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Erfolg_Ausgabe Nr. 3 - April 2012

Die Zeitung "Erfolg" ist offizielles Organ des Schweizerischen KMU Verbandes

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ERFOLG Rechtsberatung <strong>Ausgabe</strong> 3 <strong>April</strong> <strong>2012</strong><br />

23<br />

Börsen und Spekulanten:<br />

ein Rückblick<br />

Dr. Manfred Küng, Rechtsanwalt<br />

Im 16. Jahrhundert florierte in Holland<br />

der Handel mit Tulpenzwiebeln, welche<br />

aus dem östlichen Mittelmeer nach Europa<br />

transportiert wurden. Diese Blumenzwiebel<br />

erfreute sich der Beliebtheit des<br />

gesamten holländischen Volkes und stellte<br />

ein begehrtes Handelsgut dar. Jeder<br />

war bestrebt, eine derartige Zwiebel zu<br />

erwerben, in der Hoffnung das grosse Geld<br />

damit verdienen zu können. Die Preise<br />

wurden rasant in die Höhe getrieben. So<br />

betrug 1636 der Preis für eine Tulpenzwiebel<br />

«einen neuen Wagen, zwei graue Pferde<br />

und ein vollständig neues Geschirr».<br />

Infolge der grossen Nachfrage wurden<br />

sogar Tulpenzwiebeln gehandelt, welche<br />

noch gar nicht existierten.<br />

Die Diskrepanz zwischen dem realen Wert und<br />

dem Spekulationspreis, welcher die holländische<br />

Bevölkerung zu zahlen bereit war, veranschaulicht<br />

folgendes Beispiel:<br />

Anzeigen<br />

Ein Seemann stahl einem Spekulanten, welcher<br />

mit Tulpenzwiebeln handelte, eine Zwiebel,<br />

ein exklusives Stück der Sorte «Semper<br />

Augustus», im Wert von 3'000 Gulden (was<br />

heute etwa Fr. 50'000.– bis Fr. 100'000.– entspricht.).<br />

Als der Kaufmann sich auf die Suche<br />

nach dem Dieb begab, fand er den Seemann<br />

die Zwiebel als Beilage zu Fisch genüsslich<br />

verzehrend. Das Missverhältnis zwischen dem<br />

Handelspreis und dem tatsächlichen Wert der<br />

Blumenzwiebel tritt hier besonders deutlich<br />

zu Tage.<br />

Im Jahre 1636 erreichte der Handel mit den<br />

Tulpenzwiebeln seinen Höhepunkt. Die Zwiebeln<br />

wurden wie Aktien gehandelt. Die Zugehörigen<br />

sämtlicher sozialer Schichten unterlagen<br />

der Illusion, sich mit dem Handel der<br />

Tulpenzwiebeln eine goldene Nase verdienen<br />

zu können. Es herrschte die trügerische Hoffnung,<br />

die Hochkonjunktur würde nie mehr<br />

ein Ende finden. Die Euphorie rund um die<br />

gefragten Blumenzwiebeln erreichte ein unvorstellbares<br />

Ausmass. Zum Schutz der Händler<br />

wurden Notare, Sekretäre und Schreiber<br />

beigezogen, welche die Händler bei ihrem<br />

geschäftigen Tun unterstützten. Man glaubte,<br />

dass mit den Zwiebeln auch auf internationaler<br />

Ebene Profit geschlagen werden kann,<br />

in der Annahme die Ausländer seien bereit,<br />

praktisch jeden beliebigen Preis dafür zu zollen.<br />

Die Leute verkauften ihre Häuser und<br />

Grundstücke, um über die erforderlichen Mittel<br />

für die Investitionen in die begehrte Blumenzwiebel<br />

zu verfügen. Dadurch sanken die<br />

Immobilienpreise vorübergehend, erfuhren jedoch<br />

wieder einen Anstieg, als die Leute die<br />

aus dem Handel mit den Zwiebeln erzielten<br />

Gewinne reinvestierten.<br />

Das lebhafte Treiben fand sein Ende im Jahre<br />

1637, als die Händler plötzlich begannen zu<br />

verkaufen. Es kam zu einer Massenhysterie<br />

und zu Panikverkäufen. Die Blumenzwiebeln<br />

verloren innert kürzester Zeit massiv an Wert.<br />

Wer nicht genug schnell handelte, bzw. wer<br />

sich verpflichtet hatte, zu überhöhten Preisen<br />

zu kaufen oder wer auf Kredit Geschäfte<br />

betrieben hatte, war überschuldet. Die Geschädigten<br />

versuchten die Verkäufer für das<br />

erlittene Elend verantwortlich zu machen. Diese<br />

wiesen jedoch die gesamte Verantwortung<br />

von sich, mit der Begründung, dass es<br />

sich bei diesen Geschäften eben um Spekulationsgeschäfte<br />

handelt, welchen naturgemäss<br />

ein gewisses Risiko anhaftet. Auch die<br />

staatliche Stützung des Preises konnte nicht<br />

mehr aus der aussichtslosen Situation helfen.<br />

Der Preiszerfall war schon zu weit fortgeschritten.<br />

Diese erste grosse Spekulationswelle<br />

ist im Roman «Adrian der Tulpendieb»<br />

nacherzählt.<br />

Die Geschichte wiederholte sich in den 80er<br />

Jahren mit den Immobilien, in den 90er Jahren<br />

mit den dot-com-Titeln oder in den Jahren<br />

2007/2008 mit der Subprime-Krise. Während<br />

aber die Verkäufer von Tulpenzwiebeln<br />

ungeschoren davon kamen, ist es klug agierenden<br />

Anlegern gelungen, Banken für den<br />

Verkauf von Lehmann-Zertifikaten und anderen<br />

Anlagevehikeln haftbar zu machen. Diesen<br />

Anlegern hat zum Vorteil gereicht, dass<br />

die professionell agierenden Finanzintermediäre<br />

(Banken, Fonds, Vermögensverwalter und<br />

Anlageberater) ihre Kunden sorgfältig aufklären<br />

müssen. Wer bei Anlagen zu Schaden<br />

kommt, ist gut beraten, wenn er Rückgriffsmöglichkeiten<br />

rechtzeitig prüfen lässt.<br />

Dr. Manfred Küng<br />

Küng Rechtsanwälte<br />

Poststrasse 13, 6300 Zug<br />

www.kueng-law.ch<br />

Dr. Manfred Küng ist Rechtsanwalt in Zug und<br />

Seniorpartner von Küng Rechtsanwälte mit<br />

verschiedenen Büros in der Deutschschweiz<br />

(www.kueng-law.ch). Er ist Co-Autor des ersten<br />

in der Schweiz erschienen Kommentars<br />

zum Börsengesetz (Küng/Huber/Kuster, Kommentar<br />

zum Börsengesetz, Zürich 1998). Er<br />

vertritt geschädigte Anleger in Zivil- und Strafverfahren.

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