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PDF-Ausgabe - Berliner Mieterverein e.V.

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den „Züchter“, für den die Vermehrung<br />

der eigentliche Zweck des Sammelns<br />

ist.<br />

„Dabei gibt es unter den Hoardern<br />

nicht wenige mit sehr großer Sachkenntnis“,<br />

betont die Wissenschaftlerin.<br />

„Die wissen ganz genau, was<br />

ihre Tiere brauchen.“ Mit Kopfschüt ­<br />

teln stehe man deshalb in der Wohnung<br />

eines Insektenkenners, in der<br />

buchstäblich überall Gottesanbeterinnen,<br />

Tausendfüßler und Kakerlaken<br />

leben – in allen Ritzen, Schubläden,<br />

Schrankfächern und unzähligen<br />

Schachteln.<br />

Tote Wellensittiche im Müllcontainer,<br />

unangenehme Gerüche im Treppenhaus,<br />

Winseln und Jaulen hinter einer<br />

Wohnungstür – „Hinweise auf<br />

Animal Hoarding bekommen wir zumeist<br />

von aufmerksamen Nachbarn<br />

und auch Hausverwaltungen“, sagt<br />

der <strong>Berliner</strong> Landestierschutzbeauftragte<br />

Klaus Lüdke. Dann tritt der<br />

Amtstierarzt in Aktion, denn ihm<br />

unterliegt der Vollzug des Tierschutzes.<br />

Rund drei Jahre, so die Untersuchungsergebnisse<br />

von Tina Sperlin,<br />

dauert es im bundesdeutschen<br />

Durchschnitt, ehe ein Fall von Animal<br />

Hoarding bearbeitet ist.<br />

Warum der lange Zeitraum? Erst einmal<br />

ist zu prüfen, ob die Anzeige<br />

überhaupt stimmt. Lüdcke: „Die Anzeigen<br />

sind häufig anonym mit un genauen<br />

Angaben, und auch Falschan­<br />

MieterMagazin 3/2013<br />

Foto: Sabine Münch<br />

schuldigungen gibt es.“ Scheint ein<br />

Eingreifen notwendig, muss sich der<br />

Amtstierarzt die Möglichkeit zum Zutritt<br />

in die Wohnung verschaffen.<br />

Tierärztin Sperlin: „Hoarder leben<br />

nicht nur zurückgezogen, sie sind<br />

auch oft extrem misstrauisch.“ Da<br />

Katz- und maus-Spiel<br />

mit den Behörden<br />

wird die Tür erst gar nicht geöffnet,<br />

und der Amtstierarzt wird erst recht<br />

nicht in die Wohnung gelassen. Der<br />

muss sich dann einen richterlichen<br />

Beschluss beschaffen und vielleicht<br />

mit der Polizei wiederkommen. „Viele<br />

Tierhalter spielen Katz und Maus mit<br />

den Behörden“, so Sperlin. In jedem<br />

vierten von ihr erfassten Fall ziehen<br />

die Halter einfach aus dem Zuständigkeitsbereich<br />

des Veterinäramtes<br />

fort, um Strafen zu entgehen – und<br />

machen woanders weiter.<br />

Ihre „Sammlung“ lassen sie nicht<br />

selten zurück: „Diese Tiere landen<br />

dann in der Regel bei uns“, sagt Stephanie<br />

Eschen, Sprecherin des <strong>Berliner</strong><br />

Tierheimes. In diesem Jahr war<br />

das bis September bereits sechs Mal<br />

der Fall. So musste das Tierheim am<br />

Hausvaterweg auf einen Schlag 59<br />

Katzen unterbringen, aber auch 133<br />

Exoten und Kleintiere. Beide Male<br />

kamen die Tiere aus kleinen Wohnungen,<br />

genau wie 152 Farbmäuse<br />

und 40 Stadttauben.<br />

„Die Tiere sind zunächst in einem<br />

sehr schlechten Zustand“, schildert<br />

Stephanie Eschen: krank und verletzt,<br />

vernachlässigt und unterernährt,<br />

verhaltensgestört. Das meist<br />

übervolle Tierheim bringen solche<br />

Notaufnahmen an Kapazitätsgrenzen<br />

und belasten die Einrichtung des<br />

<strong>Berliner</strong> Tierschutzvereins finanziell<br />

enorm. „Wir untersuchen alle Tiere<br />

gründlich und müssen sie oft sehr<br />

lange medizinisch behandeln.“<br />

Eine Behandlung haben aber auch<br />

die einstigen Halter dringend nötig.<br />

Für Animal Hoarder jedoch gibt es<br />

bisher weder eine geeignete Therapie<br />

noch genügend Psychologen,<br />

die sich mit diesem Phänomen auskennen.<br />

Und so fordert der Deutsche<br />

Tierschutzbund, dass neben<br />

der Durchsetzung von Tierhalteverboten<br />

und regelmäßigen Nachkontrollen<br />

künftig auch die Animal Hoarder<br />

me dizinisch betreut und therapeutisch<br />

behandelt werden. Denn<br />

für viele ist das die einzige Rettung.<br />

Obwohl es Gerhard A. leid tat, seine<br />

Wellensittiche zu verlieren, war er<br />

doch vor allem erleichtert: „Ich wollte<br />

schon lange einen Schlussstrich<br />

zie hen und wieder in einer sauberen<br />

Wohnung leben“, gestand er. „Aber<br />

das hätte ich alleine nicht mehr geschafft.“<br />

Rosemarie Mieder<br />

Fotos: Stefan Körner/Wikipedia<br />

Die Tiere krank,<br />

die hygienischen<br />

Zustände katastrophal:<br />

Bilder aus<br />

Wohnungen von<br />

„Tiersammlern“<br />

25

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