangswerten. Auch in<br />
den Pflanzvarianten, Brandenburger Verfahren: Jungpflanzen auf Beeten,<br />
wurde ein Rückgang der Pflanzenzahl, allerdings deutlich geringer,<br />
beobachtet. Trotz sehr günstiger Bedingungen für die Entwicklung der<br />
Drillsaatbestände zeigten sich die etablierten Jungpflanzenparzellen ausgeglichener<br />
und homogener. Die höchste Ertragsleistung, als wesentliches,<br />
bestimmendes Merkmal für die Wirtschaftlichkeit des Krappanbaus,<br />
wurde mit 5 Pflanzen je m 2 , d.h. 50.000 Pflanzen je Hektar, erzielt.<br />
Eine höhere Saatmenge verringerte mit steigender Pflanzenzahl bis<br />
5,9 Pfl./m 2 die Erträge signifikant. Nach einer Pflanzung lagen die<br />
Erträge zwischen diesen beiden Bereichen. Offensichtlich wirkte sich die<br />
gleichmäßige Standraumzuteilung je Pflanze auf deren Entwicklung<br />
positiv aus, ohne <strong>da</strong>s Spitzenniveau zu erreichen.<br />
Vergleiche zu den Anbauformen erfolgten zum Damm- und Beetverfahren,<br />
sowohl nach Drillsaat als auch nach Pflanzung. Die Ergebnisübersicht<br />
zu den im Zeitraum 1999 bis <strong>2001</strong> erfolgten 5 Beerntungen enthält<br />
Tabelle 7. Im Durchschnitt verzeichneten die Varianten des Beetanbaus<br />
im Vergleich zum Dammanbau mit 11 dt/ha einen um 30 % signifikant<br />
höheren Trockenmasseertrag und auch <strong>da</strong>s Einzelpflanzengewicht war<br />
mit 231 g zu 138 g signifikant überlegen.<br />
Tabelle 6: Vergleich von Saat und Pflanzung, Güterfelde, 1998-<strong>2001</strong><br />
Anbauform<br />
Pflanzenzahl/<br />
m²<br />
Ertrag (dt/ha) Wurzelstärke (%)<br />
Frischmasse<br />
Trockenmasse<br />
< 2<br />
mm<br />
2-4<br />
mm<br />
> 4<br />
mm<br />
Anthrachinongehalt<br />
(%)<br />
Saat 5,0 249 51,7 12 15 73 3,64<br />
Pflanzung<br />
5,5 168 39,1 10 13 77 3,70<br />
5,9 163 38,8 9 13 78 3,51<br />
5,7 150 33,8 12 12 76 3,72<br />
6,5 203 45,1 6 13 81 3,55<br />
5,5 210 41,6 11 47 42 3,67
Krappanbau und Ernte sowie Produktlinienentwicklungen mit Pflanzenfarbstoffen<br />
Tabelle 7: Vergleich der Anbauformen Beet / Damm<br />
Güterfelde, 1997-<strong>2001</strong>, 5 Erntetermine, Saat<br />
Merkmal Meßwert Beet Damm<br />
Frischmasseertrag dt/ha 151,5 107,9<br />
Trockenmassegehalt % 23,7 23,1<br />
Trockenmasseertrag dt/ha 35,7 24,7<br />
Wurzelstärkenanteil<br />
< 2 mm<br />
2-4 mm<br />
> 4 mm<br />
%<br />
%<br />
%<br />
Einzelpflanzengewicht g 230,9 138,3<br />
Anthrachinongehalt % 3,5 3,5<br />
Bezüglich der Wurzelstärkenverteilung ergaben sich bessere Werte<br />
bei der Dammkultur sowie grundsätzlich mit zunehmendem Bestandesalter.<br />
Zu den ersten Ernteterminen zeigten sich im Habitus des Wurzelaufbaus<br />
beim Krapp deutliche Unterschiede zwischen Beet- und Dammform.<br />
Während die Beetpflanzen ein gedrungenes, eng vom Wurzelkopf<br />
ausgehendes Wurzelgeflecht ausbildeten, zeigten die Pflanzen aus dem<br />
Dammanbau zunächst vorwiegend eine eintriebige Hauptwurzel, an<br />
welcher sich erst im Dammsohlenbereich Verzweigungen ausbildeten.<br />
Zu den späteren Ernteterminen waren <strong>da</strong>nn auch beim Dammverfahren,<br />
vom Wurzelkopf ausgehend, Wurzelbildungen festzustellen. Ihr Anteil<br />
besonders in der mittleren Wurzeldicke (2-4 mm) blieb aber unter dem<br />
des Beetanbaus. Dafür lag der prozentuale Anteil von Wurzelstärken<br />
über 4 mm mit 5 bis 10 % über dem Beetverfahren.<br />
Über den altersabhängigen Farbstoffgehalt gibt die Abbildung 3 Auskunft.<br />
Die Untersuchungen erfolgten im Institut für Getreideverarbeitung<br />
GmbH Bergholz-Rehbrücke,Land Brandenburg. Die Gesamtanthrachinongehalte<br />
wurden photometrisch auf der Basis einer Eichkurve mit<br />
Alizarin als Referenzsubstanz ermittelt. Der Gehalt an Alizarin und Ruberythrinsäure,<br />
als Hauptbestandteile für die Färbung des Krapp, wurde<br />
mittels HPLC-Analytik bestimmt (LOEST, 1999). In der Abbildung 3 sind<br />
beide Einzelwerte als Summe zum Gesamtfarbstoff zusammengefaßt <strong>da</strong>rgestellt.<br />
Gülzow, 30. November 1995 127<br />
10<br />
25<br />
65<br />
9<br />
21<br />
70
128<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Abbildung 3: Altersabhängiger Farbstoffgehalt im Krapp, Güterfelde<br />
Grundsätzlich liegen die Werte zum Anthrachinonfarbstoffgehalt<br />
über den Farbstoffgehalten der zwei Einzelkomponenten. Deutlich sichtbar<br />
wird in der Darstellung der altersabhängige Einfluß auf den Farbstoffgehalt<br />
und dies unabhängig von der Bestimmungsmethode. Der<br />
Zeitpunkt der Ernte nach 2 bis 3 Jahren Wachstums<strong>da</strong>uer weist <strong>da</strong>nach<br />
die höchsten Werte auf. Ein Einfluß der Anbauform auf den Farbstoffgehalt<br />
war nicht festzustellen. Die Halbjährigkeit der Angaben ergibt sich<br />
<strong>da</strong>bei aus den Ernteterminen im Frühjahr bzw. Herbst, berechnet ab Saat-<br />
/Pflanztermin. Die Bodenvorbereitung erfolgte mit einer Pflugtiefe von<br />
35 cm. Die enge Wechselwirkung zwischen dem Farbstoffgehalt und dem<br />
Krappwurzelertrag spiegelt sich in der Abbildung 4 im Farbstoffertrag<br />
eindeutig wider.<br />
Nacherntebehandlung<br />
Die Reinigung der Krappwurzeln wurde unmittelbar nach der Rodung<br />
auf einem Rotorwäscher, Fa. Jachan, vorgenommen. Das Waschen der<br />
Wurzeln erfolgte <strong>da</strong>bei auf einem Drehteller oberhalb des Wasserbehälters<br />
in einer abgeschirmten Waschzone mit 25 Düsen. Mittels Schneidemaschine,<br />
Fa. Jaquet, wurden die Wurzeln geschnitten. Als Trockeneinrichtungen<br />
kamen ein Dreibandtrockner, Typ 50/3 der Fa. Binder, sowie<br />
Trockenschränke zum Einsatz. Die Temperaturüberwachung wurde mit<br />
EBI-Temperaturloggern im Trocknungsprozess überwacht und protokolliert.<br />
Nach dem Dreibandtrocknerdurchlauf wurden die Krappwurzeln
Krappanbau und Ernte sowie Produktlinienentwicklungen mit Pflanzenfarbstoffen<br />
Abbildung 4: Farbstoffertrag in Abhängigkeit von der Anbau<strong>da</strong>uer<br />
<br />
<br />
<br />
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<br />
<br />
Abbildung 5: Einfluß der Schnittlänge auf den Anthrachinongehalt bei Trocknung<br />
von Krapp im Bandtrockner<br />
einer Rebelanlage zugeführt, wodurch eine nochmalige Trennung des<br />
Erntegutes erfolgte. Beim Krapp waren es vor allem Stengelreste und<br />
Wurzelköpfe, die entfernt wurden.<br />
Über den Einfluss der Schnittlänge auf den nach der Trocknung verbleibenden<br />
Farbstoffgehalt gibt Abbildung 5 Auskunft. Die Ergebnisse<br />
nach einer Trockensolltemperatur von 90 °C (oben) und 60 °C (unten) im<br />
Gülzow, 30. November 1995 129
130<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
<br />
<br />
<br />
Abbildung 6: Einfluß von Schnittlänge und Temperatur auf den Anthrachinongehalt<br />
bei Trocknung im Trockenschrank<br />
Bandtrockner weisen im Vergleich zur ungeschnittenen, getrockneten<br />
Wurzel keine signifikanten Unterschiede im Anthrachinongehalt auf.<br />
Einen ähnlichen Werteverlauf zeigen die Ergebnisse (Abb. 6) nach<br />
einer Trocknung im Trockenschrank bei 4 Temperaturstufen zwischen<br />
30 °C und 120 °C. Dies deutet auf eine größere Temperaturstabilität des<br />
Farbstoffkomplexes, unabhängig von der Schnittlänge, hin. Um den Einfluss<br />
verschiedener Trocknungstemperaturen zugleich bei den zwei<br />
wichtigen Farbstoffkomponenten, Alizarin und Ruberythrinsäure zu<br />
erfassen, wurde deren Gehalt analog bestimmt. Die Aufenthalts<strong>da</strong>uer im<br />
Trockenschrank betrug temperaturabhängig zwischen ca. 8 und 20 Stunden.<br />
Folgende Aussagen lassen die Ergebnisse zu:<br />
Die Verminderung des Gesamtfarbstoffgehaltes setzt bei Temperaturen<br />
oberhalb 60 °C bis 90 °C ein. Dabei spielt der Zerkleinerungsgrad<br />
praktisch keine Rolle. Deutlich erkennbar ist der unterschiedliche Verlauf<br />
der Farbstoffe Alizarin und Ruberythrinsäure (Abb. 7). Der Verlust an<br />
Ruberythrinsäure wird z. T. durch den Anstieg des Alizarins wettgemacht,<br />
also der Umwandlung des Anthrachinonglukosids in den eigentlichen<br />
Krappfarbstoff Alizarin (MALTRY, <strong>2001</strong>). Da diese zwei Komponenten<br />
jedoch nicht gänzlich allein den Farbstoffkomplex für die<br />
Farbstoffnutzung des Krapp repräsentieren, sondern der gesamte<br />
Anthrachinon-Komplex nicht unberücksichtigt bleiben sollte, ist anzu-
Krappanbau und Ernte sowie Produktlinienentwicklungen mit Pflanzenfarbstoffen<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
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<br />
<br />
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<br />
Abbildung 7: Einfluß der Trocknungstemperatur von Krapp auf den Farbstoffgehalt<br />
bei einer Schnittlänge von 4 cm<br />
nehmen, <strong>da</strong>ß eine technische Trocknung der Krappwurzeln im Bereich<br />
von 60 °C bis 80 °C ohne Wertstoffminderung möglich ist.<br />
Produktliniennetzwerk <strong>Färberpflanzen</strong><br />
Bei der Bearbeitung des Projektvorhabens „Anbau, Ernte und Nachbehandlung<br />
von <strong>Färberpflanzen</strong>“ hat sich durch die zeitgleiche Einbeziehung<br />
landwirtschaftlicher Unternehmen in die Entwicklungsarbeiten<br />
schon sehr zeitig die Frage nach der praktischen Nutzung der industriellen<br />
Rohstoffe Färber-Resede und Krapp gestellt (<strong>ADAM</strong> und DITT-<br />
MANN, 1999). Eine Etablierung eines landwirtschaftlichen Anbaus, für<br />
<strong>da</strong>s Land Brandenburg d. h. zugleich eine erstmalige regionale landwirtschaftliche<br />
Nutzung dieser <strong>Färberpflanzen</strong>, setzt aber nicht nur die Bearbeitung<br />
und Lösung acker- und pflanzenbaulicher sowie trocknungstechnischer<br />
Fragen voraus. Ebenso zwingend notwendig gilt es, Verbunde<br />
und Netzwerke aufzubauen; ausgehend von der Landwirtschaft bis hin<br />
zur industriellen oder handwerklichen Anwendung. Alle Bereiche sind in<br />
der Regel neue Aufgabenfelder und <strong>da</strong>her forschungsintensiv (Abb. 8). In<br />
den wenigsten Fällen ist der Einsatz von Pflanzenfarbstoffen auf dem direkten<br />
Weg gefragt. Die Weiterverarbeitung zur Wirkstoff-/Farbstoffgewinnung<br />
und Herstellung von je nach Einsatzgebiet geeigneten Farbstoffextrakten<br />
spielt deshalb nicht nur für die Textilindustrie, sondern auch<br />
bei anderen Produktlinien eine dominierende Rolle.<br />
Gülzow, 30. November 1995 131
132<br />
<br />
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Abbildung 8: Netzwerk: <strong>Färberpflanzen</strong> - Produktmuster<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
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<br />
Für die Gestaltung des Netzwerkes „<strong>Färberpflanzen</strong> – Produktmuster“<br />
im Land Brandenburg waren die Bereitschaft der Unternehmen und<br />
die Eigeninitiativen der beteiligten Partner eine wichtige Säule zur Funktionalität<br />
der Kooperation untereinander.<br />
Durch den landwirtschaftlichen Anbau von Färber-Resede und Krapp<br />
in der Agrargenossenschaft Dürrenhofe und der Landschaftspflege<br />
GmbH Lenzen konnte ausreichend Rohstoff erzeugt und für die Weiterverarbeitung<br />
bereitgestellt werden. Die Herstellung von Trocken- und<br />
Spissum-Extrakten, erste Verwertungslinie, als Pilotmuster für den weiteren<br />
Einsatz in der Textilindustrie wurde mit Unterstützung der Spreewals-Pharma<br />
GmbH Gröditsch realisiert. Dabei erwies es sich als Vorteil,<br />
<strong>da</strong>ß <strong>da</strong>s Unternehmen über langjährige Erfahrungen bei der Extraktion<br />
von Kraut- und Wurzeldrogen für Pharmaausgangsstoffe verfügt, die<br />
z. T. auch für die <strong>Färberpflanzen</strong> nutzbar waren.<br />
Die industrielle Pilotfärbung, zweite Produktlinie, von Naturfasern,<br />
zunächst vorrangig Hanftextil, <strong>da</strong>nach auch Leinen und Wolle, wurde<br />
mit Unterstützung der Spremberger Tuche GmbH in Spremberg realisiert.<br />
Aus den Geweben wurden nach der En<strong>da</strong>usrüstung entsprechend<br />
dem Ökotex-100-Stan<strong>da</strong>rd Präsentationsmodelle für die Öffentlichkeitsarbeit<br />
erstellt.<br />
Als dritte Produktlinie von <strong>Färberpflanzen</strong> wurde die Einfärbung von<br />
Holzhackschnitzeln durch die Fa. LLB Dr. Otto in Wittenberge erprobt.
Krappanbau und Ernte sowie Produktlinienentwicklungen mit Pflanzenfarbstoffen<br />
Tabelle 8: Marktakzeptanz pflanzengefärbter Textilien<br />
Anonyme Gruppendiskussion vom 21. November 2000 in Berlin<br />
Veranstalter: Herrmann Markt- und Wirtschaftsforschung<br />
Ergebnisse<br />
- Ein durchweg euphorisches Bild zur Marktakzeptanz pflanzengefärbter Textilien<br />
formten die Marktexperten und Verbraucher nicht.<br />
- Teilnehmer zeigten aber Vermarktungschancen auf und welche Reserven<br />
noch genutzt werden sollten.<br />
- Deutlich wird von den Marktpartnern auf die Notwendigkeit hoher Qualitäten<br />
bei der Verarbeitung verwiesen.<br />
- Defizite für die Vermarktung pflanzengefärbter Naturfasertextilien wurden<br />
sowohl für Handel und Designer als auch Verbraucher sichtbar:<br />
- Öffentlichkeitsarbeit<br />
- Entwicklung einer Dachmarke ?!<br />
- Zielgruppenarbeit<br />
Von Seiten des Unternehmens wurde <strong>da</strong>zu eine entsprechende Extraktions-<br />
und Färbetechnologie entwickelt und getestet.<br />
Soll diese Entwicklung für alle beteiligten Seiten erfolgreich sein, muß<br />
eine solche Forschung/Entwicklung in einem koordinierten Netzwerk<br />
organisiert und ergebnisorientiert geführt werden. Die Erfahrungen dieses<br />
Projektes zeigen, <strong>da</strong>ß dieser Prozeß so früh wie möglich begonnen<br />
werden muß, um bei den kurzen Projektlaufzeiten zu entsprechenden<br />
Ergebnissen zu gelangen.<br />
Um zielstrebig und erfolgreich am Einsatz von Produktlinien zu arbeiten,<br />
gibt es im wesentlichen vier Entwicklungssegmente:<br />
1. Landwirtschaftliche Anbauverfahren (standort- und umweltgerecht)<br />
2. Rohstoffbereitstellung / Materialentwicklung<br />
3. Verfahrensentwicklung<br />
4. Produktentwicklung<br />
Leider werden oft dem ersten bzw. zweiten Segment die größte Bedeutung<br />
beigemessen. Die Erfahrungen zur Umsetzung von Erkenntnissen<br />
auf dem Gebiet der Nachwachsenden Rohstoffe zeigen jedoch zunehmend,<br />
<strong>da</strong>ß es genauso wichtig ist, rechtzeitig mit der Verfahrensentwicklung<br />
zu beginnen, um dem Kunden marktfähige Produkte vorstellen zu<br />
können. Falsch ist es, in allen Punkten eine Vergleichbarkeit zu bisherigen<br />
Rohstoffen, hier synthetischen Farbstoffen, herzustellen. Hier gilt es, die<br />
Gülzow, 30. November 1995 133
134<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
positiven Eigenschaften der natürlichen Rohstoffe und ihren Nutzen im<br />
Gesamtkreislauf zu bewerten. Allzu oft wird jedoch noch die fehlende<br />
Marktakzeptanz neuer Produkte unterschätzt. Im Rahmen des Vorhabens<br />
wurde deshalb zu einer anonymen Gruppendiskussion über die<br />
Marktakzeptanz pflanzengefärbter Naturtextilien, ein Branchenmix vom<br />
Verbraucher über den Designer bis hin zum Warenhaushändler, geladen.<br />
Die wesentlichsten Aussagen sind in der Tabelle 8 zusammengefaßt worden.<br />
Die Bedeutung einer handels- und verbrauchernahen Öffentlichkeitsarbeit<br />
wurde <strong>da</strong>bei besonders sichtbar. Die Transparenz zum Lebensweg<br />
der Produkte, von der Landwirtschaft bis zum Händler, war<br />
eine ebenso klare Meinung wie der Wunsch nach mehr Informationen<br />
über die besonderen Eigenschaften dieser Erzeugnisgruppen.<br />
Bezugnehmend auf <strong>da</strong>s Netzwerk „<strong>Färberpflanzen</strong> – Produktmuster“<br />
können <strong>da</strong>raus folgende Schlußfolgerungen gezogen werden, um die<br />
Chancen zur Entwicklung des landwirtschaftlichen Anbaus von <strong>Färberpflanzen</strong><br />
als alternative und neue Kulturen zu nutzen:<br />
- Standort- und effiziente Anbauverfahren<br />
- Vorhandensein entsprechender Anbau-, Ernte- und Trocknungstechnik;<br />
- Erschließung von Anwendungsbereichen und Herstellung von Direktbeziehungen<br />
zu Verwertungspartnern unterschiedlicher Anwendungsbereiche;<br />
- Schaffung eines Informationspools (Anbau, Verarbeitung, Endproduzent),<br />
um gemeinsam die Transparenz zu den Vorteilen für den<br />
Verbraucher zu sichern.<br />
Zusammenfassung<br />
Anbau, Ernte und Trocknung von Krapp<br />
1. Der Anbau von Krapp ist auch auf mittleren Standorten, Ackerzahl<br />
35, Deutschlands möglich.<br />
2. Der Düngemittelbe<strong>da</strong>rf ist für Stickstoff und Phosphor als mittel<br />
sowie für Kali und Kalk als hoch anzugeben.<br />
3. Eine Pflanzung ist der Saat hinsichtlich der Anbausicherheit überlegen.
Krappanbau und Ernte sowie Produktlinienentwicklungen mit Pflanzenfarbstoffen<br />
4. Die Wurzelernte sollte ab 2. Standjahr, besser ab 3. Anbaujahr erfolgen.<br />
5. Die Ertragsleistungen liegen im Beetanbau höher als bei der<br />
Dammform.<br />
6. Der Trockenmasseertrag kann 25-44 dt/ha betragen.<br />
7. Die technische Trocknung kann in einem Bereich von 60-80 °C erfolgen.<br />
8. Der Rohfarbstoffgehalt beträgt 3-4 %.<br />
Produktentwicklungen<br />
1. Die Einführung neuer NWR-Produkte be<strong>da</strong>rf einer rechtzeitigen<br />
Vernetzung unterschiedlicher Ebenen.<br />
2. Die Kooperation von Systempartnern in der Wertschöpfungskette<br />
ist rechtzeitig zu gestalten.<br />
3. Markttransparenz entwickeln und Öffentlichkeitsarbeit für Zielgruppen<br />
rechtzeitig beginnen.<br />
Literatur<br />
/1/ A<strong>da</strong>m,L.; Dittmann, B.: Anbauversuche zu Färber-Resede und Krapp in Brandenburg.<br />
Schriftenreihe FNR Gülzow, <strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> 1999, S. 112-133<br />
/2/ Anonym: Anbautelegramm für Krapp (Rubia tinctorum L.), Merkblatt der TLL<br />
Jena, 1999<br />
/3/ Heeger, E.F.: Handbuch des Arznei- und Gewürzpflanzenanbaus, Deutscher<br />
Bauernverlag, 1956<br />
/4/ Hegi, G.: Illustrierte Flora von Mitteleuropa, München, J.F. Lehmanns Verlag<br />
1906 ff.<br />
/5/ Koppe, J.G.: Unterricht in Ackerbau und Viehzucht; 11. Auflage Berlin, Paul<br />
Parey Verlag, 1885<br />
/6/ Loest, K.: Schriftl. Mitt., 1999<br />
/7/ Maltry, W.: Bewertung von Parametern zur Nacherntebehandlung von Krapp;<br />
Versuchs-Bericht, <strong>2001</strong>, (unveröff.)<br />
/8/ Meyer, U.: Farbstoffe aus der Natur. Geschichte und Wiederentdeckung. Verlag<br />
Die Werkstatt, 1997<br />
/9/ Wurl, G., Biertümpfel, A.; Vetter, A.: Anbautelegramm Krapp, TLL Jena, 1996<br />
Gülzow, 30. November 1995 135
Dr. Lothar A<strong>da</strong>m, Bärbel Dittmann<br />
Landesanstalt für Landwirtschaft<br />
Abteilung Acker- und Pflanzenbau<br />
Berliner Straße<br />
D-14523 Güterfelde<br />
136<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Züchtungsmethodik bei Pflanzen mit<br />
sekundären Inhaltsstoffen<br />
A. Plescher<br />
PHARMAPLANT Arznei- und Gewürzpflanzen Forschungs- und Saatzucht<br />
GmbH<br />
Biologisch aktive Substanzen als Farbstoffe<br />
Sieht man von den Farbstoffen in Blüten und Früchten ab, so sind die meisten<br />
der hier interessierenden Substanzen nicht wegen ihrer farbgebenden<br />
Eigenschaften in den Pflanzen enthalten. Waid (Isatis tinctoria) enthält<br />
nur die farblose Vorstufe des blauen Indigos, die Flavonoide tragen praktisch<br />
nichts zum Farbbild oberirdischer Teile der Resede (Wau, Rese<strong>da</strong><br />
tinctoria) oder der Färberkamille (Anthemus tincotoria) bei, und die roten<br />
Anthrachinonderivate des Krapp (Rubia tinctorium) befinden ohnehin als<br />
Wurzelfarbstoffe im lichtfreien Raum des Bodens. Diese Stoffe erfüllen<br />
andere, ganz wesentliche Funktionen in den Pflanzenzellen etwa im protektiven,<br />
antioxi<strong>da</strong>tiven Bereich. Sie können aber auch Aktivitäten in anderen<br />
biologischen Systemen, wie z. B. im Säugetierorganismus, entfalten.<br />
Genannt seien die photosensibilisierende Wirkung des roten Hypericins<br />
(Hypericum perforatum) auf die Säugetierhaut, die diuretischen, antiphlogistischen<br />
oder spasmolytischen Aktivitäten von Flavonoiden oder<br />
die laxierende Wirkung der Anthrachinonderivate (Rhabarberwurzel,<br />
Rheum palmatum). Diese biologisch aktiven Substanzen können auf Grund<br />
ihrer molekularen Struktur, ihrer konjugierten Doppelbindungen<br />
bestimmte Spektralbereiche des sichtbaren Lichtes absorbieren und wurden<br />
<strong>da</strong>her auch für die Herstellung von Naturfarbstoffen interessant.<br />
Insofern stellt sich eine direkte Verbindung zwischen den Problemen und<br />
Gülzow, 30. November 1995 137
138<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Besonderheiten der <strong>Färberpflanzen</strong>- und der Arzneipflanzenzüchtung<br />
her. Aus der Tatsache, <strong>da</strong>ss die Farbstoffe wichtige Funktionen im aktiven<br />
Zellstoffwechsel erfüllen und <strong>da</strong>mit polygen überwachten Regulationssystemen<br />
unterliegen, ergibt sich ein wesentlicher Unterschied zur<br />
Züchtung von Nahrungsmittelpflanzen, bei denen die Qualitätsmerkmale<br />
dem Reservestoffwechsel (Fette/Öle, Reserveeiweiße, Kohlenhydrate)<br />
zuzuordnen sind.<br />
Das Vielstoffgemisch, der Pflanzenextrakt als Farbstoff<br />
Bereits bei der treffsicheren Definition des Züchtungszieles ergeben sich<br />
die ersten Probleme.<br />
Zum einen Teil sind die Zuchtziele bei Arznei- und bei <strong>Färberpflanzen</strong><br />
die gleichen wie bei jeder anderen Kulturpflanzenart, also vor allem diejenigen,<br />
die auf den Mengenertrag ausgerichtet sind. Aus der Tatsache,<br />
<strong>da</strong>ss von den meisten dieser Sonderkulturen nur bestimmte Organe<br />
genutzt werden, ergeben sich für die einzelnen Arten die speziellen züchterischen<br />
Aufgaben, deren Lösung den leichteren Teil der Arznei- und<br />
<strong>Färberpflanzen</strong>züchtung <strong>da</strong>rstellt. Die Besonderheiten der <strong>Färberpflanzen</strong>züchtung<br />
liegen <strong>da</strong>rin begründet, <strong>da</strong>ss der entscheidende Maßstab für<br />
den Wert des Erntegutes letztendlich die Färbeeigenschaft (Farbreinheit,<br />
Intensität, Tönung, Beständigkeit usw.) ist. Es wird an dieser Stelle<br />
bewußt vermieden, den Wert einer Herkunft oder einer Einzelpflanze<br />
anhand des analytisch fassbaren Gehaltes an Farbsubstanzen oder Farbvorstufen<br />
zu bewerten. Auf die Grenzen eines solchen chemisch-analytisch<br />
geprägten züchterischen Ansatzes wird nachfolgend noch eingegangen.<br />
Bei einigen Pflanzen können wir ganz klar definieren, welchen chemischen<br />
Inhaltsstoff wir in möglichst hoher Konzentration in der Pflanze<br />
aufkonzentriert haben wollen, beim Waid etwa <strong>da</strong>s Istan B, die Vorstufe<br />
des Indigos. Bei diesen Pflanzenarten ist die Analytik bei Beachtung einiger<br />
weiterer Voraussetzungen geeignet, um Herkünfte, Einzelpflanzen<br />
oder Ergebnisse aus Selektions-, Mutations- und Kreuzungszüchtungen<br />
zu bewerten.<br />
Im Falle vieler anderer Pflanzen aber kommt man nicht umhin, zu<br />
definieren „der Gesamtextrakt oder der aufgereinigte Spezialextrakt ist<br />
der Farbstoff“, der mit möglichst hoher Ausbeute gewonnen werden soll.
Züchtungsmethodik bei Pflanzen mit sekundären Inhaltsstoffen<br />
Der Farbstoff ist letztendlich eine ganze chemische Stoffgruppe, etwa Flavonoide<br />
oder Anthrachinone und liegt als Gemisch verschieden polarer<br />
und hydrophiler Einzelsubstanzen vor. Außerdem enthält ein solcher<br />
Extrakt auch alle anderen löslichen Pflanzeninhaltsstoffe wie Zucker,<br />
Aminosäuren, organische Säuren, organische Basen, phenolische Verbindungen<br />
wie Gerbstoffe, Kaffeesäure- und Chinasäurederivate. Für die<br />
Bewertung solcher Farbextrakte erweist sich die analytisch-chemische<br />
Bewertung nur bedingt geeignet, <strong>da</strong> die Färbeeigenschaften auch von vielen<br />
Wechselwirkungen, beispielsweise mit anderen polyphenolischen<br />
Verbindungen abhängen. Für solche Pflanzenarten werden komplexere<br />
Selektionsgrundlagen gebraucht.<br />
Genetische Determiniertheit und Einfluß der aktuellen Umweltfaktoren<br />
Der Erfolg von züchterischen Aktivitäten hängt <strong>da</strong>von ab, inwieweit ein<br />
Merkmal genetisch determiniert ist und wie stark <strong>da</strong>s Merkmal von den<br />
Umweltfaktoren beeinflußt wird. In einem 11jährigen Züchtungpsprojekt<br />
bei Echter Goldrute (Soli<strong>da</strong>go virgaurea L.) mußten wir feststellen, <strong>da</strong>ss der<br />
Flavonoid-Gehalt der Pflanzen ganz wesentlich von der Lichteinstrahlung<br />
abhängt. Bereits der Wegfall einer Nachbarpflanze und <strong>da</strong>mit der<br />
partiellen Beschattung kann bewirken, <strong>da</strong>ss aus einer ursprünglich negativ<br />
bewerteten Pflanze eine positive Pflanze wird. Das Problem der Bewertung<br />
als „züchterisch wertvolle Pflanze“ und „weniger wertvolle<br />
Pflanze“ geht auch aus Abbildung 1 hervor. In einigen Jahren lagen die<br />
Gesamtflavonoidgehalte ausgewählter Einzelpflanzen über dem Durchschnitt<br />
des Gesamtsortimentes und in anderen Jahren wieder <strong>da</strong>runter.<br />
Auch zwischen den drei ausgewählten Einzelpflanzen (F2, F9 und F11)<br />
verschieben sich die Relationen so stark, <strong>da</strong>ss eine Zuchtwahl unmöglich<br />
wird.<br />
Bei einem Versuchsanbau von Johanniskraut jeweils der gleichen<br />
Sorte in verschiedenen Höhenlagen in Chile zeigte es sich, <strong>da</strong>ss der<br />
Gesamtflavonodigehalt in einer Höhenlage von 1980 m mehr als doppelt<br />
so hoch ist, wie auf einer Parzelle in 123 m ü. NN (Abb. 2). Dies deutet<br />
sehr auf die antioxi<strong>da</strong>tive Funktion der Flavonoide als „Fänger“ von<br />
Radikalen hin, die durch photosynthetische Aktivität und UV-Licht-Einstrahlung<br />
auf zellulärer Ebene entstehen.<br />
Gülzow, 30. November 1995 139
140<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Abbildung 1: Gesamtflavonoidgehalt von 3 Pflanzen der Echten Goldrute in<br />
verschiedenen Vegetationsjahren (jeweils „Blühendes Kraut“)<br />
aus einem Sortiment von 27 Einzelpflanzen<br />
Abbildung 2: Flavonoidgehalt und Flavonoidmuster von Johanniskraut in<br />
Abhängigkeit von der Höhe des Anbaustandortes ü. NN (südliche<br />
Breite Santiago de Chile), gleiches Ausgangsmaterial 1999
Züchtungsmethodik bei Pflanzen mit sekundären Inhaltsstoffen<br />
Der Auf- und Abbau der Flavone sowie der Umbau in ihre mehr wasserlöslichen,<br />
glycosidischen Formen oder die Freisetzung der Aglycone<br />
aus den Glycosiden sind weit stärker von den Umweltbedingungen als<br />
von den konstitutiven Genen abhängig.<br />
Über <strong>da</strong>s Zusammenspiel von konstitutiven Genen und Regulatorgenen<br />
sowie über deren Vererbung wissen wir praktisch nichts.<br />
An einem Beispiel aus früheren Arbeiten in unserem Hause soll nochmals<br />
gezeigt werden, wie stabil und polygen ausbalanciert die zellulären<br />
Konzentrationen funktioneller, sekundärer Inhaltsstoffe sind, und wie<br />
schwierig es ist, diese tatsächlich züchterisch zu beeinflussen.<br />
Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre wurde in Artern<br />
der Medizinalrhabarber (Rheum palmatum) hinsichtlich eines hohen<br />
Anthrachinongehaltes über drei Generationen selektioniert. Anthrachinone<br />
sind ebenfalls eine Stoffgruppe, die sowohl Färbeeigenschaften (vor<br />
allem Rot-Töne im Krapp, Laubkraut-Arten, Maulbeerwurzeln) als auch<br />
biologische Aktivitäten aufweisen, insbesondere abführend, laxierend.<br />
Nach acht Jahren konnte der Gesamtanthrachinongehalt in der Wurzeldroge<br />
um ca. 35 % gesteigert werden. Mit der Zunahme des Anthrachinongehaltes<br />
traten aber Probleme mit der Winterfestigkeit auf. Je höher<br />
der Anthrachinongehalt in der Wurzeldroge war, desto geringer die<br />
Überwinterungsrate der Hochzuchtpflanzen. Erst bei einer eher zufälligen<br />
Analyse der Eintrocknungsverhältnisse wurde festgestellt, <strong>da</strong>ss nicht<br />
der Anthrachinongehalt je Wurzel heraufgezüchtet, sondern indirekt auf<br />
geringe Trockensubstanz, <strong>da</strong>s heißt Reservestoffgehalt selektiert wurde.<br />
Der züchterische Hebel, den wir im Sekundärstoffwechsel ansetzen wollten,<br />
ist praktisch auf den leichter modulierbaren Primärstoffwechsel<br />
(Reservestoffwechsel) abgerutscht.<br />
Die Grenzen der Analytik für die Pflanzenbewertung<br />
Die Analyse des Flavonoidspektrums oberirdischer Pflanzenteile gibt bestenfalls<br />
eine Momentaufnahme der aktuellen stofflichen Zusammensetzung.<br />
Bereits bei einer zweiten Probenahme nach 7 Tagen kann sich die<br />
Rangfolge der Wertigkeit der einzelnen Prüfobjekte völlig neu gestalten,<br />
sofern sich Umweltfaktoren wie Licht, Wasserverfügbarkeit und Temperatur<br />
verändert haben. Im zeitlichen Verlauf stabiler sind die färbenden<br />
Inhaltsstoffe von Wurzeln (Anthrachinonderivate des Krapps). Sofern die<br />
Gülzow, 30. November 1995 141
142<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
jahreszeitlichen Schwankungen im Farbstoffgehalt der Wurzeln und die<br />
Veränderungen während der Lebens<strong>da</strong>uer (1., 2. und 3. Vegetationsjahr)<br />
bekannt sind, kann die chemische Analytik zur Selektion der Herkünfte<br />
und Einzelpflanzen hinsichtlich des Gehaltes rhizombürtiger Farbstoffe<br />
sehr hilfreich sein.<br />
Die Aussagekraft chemischer Analysen wird auch <strong>da</strong>durch noch eingeengt,<br />
weil – trotz peinlich genauer Methodenvalidierung – eine Reihe<br />
von Artefakten bewertet werden.<br />
Die Labilität der glycosidischen Bindungen, ihre leichte Spaltung<br />
durch Hydrolyse oder Enzymaktivitäten schon bei der Überführung der<br />
lebenden Pflanze in die getrocknete Probe führt zu Veränderungen im<br />
Inhaltsstoffmuster. Bei der meist alkoholischen Extraktion der Proben zur<br />
Vorbereitung auf chromatographische Bestimmungsmethoden wird beispielsweise<br />
auch <strong>da</strong>s Chlorophyll mit herausgelöst. Dieses wirkt im<br />
Extrakt bei Licht- und Sauerstoffzutritt prooxy<strong>da</strong>tiv. Es werden eine<br />
Reihe von Oxy<strong>da</strong>tionsprodukten detektiert, die mit den nativen Verhältnissen<br />
nur wenig zu tun haben.<br />
Nach Gefriertrocknung, Probenaufbereitung im Rotlicht und weitestgehend<br />
unter Stickstoff erhält man ein anderes Flavonoidmuster. Für den<br />
Färber sind diese methodischen Probleme uninteressant, sofern er weiß,<br />
wie er die Küpe technologisch herzustellen hat. Der Züchter aber muß die<br />
tatsächlich in der lebenden Pflanze ablaufenden Stoffwechsel- und Regulationsprozesse<br />
kennen.<br />
Genauso wenig wie bei vielen Arzneipflanzen die Wirkung auf eine,<br />
zwei oder drei Substanzen zurückgeführt werden kann, ist die Färbeeignung<br />
von Extrakten nicht an ein oder einigen Stoffen festzumachen. Farbstoffvorstufen,<br />
Begleitfarbstoffe, Gerbstoffe und andere farblose polyphenolische<br />
Verbindungen wie China- und Kaffeesäurederivate nuancieren<br />
die Farbtöne. Man kann Pflanzenarten oder Herkünfte mit gleichem<br />
Luteolin- und Quercetingehalt haben, die erreichte Färbung wird sich<br />
aber möglicherweise unterscheiden.<br />
Evaluierung genetischer Ressourcen<br />
Ich hatte bereits unser 11jähriges Züchtungsprojekt mit Echter Goldrute<br />
genannt. Soweit es die Flavonoide betrifft, mußten wir <strong>da</strong>s Projekt als gescheitert<br />
betrachten. Nach 11jähriger Züchtungsarbeit konnte der Ge-
Züchtungsmethodik bei Pflanzen mit sekundären Inhaltsstoffen<br />
samtflavonoidgehalt nicht signifikant über denjenigen der Ausgangspopulation<br />
gesteigert werden.<br />
Bei einer von SCHENK und Mitarbeitern später durchgeführten Evaluation<br />
einer sehr umfangreichen Kollektion von Echter Goldrute aus 9<br />
europäischen Ländern konnten Akzessionen gefunden werden, deren<br />
Flavonoidgehalte im Schnitt bereits über den von uns gestellten Zuchtzielen<br />
lagen. Die Evaluierung des genetischen Pools, anfangs möglichst<br />
umfangreich und möglichst <strong>da</strong>s gesamte Verbreitungsareal der betreffenden<br />
Pflanzenart abdeckend, führt beim derzeitigen Niveau der züchterischen<br />
Bearbeitung von Sekundärstoffpflanzen meist schneller und<br />
kostengünstiger zum Erfolg. Sich anschließende züchterische Aufgaben<br />
dienen der Erreichung von Homogenität, Anbaueignung, Ertrag des<br />
inhaltsstoffliefernden Organs und gegebenenfalls von Resistenzen. Aus<br />
eigener Erfahrung sei aber <strong>da</strong>rauf hingewiesen, <strong>da</strong>ss die Erfolgschancen<br />
des Auffindens eines „Idealtyps“ neben der Anzahl von Akzessionen<br />
auch durch Einbeziehung verschiedener Standorte und Höhenlagen<br />
wesentlich gesteigert werden.<br />
Testsysteme für die Bewertung der „Färbeeignung“<br />
Eingangs wurde erwähnt, <strong>da</strong>ss der Wert von <strong>Färberpflanzen</strong> in ihren Färbeeigenschaften<br />
liegt, so wie der Wert von Arzneipflanzen in der Stärke<br />
der pharmazeutischen Wirkungen liegt. Unter Loslösung vom dominierenden<br />
chemisch-analytischen Denken sollte versucht werden, Maßstäbe<br />
für eben diese Werteigenschaften zu schaffen und sie der Pflanzenzüchtung<br />
als Selektionsgrundlage in die Hand zu geben.<br />
Für die Wirkstoffpflanzen gibt es nunmehr eine ganze Reihe von Testsystemen<br />
(Bio-Assays) beispielsweise für entzündungshemmende, antidepressive,<br />
cytostatische, lipidsenkende, anti-rheumatische, allergene<br />
und antiallergene sowie viele andere Wirkungen, die zur Basis einer<br />
wirksamkeitsgeleiteten Züchtung oder wirkungsgelenkten Optimierung<br />
von Anbauverfahren genutzt werden. In analoger Weise könnte für<br />
Pflanzen, aus deren ein Extrakt oder ein aufgereinigter Spezielextrakt<br />
zum Färben gewonnen wird, die Anwendung von Testsystemen bezüglich<br />
der Färbeeigenschaften eher zum Erfolg führen, als die zermürbende<br />
Interpretation von Analysen<strong>da</strong>ten.<br />
Gülzow, 30. November 1995 143
144<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Solche stan<strong>da</strong>rdisierten Prüfverfahren möglichst im Halbmikro-Bereich<br />
könnten einschließen die Probenahme, Farblösungsherstellung,<br />
die Färbung eines Wollfädchens oder Lederkäppchens, den visuellen<br />
Abgleich mit einem Idealmuster oder spektroskopischen Vergleich<br />
mit einem Idealabsorptionsspektrum bis hin zum „Härtetest“ bezüglich<br />
UV-Beständigkeit und Waschechtheit. Mit Hilfe solcher Prüfsysteme ließen<br />
sich Herkunftskollektionen bewerten und herausragende Einzelpflanzen<br />
selektieren. Werden solche Testmodelle parallel zu chemischen<br />
Analysen durchgeführt, kann man auch Kenntnisse <strong>da</strong>rüber gewinnen,<br />
auf welche stofflichen Kompositionen es in der Pflanze ankommt, um mal<br />
ein Ockergelb oder mehr ein Goldgelb, ein Himbeerrot oder ein anderes<br />
Mal ein Fuchsinrot zu erhalten. Ein solcher Ansatz ist erforderlich für eine<br />
fundierte Qualitiätsforschung bei pflanzlichen Farbstoffen.<br />
Zusammenfassung und Resümee<br />
1. Viele der als Farbstoffe nutzbaren Substanzen sind biologisch aktiv<br />
und erfüllen in der Pflanzenzelle wichtige Funktionen, insbesondere<br />
im protektiv-antioxy<strong>da</strong>tiven Bereich. Der aktuelle Gehaltsspiegel<br />
und die Gleichgewichte zwischen den Aglyconen und den<br />
Glycosiden werden genetisch reguliert je nach Umweltsituationen.<br />
2. Die starke Variation des Farbstoffgehaltes durch Umwelteinflüsse<br />
erschwert die Zuchtwahl in besonderem Maße. Vielfach ist nicht zu<br />
entscheiden, ob eine Pflanze mit momentan hohem Gehalt auch die<br />
genetisch wertvollere ist.<br />
3. Bei Pflanzenarten, bei denen der Färbewert an eine bestimmte chemische<br />
Substanz gebunden ist, werden auf der Basis einer Analytik<br />
und bei Anwendung der üblichen Züchtungsverfahren wie Auslese-,<br />
Mutations- oder Kreuzungszüchtung gute Züchtungschancen<br />
eingeräumt.<br />
4. Bei <strong>Färberpflanzen</strong>, aus denen Gesamtextrakte oder aufgereinigte<br />
Spezialextrakte zum Färben hergestellt werden, sollten vor Züchtungsprojekten<br />
alle Möglichkeiten eines umfassenden, mehrjährigen<br />
und mehrortigen Auslotens des genetischen Pools genutzt werden.<br />
Unterschiedliche Bodenverhältnisse und Höhenlagen sollten<br />
in solchen Prüfungen einbezogen werden.
Züchtungsmethodik bei Pflanzen mit sekundären Inhaltsstoffen<br />
5. Bei der Bewertung von Individuen oder Herkünften mit komplexen<br />
Farbstoffzusammensetzungen erweist sich die chemische Analytik<br />
nur begrenzt geeignet als Selektionsgrundlage. Hier könnten<br />
stan<strong>da</strong>rdisierte Testsysteme zur direkten Bestimmung der Färbeeigenschaften<br />
wie Intensität, Farbreinheit und Beständigkeit wesentlich<br />
effektiver und sicher auch kostengünstiger den Selektions- und<br />
Züchtungsverlauf begleiten.<br />
Dr. A. Plescher<br />
PHARMAPLANT Arznei- und Gewürzpflanzen<br />
Forschungs- und Saatzucht GmbH<br />
Strasse am Westbahnhof 4<br />
D-06556 Artern<br />
Gülzow, 30. November 1995 145
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Aktueller Stand der Farbstoffgewinnung<br />
aus nachwachsenden Rohstoffen<br />
A. Wähling<br />
Nahrungs-Ingenieurtechnik GmbH, Magdeburg<br />
Die Nahrungs-Ingenieurtechnik GmbH beschäftigt sich seit 10 Jahren mit<br />
der Gewinnung besonderer Inhaltsstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen.<br />
Ein Schwerpunkt dieser Arbeiten bildet <strong>da</strong>bei die Gewinnung von<br />
Farbstoffen aus nachwachsenden pflanzlichen Rohstoffen. In Tabelle 1<br />
sind die bisher bearbeiteten Pflanzen aufgelistet.<br />
Tabelle 1: Durch die NIG GmbH bearbeitete Farbstoffpflanzen<br />
Pflanze<br />
- einheimisch -<br />
lat. Bezeichnung Farbstoffklasse<br />
Krappwurzel Rubia tinctoria Anthrachinone<br />
Rese<strong>da</strong>, Wau Rese<strong>da</strong> luteola Flavonoide<br />
Kanadische Goldrute Soli<strong>da</strong>go canadensis Flavonoide<br />
Färberhundskamille Anthemis tinctoria Flavonoide<br />
Rhabarberwurzel<br />
- nicht einheimisch -<br />
Rheum spec. Anthrachinone<br />
Blauholz Haematoxylum camp. Flavonoide<br />
Henna Lawsonia inermis Naphtochinone<br />
Alkanna Alkanna tinctoria Naphtochinone<br />
Kreuzdornbeeren Rhamnaceae Flavonoide<br />
Ratanhiawurzel Krameria triandra Kondensierte Gerbstoffe<br />
146 Biotechnologie und Gentechnik in der Industriepflanzenzüchtung
Aktueller Stand der Farbstoffgewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen<br />
Im Rahmen des von der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe<br />
geförderten Verbundvorhabens „Entwicklung einer Technologie zum<br />
Färben von Cellulose- und Proteinfaserstoffen mit einheimischen Pflanzenfarben“<br />
sind Untersuchungen zur Gewinnung und Stan<strong>da</strong>rdisierung<br />
von Farbstoffextrakten aus den Pflanzen Krappwurzel, Kanadische<br />
Goldrute, Färberhundskamille und Rese<strong>da</strong> durchgeführt worden.<br />
Für die genannten Pflanzen wurden spezifische Extraktions- und Aufarbeitungsverfahren<br />
entwickelt, die es gestatten industriell verwendbare<br />
Naturfarbstoffe anzubieten. Diese Farbstoffprodukte können sowohl als<br />
Konzentrat oder aber als Pulver angeboten werden. Eine Stan<strong>da</strong>rdisierung<br />
erfolgt <strong>da</strong>bei auf den spektralphotometrisch gemessenen Gesamtfarbstoffgehalt.<br />
Für den Färber ergeben sich durch <strong>da</strong>s Angebot dieser neuartigen<br />
Farbstoffe neue kreative Möglichkeiten in seiner Färberei.<br />
Mit diesen Extrakten erhalten die Anwender stan<strong>da</strong>rdisierte Produkte<br />
die reproduzierbare Färbungen und Echtheiten in der industriellen Färberei<br />
erlauben. Die Anwender sind völlig unabhängig von den Rohstoffen<br />
und deren Qualitäten. Es ergeben sich auch keinerlei Folgekosten für<br />
die Färbereien, <strong>da</strong> die Pflanzen nicht mehr selber extrahiert werden müssen.<br />
Die Tabelle 2 zeigt mögliche Applikationsbereiche für Naturfarbstoffe.<br />
Tabelle 2: Applikationsbereiche für Naturfarbstoffe<br />
- Textilfärbung<br />
- Lederfärbung<br />
- Papierfärbung<br />
- Holzfärbung<br />
- dekorative Kosmetik<br />
- Druckfarben, Druckpasten<br />
- Lasuren, Künstlerfarben<br />
- dekorative Kosmetik<br />
1. Als Farbstoff im Bereich<br />
2. Als Pigment im Bereich<br />
Für die Papierfärbung bietet sich neben den eigentlichen Farbstoffextrakten<br />
auch die Verarbeitung der Trester aus dem Extraktionsprozeß an.<br />
Gülzow, 30. November 1995 147
148<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Zur Verwendbarkeit dieser Trester sind derzeit noch keine Untersuchungen<br />
durchgeführt worden.<br />
Nach der Fällung und Gewinnung der verlackten Farbstoffe aus den<br />
Extrakten lassen sich die gewonnenen Pigmente für die spezifischen Einsatzbereiche<br />
aufarbeiten.<br />
Nachdem die, im genannten Verbundvorhaben erarbeiteten, Ergebnisse<br />
in Form von Farbstoffextrakten und Färbeanleitungen bzw. -empfehlungen<br />
vorliegen, stellt sich die Frage nach der Umsetzung in den<br />
industriellen Maßstab.<br />
Dazu be<strong>da</strong>rf es einer ehrlichen Kostenanalyse beim Anwender,<br />
sowohl im handwerklichen als auch im industriellen Maßstab. Im handwerklichen<br />
Bereich wird in der Regel nur mit dem Materialpreis der eingesetzten<br />
Rohstoffe gerechnet, während die Kosten für die Extraktion<br />
z. B. vernachlässigt werden. Im industriellen Maßstab sollte nicht nur der<br />
Preis der Farbstoffprodukte verglichen, sondern die Qualität im Hinblick<br />
auf Ergiebigkeit, erreichbare Echtheiten und Aufbau der Färbungen zum<br />
Preis ins Verhältnis gesetzt werden.<br />
Hauptaugenmerk muß vor allem auf einen Imageaufbau bzw. auf<br />
eine Imageverbesserung durch koordinierte Marketingstrategien von<br />
„Pflanzenfarbenprodukten“ gelegt werden. Es wird <strong>da</strong>ran gearbeitet,<br />
eine normale Kette zwischen Kunden und Lieferanten aufzubauen. Im<br />
Moment ist diese Kette allein schon im Bereich der Bereitstellung von<br />
Rohstoffen aus einheimischem Anbau, insbesondere Krapp, gestört. Da<br />
z. Zt. niemand aus der Kette vom Rohstoffanbau bis zum Konfektionär<br />
Willens oder in der Lage ist, finanzielle Vorleistungen zu erbringen,<br />
gestaltet sich dieser Aufbau sehr schwierig.<br />
Fazit: Unter Berücksichtigung der Arbeiten der TLL Dornburg auf<br />
dem Gebiet Indigogewinnung aus Färberknöterich, steht dem interessierten<br />
Anwender von Naturfarbstoffen aus dem einheimischen Anbau die<br />
Grundfarbenpalette zur Verfügung. Durch <strong>da</strong>s Mischen dieser Grundfarben<br />
und durch die Beeinflussung der Färbeparameter eröffnet sich <strong>da</strong>mit<br />
eine Vielzahl von färberischen Möglichkeiten, die es jetzt zu vermarkten<br />
gilt.<br />
Axel Wähling<br />
Nahrungs-Ingenieurtechnik GmbH<br />
Wasserkunststraße 26<br />
D-39124 Magdeburg
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Einsatzmöglichkeiten von<br />
Naturfarbstoffen in der Druckindustrie<br />
K. Hanke<br />
Michael Huber München GmbH<br />
1 Beschreibung und Zielsetzungen des Projektes<br />
1.1 Projektbeschreibung<br />
Verbundvorhaben: Entwicklung neuartiger ökologischer Druckfarben<br />
unter Nutzung von Naturfarbstoffen aus <strong>Färberpflanzen</strong> und Untersuchung<br />
der technologischen Anforderungen zur Substitution umweltkritischer<br />
synthetischer Farbpigmentsysteme;<br />
Teilvorhaben 1: Produkt- und Verfahrensentwicklung<br />
FKZ: 00NR022<br />
Projektpartner:Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V., Gülzow<br />
Zentrum Nachwachsende Rohstoffe der Thüringer<br />
Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL), Jena<br />
Agrar- und Umwelt-Analytik GmbH (AUA), Jena<br />
Michael Huber München GmbH<br />
TLL ist in diesem Teilprojekt zuständig für Pflanzenzucht und Anbauoptimierung<br />
von heimischen <strong>Färberpflanzen</strong> sowie für die Entwicklung optimaler<br />
Extraktionsparameter.<br />
AUA entwickelt Methoden zur Verlackung extrahierter Pflanzenfarbstoffe<br />
mit dem Ziel hoher Ausbeute, Farbstärke und Reinheit.<br />
MHM untersucht die Pigmente hinsichtlich ihrer anwendungstechnischen<br />
Eignung in Druckfarben, Druckprozessen und speziellen<br />
Gebrauchsanforderungen an Druckerzeugnisse.<br />
Gülzow, 30. November 1995 149
1.2 Zielsetzungen<br />
150<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Ziel des Projektes ist es festzustellen, ob pflanzenbasierte Farbmittel<br />
- synthetische Farbmittel in Druckfarben partiell ersetzen können<br />
(technische Feasability)<br />
- bezüglich Farbtonauswahl, Farbstärke, Echtheiten, Verdruckbarkeit<br />
geeignet sind,<br />
- ökonomische Voraussetzungen für den Einsatz in Druckfarben erfüllen,<br />
- ggf. Absatzmöglichkeiten in ausreichendem Umfang gesehen werden<br />
(Marketing, kaufmännische Feasibility).<br />
Grundsätzlich ist die Frage zu klären, ob pflanzlich basierte Farbmittel in<br />
eine für moderne Druckfarben geeignete Applikationsform gebracht werden<br />
können als<br />
- Pigmente für Offsetdruckfarben,<br />
- Pigmente oder Farbstoffe für Flüssigfarben, d.h. wasser- und/oder<br />
lösemittelbasierte Flexo- und Tiefdruckfarben.<br />
Das bedingt, <strong>da</strong>ss Aufbereitungs- und Modifikationsverfahren zu erarbeiten<br />
sind, um druckfarbenkonforme Produkte herstellen zu können.<br />
Im zweiten Schritt sind die anwendungstechnischen Einsatzmöglichkeiten<br />
in Druckfarbenformulierungen zu prüfen:<br />
- generelle Dispergierung/Verdruckbarkeit ?<br />
- nur als Sonderfarben einsetzbar ?<br />
- geeignet für ein Mischsystem ?<br />
- ggf. welcher Farbraum ist erzielbar im Druck/Übereinanderdruck?<br />
Im europäischen Druckfarbenmarkt werden gegenwärtig nach unserer<br />
Kenntnis keine Produkte auf einer kompletten nachwachsenden Rohstoffbasis<br />
angeboten.<br />
Wir sehen hier eine Marktnische, die aus dem verstärkten Verbraucherwunsch,<br />
nachwachsende Rohstoffe zu verwenden, resultiert.<br />
Marketingargumente: nachwachsende, pflanzliche Rohstoffbasis<br />
Naturfarben<br />
1.3 Umweltrelevanz, Substitutionspotential<br />
Wir gehen <strong>da</strong>von aus, <strong>da</strong>ss auch die heute von uns eingesetzten synthetischen<br />
anorganischen und organischen Farbmittel nach ökologisch optimierten<br />
Verfahren produziert werden.
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Druckindustrie<br />
Pflanzenbasierte Farbmittel haben den Vorteil, <strong>da</strong>ss sie aus nachwachsenden<br />
Rohstoffen gewonnen werden.<br />
Die europäischen Unternehmen der HUBER-GRUPPE verarbeiten ca.<br />
5.000 Tonnen/p.a. organische synthetische Pigmente.<br />
Im positiven Fall rechnen wir <strong>da</strong>mit, <strong>da</strong>ss maximal 0,1 % <strong>da</strong>von durch<br />
pflanzenbasierte Farbmittel ersetzt werden können.<br />
Aus den Basisfarben der substraktiven Farbmischung Gelb, Blau und<br />
Rot müssen möglichst viele Farbtöne ermischt werden können.<br />
Die Chance eines ausgewogenen Mischsystems besteht <strong>da</strong>rin, <strong>da</strong>ss es<br />
einen möglichst großen Farbraum umfasst.<br />
Das Projekt wird mit Farbmitteln begonnen, die aus Rese<strong>da</strong> (Gelb),<br />
Krapp (Rot) und z. B. Färberwaid (Blau) gewonnen werden.<br />
Würde es nicht gelingen, einen möglichst großen Farbraum abzudekken,<br />
<strong>da</strong> die Druckfarben mit Pigmenten auf nachwachsender Basis zu<br />
schmutzig bzw. zu farbschwach sind, ist deren Einsatz wenig sinnvoll.<br />
Gegenüber synthetischen, organischen bunten Farbmitteln werden<br />
selbstverständlich Abstriche einkalkuliert.<br />
Im Rahmen des Projektes ist auch zu untersuchen, ob es neben den<br />
Farbstoffen aus Färberwaid, Rese<strong>da</strong> und Krapp noch weitere gibt, die<br />
eine Vergrößerung des Farbraumes ermöglichen.<br />
Bei positiver Umsetzung der Projektziele halten wir mittelfristig den<br />
Absatz von 25 Tonnen/p.a. Druckfarben mit Pigmenten auf nachwachsender<br />
Rohstoffbasis für realistisch, was ca. 5 Tonnen/p.a. Pigmenten<br />
entspricht.<br />
Zuvor ist jedoch auch zu klären, wie Laborergebnisse durch scale up<br />
in technologisch sichere Pigment-Produktionsverfahren übertragen werden<br />
können.<br />
Industrielle Herstellungsverfahren und Produzenten sind uns nicht<br />
bekannt.<br />
Es wird deutlich, <strong>da</strong>ss <strong>da</strong>s jetzige Projekt nur ein kleiner Schritt in die<br />
Richtung einer marktgerechten Umsetzung ist.<br />
2 Ausgangsstand<br />
In Europa sind 1999 ca. 965.000 Tonnen Druckfarben im Wert von<br />
3,5 Mrd. Euro produziert worden (Abb. 1).<br />
Nachfolgend genannte Produkte werden mit diesen Druckfarben produziert<br />
(Abb. 2).<br />
Gülzow, 30. November 1995 151
Abbildung 1: Produktion von Druckfarben in Europa 1999<br />
152<br />
33%<br />
8%<br />
<br />
<br />
1%<br />
3% 3%<br />
20%<br />
<br />
<br />
14%<br />
1%<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
7%<br />
10%<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Abbildung 2: Prozentuale Verteilung der Druckprodukte weltweit<br />
18%<br />
14<br />
<br />
<br />
24%<br />
<br />
<br />
<br />
3%<br />
<br />
4% 3%<br />
10%<br />
3%<br />
17%<br />
8%<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
10%
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Druckindustrie<br />
Seit Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Gutenberg<br />
werden nachwachsende Rohstoffe wie Pflanzenöle, Cellulose und<br />
Baumharze bzw. deren Derivate in großem Umfang eingesetzt.<br />
Gleich Gutenberg und seinen Nachfolgern mischte sich auch Senefelder,<br />
als er Ende des 18. Jahrhunderts die Lithographie erfand, Ruß und<br />
gekochtes Leinöl noch selbst zu schwarzer Farbe. Der Be<strong>da</strong>rf an bunten<br />
Farben war vergleichsweise gering.<br />
Speziell Offsetdruckfarben, die mengenmäßig über 30 % des europäischen<br />
Druckfarbenmarktes ausmachen, enthalten Bindemittel, die aus<br />
Alkyd- und Hartharzen sowie Pflanzen- und Mineralölen bestehen.<br />
In jüngster Zeit ist eine Rückbesinnung auf nachwachsende Rohstoffe<br />
zu beobachten. Für Offsetdruckfarben bedeutet <strong>da</strong>s unter anderem die<br />
Substitution von Mineralölen durch vermehrten Einsatz von Pflanzenölen<br />
und Fettsäuremonoestern. Ein breites Spektrum von Monoestern<br />
kommt, orientiert an anwendungstechnischen Anforderungen, zur<br />
Anwendung.<br />
Interessant ist, <strong>da</strong>ss durch diese, für Druckfarben neue Stoffklasse,<br />
hervorragende drucktechnische Eigenschaften erzielt werden können.<br />
Die Verwendung pflanzlicher Öle bzw. deren Derivate ist demzufolge<br />
keine ökologische Modeerscheinung, sondern dient dem technischen<br />
Fortschritt.<br />
Druckfarben bestehen üblicherweise aus Pigmenten, die farbgebender<br />
Bestandteil und Träger der Echtheiten sind, dem Bindemittel, <strong>da</strong>s Druckverhalten<br />
und Trocknung bestimmt, sowie Additiven zur Verbesserung<br />
einzelner anwendungstechnischer Eigenschaften.<br />
Bedingt durch Industrialisierung des Druckgewerbes, Diversifikation<br />
der Drucktechniken und permanent steigender anwendungstechnischer<br />
Anforderungen werden synthetische Rohstoffe zunehmend Bestandteile<br />
von Druckfarben.<br />
Naturfarbstoffe und <strong>da</strong>raus hergestellte Pigmente besitzen heute bis<br />
auf wenige Ausnahmen keine wirtschaftliche Bedeutung mehr. Durch die<br />
im 19. Jahrhundert einsetzenden, industriellen Syntheseverfahren sind<br />
diese nahezu verdrängt worden.<br />
3 Herstellung von Druckfarben<br />
Neben der Bindemittelherstellung ist <strong>da</strong>s Dispergieren von Pigmenten in<br />
Bindemitteln <strong>da</strong>s technologisch aufwendigste Verfahren. Viele Qualitäts-<br />
Gülzow, 30. November 1995 153
154<br />
Rohstoffe<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Offset<br />
Anteile (%) in Druckfarbe<br />
Flexo-/Tiefdruck<br />
LH LF<br />
Pigmente 10 - 30 5 - 15 5 - 15<br />
Füllstoffe 0 - 10 0 - 5 0 -5<br />
Bindemittel - Pflanzenöle/Derivate 5 - 20 - -<br />
- Naturharze/Derivate 20 - 30 0 - 10 -<br />
- Mineralöl 0 - 40 - -<br />
- Synth. Polymere 0 -5 0 - 30 0 - 30<br />
- Dispersionen - - 40 - 70<br />
- VOC-Lösungsmittel - 0 - 50 -<br />
- Additive/Wachse 0 - 5 0 - 5 0 - 5<br />
- Wasser - - 20 - 50<br />
LH = mit Lösungsmittel<br />
LF = wasserbasiert (Lösungsmittel-frei)<br />
kriterien der fertigen Druckfarbe sind von der Dispergierqualität abhängig,<br />
wie z. B. Farbstärke, Kornfeinheit, Glanz und Transparenz.<br />
Dispergieren von Pigmenten ist <strong>da</strong>s Zerlegen der Pigmentagglomerate<br />
in deren Bestandteile, d. h. Primärteilchen, sowie die Benetzung der<br />
Pigmentoberfläche durch geeignete Ankergruppen der Bindemittel.<br />
Geeignete Polymermoleküle müssen mit ihren aktiven Ankergruppen<br />
fest auf der Oberfläche von Primärteilchen der Pigmente befestigt werden,<br />
d. h. diese benetzen.<br />
Ferner muss <strong>da</strong>s Bindemittel in kapillare Hohlräume der Pigmentagglomerate<br />
eindringen und auch die nach deren Zerteilung entstandenen<br />
neuen Oberflächen belegen.<br />
Bei der Dispergierung sind die Haft- und Bindungskräfte, mit denen<br />
die Pigmentagglomerate zusammenhalten, zu überwinden. Die Belegung<br />
der Primärteilchen mit Bindemittelankergruppen verhindert deren<br />
erneute Reagglomeration und führt zu lagerstabilen Farben.
Pigment-Primärteilchen<br />
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Druckindustrie<br />
Im Rahmen der Projektarbeit müssen für die zu entwickelnden Pigmente<br />
geeignete Bindemittelformulierungen und Dispergierbedingungen<br />
erarbeitet werden.<br />
Bei Druckfarben stellt man wegen der extrem dünnen Schichten (0,7 -<br />
1,5 µm im Offsetdruck) besonders hohe Anforderungen an vollständige<br />
Dispergierung der Pigmente.<br />
Wichtig ist die Klärung der Frage, ob z. B. Indigo und verlackte Pigmente<br />
aus einem Filterpresskuchen direkt durch Umbenetzung mit<br />
Druckfarbenbindemitteln zu Druckfarben weiterverarbeitet werden können.<br />
Der Weg über Trocknung des Presskuchens und Vermahlung zur<br />
geeigneten Pigmentkorngröße kann infolge des hohen technologischen<br />
Aufwandes nicht <strong>da</strong>s Ziel sein.<br />
4 Farbmittel<br />
Bindemittel<br />
Z entren der Oberflächenenergien<br />
Belegung mit Ankergruppen<br />
Abbildung 3: Dispergieren von Pigmenten<br />
4.1 Synthetisch organische Pigmente<br />
Der Weltverbrauch synthetischer organischer Farbmittel beträgt etwa<br />
800.000 Tonnen/p.a., die sich auf ca. 5.000 Einzelprodukte aufteilen (Wert<br />
8,5 Mrd. Euro).<br />
Synthetisch organische Pigmente:ca. 250.000 Tonnen/p.a. Gesamtmenge<br />
Einsatz in Druckfarben ca. 45 %: 113.000 Tonnen/p.a.<br />
Gülzow, 30. November 1995 155
156<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Der Sammelraum für alle farbgebenden Stoffe ist nach DIN 55 944 der<br />
Begriff Farbmittel.<br />
Pigmente sind definitionsgemäß im Anwendungsmedium praktisch<br />
unlösliche bunte oder unbunte Farbmittel.<br />
Im Gegensatz hierzu sind Farbstoffe im Applikationsmedium lösliche<br />
organische Farbmittel.<br />
<br />
<br />
<br />
Abbildung 4: Unterteilung der Farbmittel<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Abbildung 5: Klassifizierung organischer Pigmente für Druckfarben<br />
Die chemische Grundstruktur ist in vielen Fällen für Farbstoffe und<br />
Pigmente gleich. Die für Pigmente benötigte Unlöslichkeit lässt sich<br />
durch Bildung unlöslicher Salze erreichen. Die Metallkomplexbildung<br />
wird auch als Verlackung bezeichnet.<br />
Pigmente vieler Klassen können in einem Medium praktisch unlöslich<br />
sein, während sie sich in einem anderen partiell oder komplett lösen.
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Druckindustrie<br />
Bei Farbstoffen ist nahezu ausschließlich die chemische Konstitution<br />
für deren Eigenschaften verantwortlich. Die Eigenschaften von Pigmenten<br />
werden zusätzlich noch durch deren kristallphysikalische Beschaffenheit<br />
determiniert.<br />
Neben der Kenntnis der chemischen Zusammensetzung sind umfangreiche<br />
festkörperphysikalische Daten für eine Beurteilung anwendungstechnischer<br />
Eigenschaften erforderlich.<br />
Wichtige anwendungstechnische Eigenschaften im Medium Druckfarbe<br />
sind:<br />
- Lichtechtheit<br />
- Lösemittel-/Migrationsechtheit<br />
- Fett-/Wasserbeständigkeit<br />
- Speichel-/Schweissechtheit<br />
- Spezielle Gebrauchtsechtheiten<br />
- Temperaturbeständigkeit<br />
4.2 Pigmente auf der Basis nachwachsender Rohstoffe<br />
Inzwischen ist es gelungen, Offsetdruckfarben mit Bindemitteln komplett<br />
auf nachwachsender Rohstoffbasis herzustellen. Es ist <strong>da</strong>her naheliegend,<br />
auch Pigmente auf dieser Basis einsetzen zu wollen, wodurch <strong>da</strong>s gesamte<br />
Farbsystem auf nachwachsenden Rohstoffen basiert.<br />
Nach heutigem Kenntnisstand fällt ein Vergleich zwischen synthetischen<br />
organischen Pigmenten und denen auf nachwachsender Rohstoffbasis<br />
wie folgt aus:<br />
Bewertungsfaktoren<br />
Verfügbarkeit<br />
Herstellungstechnologie<br />
Produktauswahl<br />
Rohstoffbasis<br />
Farbtöne<br />
Farbstärke<br />
Dispergierbarkeit<br />
spez. Gebrauchsechtheiten<br />
Pigmente<br />
synth.org. Basis nachwachsende Basis<br />
sehr groß<br />
bekannt<br />
sehr groß<br />
Mineralöl<br />
großer Umfang<br />
hoch<br />
sehr gut<br />
vorhanden<br />
nein<br />
unbekannt<br />
keine<br />
nachwachsend<br />
sehr begrenzt<br />
gering<br />
unbekannt<br />
unbekannt<br />
Gülzow, 30. November 1995 157
158<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Druckindustrie<br />
5 Anforderungen an Pigmente für den Vierfarbendruck<br />
Die heutigen synthetischen organischen Pigmente erfüllen in jeder Hinsicht<br />
die Anforderungen für den Mehrfarbendruck gemäß DIN 16 539<br />
(Europäische Farbskala - Normdruckfarben) oder die neue Norm ISO<br />
2846.<br />
<br />
Abbildung 6: Ausgewählte Grundfarben und Pigmente für den Mehrfarbendruck<br />
Zur Verwendung gelangen:<br />
Schwarz Ruß Pigment Black 7 1<br />
und blaues Schönungspigment<br />
Blau Pigment Blue 15:3 1<br />
Rot Pigment Red 57:1 1<br />
Gelb Pigment Yellow 12 oder Pigment Yellow 13 1<br />
Diese Pigmente erfüllen in Druckfarben die coloristischen- und<br />
Echtheitsanforderungen des Vierfarbendrucks bezüglich der Coloristik:<br />
- Farbton<br />
- Farbtiefe<br />
- Farbstärke<br />
- Transparenz.<br />
1 nach Colour-Index<br />
<br />
<br />
β<br />
Gülzow, 30. November 1995 159
160<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Um nicht nur die Anforderungen des Vierfarbendruckes erfüllen zu<br />
können, sondern auch speziell geforderte Gebrauchsechtheiten, verwenden<br />
Druckfarbenhersteller heute zum Teil mehr als 300 Pigmente.<br />
6 Erste Resultate mit verlackten Naturfarbstoffen<br />
Von der TLL erhaltene Farbstoffe sind wie folgt behandelt worden:<br />
Farbstoff Behandlung<br />
Indigo mit Deionat salzfrei gewaschen<br />
Rese<strong>da</strong> verlackt mit K-Al-Sulfat, salzfrei gewaschen<br />
Krapp verlackt mit Mg-Al-Sulfat salzfrei gewaschen<br />
Nach dem Abnutschen sind die feuchten Pigmente in Offsetbindemittel<br />
dispergiert und mittels Probedruckgerät mit 1,5 g/m² auf BVS-Papier<br />
gedruckt worden.<br />
Blau: 30 % Indigo<br />
Gelb: 25 % Rese<strong>da</strong>-Lack<br />
Rot: 20 % Krapp-Lack<br />
Den farbmetrischen Vergleich der Drucke mit Stan<strong>da</strong>rdfarben für den<br />
Vierfarbendruck (Blau, Rot, Gelb) zeigt die Position in der Normalfarbtafel:<br />
4-Farb-Druck (420000)
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Druckindustrie<br />
Es zeigt sich, <strong>da</strong>ss der Farbraum der „neuen“ Pigmente sehr klein ist.<br />
Die Anforderungen gemäß ISO 2846 werden coloristisch bei weitem nicht<br />
erfüllt, was auch nicht zu erwarten war.<br />
Gleiches gilt auch für die gemäß DIN 16 525 an den Drucken bestimmten<br />
Lichtechtheiten.<br />
Da die verlackten Pigmente ersten „Vortests“ entstammen, dürfen die<br />
erzielten Ergebnisse in keine Richtung überbewertet werden.<br />
7 Literatur<br />
/1/ Leitfaden der Farbstoffchemie<br />
H. Zollinger<br />
Verlag Chemie<br />
/2/ <strong>Färberpflanzen</strong>, Pflanzenfarben<br />
Schweppe<br />
Verlag ecomed<br />
/3/ Industrielle Organische Pigmente<br />
Herbst/Hunger<br />
VCH<br />
/4/ Pflanzenöle und deren Umwandlungsprodukte in Druckfarben<br />
K. Hanke<br />
26. GDCh-Hauptversammlung 1997<br />
/5/ Farbstoffe und Pigmente<br />
Fonds der Chemischen Industrie<br />
VCI<br />
Michael Huber München GmbH<br />
Zentrale Entwicklung Offsetdruckfarben<br />
Herr Klaus Hanke<br />
Feldkirchener Str. 15<br />
D-85551 Kirchheim (bei München)<br />
Gülzow, 30. November 1995 161
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Einsatzmöglichkeiten von<br />
Naturfarbstoffen in der Lederfärbung<br />
M. Conrad<br />
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, Dornburg<br />
Einleitung<br />
Gefärbte Lederartikel gibt es, wie frühgeschichtliche Funde beweisen,<br />
schon sehr lange. So wurden zum Beispiel bei der Freilegung von ägyptischen<br />
Gräbern lederne, gefärbte Artikel in Form von Schilden, Pfeilköchern<br />
und anderem gefunden. Diese Funde lassen sich in die Zeit von<br />
2000 v. Chr. zurück<strong>da</strong>tieren. Die Färbung dieser Lederartikel erfolgte unter<br />
anderem mit Saflor in roten Tönen.<br />
Nachdem die Herstellung von Leder durch <strong>da</strong>s Gerben mit pflanzlichen<br />
Gerbmitteln bekannt war, begann man die <strong>da</strong>raus gefertigten<br />
Gegenstände zu verzieren, sei es durch Bemalen, Bedrucken oder Färben.<br />
Der Zweck dessen ist vielfältig gewesen; Zum Einen wurde durch <strong>da</strong>s<br />
Tragen von Kleidung in einer bestimmten Farbe die Zuordnung des Trägers<br />
zu einer bestimmten Kaste oder eines Standes symbolisiert, zum<br />
Anderen konnten bei kriegerischen Auseinandersetzungen die einzelnen<br />
Lager an ihren verschiedenfarbigen Kleidungen, Lederschilden und Ähnlichem<br />
unterschieden werden. Die Hauptursache der Entwicklung des<br />
Färbens von Leder ist aber wohl in einem schon zu sehr frühen Zeit entstandenem<br />
Modebewusstsein zu suchen, <strong>da</strong>s <strong>da</strong>rin bestand, farblich passende<br />
Lederartikel, wie Schuhe, Taschen, Handschuhe und vieles mehr<br />
zur restlichen Kleidung zu tragen.<br />
Als Farbstoffe kamen bis zur Entwicklung synthetischer Produkte<br />
Pflanzensäfte, Pflanzenextrakte, Mineralien bzw. aus Tieren gewonnene<br />
Färbemittel, wie die Tinte des Tintenfisches, eine Farbdrüse der Purpur-<br />
162 Biotechnologie und Gentechnik in der Industriepflanzenzüchtung
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Lederfärbung<br />
schnecke oder Stierblut zum Einsatz. Am Anfang der industriellen Lederproduktion<br />
wurden <strong>da</strong>hingegen vor allem sogenannte Farbhölzer (Rot-,<br />
Gelb-, Blau- und Fisetholz) eingesetzt, die vorwiegend als Pflanze oder<br />
Extrakt aus Sü<strong>da</strong>merika stammten.<br />
Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die synthetischen Farbstoffe<br />
entwickelt wurden, gerieten die Naturfarbstoffe in Vergessenheit.<br />
Synthetische Farbstoffe sind Produkte der Petrol- oder Kohlechemie. Da<br />
Anilin in den frühen Jahren der chemischen Farbstoffherstellung <strong>da</strong>s<br />
alleinige Ausgangsprodukt <strong>da</strong>rstellte, gab es den Farbstoffen ihren<br />
Namen. In der heutigen Zeit umfasst dieser Name alle synthetischen<br />
Farbstoffe, die mit Hilfe von Wasser als Lösungsmittel auf die Lederfaser<br />
aufziehen und sich mit dieser chemisch binden. Der Charakter der Lederoberfläche<br />
wird <strong>da</strong>durch nicht verändert und bleibt natürlich.<br />
Aus dem gestiegenen ökologischen Bewusstsein heraus begann man<br />
sich vor einigen Jahren wieder den pflanzlichen Farbstoffen zu widmen.<br />
Im Gegensatz zu früher verwendeten Pflanzen, die meist durch Raubbau<br />
tropischer Wälder gewonnen wurden, werden heute einheimische, zur<br />
Färbung geeignete Pflanzen gezielt gezüchtet und angebaut. Zahlreiche<br />
Versuche haben ergeben, <strong>da</strong>ss sich aus diesen Pflanzen gewonnen Farbstoffextrakte<br />
sehr gut zum Färben von Leder auf einer chromfrei hergestellten<br />
Ware eignen.<br />
Mit einer wasserlöslichen, mineralischen Deckfarbenzurichtung ist es<br />
möglich, die geforderten Echtheiten, wie z. B. die Lichtechtheit in<br />
gewünschtem Maß zu erreichen. Als mineralische Deckfarben stehen<br />
zum Beispiel Ruß oder verschieden Erdpigmente zur Verfügung.<br />
Möglichkeiten der Lederfärbung<br />
Die Lederfärbung unterscheidet man hauptsächlich in die Nasszurichtung<br />
und in die Trockenzurichtung.<br />
Nasszurichtung<br />
Färben in der Mulde<br />
Es ist die älteste Methode der Lederfärbung. Durch eine stehende Flotte<br />
kommt es nur zu einer geringen Farbstoffausnutzung und der ebenfalls<br />
hohe Arbeitsaufwand steht in keinem Verhältnis zur sehr geringen Wirt-<br />
Gülzow, 30. November 1995 163
164<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
schaftlichkeit. Diese Färbemethode findet heute in der modernen Industrie,<br />
im Gegensatz zu Färbereien in Indien und Pakistan, keine Anwendung<br />
mehr.<br />
Färben in der Haspel<br />
Diese Methode kommt dem Färben in der Mulde gleich, mit dem Unterschied,<br />
<strong>da</strong>ss durch ein Schaufelrad die Flotte bewegt wird. Diese Färbemethode<br />
findet auch heute noch Anwendung bei Ledern, die im Fass zu<br />
Verknotungen und zum Zerreißen neigen. Solche Leder sind zum Beispiel<br />
Rindseiten, Schlangen- oder Krokodilleder.<br />
Färben im Walkfass<br />
Dies ist die wirtschaftlichste und verbreitetste Methode zum Färben von<br />
Leder. Hierbei wird ein Holz- oder Edelstahlfass mit einer Beladungsmenge<br />
von bis zu drei Tonnen Lederfalzmasse genutzt.<br />
Für Versuche im labortechnischen Maßstab stehen diese Fässer analog<br />
aus Glas zur Verfügung und sind mit ca. 100 g zu beladen. Die Fässer<br />
besitzen einen Rechts/Linkslauf. Die Umdrehungszahl/Minute ist stufenlos<br />
regelbar und über eine hohle Achse kann die Chemikalienzufuhr<br />
erfolgen.<br />
Trockenzurichtung<br />
Färben mit der Bürste<br />
Hierbei wird eine schwache Farbstofflösung mit einer Bürste (meist<br />
Lammfell) mehrfach mit kreisenden Bewegungen auf <strong>da</strong>s Leder aufgetragen.<br />
Anwendung findet diese Art der Deckfarbenzurichtung bei Ledern,<br />
die eine ungefärbte Fleischseite aufweisen sollen. Es erfolgt keine Durchfärbung.<br />
Färben mit der Spritzpistole<br />
Diese Methode findet fast ausschließlich für Färbeversuche Anwendung.<br />
Für eine effektive Produktion sind Spritzbänder erforderlich, auf denen<br />
die Zurichtstoffe mehrfach aufgetragen und zwischengetrocknet werden<br />
können. Die Spritzfärbung dient vorwiegend der Endfertigung nass zugerichteter<br />
Leder, die mit einer Deckfarbe und einem Finish versehen<br />
werden.<br />
Färben mit dem Gießautomat<br />
Das Färben mit dem Gießautomat ist eine sehr rationelle Methode, bei der<br />
über Gießlippen ein zusammenhängender Farbfilm aufgetragen wird.<br />
Anwendung findet diese vorwiegend für Grundieraufträge. Mit dieser
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Lederfärbung<br />
Art der Färbung kann sowohl schon nass zugerichtetes Leder als auch<br />
bisher ungefärbtes Leder behandelt werden.<br />
Herstellung von Farbextrakten aus Pflanzenmaterial<br />
Im Projekt „Züchterische Bearbeitung von <strong>Färberpflanzen</strong> sowie Extraktion<br />
der Farbstoffe und deren Einsatz in der Lederfärbung“, gefördert<br />
von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V., galt es, als erstes<br />
Farbextrakte herzustellen und diese anschließend für die Lederfärbung<br />
abzutesten.<br />
Die labortechnische Herstellung von Farbextrakten aus Pflanzenmaterial<br />
erfolgte in Bechergläsern. Als Färbepflanzen kamen:<br />
- Krapp<br />
- Kanadische Goldrute, Varietät ‚Goldkind’<br />
- Färberwau<br />
- Färberhundskamille<br />
- Saflor<br />
- Artischocke und<br />
- Färberscharte<br />
zum Einsatz.<br />
Das Pflanzenmaterial (je 200 g) wurde in 100 % Wasser über Nacht<br />
eingeweicht und am Folgetag mit 2 l Extraktionsmittel versetzt. Als<br />
Extraktionsmittel dienten Wasser und Wasser/Alkoholgemische verschiedener<br />
Art und Konzentration. Die Extraktions<strong>da</strong>uer betrug 1 h bei<br />
75 °C. Der abgekühlte Extrakt wurde <strong>da</strong>nach abfiltriert und <strong>da</strong>s Pflanzenmaterial<br />
ausgepresst.<br />
Mit den gewonnenen Extrakten ist <strong>da</strong>s Leder gefärbt und mit unterschiedlichen<br />
Beizen bzw. Beizmittelgemischen nachbehandelt worden.<br />
Die Extraktherstellung für kleintechnische Versuche erfolgte in einer<br />
Feststoffextraktionsanlage, in der es möglich ist, Flüssigextraktmengen<br />
bis zu 45 l mit einem Durchlauf herzustellen. Die Anlage verfügt über<br />
einen externen Dampferzeuger, der zur Erwärmung des Extraktionsmittels<br />
(bis zu 50 l) und zur Rückgewinnung des eingesetzten Alkohols dient.<br />
Die drei Extraktoren der Anlage mit einem Fassungsvermögen von je 15 l<br />
Extraktionsgut sind einzeln, parallel, nacheinander oder im Kreislauf<br />
betreibbar. Der erhaltene Extrakt kann sofort zur Färbung eingesetzt bzw.<br />
Gülzow, 30. November 1995 165
166<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
in einer Sumpfglocke einge<strong>da</strong>mpft werden, um einen Großteil des Alkohols<br />
zurückzugewinnen.<br />
Das Pflanzenmaterial muss vor dem Befüllen der Extraktoren über<br />
Nacht eingeweicht werden, um die Fliessgeschwindigkeit des Extraktionsmittel<br />
zu verringern und um ein Zertreiben der Extraktoren zu verhindern.<br />
Verwendete <strong>Färberpflanzen</strong> waren bisher:<br />
- Krapp<br />
- Färberwau<br />
- Färberscharte<br />
- Saflor und<br />
- Färberhundskamille.<br />
Mit den hergestellten Extrakten ist je ein halbe bis eine ganze Haut in einer<br />
kleintechnischen Versuchsanlage in der Thüringer Lederfabrik Wei<strong>da</strong><br />
GmbH gefärbt worden. Die gefärbten Leder wurden mit Kalialaun oder<br />
Eisen-II-Sulfat nachgebeizt und in der Trockenzurichtung mit Pigmenten<br />
und einem Finish behandelt.<br />
Färbebedingungen und Ledereigenfarbe<br />
Färbebedingungen<br />
Durch die Variation der Färbebedingungen ist es möglich, grundlegenden<br />
Einfluss auf <strong>da</strong>s Ergebnis der Färbung zu nehmen. Als Kriterien der<br />
Färbebedingungen sind zu nennen:<br />
- Färbe<strong>da</strong>uer<br />
- Flottenlänge<br />
- Flottentemperatur<br />
- pH-Wert<br />
- Farbstoffeinsatz und<br />
- Wasserqualität.<br />
Die Dauer der Färbung richtet sich nach:<br />
- der Art der verwendeten Farbstoffe und deren Bindungsvermögen<br />
- der Lederart und dessen Affinität zum Farbstoff<br />
- dem Ziel der Färbung, d. h. ob eine Oberflächen-, Ein- oder Durchfärbung<br />
angestrebt wird<br />
- der Erschöpfung des Färbebades (Farbauszehrung der Flotte).
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Lederfärbung<br />
Die Flottenlänge beeinflusst <strong>da</strong>s färberische Verhalten <strong>da</strong>hingehend, <strong>da</strong>ss<br />
bei lange Flotten mit einer geringen Farbstoffkonzentration im Bad die<br />
Farbstoffe an die Lederoberfläche gebunden werden, wohingegen bei<br />
kurzen Flotten die Farbstoffe bis zu einer Durchfärbung führen. Dies ist<br />
auch dem höheren Walkeffekt und der höheren Farbstoffkonzentration<br />
bei kurzen Flotten bzw. flottenlosen Verfahren zu ver<strong>da</strong>nken.<br />
Chromfrei gegerbte Leder werden wegen ihrer geringen Wärmebeständigkeit<br />
nur bei 40-45 °C gefärbt. Dies führt zu einer geringeren Bindungsneigung<br />
der Farbstoffe an <strong>da</strong>s Leder und fördert <strong>da</strong>durch eine<br />
Durchfärbung. Mit der Temperaturwahl ist es möglich, die Färbebedingungen<br />
und den Farbstoffanfall zu steuern. Dabei ist für konstante Bedingungen<br />
zu sorgen und ein unbeabsichtigter Temperaturabfall während<br />
der Färbung auf alle Fälle zu vermeiden.<br />
Der pH-Wert <strong>da</strong>rf bei der Bearbeitung von chromfrei gegerbtem Leder<br />
nicht basisch werden, <strong>da</strong> ansonsten eine Entgerbung des Leders erfolgt.<br />
Die eingesetzten Pflanzenfarbstoffe müssen wasserlöslich und im sauren<br />
Bereich beständig sein. Sie sollten kleinteilig sein, um eine gute<br />
Durchfärbung zu erreichen und der Farbstoffeinsatz <strong>da</strong>rf möglichst 5 %<br />
Reinfarbstoff, berechnet auf <strong>da</strong>s Ledertrockengewicht, nicht überschreiten.<br />
Alle Färbevorgänge mit Pflanzenfarbstoffen spielen sich im wässrigen<br />
Medium ab. Die Qualität des Färbereiwassers ist deshalb für <strong>da</strong>s Färbeergebnis<br />
von großer Bedeutung. Es sollte klar und ohne Schwebstoffe und<br />
frei von Eisensalzen sein. Die bleibende Härte <strong>da</strong>rf 15 °dH nicht übersteigen,<br />
<strong>da</strong> sich bei härterem Wasser in der Regel viel Kalk im Wasser befindet<br />
(Steigerung des pH-Wertes) und <strong>da</strong>raus ein ungenügendes Färbeergebnis<br />
resultiert.<br />
Ledereigenfarbe<br />
Die Ledereigenfarbe wird durch <strong>da</strong>s verwendete Gerbmittel bzw. den<br />
Gerbstoff bestimmt. Sie kann bei vegetabil gegerbten Ledern von dunkelgelb<br />
bis braun, bei chromgegerbten Ledern grünlich bis bläulich sein. Die<br />
Eigenfarbe hat einen großen Einfluss auf die Färbung, <strong>da</strong> ein Korrigieren<br />
des Farbtons von Partie zu Partie unumgänglich ist.<br />
Gülzow, 30. November 1995 167
Farbstoffe, Beizmittel und Beizverfahren<br />
168<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Bei den Farbstoffen unterscheidet man synthetische und natürliche Farbstoffe.<br />
Zu den synthetischen Farbstoffen zählt man die<br />
- anionischen Farbstoffe, die sich überwiegend über Ionenbindung<br />
an <strong>da</strong>s Leder anlagern und einfärbende und durchfärbende Eigenschaften<br />
besitzen,<br />
- kationischen Farbstoffe, die schnell mit dem negativ aufgeladenen<br />
vegetabil gegerbten Leder reagieren, sehr ergiebig sind und durch<br />
eine hohe Brillanz bestechen,<br />
- amphoteren Farbstoffe, deren besondere chemische Struktur ein<br />
gutes Bindungsverhalten sowohl zum kationischen Chromleder als<br />
auch zum vegetabilischen Leder gewährleistet.<br />
Zu den natürlichen Farbstoffen zählt man die:<br />
- tierischen Farbstoffe, wie z. B. eine Drüse der Purpurschnecke, die<br />
Tinte des Tintenfisches oder Rinderblut<br />
- mineralischen Pigmente, wie Ruß oder verschiedene Erdpigmente<br />
- pflanzlichen Farbstoffe, wie Krapp für Rotfärbungen mit Alizarin<br />
und Ruberythrinsäure als färbenden Komponenten, Färberwau,<br />
Kanadische Goldrute oder Färberhundskamille für Gelbfärbungen<br />
mit verschiedenen Flavonoid- bzw. Quercetinverbindungen als färbenden<br />
Bestandteilen.<br />
Als Beizmittel werden ausschließlich Weinstein, Kalialaun oder Eisen-II-Sulfat<br />
entweder als reine Beize oder als Beizmittelgemische verwendet,<br />
die sehr unterschiedliche Farbtöne bedingen.<br />
Als Beizverfahren sind die Vorbeize, also ein Beizen des Leders vor<br />
der Färbung, die Direktbeize (Beize und Farbstoff in einem Bad) und die<br />
Nachbeize zu nennen.<br />
Bei der Färbung von Leder hat sich <strong>da</strong>s Beizen nach der Färbung als<br />
vorteilhaft erwiesen, <strong>da</strong> der zu verlackende Farbstoff bereits ins Leder<br />
eingedrungen ist und nicht nur an der Oberfläche gebunden wird.<br />
Färbetechnologie<br />
Im Rahmen des Projektes wurden zahlreiche Versuche zur optimalen Färbung<br />
durchgeführt. Neben dem zu erzielenden Farbton (Farbe, Beize)
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Lederfärbung<br />
und den Echtheiten war ein Schwerpunkt, ein Verfahren auszuwählen,<br />
<strong>da</strong>ss unter praktischen Bedingungen ohne größere technische Veränderungen<br />
an vorhandenen Anlagen zur Anwendung kommen kann.<br />
Basierend auf den bisherigen Versuchen hat sich die in Tabelle 1 aufgeführte<br />
Färbetechnologie als am günstigsten erwiesen.<br />
Tabelle 1: Optimale Färbetechnologie unter Verwendung chromfrei gegerbten<br />
Leders<br />
Arbeitsgang Flotte (%) Temperatur (°C) PH-Wert Zeit (min)<br />
Broschieren 250 40 4 60<br />
Spülen 40 10<br />
Färbung 250 40 4 60<br />
Spülen 40 10<br />
Beizen 250 40 4 60<br />
Spülen 40 10<br />
Ausrecken<br />
Kalt Spannen<br />
Walken<br />
Zurichten<br />
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen für weitere Arbeiten<br />
Zusammenfassend kann gesagt werden, <strong>da</strong>ss die Technologie zur Herstellung<br />
von chromfrei gegerbtem Leder gegeben ist. Die Bereitstellung<br />
dieser Leder in gewünschter Stückzahl ist ebenfalls problemlos möglich.<br />
Eine Vielzahl bisher durchgeführter labortechnischer Versuche hat ergeben,<br />
<strong>da</strong>ss pflanzliche Farbstoffe auf dieses Leder sehr gut aufziehen.<br />
Kleintechnische Versuche mit einer halben bzw. einer ganzen Haut bestätigten,<br />
<strong>da</strong>ss der Farbstoff komplett eindringt und eine Durchfärbung des<br />
Leders möglich ist.<br />
Durch die Variation der Extraktion hinsichtlich:<br />
- Extraktionsgut<br />
Gülzow, 30. November 1995 169
170<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
- Extraktionsmittel/-gemische<br />
- Laufzeit und Temperatur<br />
sowie durch den Einsatz von Beizmitteln bzw. Beizmittelgemischen ist<br />
der entstehende Farbton kein Zufallsprodukt, sondern kann gezielt hergestellt<br />
werden.<br />
Die Schwerpunkte weiterer Arbeiten sind in der Erreichung geforderter<br />
Echtheitsparameter, die durch die Färbung beeinflusst werden können,<br />
zu sehen. Dies betrifft vorrangig die:<br />
- Lichtechtheit<br />
- Reibechtheit trocken und nass auf Aas- und Narbenseite<br />
- Waschechtheit<br />
- Wasserechtheit auf Aas- und Narbenseite<br />
- Schweißechtheit und<br />
- Lösungsmitteechtheit.<br />
Des weiteren ist es notwendig, eine betriebswirtschaftliche Kostenrechnung<br />
zu den einzelnen Färbepflanzen, der Extraktion und der Färbung<br />
anzustellen sowie die Markteinführung vorzubereiten.<br />
Dipl.-Gerbereiing. (FH) Michael Conrad<br />
Thüringer Zentrum Nachwachsende Rohstoffe der Thüringer Landesanstalt für<br />
Landwirtschaft<br />
Apol<strong>da</strong>er Straße 4<br />
D-07778 Dornburg<br />
TU-dornburg@t-online.de
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Einsatzmöglichkeiten von<br />
Naturfarbstoffen in der Textilindustrie<br />
Färben von Cellulosefaserstoffen<br />
R. Bochmann<br />
Sächsisches Textilforschungsinstitut e. V., Chemnitz<br />
Einleitung<br />
In dem vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und<br />
Landwirtschaft geförderten Verbundvorhaben „Entwicklung einer Technologie<br />
zum Färben von Cellulose- und Proteinfaserstoffen“ haben sich<br />
die Verbundpartner Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut<br />
für Umweltforschung Schlieben e. V., Nahrungs- und Ingenieurtechnik<br />
GmbH, Institut für Getreideverarbeitung GmbH, Textilforschungsinstitut<br />
Thüringen-Vogtland e. V. und Sächsisches Textilforschungsinstitut e. V.<br />
seit 1998 intensiv mit dem effektiven Anbau und der Ernte einheimischer<br />
<strong>Färberpflanzen</strong>, der Gewinnung von Farbstoffextrakten, der Rohstoffund<br />
Extraktanalytik sowie der Verwendung dieser Extrakte für die Färbung<br />
von Textilien beschäftigt.<br />
Unter den Aspekten Anbaueignung, Inkulturnahme, Farbstoffertrag<br />
und Färbeeignung wird den <strong>Färberpflanzen</strong> Färberhundskamille,<br />
Rese<strong>da</strong>, Kanadische Goldrute, Krapp und Färberknöterich von den ca. 20<br />
Pflanzenarten, die für einen feldmäßigen Anbau geeignet sind, die größte<br />
Bedeutung beigemessen. Außerdem werden mit diesen Pflanzen die<br />
Grundfarben Gelb, Rot und Blau abgedeckt.<br />
Ausgewählte Ergebnisse zur Applikation dieser <strong>Färberpflanzen</strong>-Extrakte<br />
auf Textilmaterial werden im Vortrag vorgestellt.<br />
Gülzow, 30. November 1995 171
172<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Voraussetzungen zur industriellen Anwendung von Pflanzenfarbstoffen<br />
Wenn der Textilveredler <strong>da</strong>s Wort Pflanzenfarbstoff hört, denkt er bisher<br />
noch an <strong>da</strong>s Färben mit zerkleinerten Pflanzen, <strong>da</strong>s unter den Bedingungen<br />
einer modernen Textilfärberei grundsätzlich unmöglich ist. Der Färber<br />
benötigt industriell einsetzbare Farbstoffextrakte.<br />
Er will <strong>da</strong>mit ein breites Spektrum heller, mittlerer und dunkler Farbtöne<br />
auf den verschiedensten Textilien erzielen.<br />
Es besteht weiterhin die Forderung nach Egalität, <strong>da</strong>s heißt Gleichmäßigkeit<br />
des Farbausfalls innerhalb einer Färbepartie. Des weiteren müssen<br />
die Färbeergebnisse reproduzierbar sein.<br />
Im Hinblick auf die Zeit- und Temperaturführung <strong>da</strong>rf sich die Färbetechnologie<br />
nicht wesentlich von Färbungen mit Synthesefarbstoffen<br />
unterscheiden, d. h. technologisch sinnvolle Zeit- und Temperaturabläufe<br />
sind notwendig.<br />
Eines der wichtigsten Kriterien für die Beurteilung der Qualität der<br />
Färbungen ist die Frage der Farbechtheiten. Für Bekleidung spielen die<br />
Lichtechtheit, die Reibechtheit, die Waschechtheit und die Schweißechtheit<br />
eine besondere Rolle.<br />
Nicht zuletzt gilt auch für Färbungen mit <strong>Färberpflanzen</strong>-Extrakten<br />
die Sicherstellung der ökologischen Verträglichkeit des Veredlungsprozesses.<br />
Alle Verfahrensschritte sind im Sinne des produktionsintegrierten<br />
Umweltschutzes zu lösen.<br />
Beschaffenheit der <strong>Färberpflanzen</strong>-Extrakte<br />
Der industrielle Einsatz von <strong>Färberpflanzen</strong>-Extrakten stellt an die Beschaffenheit<br />
der Extrakte einige Anforderungen:<br />
- Es ist ein hoher Gehalt an färbenden Inhaltsstoffen erforderlich,<br />
d. h. die Extrakte müssen in konzentrierter Form lieferbar sein. Der<br />
Transport und die Lagerung großer Flüssigkeitsmengen mit niedrigem<br />
Farbstoffgehalt macht keinen Sinn.<br />
- Die Extrakte müssen gut handhabbar sein, z. B. <strong>da</strong>rf sich kein klebriger<br />
Bodensatz im Gefäß absetzen. Eine leichte Homogenisierbarkeit<br />
und Löslichkeit ist notwendig.
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Textilindustrie<br />
- Die Extrakte müssen sowohl für Färbungen auf Färbemaschinen<br />
(Textil wird bewegt) als auch für Färbungen auf Färbeapparaten<br />
(Flotte zirkuliert durch <strong>da</strong>s Textilgut) geeignet sein.<br />
- Es ist sicherzustellen, <strong>da</strong>ss die Extraktqualität bei einer Lagerung<br />
über einen längeren Zeitraum (mehrere Monate) konstant bleibt.<br />
- Letztendlich spielt der Preis eine entscheidende Rolle für den industriellen<br />
Einsatz. Wegen der hohen Kosten bei Anbau, Ernte und<br />
Verarbeitung der <strong>Färberpflanzen</strong> sind die Preise für Extrakte aus<br />
Pflanzenfarben höher als die für synthetische Farbstoffe.<br />
Färben von Cellulosefaserstoffen<br />
Färbeverhalten der <strong>Färberpflanzen</strong>-Extrakte auf Leinengewebe<br />
Im Rahmen des Projektes wurden zahlreiche Extrakt-Varianten (hergestellt<br />
nach verschiedenen Extraktionsverfahren) auf ihr färberisches Verhalten<br />
untersucht. Dabei kristallisierten sich einige Extrakte heraus mit<br />
denen gute Färberesultate erzielt wurden.<br />
Tabelle 1 enthält eine Zusammenstellung der Parameter Extraktformulierung,<br />
Farbstoffgehalt, Nuancenaufbau und Egalität dieser Extrakte.<br />
Die Färbungen erfolgten im Labormaßstab auf gebleichtem Leinengewebe.<br />
Rese<strong>da</strong>-Extrakte in Form von Pulvern mit ca. 35 % Farbstoffgehalt als<br />
auch in Form von Pasten mit ca. 15-20 % sind für Färbungen auf Leinengewebe<br />
gut geeignet. Bis zu einer Farbstoffkonzentration von 2 % (bezogen<br />
auf <strong>da</strong>s Warengewicht) bauen sie gut auf. Die Egalität der Färbungen<br />
ist gut.<br />
Färberhundskamille-Extrakte in Pulverform mit ca. 37 % Farbstoffgehalt<br />
und als Flüssig-Extrakt mit 18-23 % Farbstoffgehalt liefern auf alaungebeiztem<br />
Leinengewebe ebenfalls gute Resultate im Hinblick auf Nuancenaufbau<br />
und Egalität.<br />
Mit Krapp-Extrakten in Pastenform mit ca. 5-8 % Farbstoffgehalt können<br />
mittlere bis dunkle Farbtöne erzielt werden. Bei hellen Farbtönen gibt<br />
es hier bislang Schwierigkeiten im Hinblick auf die Egalität. Auch eine<br />
breites Spektrum getesteter Egalisierhilfsmittel erwies sich als nicht<br />
erfolgreich. Mit Flüssig-Extrakten aus Krapp können helle und mittlere<br />
Gülzow, 30. November 1995 173
174<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Tabelle 1: Färbeverhalten von <strong>Färberpflanzen</strong>-Extrakten auf Leinengewebe<br />
Färberpflanze<br />
Extraktqualität<br />
Rese<strong>da</strong> Pulver<br />
Paste<br />
Färberhundskamille<br />
Krapp Paste<br />
Färberknöterich<br />
Pulver<br />
Flüssigkeit<br />
Flüssigkeit<br />
Farbstoffgehalt<br />
ca. 35 %<br />
ca. 15-20 %<br />
ca. 37 %<br />
ca. 18-23 %<br />
ca. 5-8 %<br />
ca. 3 %<br />
Nuancenaufbau/<br />
Egalität<br />
Nuancenaufbau bis zu 2 %<br />
Farbstoffkonzentration gut/<br />
Egalität gut<br />
Nuancenaufbau bis zu 2,5 %<br />
Farbstoffkonzentration gut /<br />
Egalität gut<br />
geeignet für mittlere bis<br />
dunkle Töne (2,5 - 5 % Farbstoffeinsatz)<br />
/Egalität gut<br />
geeignet für helle bis mittlere<br />
Töne (bis 2,5 % Farbstoffeinsatz)<br />
/ Egalität gut<br />
Granulat ca. 20 % Nuancenaufbau bis zu 3 %<br />
Farbstoffkonzentration gut /<br />
Egalität bei Luftoxi<strong>da</strong>tion gut<br />
Farbtöne egal gefärbt werden, jedoch sind hier die Lichtechtheiten oft<br />
ungenügend.<br />
Färberknöterich-Extrakte in Granulatform mit ca. 20 % Farbstoffgehalt<br />
führen im Konzentrationsbereich bis 3 % zu guten Färbeergebnissen.<br />
In Abb. 1 wird am Beispiel eines Rese<strong>da</strong>-Extraktes anhand der Remissionskurven<br />
der Färbungen auf Leinengewebe im Konzentrationsbereich<br />
zwischen 0,5 % und 2,5 % deutlich, <strong>da</strong>ss Farbstoffkonzentrationen über<br />
2 % nur noch geringe Auswirkungen auf die Farbtiefe haben.<br />
Einfluss des Erntegutes auf <strong>da</strong>s Färbeergebnis am Beispiel von<br />
Rese<strong>da</strong>-Färbungen<br />
Färbungen müssen innerhalb bestimmter Toleranzen reproduzierbar<br />
sein. Unabhängig von den Rohstoffqualitäten, die von Erntejahr zu Erntejahr<br />
Schwankungen unterliegen, werden stan<strong>da</strong>rdisierte Extrakte benötigt.
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Textilindustrie<br />
Abbildung 1: Remissionskurven von Färbungen einer Konzentrationsreihe mit<br />
Rese<strong>da</strong>-Extrakt<br />
<br />
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Abbildung 2: Remissionskurven von Färbungen mit Rese<strong>da</strong>-Extrakten der<br />
Erntejahre 1997, 1998 und 1999<br />
Gülzow, 30. November 1995 175
176<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Untersuchungen des färberischen Verhaltens analog hergestellter<br />
Rese<strong>da</strong>-Extrakte der Erntejahre 1997, 1998 und 1999 ergaben, <strong>da</strong>ss die<br />
sowohl in der Farbtiefe als auch in der Brillanz der Färbungen gewisse<br />
Abweichungen auftreten, die jedoch relativ gering sind. Sie entsprechen<br />
maximal 1 Note nach Graumaßstab. Dies verdeutlichen auch die Remissionskurven<br />
von 2 %igen Färbungen in Abb. 2.<br />
Für den Textilveredler, der mit stan<strong>da</strong>rdisierten synthetischen Farbstoffen<br />
arbeitet, gelten derartige Abweichungen als gerade noch akzeptabel.<br />
Da es sich bei den Extrakten aus <strong>Färberpflanzen</strong> um Naturstoffe handelt,<br />
sollten in Bezug auf die Toleranzgrenzen andere Maßstäbe als für<br />
Färbungen mit synthetischen Farbstoffen festgelegt werden. Dies erfordert<br />
Einigkeit bei allen Beteiligten in der textilen Kette vom Textilveredler,<br />
über den Konfektionär, Händler bis hin zum Verbraucher.<br />
Einfluss der Färbeparameter auf <strong>da</strong>s Färbeergebnis<br />
Optimale Färbeergebnisse setzen die Durchführung der Färbungen bei<br />
bestimmten pH-Werten und einem definierten Temperatur-/Zeitregime<br />
unter Verwendung geeigneter Textilhilfsmittel und – wenn erforderlich –<br />
einer speziellen Nachbehandlung voraus.<br />
- pH-Wert<br />
In Laborversuchen wurden auf Leinengewebe mit jedem <strong>Färberpflanzen</strong>-Extrakt<br />
Färbungen im pH-Bereich von 5 bis 9 durchgeführt.<br />
Es wurde gefunden, <strong>da</strong>ss jede Färberpflanze „ihren“ definierten<br />
pH-Wert der Färbeflotte benötigt, um Färbungen mit hoher<br />
Farbintensität zu erhalten.<br />
- Färbetemperatur<br />
In der Literatur werden zum Färben mit Pflanzenfarben Temperaturen<br />
von 90-95 °C empfohlen. Unsere Untersuchungen mit gelbfärbenden<br />
Extrakten im Temperaturbereich zwischen 70 °C und<br />
95 °C zeigen, <strong>da</strong>ss bei einer Färbetemperatur von 70-80 °C brillantere,<br />
gelbere Farbtöne resultieren als bei Kochtemperatur.<br />
- Färbezeit<br />
Für die Fixierung des Farbstoffes auf der Faser ist neben der erforderlichen<br />
Färbetemperatur auch eine bestimmte Färbezeit erforderlich.<br />
Die Färbezeiten wurden zwischen 30 und 180 min variiert. Im
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Textilindustrie<br />
Hinblick auf Farbausfall und Farbechtheiten erwiesen sich 45 bis<br />
60 min als optimal.<br />
- Textilhilfsmittel<br />
Färbungen unter industriellen Bedingungen erfordern geeignete<br />
Textilhilfsmittel wie Netz-, Wasch- und Egalisierhilfsmittel. Um<br />
den Charakter der Naturfärbung zu unterstützen, sollten <strong>da</strong>für biologisch<br />
gut abbaubare Produkte eingesetzt werden.<br />
- Nachbehandlung<br />
Nachwaschprozesse mit neutralen bis leicht alkalischen Waschmitteln<br />
wirken sich positiv auf die Nassechtheiten der Färbungen aus.<br />
Auf alkalische Waschmittel sollte aufgrund möglicher Veränderungen<br />
des Farbtones verzichtet werden.<br />
Farbechtheiten von Pflanzenfärbungen auf Leinengewebe<br />
In Tabelle 2 sind ausgewählte Farbechtheiten von mittleren bis dunklen<br />
Färbungen auf Leinengewebe zusammengefasst. Zur Färbung von Bekleidungstextilien<br />
aus Leinen eignen sich prinzipiell alle untersuchten<br />
<strong>Färberpflanzen</strong>. Goldrute-Extrakte sollten nicht auf alaungebeiztem Gewebe<br />
zum Einsatz gelangen, weil nach dem bisherigen Erkenntnisstand<br />
nur Lichtechtheiten von Noten < 3 erzielt werden können. Dagegen resultieren<br />
gute Farbechtheiten, wenn <strong>da</strong>s Material mit Eisen-II-Sulfat vorbehandelt<br />
wurde. Hierbei erhält man olivgrüne bis steingraue Farbtöne.<br />
Die Behandlung des Textilmaterials mit Eisen-II-Sulfat führt auch bei<br />
Rese<strong>da</strong>- und Färberhundskamille-Extrakten zu olivgrünen bis steingrauen<br />
Farbtönen.<br />
Erweiterung des Farbspektrums durch Kombination von Extrakten<br />
Durch Kombinationsfärbungen lassen sich auf alaungebeiztem Material<br />
Gelb-, Orange- und Rostrottöne erzielen<br />
Allerdings <strong>da</strong>rf <strong>da</strong>bei die Frage der Farbechtheiten nicht außer Acht<br />
gelassen werden. Gute Licht- und Nassechtheiten weisen Färbungen auf,<br />
für die Rese<strong>da</strong>-Extrakte in Kombination mit Kamille- oder<br />
Goldrute-Extrakten verwendet wurden.<br />
Gülzow, 30. November 1995 177
Tabelle 2: Farbechtheiten auf Leinengewebe<br />
178<br />
Extrakt<br />
Lichtechtheit<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Reibechtheit<br />
trocken nass<br />
Waschechtheit 40 °C,<br />
0,5 h<br />
Anbluten Änderung<br />
LI CO<br />
Rese<strong>da</strong>, Alaun-Beize 4 4 3 4 3 4<br />
Färberhundskamille,<br />
Alaun-Beize<br />
Kanadische Goldrute,<br />
Alaun-Beize<br />
Kanadische Goldrute,<br />
Eisensulfat-Beize<br />
3-4 4-5 4 4 4 4<br />
2-3 4-5 4 4-5 4 3-4<br />
4-5 4-5 3-4 4 4 4<br />
Krapp, Alaun-Beize 4 4 2-3 3-4 4 4<br />
Färberknöterich 5-6 4 2-3 4 4 4-5<br />
Färbungen auf Flächengebilden aus weiteren Cellulosefaserstoffen<br />
Mit ausgewählten Extrakten wurde nach den pflanzenspezifischen Stan<strong>da</strong>rdtechnologien<br />
auf folgenden weiteren Cellulosefasergeweben gefärbt:<br />
- Leinengewebe, ungebleicht, 300 g/m 2<br />
- Hanfgewebe, gebleicht, 480 g/m 2<br />
- Baumwollsamt, färbefertig, 212 g/m 2<br />
- Baumwollgewebe, gebleicht, 120 g/m 2<br />
- Viskosefasergewebe, gebleicht, 117 g/m 2<br />
Die Egalität der Materialien ist gut. Bedingt durch den Vorbehandlungsgrad<br />
und die Struktur der Gewebe sind zum Teil interessante optische Effekte<br />
zu verzeichnen.<br />
Die Farbechtheiten der Bastfasergewebe sind ähnlich wie beim Stan<strong>da</strong>rdmaterial<br />
(Leinengewebe, gebleicht, 144 g/m 2 ).<br />
Bastfasergewebe weisen bessere Lichtechtheiten auf als Baumwollund<br />
Viskosegewebe. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, <strong>da</strong>ss von<br />
analog vorbehandelten Materialien ausgegangen wurde, d. h. die<br />
Alaun-Vorbeize auf Baumwoll- und Viskosefasergewebe ist nicht optimiert.
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Textilindustrie<br />
Umweltrelevante Aspekte des Veredlungsprozesses<br />
Die Umweltverträglichkeit der Färbeprozesse mit <strong>Färberpflanzen</strong>-Extrakten<br />
muss in allen Prozessstufen gewährleistet sein. Dazu zählt u. a.:<br />
- die Anwendung ökologisch verträglicher Beizen (Alaun, Eisen-II-Sulfat)<br />
in optimierten Konzentrationen; der Verzicht auf<br />
Chrom-, Kupfer- und Zinnsalze<br />
- der Einsatz biologisch gut abbaubarer Textilhilfsmittel, möglichst<br />
aus nachwachsenden Rohstoffen, für Wasch-, Netz-, Egalisier- und<br />
Nachbehandlungsprozesse<br />
- die Minimierung der Abwasserbelastung<br />
Aus umfangreichen Untersuchungen zur Bewertung der Abwasserbeschaffenheit<br />
von Beiz-, Färbe- und Spülbädern können folgende Ergebnisse<br />
abgeleitet werden:<br />
1. Die Restaluminiumkonzentration im Beizbad steigt proportional<br />
mit der Alaun-Einsatzkonzentration. Deshalb sind entsprechende<br />
Verfahrensoptimierungen erforderlich.<br />
2. Die CSB-Werte der Mischabwässer, d. h. der Abwässer aus ausgezogenem<br />
Farbbad und Spülbädern, liegen für die gelbfärbenden<br />
Extrakte in einer ähnlichen Größenordnung wie für Abwasser von<br />
Färbungen mit synthetischen Farbstoffen; <strong>da</strong>gegen resultieren bei<br />
Krapp-Färbungen ca. doppelt so hohe CSB-Werte. Auch für Indigo-Färbungen<br />
sind die CSB-Werte um ca. 50 % höher als für <strong>da</strong>s<br />
Abwasser der gelbfärbenden Extrakte.<br />
3. Aus den BSB 5-Werten geht hervor, <strong>da</strong>ss es sich in allen Fällen um<br />
biologisch leicht abbaubare Substanzen handelt. Üblicherweise ist<br />
bei Abwässern aus der Textilveredlungsindustrie mit einem Verhältnis<br />
CSB:BSB 5 > 4:1 zu rechnen. Abwasser mit dem Verhältnis<br />
von 2:1, <strong>da</strong>s erfahrungsgemäß kaum erreicht wird, gilt als biologisch<br />
sehr gut abbaubar. In unseren Abwasseruntersuchungen<br />
wurden CSB- und BSB 5-Werte ermittelt, die zu Verhältnissen von<br />
ca. 2,5:1 führen, so <strong>da</strong>ss von einer guten biologischen Abbaubarkeit<br />
ausgegangen werden kann.<br />
Gülzow, 30. November 1995 179
Zusammenfassung und Ausblick<br />
180<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Für die Revitalisierung der Naturfärberei ist die billige und massenhafte<br />
Bereitstellung von <strong>Färberpflanzen</strong> in hoher Qualität eine unabdingbare<br />
Voraussetzung. Entsprechende Anbau- und Erntemethoden wurden und<br />
werden <strong>da</strong>für neu entwickelt.<br />
Eine weitere Bedingung für die Wiedereinführung der Pflanzenfärberei<br />
ist die Verfügbarkeit definierter, stan<strong>da</strong>rdisierter Farbstoffextrakte mit<br />
akzeptablen Preisen.<br />
Die Entwicklung ökologischer Färbeverfahren, die intensive und brillante<br />
Farbtöne sowie gute bis sehr gute Echtheiten garantieren, ist letztendlich<br />
<strong>da</strong>s entscheidende Kriterium für die zukünftige industrielle Nutzung<br />
der Extrakte aus <strong>Färberpflanzen</strong>.<br />
Jetzt gilt es, die Textilveredlungsunternehmen gezielt über die im<br />
Rahmen des Verbundprojektes gewonnen Erkenntnisse und Ergebnisse<br />
zu informieren und zu interessieren, um längerfristig die Herstellung<br />
und Vermarktung von industriell hergestellten pflanzengefärbten Naturtextilien<br />
zu ermöglichen.<br />
Die Naturfarbstoffe werden sicherlich die synthetischen Farbstoffe<br />
nicht vom Markt verdrängen. Sie können aber zur Erschließung von<br />
Marktsegmenten in der Textilveredlungs- und Bekleidungsindustrie beitragen<br />
und dem ökologisch orientierten Verbraucher eine Alternative zu<br />
herkömmlich veredelter Bekleidung bieten.<br />
Literatur<br />
/1/ EG-Projekt „Färben mit Naturfarbstoffen“<br />
Melliand Textilber. 75 (1994) 4, S. 250<br />
/2/ Abschlußbericht 90NR033 „Screening von Farbstoff liefernden Pflanzen“<br />
/3/ Wurl, G.; Eggers, U.; Hill, D.<br />
Zwischenbericht zum EU-Projekt „Cultivation and extraction of natural dyes for<br />
industrial use in natural tex tile production“, 1996<br />
/4/ Schweppe, H.<br />
Handbuch der Naturfarbstoffe<br />
ecomed Fachverlag, 1993<br />
/5/ Feddersen-Fieler, G.: Farben aus der Natur<br />
Verlag M. & H. Schaper Hannover, 4. Auflage
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Textilindustrie<br />
/6/ Roth, L.; Kormann, K.; Schweppe, H.: <strong>Färberpflanzen</strong> - Pflanzenfarben<br />
ecomed Fachverlag, 1992<br />
/7/ Katalyse-Institut Köln: „Marktperspektiven für pflanzliche Farbstoffe“, März<br />
1994<br />
/8/ Vetter, A.: Potentielle Pflanzen zur Gewinnung von Naturfarbstoffen- Bedeutung<br />
und Markt<br />
Vortrag zum <strong>Forum</strong> „<strong>Färberpflanzen</strong>“, 04.06.-05.06.1997, Dornburg<br />
/9/ Vetter, A.; Schwabe, I.; Biertümpfel, A.: Ergebnisse zum Anbau und zur Erstverarbeitung<br />
von <strong>Färberpflanzen</strong><br />
Vortrag zum <strong>Forum</strong> „<strong>Färberpflanzen</strong>“, 02.06.-03.06.1999, Dornburg<br />
/10/ Wähling, A.: Erste Ergebnisse zur Extraktion von Naturfarbstoffen aus gelb-<br />
und rotfärbenden Arten<br />
Vortrag zum <strong>Forum</strong> „<strong>Färberpflanzen</strong>“, 02.06.-03.06.1999, Dornburg<br />
/11/ Bochmann, R.; Weiser, M.: Applikation von Pflanzenfarben auf Leinen und<br />
Wolle<br />
Vortrag zum <strong>Forum</strong> „<strong>Färberpflanzen</strong>“, 02.06./03.06.1999, Dornburg<br />
/12/ Biertümpfel, A.; Wurl, G.; Vetter, A.; Bochmann, R.: „Anbau von <strong>Färberpflanzen</strong><br />
zur Gewinnung von Farbstoffextrakten für die Applikation auf Textilmaterial“<br />
Berichte über Landwirtschaft Bd. 78 (3) Sept. 2000, S. 402-420<br />
/13/ Zwischenberichte 1998 und 1999 zum Verbundvorhaben „Entwicklung einer<br />
Technologie zur Färbung von Cellulose- und Proteinfaserstoffen mit einheimischen<br />
Pflanzenfarben“ FKZ 96NR019; 97NR145; 97NR146; 97NR147; 97NR148;<br />
97NR160<br />
/14/ Bochmann, R.: <strong>Färberpflanzen</strong>anbau zur Gewinnung von Farbstoffkonzentraten<br />
für die Farbgebung von Naturtextilien<br />
Vortrag zum 7. Symposium „Nachwachsende Rohstoffe für die Chemie“,<br />
20.03.-22.03.01, Dresden<br />
Danksagung<br />
Wir be<strong>da</strong>nken uns beim Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung<br />
und Landwirtschaft für die finanzielle Förderung des Forschungsvorhabens<br />
(FKZ 96NR019-F) und bei der Fachagentur Nachwachsende<br />
Rohstoffe e. V. für die fachliche Begleitung.<br />
Dipl.-Chem. Renate Bochmann<br />
Sächsisches Textilforschungsinstitut e. V.<br />
Postfach 1325<br />
D-09072 Chemnitz<br />
bochmann@stfi.de<br />
Gülzow, 30. November 1995 181
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Einsatzmöglichkeiten von<br />
Naturfarbstoffen in der<br />
Süsswarenindustrie<br />
C. Lutz<br />
RICOLA AG, Laufen (Schweiz)<br />
Die Firma RICOLA ist vielen bekannt. Aber wer weiss schon, was hinter<br />
dem Namen steckt. Er ist die Abkürzung von „Richterich & Co. Laufen“.<br />
Das traditionsreiche Schweizer Familienunternehmen wurde 1930<br />
von Emil Richterich gegründet und wird heute mit 350 Mitarbeitern in<br />
der 3. Generation von Felix Richterich geführt.<br />
Das erfolgreichste Produkt in unserem umfangreichen Produktsortiment<br />
weltweit ist seit jetzt 71 Jahren der Original Schweizer Kräuterzukker.<br />
Er wird wie alle anderen Produkte auch in über 50 Länder der Erde<br />
exportiert. Im Hustenbonbonmarkt ist RICOLA führend – in der Schweiz<br />
sogar klare Nummer 1.<br />
Das Geheimnis des langjährigen Erfolgs liegt in dem natürlichen erfrischenden<br />
Geschmack. Dieser wiederum wird einzig und allein durch die<br />
Auswahl geeigneter Kräuter bestimmt, die vorrangig in der Schweiz<br />
angebaut werden.<br />
Als verantwortungsvolles Unternehmen, <strong>da</strong>s seine Philosophie ernst<br />
nimmt, fühlen wir uns einem Qualitätsdenken verpflichtet, <strong>da</strong>s die Werte<br />
unserer Rohstoffe in den Mittelpunkt stellt. Ganz im Zentrum dieser<br />
Bemühungen stehen die Kräuter, Herz und Seele all unserer Produkte.<br />
Deshalb fördert RICOLA intensiv den Anbau von Heilkräutern im<br />
schweizerischen Berggebiet. Rund 200 eigenständige Landwirtschaftsbetriebe<br />
im Wallis, im Emmental, im Puschlav, im Jura und in der Zentralschweiz<br />
sind bei RICOLA unter Vertrag. Die Bergbauern hegen und<br />
pflegen heute Heilkräuter nach unseren Normen, verpflichtet und abgesi-<br />
182 Biotechnologie und Gentechnik in der Industriepflanzenzüchtung
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Süsswarenindustrie<br />
chert durch Verträge. Der Kräuteranbau ist zu einem wichtigen und<br />
begehrten Nebenerwerb für diese Bergbauern geworden, denn wir garantieren<br />
hohe Preise für die geforderte Spitzenqualität.<br />
Der Kräuteranbau erfolgt ausschliesslich nach naturgemässen Methoden,<br />
also ohne jegliche Kunstdünger, Pestizide oder Herbizide, fernab<br />
grosser Zentren oder Strassen. Die Anbauorte werden sorgfältig und<br />
kräuterspezifisch ausgewählt, denn Lokalklima, Lage und Bodenbeschaffenheit<br />
beeinflussen in hohem Masse <strong>da</strong>s Gedeihen der Kräuter und<br />
deren Gehalt an Wirkstoffen und Aromen. Bereits auf dem Feld kontrolliert<br />
der RICOLA-Experte die bevorstehende Ernte auf ihre Qualität. Von<br />
der Ernte über die verschiedenen Verarbeitungsstufen bis zur Bonbonqualität<br />
werden die RICOLA-Kräuter auf Reinheit und Qualität in firmeneigenen<br />
Labors kontrolliert.<br />
Der Trend zu natürlichen Produkten hat in den letzten Jahren stark<br />
zugenommen. Phytopharmaka und funktionale Lebensmittel auf der<br />
Basis von Kräutern erfreuen sich immer grösserer Beliebtheit. Phytopharmaka<br />
sind Naturprodukte und „Bio“ ist „in“.<br />
RICOLA ist jedoch kein Pharmaunternehmen sondern ein erfolgreicher<br />
Süsswarenhersteller. Die langjährigen Kenntnisse über Kräuter werden<br />
bei der Herstellung von Hustenbonbons eingesetzt. Je nach Verwendungszweck<br />
des Bonbons wird eine Mischung verschiedener wirksamer<br />
Kräuter zusammengestellt. Soll <strong>da</strong>s Bonbon mehr erfrischend sein, wählen<br />
wir die Kräuter Zitronenmelisse, Thymian, Pfefferminze, Orangenminze,<br />
Malve oder andere aus. Dient <strong>da</strong>s Bonbon mehr als sanfte Medizin<br />
gegen Husten und Heiserkeit, kommen Kräuter wie Salbei,<br />
Spitzwegerich Eibisch, Andorn und andere zum Einsatz.<br />
Einige Wochen <strong>da</strong>uert es schon, die richtige Mixtur herzustellen. Nach<br />
der Auswahl der Kräutermischung ist von der Produktentwicklung <strong>da</strong>s<br />
eigentliche Produkt zu kreieren. Dabei müssen die Geschmäcker von<br />
morgen getroffen werden, und die sind sehr vielfältig in den verschiedenen<br />
Ländern der Erde.<br />
Welche Zielgruppe mit welchen Indikationen wollen wir ansprechen?<br />
Soll es ein Hartbonbon sein mit Zucker – wie üblich – oder ein zuckerfreies<br />
Produkt, welches ja heute auch schon sehr beliebt ist. Vielleicht soll<br />
<strong>da</strong>s Produkt etwas weicher und kaufähig sein? Welche Verpackung ist<br />
die Beste – Beutel, Box oder Metalldose?<br />
Gülzow, 30. November 1995 183
184<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
Alle diese Fragen sind immer wieder neu zu besprechen und zu<br />
beantworten. Um erfolgreich zu sein, muss <strong>da</strong>s ganze Unternehmen in<br />
den Innovationsprozess miteinbezogen werden. Erfolgreiche Innovationen<br />
sind heute nicht mehr selbstverständlich. Das Können bei der Entwicklung<br />
eines neuen Produktes besteht <strong>da</strong>rin, die unterschiedlichsten<br />
Ausgangsrohstoffe zu einer harmonischen Einheit zusammenzufügen.<br />
Als Markenartikel-Hersteller haben wir den Anspruch, Produkte mit<br />
langer Lebens<strong>da</strong>uer auf den Markt zu bringen. Dabei ist es enorm wichtig,<br />
unsere Kunden und ihr Verbraucherverhalten genau zu kennen.<br />
Nach dem Entwurf verschiedener Rezepturen werden diese in Kleinserien<br />
getestet. Später gilt es, die Neuheit in den Fabrikationsprozess zu<br />
integrieren. Umfangreiche Tests zum Geschmack mit einer ausgebildeten<br />
Sensorikgruppe oder Stabilitätstests – in simulierten unterschiedlichen<br />
klimatischen Bedingungen – gehören jedes Mal zu den Grundlagen eines<br />
Erfolgsprodukts.<br />
Unserer Philosophie entsprechend stehen die sorgfältig ausgewählten<br />
Kräuter im Zentrum. Die anderen verwendeten Bestandteile in einem<br />
Bonbon sind jedoch ebenfalls zwingend natürlicher Art.<br />
„Sekundäre Pflanzenstoffe“ ist für uns kein Fremdwort. Als „Vitamine<br />
des 21. Jahrhunderts“ werden sie die gleiche Bedeutung wie die<br />
eigentlichen Vitamine erlangen.<br />
Mein Wunsch ist es, einheimische Pflanzen, am besten Kräuter, nicht<br />
nur wegen ihrer Heilwirkung, sondern auch wegen ihrer Fähigkeiten färben<br />
zu können, einzusetzen.<br />
Süsswaren und alle anderen Lebensmittel müssen eine bestimmte<br />
Farbe haben, um schmackhaft zu sein oder zumindest als geniessbar zu<br />
gelten. Die Farbempfindung der Menschen und die Geniessbarkeit eines<br />
Lebensmittels liegen eng zusammen.<br />
Wer mag schon schwarze Zitronenbonbons oder grünen Lachs?<br />
Bei RICOLA achten wir bereits in der Entwicklungsphase <strong>da</strong>rauf, die<br />
Produkte nicht zusätzlich färben zu müssen. Wir versuchen, die<br />
Geschmacksentwicklung mit dem gewünschten Farbton in Einklang zu<br />
bringen. Aus diesem Grund verwenden wir ausschliesslich färbende<br />
Früchte oder Pflanzen.<br />
Interesse besteht von unserer Seite beispielsweise <strong>da</strong>ran, anstatt die<br />
gelben Bonbons mit dem Beta-Carotin der Ölpalme vielleicht mit Rese<strong>da</strong><br />
luteola zu färben oder Rubia tinctorum anstatt einer roten Fruchtmischung<br />
einzusetzen.
Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Süsswarenindustrie<br />
Produkte<br />
grüne Produkte<br />
gelbe Produkte<br />
rote Produkte<br />
braune Produkte<br />
Dabei interessieren noch folgende Punkte:<br />
Wie ist der Wissensstand über die <strong>Färberpflanzen</strong>?<br />
- Anbau<br />
- Erntebedingungen<br />
- Verarbeitung der Pflanzen / Extraktionsmethoden<br />
- Analysenmethoden für Farbstofferfassung<br />
- Verarbeitungsvorschriften<br />
- Stabilitäten<br />
- geschmackliche Komponenten der Extrakte<br />
- Erfahrungen mit dem Einsatz in Lebensmitteln<br />
Vielleicht können wir zukünftig in die Liste der verwendeten RI-<br />
COLA-Kräuter Krapp, Färber-Wau, Waid oder andere aufnehmen.<br />
Dipl.-Ing. Christina Lutz<br />
Leiterin Forschung + Entwicklung<br />
Ricola AG<br />
CH-4242 Laufen<br />
Schweiz<br />
clutz@ricola.ch<br />
färbende Früchte<br />
oder Pflanzen<br />
Spinat, Brennnessel<br />
Palmöl<br />
Beeren, rote Früchte<br />
Kräutermischungen<br />
Farbstoffe<br />
Chlorophyll<br />
natürliche Carotine<br />
Anthocyane<br />
Maillard-Reaktion<br />
Gülzow, 30. November 1995 185
Gülzower Fachgespräche Band 18:<br />
„<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong>“<br />
Zusammenfassung des Veranstalters<br />
A. Vetter, A. Biertümpfel<br />
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, Dornburg<br />
Am 30. und 31. Mai fand in Dornburg bereits zum 3. Mal <strong>da</strong>s vom Thüringer<br />
Zentrum Nachwachsende Rohstoffe der Thüringer Landesanstalt für<br />
Landwirtschaft mit Unterstützung der Fachagentur Nachwachsende<br />
Rohstoffe e. V. organisierte „<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong>“ statt. Mit ca. 70 Teilnehmern<br />
aus industriellen und wissenschaftlichen Einrichtungen, aber<br />
auch privaten Interessenten war es wiederum sehr gut besucht. Die unvermindert<br />
große Teilnehmerzahl beweist <strong>da</strong>s ungebrochene Interesse an<br />
der Naturfärberei. Das dieses Interesse nicht nur auf Deutschland beschränkt<br />
ist, sondern europaweit besteht, zeigte nicht nur die Teilnahme<br />
von Frau Lapiolahti aus Finnland und Herrn Faucon aus Frankreich. Erstere<br />
berichtete über selbst entworfene und mit heimischen <strong>Färberpflanzen</strong><br />
gefärbte Textilien, letzterer über die Prüfung einer Vielzahl von <strong>Färberpflanzen</strong><br />
auf deren Anbau- und Färbeeignung im Südwesten<br />
Frankreichs. Auch aus den Übersichtsvorträgen von Herrn Stolte (Fachagentur<br />
Nachwachsende Rohstoffe e. V.) und Herrn Dr. Vetter (Thüringer<br />
Zentrum Nachwachsende Rohstoffe der Thüringer Landesanstalt für<br />
Landwirtschaft) zum „Förderprogramm nachwachsende Rohstoffe der<br />
Bundesregierung“ und den „Aktivitäten auf Bundes- und EU-Ebene zur<br />
Problematik <strong>Färberpflanzen</strong>“ ist <strong>da</strong>s abzuleiten. Insbesondere <strong>da</strong>s im Jahr<br />
<strong>2001</strong> begonnene und mit mehr als 2,5 Mio Euro geförderte Projekt „Sustainable<br />
Production of Plant-Derived Indigo“ vereinigt 10 Teilnehmer aus<br />
klein- und Mittelständigen Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen<br />
von 5 europäischen Ländern (Großbritannien, Spanien, Finnland,<br />
Deutschland und Italien). Dass die Kommission der EU eine derart<br />
hohe Summe für ein Projekt zu zahlen bereit ist, weist auf die hohe Erwartungshaltung<br />
hin.<br />
186 Biotechnologie und Gentechnik in der Industriepflanzenzüchtung
Zusammenfassung des Veranstalters<br />
Fazit der diesjährigen Veranstaltung muss sein, <strong>da</strong>ss einer erfolgreichen<br />
Anwendung von Pflanzenfarben bei der Färbung von Textilien,<br />
Leder, Papier und Holz zum gegenwärtigen Zeitpunkt eigentlich nichts<br />
mehr im Wege steht.<br />
Während auf dem „1. <strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong>“ 1997 seitens der Fachagentur<br />
Nachwachsende Rohstoffe e. V. im Schlussresümee die weitere<br />
Optimierung der Anbauverfahren, verbesserte Erntetechnologien mit<br />
wertstoffschonender Nacherntebehandlung anmahnte, war <strong>2001</strong> der<br />
Anbau nur noch durch den Vortrag von Herrn Dr. A<strong>da</strong>m (Landesanstalt<br />
für Landwirtschaft des Landes Brandenburg) „Anbauerfahrungen mit<br />
<strong>Färberpflanzen</strong> in Brandenburg“ vertreten, in dem es aber auch nicht um<br />
Grundsätzliches, sondern bereits um Verfeinerungen der Anbausysteme<br />
ging. Auch Erfahrungen zu „<strong>Färberpflanzen</strong> aus ökologischem Anbau“<br />
liegen vor, wie Frau Hartl von der Universität für Bodenkultur Wien aufzeigte.<br />
Der Anbau der wichtigsten <strong>Färberpflanzen</strong> unter den Bedingungen<br />
der modernen Landwirtschaft kann also als gelöst angesehen werden.<br />
Damit rückt der Faktor „Sorte“ mehr in den Blickpunkt des<br />
Interesses, wie die 3 Vorträge zur Züchtung von Herrn Dr. Plescher<br />
(PHARMAPLANT GmbH) „Züchtungsmethodik auf sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe“,<br />
Herrn Dr. Wurl und Frau Biertümpfel (Thüringer Landesanstalt<br />
für Landwirtschaft) „Züchtung ausgewählter gelbfärbender<br />
Pflanzen und Färberknöterich“ sowie Frau Dr. Siebenborn (Justus-Liebig-Universität<br />
Gießen) „Ergebnisse der züchterischen Bearbeitung von<br />
Krapp“ bewiesen.<br />
Die Notwendigkeit, pflanzliche Farbstoffe als flüssige, pastöse oder<br />
pulverförmige Extrakte anzubieten und anzuwenden, wird heutzutage<br />
nicht mehr bestritten. Möglichkeiten für die Extraktion der Farbstoffe<br />
sind gefunden worden. Eine Übertragung der in kleintechnischem Maßstab<br />
entwickelten Verfahren in den großtechnischen Maßstab sollte ohne<br />
Schwierigkeiten möglich sein, wie der Beitrag von Herrn Wähling (Nahrungsingenieurtechnik<br />
GmbH Magdeburg) zum „Aktuellen Stand der<br />
Farbstoffgewinnung“ aufzeigte.<br />
Auch der eigentliche Färbevorgang, dem 1997 noch angelastet werden<br />
musste, <strong>da</strong>ss er in direkter Tradition der Techniken des vorindustriellen<br />
Zeitalters stünde, entspricht jetzt den modernen Anforderungen. Wie<br />
Frau Bochmann (Sächsisches Textilforschungsinstitut e. V. Chemnitz)<br />
und Frau Weiser (Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland e. V.<br />
Greiz) in ihrem Vortrag zu „Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen<br />
Gülzow, 30. November 1995 187
188<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Färberpflanzen</strong> Dornburg <strong>2001</strong><br />
in der Textilindustrie“ <strong>da</strong>rlegten, sind die Gebrauchsechtheiten pflanzengefärbter<br />
Textilien denen mit synthetischen Farbstoffen behandelten<br />
Materialien vergleichbar.<br />
Neben den bisher vorrangig diskutierten Anwendungen wird intensiv<br />
nach neuen Verwendungsalternativen für pflanzliche Farbstoffe<br />
gesucht. Dies belegen die Vorträge von Herrn Weber (Schomisch-Leder<br />
GmbH) und Herrn Conrad (Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft)<br />
zu „Einsatzmöglichkeiten von Naturfarbstoffen in der Lederfärbung“,<br />
Frau Möhler (Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau Erfurt) zur „Eruierung<br />
von Holunderherkünften zur Gewinnung von Lebensmittelfarbstoffen“,<br />
Frau Lutz (Ricola AG Laufen) zu den „Einsatzmöglichkeiten von<br />
Naturfarbstoffen in der Lebensmittelindustrie“ sowie Herrn Hanke<br />
(Michael Huber München GmbH) zu den Einsatzmöglichkeiten von<br />
Naturfarbstoffen in der Druckindustrie“.<br />
Wenn trotz der durchgehend geschlossenen Kette vom Anbauer bis<br />
zum Färber und der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten <strong>da</strong>s eigentliche<br />
„Break through“ der Pflanzenfarbstoffe bisher noch fehlt, so liegt es<br />
<strong>da</strong>ran, wie auch auf der lebhaften Abschlussdiskussion festgestellt<br />
wurde, <strong>da</strong>ss bisher noch kein großes textiles Handelsunternehmen naturgefärbte<br />
Ware ordert. Dadurch entsteht ein Circulus vitiosus: ohne Order<br />
keine Färbung, ohne Färbung keine Extraktion, ohne Extraktion kein <strong>Färberpflanzen</strong>anbau,<br />
ohne <strong>Färberpflanzen</strong>anbau keine Textilfärbung. Diesen<br />
Teufelskreis gilt es zu durchbrechen.<br />
Dr. habil Armin Vetter, Dipl.-Ing. Andrea Biertümpfel<br />
Thüringer Zentrum Nachwachsende Rohstoffe der Thüringer Landesanstalt für<br />
Landwirtschaft<br />
Apol<strong>da</strong>er Str. 4<br />
D-07778 Dornburg<br />
a.vetter@dornburg.tll.de
<strong>2001</strong><br />
Herausgeber:<br />
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.<br />
Hofplatz 1 • 18276 Gülzow<br />
Tel.: (0 38 43) 69 30 - 0 Fax: (0 38 43) 69 30 -102<br />
<strong>Färberpflanzen</strong><br />
E-Mail: info@fnr.de Internet: http://www.fnr.de/<br />
Gedruckt auf Papier aus Durchforstungsholz mit Farben auf Leinölbasis <strong>Forum</strong><br />
Gülzower Fachgespräche Band 18