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Betreuungsvermeidung durch andere Hilfen - Bildungswerk Irsee

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Prof. Dr. Bernhard Knittel<br />

<strong>Betreuungsvermeidung</strong> <strong>durch</strong> <strong>andere</strong> <strong>Hilfen</strong> –<br />

Zivil- und sozialrechtliche Aspekte des<br />

Erforderlichkeitsgrundsatzes<br />

1. Bedeutung der Erforderlichkeit im Betreuungsrecht<br />

20 Jahre Betreuungsrecht – ein Grund zum Feiern?<br />

Stimmungen vor dem Inkrafttreten der sog. „Jahrhundert-<br />

Reform“<br />

1. Januar 1992 – keine „Stunde Null“ in der Rechtspflege,<br />

aber:<br />

deutliche Verbesserungen <strong>durch</strong> gesetzliche<br />

Verfahrensgarantien<br />

Noch heute „Achillesferse“ des<br />

Betreuungsverfahrens:<br />

Rechtliches Gehör<br />

Qualitätssicherung ärztlicher Gutachten


Strikte Voraussetzungen für Betreuungen<br />

notwendig, denn<br />

Betreuerbestellung = „Fürsorglicher Zwang“<br />

Gewichtiger Grundrechtseingriff (so<br />

auch BVerfG)<br />

Zwar Betreuung überwiegend von Betroffenen<br />

hingenommen,<br />

aber: signifikanter Anteil lehnt ab<br />

Hauptgründe:<br />

o Kontrollängste bei Vermögen<br />

und Gesundheit<br />

o mangelnde Krankheitseinsicht<br />

o Kostenbefürchtungen


Notwendig: Erforderlichkeit als Maßstab<br />

wegen<br />

Individuellem Grundrechtsschutz<br />

Zielgerichtetem Einsatz von Betreuer-<br />

Ressourcen<br />

Kostenproblematik<br />

derzeit 1,3 Mio. Betreuungen<br />

mit steigender Tendenz


Betreuungszahlen von Anfang an<br />

<strong>durch</strong>gängiges Thema der Literatur, z.B.<br />

o Dodegge, 1996, Warum bestellen die<br />

Gerichte so viele Betreuer?<br />

o Schloemer 1996 Warum regen<br />

Krankenhäuser, Altenheime und soziale Dienste<br />

so viele Betreuungen an?<br />

o Crefeld 1999: Von den wachsenden<br />

Bedürfnissen nach Betreuern in unserer<br />

Gesellschaft<br />

o Coeppicus 2000, Faszinierende Zahlen<br />

zum Betreuungsrecht,<br />

o Bienwald 2002, Die betreute Republik.<br />

Zur übergroßen Zahl von Betreuungsfällen<br />

o Rosenow 2002, Warum es jedes Jahr<br />

mehr Betreuungen gibt


Ziel:<br />

Unnötige Betreuungen vermeiden!<br />

BGB § 1896 II 1<br />

Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise<br />

bestellt werden, in denen die Betreuung<br />

erforderlich ist.<br />

Der Grundsatz der Erforderlichkeit prägt das gesamte<br />

Betreuungsrecht und entspricht auch dem Ziel der VN-<br />

Behindertenrechtskonvention<br />

Maßstab dafür,<br />

ob überhaupt ein Betreuer zu bestellen ist<br />

(Betreuungsbedürftigkeit)<br />

für Art und Umfang der Aufgabenkreise<br />

(Betreuungsbedarf)<br />

Weitere Bestimmungen zur Erforderlichkeit:<br />

in §§ 1903, 1906 I, 1908a BGB,<br />

in § 1901 I und V BGB.


Erforderlichkeit der Betreuung bedeutet:<br />

Der Betroffene ist auf entsprechende <strong>Hilfen</strong><br />

angewiesen<br />

Weniger einschneidende Maßnahmen kommen<br />

nicht in Betracht<br />

Das muss für jeden einzelnen<br />

Aufgabenkreis konkret begründet werden


Problem:<br />

Wie aktuell und konkret muss<br />

Betreuungsbedarf sein?<br />

Keine Vorratsbetreuung!<br />

Aber:<br />

künftigen Entwicklungen und<br />

Bedarfslagen, die sich schon<br />

konkret abzeichnen, Rechnung<br />

tragen<br />

Bsp.<br />

Psychose! Handlungsbedarf<br />

bei akutem Schub


2. <strong>Betreuungsvermeidung</strong> <strong>durch</strong> Vollmachten<br />

§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB stellt klar<br />

Bestellung eines Betreuers als gesetzlicher Vertreter ist<br />

<br />

nachrangig gegenüber <strong>andere</strong>n Möglichkeiten der<br />

Regelung der Angelegenheiten des Betroffenen.<br />

Hierbei wird die Vollmacht ausdrücklich erwähnt und<br />

abgegrenzt von <strong>andere</strong>n <strong>Hilfen</strong>, bei denen kein gesetzlicher<br />

Vertreter bestellt wird<br />

Stärkt Selbstbestimmungsrecht <strong>durch</strong><br />

private Vorsorge!<br />

Vorteil: Keine Beschränkungen der<br />

Vertrauensperson <strong>durch</strong> gerichtliche<br />

Genehmigungsvorbehalte und Aufsicht<br />

(anders als bei Betreuung)<br />

Ausnahme:<br />

Riskante Heileingriffe, Behandlungsabbruch<br />

i.F. des § 1904 BGB<br />

Unterbringung § 1906 BGB


Aber:<br />

Vorsorge <strong>durch</strong> Vollmacht nicht für jedermann<br />

geeignet!<br />

Vertrauensperson?<br />

Kritisch zu sehen:<br />

Routinemäßiges Abverlangen von Vollmachten<br />

seitens Heimbertreibern<br />

Bevollmächtigung von Heimpersonal<br />

(§ 1897 III BGB)<br />

Diese Vollmacht zwar nicht unwirksam, aber<br />

auch nicht per se vorrangig


Voraussetzung für Nachrang der Betreuung:<br />

„Betreuungsbedarf“ wird <strong>durch</strong> Vollmacht<br />

abgedeckt<br />

Vollmacht ist wirksam<br />

Klar ist: Rechtzeitig erteilte Vorsorgevollmacht gilt fort<br />

(auch bei eingetretener Geschäftsunfähigkeit<br />

Aber problematisch:<br />

Vollmacht wurde erteilt, als Geschäftsunfähigkeit<br />

womöglich zweifelhaft war


Geschäftsunfähigkeit iSv § 104 Nr. 2 BGB heißt:<br />

Betroffene = nicht im Stande,<br />

seinen Willen frei und unbeeinflusst von der<br />

vorliegenden geistigen Störung zu bilden<br />

und<br />

nach zutreffend gewonnener Einsicht zu handeln.<br />

Ist noch freie Entscheidung aufgrund einer<br />

Abwägung des Für und Wider, eine sachliche<br />

Prüfung der in Betracht kommenden<br />

Gesichtspunkte und ein dementsprechendes<br />

Handeln möglich?<br />

Unterliegt der Betroffene infolge krankhafter<br />

Geistesstörungen fremden Willenseinflüssen?<br />

Wird sein Wille <strong>durch</strong> unkontrollierte Triebe und<br />

Vorstellungen beherrscht ?


Bloße Willensschwäche und leichte Beeinflussbarkeit<br />

genügen nicht.<br />

Die freie Willensbestimmung muss vielmehr vollständig<br />

ausgeschlossen sein.<br />

Allein das Unvermögen, die Tragweite einer Erklärung zu<br />

ermessen, reicht nicht aus.<br />

Bloß kognitive Defizite bewirken keine<br />

Geschäftsunfähigkeit<br />

Auch bei der Altersdemenz kommt es entscheidend darauf<br />

an, ob die geminderte geistig-seelische Leistungsfähigkeit die<br />

Freiheit des Willensentschlusses beeinträchtigt.<br />

Differenzierte Sicht auch in ärztlichen Gutachten nötig!


OLG München vom 5.6. 2009 = FamRZ 2009, 2033<br />

Die Diagnose einer fortschreitenden<br />

Demenz steht der Wirksamkeit einer früher<br />

erteilten notariellen Vorsorgevollmacht nicht<br />

entgegen, solange nicht die<br />

Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen<br />

bereits zum Zeitpunkt der Beurkundung<br />

hinreichend sicher feststeht.<br />

Nach allgemeiner Auffassung ist bei einem Volljährigen die<br />

Geschäftsfähigkeit als Regel zu unterstellen. Ihr Fehlen ist die<br />

Ausnahme. Wer sich auf Geschäftsunfähigkeit beruft, hat daher ihre<br />

Voraussetzungen zu beweisen (BGH NJW 1972, 681; BayObLG Rpfleger<br />

1982, 286; Palandt/Ellenberger BGB 68. Aufl. § 104 Rn. 8).<br />

Hingegen BGH v. 15.12.2010 = NJW 2011, 925<br />

Eine vom Betroffenen bereits früher erteilte ("Vorsorge-") Vollmacht hindert<br />

danach die Bestellung eines Betreuers nur, wenn gegen die Wirksamkeit<br />

der Vollmachterteilung keine Bedenken bestehen


OLG München v. 04.11.2009 FamRZ 2010, 756<br />

Sind zum Zeitpunkt der Erteilung einer Vorsorgevollmacht für<br />

die soziale Umgebung des Vollmachtgebers<br />

einschließlich seiner Hausärztin keine geistigen<br />

Beeinträchtigungen bei ihm erkennbar, unterliegt die<br />

rückschauende Diagnose der Voraussetzungen einer<br />

Geschäftsunfähigkeit <strong>durch</strong> einen Sachverständigen, der den<br />

Betroffenen erstmals nach mehr als vier Monaten seit der<br />

Vollmachtserteilung untersucht, strengen Anforderungen.<br />

Eine "graduell fortschreitende demenzielle Erkrankung"<br />

zu diesem Zeitpunkt - nach Einlieferung in eine<br />

psychiatrische Klinik wegen akut aufgetretener Verwirrtheit<br />

und Orientierungsstörungen - lässt für sich genommen<br />

keinen hinreichenden Schluss auf den Zustand zum<br />

Zeitpunkt der Vollmachtserteilung zu.


OLG München vom 5.6. 2009 = FamRZ 2009, 2033<br />

- Hat der Betroffene bewusst und in freier<br />

Willensentschließung eine Vertrauensperson<br />

bevollmächtigt, kann jedenfalls eine hierauf<br />

bezogene (partielle) Geschäftsfähigkeit selbst dann<br />

zu bejahen sein, wenn nicht auszuschließende<br />

leichtere kognitive Defizite zu Bedenken gegen<br />

die Wirksamkeit anderweitiger<br />

Willenserklärungen Anlass geben können


OLG München vom 5.6. 2009 = FamRZ 2009, 2033<br />

- Zweifel an der Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt einer<br />

Vollmachtserteilung beeinträchtigen die Eignung der<br />

Vollmacht als Alternative zur Betreuung nur dann, wenn sie<br />

konkrete Schwierigkeiten des Bevollmächtigten im<br />

Rechtsverkehr erwarten lassen (Abgrenzung zu einer<br />

früheren Entscheidung des BayObLG vom 25. November<br />

1993 FamRZ 1994, 720).


Vollmacht ermächtigt nach Maßgabe ihres<br />

Inhalts z.B. als<br />

o Generalvollmacht<br />

o gegenständlich beschränkte Vollmacht<br />

o Spezialvollmacht<br />

zu allen umfassten Rechtsgeschäften<br />

(außer höchstpersönlichen, wie Ehe, Testament,<br />

Wahlrecht usw. )


Vollmacht grundsätzlich formfrei<br />

Aus Beweisgründen mindestens Schriftlichkeit<br />

ratsam<br />

Banken bevorzugen aber eigene Vordrucke<br />

mit Unterschrift in Filiale<br />

Notariell beurkundete Vollmacht vorteilhaft<br />

Ermöglicht auch Grundstücksgeschäfte<br />

bietet höhere Gewähr gegen spätere Zweifel an der<br />

Geschäftsfähigkeit<br />

aber wichtig: Was hat Notar im<br />

einzelnen hierzu erfragt und<br />

festgestellt?<br />

Stichwort: Fassadenbildung


Inhalt Vorsorgevollmacht<br />

Vgl. Musterempfehlungen<br />

z. B. „Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter<br />

des BayStmJuV /Beck-Verlag<br />

Praktische Handhabung Vollmachten<br />

Vgl. Broschüre<br />

Die Vorsorgevollmacht-was darf der<br />

Bevollmächtigte?“.


Ein Hauptproblem für die Praxis<br />

zeitlicher Beginn der Bevollmächtigung<br />

Unzweckmäßig: bedingte Erteilung<br />

„für den Fall meiner Geschäftsunfähigkeit“ o.Ä.<br />

Empfehlung: Dem Bevollmächtigten als<br />

Vertrauensperson sollte sogleich die Ausfertigung der<br />

Urkunde und damit eine von vornherein unbedingte<br />

Bevollmächtigung erteilt werden.<br />

(zumindest aber Zugang zur Urkunde: „in<br />

Schreibtischschublade“)


Die Vollmacht hat stets schuldrechtliches Grundverhältnis<br />

o unentgeltlicher Auftrag (§ 662 BGB)<br />

oder<br />

o entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675<br />

BGB).<br />

Einzelheiten sollten bei Erteilung der Vollmacht bereits<br />

mitgeregelt werden<br />

z.B.<br />

Aufwendungsersatz (pauschaliert oder Einzelabrechnung),<br />

ggf. Höhe der Vergütung,<br />

Abrechnungs- und Buchführungspflichten,<br />

Regelungen über die Art der Vermögensverwaltung,<br />

Verbot der Unterbevollmächtigung usw.


Verfahrensrechtlich wichtig<br />

Betreuungsgericht muss konkreten Hinweisen auf<br />

Vorsorgevollmacht nachgehen<br />

Unterrichtungs- und Ablieferungspflicht nach § 1901<br />

BGB<br />

Seit Frühjahr 2005 Zentrales Vorsorgeregister der<br />

Bundesnotarkammer<br />

Erfasst werden Vorsorgevollmachten aller Art auch in<br />

Zusammenhang mit Patientenverfügung oder<br />

Betreuungsverfügung<br />

Auch privatschriftliche Urkunden<br />

allerdings nur bestimmte Kenndaten, nicht etwa die gesamte<br />

Urkunde.<br />

o Derzeit bereits 1,3 Mio Registrierungen verzeichnet<br />

o Gebühr unter 20 €<br />

o Betreuungsgerichte können elektronisch abfragen (geschieht täglich<br />

etwa 1000mal)


Stellt Gericht eine Vollmacht fest:<br />

Prüfung (Aufklärungspflicht, § 26 FamFG)<br />

o Ist Vollmacht wirksam und vom Umfang her ausreichend?<br />

o Ggf: Übt der Bevollmächtigte seine Vollmacht wirklich im<br />

Interesse des Betroffenen aus oder bestehen<br />

Anhaltspunkte dafür, dass er eigene oder <strong>andere</strong><br />

Interessen zum Nachteil des Vollmachtgebers<br />

mitverfolgt?<br />

Gericht kann trotz Vollmacht einen Betreuer bestellen,<br />

wenn der Bevollmächtigte erkennbar nicht geeignet ist oder<br />

die konkrete Gefahr von Missbräuchen besteht.


Möglich auch Bestellung eines Kontrollbetreuers (§ 1896<br />

III BGB)<br />

Aber nur bei Erforderlichkeit! (vgl. BGH NJW 2011,<br />

2137)<br />

Besonders schwierige oder umfangreiche<br />

Geschäfte?<br />

Bedenken gegen Redlichkeit oder<br />

Tauglichkeit des Bevollmächtigten?<br />

Konkreter Missbrauch muss - noch - nicht vorliegen!<br />

Ausreichend: konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der<br />

Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der<br />

Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers<br />

handelt.


Geschäftsfähiger Betroffene kann Vollmacht<br />

widerrufen<br />

ggf. Bestellung eines Betreuers<br />

Falls nicht mehr geschäftsfähig, kein Widerruf<br />

möglich.<br />

Bei begründeten Zweifeln an der<br />

Geschäftsfähigkeit im Zeitpunkt des<br />

Widerrufs:<br />

Fachärztliche Stellungnahme<br />

erforderlich.


3. <strong>Betreuungsvermeidung</strong> <strong>durch</strong> <strong>andere</strong> <strong>Hilfen</strong><br />

Vorrang vor der Betreuerbestellung haben <strong>andere</strong> <strong>Hilfen</strong> (§<br />

1896 II 2 BGB)<br />

z.B. <strong>durch</strong><br />

die Familie, Bekannte oder Nachbarn,<br />

ambulante Dienste oder Institutionen<br />

wie Altenhilfe, sozial-psychiatrischer Dienst, kirchliche<br />

Einrichtungen, private ambulante Pflegedienste oder<br />

ärztliche Versorgung <strong>durch</strong> den Hausarzt.<br />

Voraussetzung: Die Angelegenheiten des Volljährigen können<br />

ebenso gut wie <strong>durch</strong> einen Betreuer wahrgenommen werden.


Entscheidend ist: Besteht Notwendigkeit zur gesetzlichen<br />

Vertretung?<br />

Keine rechtliche Betreuung nötig:<br />

Bedarf nur an tatsächliche <strong>Hilfen</strong> zur Haushaltsbesorgung,<br />

Körperpflege oder Gesundheitsfürsorge<br />

Betroffener erfährt die notwendige, nicht mit Freiheitsentzug<br />

verbundene „Führung“ <strong>durch</strong> das Heimpersonal (BayObLG FamRZ<br />

1998, 452)<br />

Aufnahme eines Betroffenen in eine Reha-Einrichtung – einschließlich<br />

finanzieller Verpflichtungen wird <strong>durch</strong> Sozialdienst geregelt (LG<br />

Hamburg BtPrax 1993, 209)<br />

bei Kooperationsbereitschaft des Betroffenen und dessen<br />

Einverständnis mit den vorgesehenen Maßnahmen.


Aber:<br />

Sind rechtliche Willenserklärungen gefordert<br />

(z.B. Abschluss eines Arztvertrages, Zustimmung zur<br />

Heilbehandlung),<br />

Betreuerbestellung nötig<br />

Insbesondere, wenn erforderlich<br />

Grundsatz:<br />

Verfügung über Konten des Betr. gegen seinen Willen<br />

wirksamer Antrag z. B. gegenüber Sozialleistungsträger<br />

Betreuung allein für Sozialhilfeangelegenheiten unnötig<br />

Sozialhilfe wird nach § 18 Abs. 1 SGB XII von Amts wegen geleistet<br />

Jeder Dritte kann Sozialamt informieren<br />

Aber: Praxisprobleme <strong>durch</strong> Verwaltungsanforderungen


Vermögensbereich<br />

Einteilung der Einkünfte und Entscheidung über die<br />

Verwendung nicht generell <strong>durch</strong> <strong>andere</strong> <strong>Hilfen</strong><br />

(Angehörige, Nachbarn, soziale Hilfsdienste) möglich<br />

Aber:<br />

Verwaltung des Taschengeldes für Heimbewohner<br />

als Barbetrag im Sinne von § 35 Abs. 2 SGB XII<br />

kann auch von der Einrichtung im Auftrag des<br />

Sozialhilfeträgers übernommen werden so auch<br />

Richtlinien des Landschaftsverbandes Rheinland).<br />

Nicht erforderlich, allein zur Verwaltung dieses relativ<br />

geringfügigen Geldbetrages, der regelmäßig für alltäglichen<br />

Bedarf zügig ausgegeben wird, Betreuer zu bestellen<br />

(Dodegge BtPrax 1996, 8 [11]; a. A. OLG Köln FamRZ<br />

1993, 850).<br />

Unvermögen zur Besorgung eigener Angelegenheiten in<br />

finanziellen Problemen<br />

Schuldenregulierung mithilfe einer Schuldnerberatungsstelle<br />

möglich?<br />

Bei mangelnder Fähigkeit zur Geldeinteilung<br />

Auszahlung der Sozialhilfe in Raten?


Paradox:<br />

Grund<br />

Soziale <strong>Hilfen</strong> vorrangig, sollen Betreuungen vermeiden<br />

Aber Betreuer zunehmend befasst mit<br />

Sozialanträgen<br />

Sozialrechtsstreitigkeiten<br />

o Steigende Komplexität des Sozialrechts und der<br />

Antragsverfahren!<br />

o Abbau von Beratungs- und Unterstützungsleistungen


Zahlreiche Vorschriften sehen Beratungsansprüche vor<br />

Zusätzlich<br />

§ 14 SGB I,<br />

§ 4 Abs. 2 SGB II,<br />

§ 7 SGB XI,<br />

§ 11 SGB XII<br />

Der Sozialleistungsträger muss idR auch ohne ausdrücklichen<br />

Wunsch beraten, wenn ein konkreter Anlass besteht.<br />

§ 15 SGB I Auskunftspflicht<br />

§ 16 Abs. 3 SGB I eine Unterstützungspflicht bei der<br />

Antragstellung.<br />

Zugunsten behinderter Menschen t § 22 SGB IX eine<br />

Verpflichtung für die Rehabilitationsträger, Servicestellen<br />

einzurichten.<br />

§ 15 Abs. 1 Nr. 4 SGB X: im Sozialverwaltungsverfahren<br />

Verfahrensvertreter für einen Beteiligten zu bestellen, der<br />

infolge einer psychischen Krankheit oder körperlichen,<br />

geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage ist,<br />

in dem Verwaltungsverfahren selbst tätig zu werden.


Die B/L -Arbeitsgruppe schlug schon im Mai 2009 vor:<br />

Abbau <strong>andere</strong>r <strong>Hilfen</strong> entgegen wirken.<br />

Sozialgesetze und Antragsverfahren vereinfachen<br />

Auch Interdisziplinäre Arbeitsgruppe zum Betreuungsrecht in ihrem<br />

Abschlussbericht vom 20. Oktober 2011,<br />

„. Der Unterstützungsbedarf im sozialen Bereich, insbesondere<br />

aufgrund des Ausbaus personenzentrierter Leistungen, ist nicht<br />

<strong>durch</strong> das System der rechtlichen Betreuung zu decken.“


Vorschlag:<br />

Betreuungsbehörde in ihrer Funktion im<br />

betreuungsgerichtlichen Verfahren zu stärken, und zwar <strong>durch</strong><br />

eine obligatorische Einschaltung in allen Betreuungsverfahren.<br />

Betreuungsgericht genauere Informationen darüber verschaffen,<br />

welche Vorkehrungen der Betroffene selbst getroffen hat oder<br />

welche <strong>andere</strong>n <strong>Hilfen</strong> bestehen<br />

Damit Forderungen verworfen, von<br />

„justizlastigem“ Betreuungsverfahren abzugehen<br />

„Bundesagentur für Betreuungen“<br />

„Betreuungsbehörden als<br />

Eingangsinstanz“ l


Stattdessen zwingende Einschaltung der Betreuungsbehörden im<br />

Verfahren wie folgt:<br />

§ 279 Absatz 2 FamFG<br />

Das Gericht hat die zuständige Behörde frühzeitig vor der Bestellung eines<br />

Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts anzuhören. Vor<br />

der Bestellung eines Betreuers hat die Behörde insbesondere zu folgenden<br />

Kriterien zu berichten:<br />

1. Persönliche, gesundheitliche und soziale Situation des<br />

Betroffenen,<br />

2. Erforderlichkeit, einschließlich geeigneter <strong>andere</strong>r <strong>Hilfen</strong> und<br />

Umfang der Betreuung (§ 1896 Abs. 2 BGB)<br />

3. Betreuerauswahl unter Berücksichtigung des Vorrangs der<br />

Ehrenamtlichkeit und<br />

4. Sichtweise des Betroffenen.


§ 8 Betreuungsbehördengesetz<br />

(1) Die Behörde unterstützt das Betreuungsgericht. Dies gilt<br />

insbesondere für die Feststellung des Sachverhalts, den das<br />

Gericht für ausklärungsbedürftig hält, und für die Gewinnung<br />

geeigneter Betreuer. Dies umfasst insbesondere folgende<br />

Maßnahmen:<br />

1. die Erstellung eines Berichts im Rahmen der gerichtlichen<br />

Anhörung (§ 279 Absatz 2 des Gesetzes über das Verfahren in<br />

Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen<br />

Gerichtsbarkeit),<br />

2. die Aufklärung und Mitteilung des Sachverhalts, den das Gericht<br />

darüber hin-<br />

aus für aufklärungsbedürftig hält, sowie<br />

3. die Gewinnung geeigneter Betreuer


Einwand:<br />

sei nicht überzeugend.<br />

„Es gibt auch leicht feststellbare Sachverhalte.<br />

Gericht kommt dort ohne Sozialbericht aus“<br />

soziale Einschätzung zum Sachverhalt kann auch in vermeintlich<br />

einfachen Fällen wichtige Erkenntnisse liefern.<br />

keine Vorgaben zu der Form der Anhörung und des Berichts<br />

einfache und unbürokratische, auch fernmündliche<br />

Stellungnahme der Behörde an das Gericht möglich


Vorgesehene Verknüpfung zwischen dem Bericht der Behörde<br />

und dem Sachverständigengutachten:<br />

§ 280 FamFG soll wie folgt geändert werden (Änderungen in Kursivschrift):<br />

(1) Vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungs-<br />

vorbehalts hat eine förmliche Beweisaufnahme <strong>durch</strong> Einholung eines Gutach-<br />

tens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige<br />

soll Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie<br />

sein.<br />

(2) Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens<br />

persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Einen Bericht nach § 279 Ab-<br />

satz 2 Satz 2 hat der Sachverständige zu berücksichtigen.<br />

(3) Das Gutachten hat sich auf folgende Bereiche zu erstrecken:<br />

1. das Krankheitsbild einschließlich der Krankheitsentwicklung,<br />

2. die <strong>durch</strong>geführten Untersuchungen und die diesen zugrunde gelegten<br />

Forschungserkenntnisse,<br />

3. den körperlichen und psychiatrischen Zustand des Betroffenen,<br />

4. den Umfang des Aufgabenkreises und<br />

5. die voraussichtliche Dauer der Maßnahme.


Das medizinische Gutachten soll auch den sozialen Befund<br />

soweit wie möglich berücksichtigen.<br />

.<br />

Nach der bisher vorherrschenden Praxis sind<br />

Gutachten und Bericht der Behörde inhaltlich nicht<br />

oder kaum aufeinander bezogen.<br />

Ziel = eine inhaltliche Verknüpfung herzustellen.<br />

Der ärztliche Sachverständige sollte bei seiner<br />

Begutachtung der Auswirkungen der Defizite auch<br />

auf die soziale Situation des Betroffenen eingehen<br />

und hierzu den Bericht der Behörde in den<br />

einbeziehen können.<br />

Er sollte einen bereits vorliegenden Bericht bei der<br />

Begutachtung daher berücksichtigen.<br />

frühzeitige Einbindung der Betreuungsbehörde und ein<br />

Aber:<br />

frühzeitiges Tätigwerden im Betreuungsverfahren sinnvoll.<br />

Kein Vorschlag einer festen zeitlichen Reihenfolge für den Bericht<br />

der Behörde und das medizinische Gutachten!

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