Katholisches Wort in die Zeit 43. Jahr April 2012 - Der Fels
Katholisches Wort in die Zeit 43. Jahr April 2012 - Der Fels
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auchen sie Hilfe. Ich hatte schon<br />
Gelegenheit, <strong>in</strong> verschiedenen Eltern-<br />
K<strong>in</strong>d-Gruppen und auf Spielplätzen<br />
unterschiedlichste K<strong>in</strong>derkonflikte zu<br />
erleben. Solange jedes der K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>en<br />
vertrauten Erwachsenen an se<strong>in</strong>er<br />
Seite hat, der ihm verständnisvoll<br />
und leitend zur Seite steht, gehen <strong>die</strong><br />
meisten Konflikte friedlich aus, und<br />
beide Seiten haben etwas gelernt. So<br />
habe ich zum Beispiel me<strong>in</strong>er damals<br />
Zweijährigen erklärt, dass das andere<br />
(1) Ehe und Familie stehen unter dem<br />
besonderen Schutze der staatlichen<br />
Ordnung.<br />
(2) Pflege und Erziehung der K<strong>in</strong>der<br />
s<strong>in</strong>d das natürliche Recht der Eltern<br />
und <strong>die</strong> zuvörderst ihnen obliegende<br />
Pflicht. Über ihre Betätigung wacht <strong>die</strong><br />
staatliche Geme<strong>in</strong>schaft.<br />
...<br />
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den<br />
Schutz und <strong>die</strong> Fürsorge der Geme<strong>in</strong>schaft.<br />
Artikel 6, Abs. 1, 2, 4; GG<br />
K<strong>in</strong>d sie nur umarmen und ihr nicht<br />
etwa <strong>die</strong> Mundharmonika wegnehmen<br />
wollte, während <strong>die</strong> andere Mutter ihrem<br />
gleichalten K<strong>in</strong>d erklärte, dass<br />
me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d jetzt nicht umarmt werden<br />
wollte. E<strong>in</strong> ganz alltäglicher Vorgang,<br />
der gut ausg<strong>in</strong>g. <strong>Der</strong> Konflikt wurde<br />
entschärft, bevor es schwierig werden<br />
konnte, und beide K<strong>in</strong>der haben<br />
gelernt, sich besser <strong>in</strong> andere K<strong>in</strong>der<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuversetzen. Hätte e<strong>in</strong>e Erzieher<strong>in</strong><br />
das Problem genauso gut lösen<br />
können? Sie müsste ja gleichzeitig<br />
h<strong>in</strong>ter dem e<strong>in</strong>en wie h<strong>in</strong>ter dem anderem<br />
K<strong>in</strong>d stehen. Und sie müsste<br />
mit beiden K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> sehr <strong>in</strong>tensivem<br />
Kontakt stehen, um ihre Motive<br />
und Befürchtungen sehen zu können.<br />
E<strong>in</strong> ziemlicher Drahtseilakt, selbst<br />
wenn man wohlme<strong>in</strong>end annimmt,<br />
besagte hypothetische Erzieher<strong>in</strong> hätte<br />
den Ursprung des Konflikts gleich<br />
erkannt. Dafür muss man <strong>die</strong> <strong>Zeit</strong> haben,<br />
<strong>die</strong> K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>fach zu beobachten,<br />
und nicht nur zu reagieren, wenn<br />
es Probleme gibt. Bei den meisten Betreuungsschlüsseln<br />
<strong>in</strong> K<strong>in</strong>derkrippen<br />
ist das eher utopisch. Als Mutter kann<br />
man bei Geschwisterk<strong>in</strong>dern <strong>die</strong>sen<br />
Drahtseilakt eher vollbr<strong>in</strong>gen, da <strong>die</strong><br />
K<strong>in</strong>der ihre Konflikte auf der Basis ihrer<br />
besonderen Beziehung austragen.<br />
Wenn man sich mit Müttern unterhält,<br />
deren K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> K<strong>in</strong>derkrippen<br />
untergebracht s<strong>in</strong>d, fällt auf, dass zu-<br />
nächst betont wird, dass bei der E<strong>in</strong>gewöhnung<br />
großer Wert auf den Aufbau<br />
e<strong>in</strong>er Beziehung zwischen Erzieher<strong>in</strong><br />
und K<strong>in</strong>d gelegt wird. Erst aufgrund<br />
<strong>die</strong>ser Beziehung könne Krippenbetreuung<br />
gel<strong>in</strong>gen, und <strong>die</strong>se zusätzliche<br />
Beziehung sei dann e<strong>in</strong> Gew<strong>in</strong>n<br />
für das K<strong>in</strong>d. Anschließend hört man<br />
dann häufig, dass es schon bald ke<strong>in</strong>en<br />
Unterschied mehr für das K<strong>in</strong>d<br />
macht, ob se<strong>in</strong>e Bezugserzieher<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />
den Randstunden (<strong>die</strong> Betreuungszeit<br />
des K<strong>in</strong>des und <strong>die</strong> Arbeitszeit der Erzieher<strong>in</strong><br />
fällt ja nicht immer zusammen)<br />
oder wegen Krankheit/Urlaub<br />
mal nicht da ist. Da sche<strong>in</strong>t <strong>die</strong> B<strong>in</strong>dung<br />
dann eher an <strong>die</strong> Abläufe und<br />
Örtlichkeiten gegeben zu se<strong>in</strong> als an<br />
e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zelnen Menschen. Für me<strong>in</strong>e<br />
K<strong>in</strong>der möchte ich das nicht.<br />
Wolfgang Bergmann schreibt <strong>in</strong><br />
„Die Kunst der Elternliebe“: „Nur bei<br />
der Mutter – vielleicht bei e<strong>in</strong>er verlässlichen<br />
mütterlichen B<strong>in</strong>dungsperson<br />
– kann e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d Befriedigung und<br />
Stillung f<strong>in</strong>den, kann es „ganz still<br />
werden“. Wenn <strong>die</strong>se verlässliche Stillung<br />
<strong>in</strong> den ersten Lebensphasen nicht<br />
oder nicht ausreichend e<strong>in</strong>tritt, dann<br />
wird das „Still-Se<strong>in</strong>“ e<strong>in</strong> Leben lang<br />
Schutz der Familie<br />
(1) K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d das köstlichste Gut e<strong>in</strong>es<br />
Volkes. Jede Mutter hat Anspruch<br />
auf den Schutz und <strong>die</strong> Fürsorge des<br />
Staates. Sie haben Anspruch auf Entwicklung<br />
zu selbstbestimmungsfähigen<br />
und verantwortungsfähigen Persönlichkeiten.<br />
Bayerische Verfassung, Artikel 125<br />
nicht möglich werden.“ Er vermutet,<br />
<strong>die</strong> Zunahme an nervösen und hyperaktiven<br />
K<strong>in</strong>dern, <strong>die</strong> wir heute haben,<br />
liegt daran, dass viele K<strong>in</strong>der eben das<br />
nicht ausreichend erleben durften.<br />
Wir muten unseren K<strong>in</strong>dern heute<br />
ziemliche Härten zu. Schon kle<strong>in</strong>e<br />
Babys müssen <strong>die</strong> Nächte alle<strong>in</strong> im<br />
eigenen Zimmer verbr<strong>in</strong>gen, müssen<br />
alle<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>schlafen, müssen früh<br />
abgestillt werden, um selbständig zu<br />
werden, dürfen ke<strong>in</strong>erlei Wutanfälle<br />
bekommen, sondern sollen sich brav<br />
zu den von der Wirtschaft bestimmten<br />
<strong>Zeit</strong>en <strong>in</strong> <strong>die</strong> K<strong>in</strong>dergärten und Krippen<br />
br<strong>in</strong>gen lassen. Wir muten auch<br />
uns ziemliche Härten zu. Die Verkäufer<strong>in</strong><br />
unserer Drogerie wird immer<br />
traurig, wenn sie mich mit me<strong>in</strong>en<br />
K<strong>in</strong>dern sieht; denn ihr Sohn ist so alt<br />
wie me<strong>in</strong>e Jüngste, fast anderthalb,<br />
und sie würde lieber <strong>Zeit</strong> mit ihrem<br />
Söhnchen verbr<strong>in</strong>gen, als an der Kasse<br />
zu sitzen. Wieso lassen wir uns eigentlich<br />
gefallen, dass RWI-Präsident<br />
Schmidt den Verzicht auf das Betreuungsgeld<br />
fordert mit dem Argument,<br />
es dürfe ke<strong>in</strong>e Anreize geben, dass<br />
Mütter auf Erwerbstätigkeit verzichten<br />
und <strong>die</strong> öffentliche Betreuung <strong>in</strong><br />
der frühk<strong>in</strong>dlichen Bildung nicht <strong>in</strong><br />
Anspruch nähmen?<br />
Ich würde e<strong>in</strong>e – konsequent<br />
durchdachte – Gutsche<strong>in</strong>lösung für<br />
Eltern mit K<strong>in</strong>dern unter drei <strong>Jahr</strong>en<br />
durchaus anerkennen. Die Gutsche<strong>in</strong>e<br />
müssten natürlich für sehr viele<br />
Güter e<strong>in</strong>lösbar se<strong>in</strong>, angefangen bei<br />
Eltern-K<strong>in</strong>d-Kursen, öffentlichem<br />
Nahverkehr, Waren des täglichen Bedarfs,<br />
Miete, Strom, Heizkosten etc.<br />
Das würde auch bedeuten, dass der<br />
Gutsche<strong>in</strong>betrag dem staatlichen Zuschuss<br />
pro Krippenplatz entspricht.<br />
Entweder müsste dafür das Betreuungsgeld<br />
auf etwa 700 Euro angehoben<br />
werden, oder <strong>die</strong> Elternbeiträge<br />
für <strong>die</strong> Krippenplätze müssten enorm<br />
steigen. Das hätte zur Folge, dass<br />
sich viele Eltern dann doch gegen <strong>die</strong><br />
Krippe entscheiden würden, weil sich<br />
<strong>die</strong> Doppelerwerbstätigkeit mit den<br />
dann realistisch hohen Elternbeiträgen<br />
nicht mehr rentiert. Auch könnten<br />
gesellschaftliche Prozesse <strong>in</strong> Gang<br />
kommen, <strong>die</strong> Familien eher unterstützen<br />
können.<br />
Auf <strong>die</strong>se Weise wäre e<strong>in</strong>e freiere<br />
Entscheidung möglich. Als nächstes<br />
käme dann noch <strong>die</strong> Überlegung, wie<br />
wir <strong>die</strong> drei- bis sechsjährigen K<strong>in</strong>der<br />
davor bewahren können, 10 Stunden<br />
im K<strong>in</strong>dergarten verbr<strong>in</strong>gen zu müssen.<br />
Von e<strong>in</strong>er guten und liebevollen<br />
Vormittagsbetreuung profitieren wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
<strong>die</strong> meisten K<strong>in</strong>der <strong>die</strong>ser<br />
Altersgruppe. In Ausnahmefällen gibt<br />
es sicherlich auch kle<strong>in</strong>ere K<strong>in</strong>der, denen<br />
e<strong>in</strong>e Betreuung außer Haus besser<br />
täte als beispielsweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Klima<br />
von Lieblosigkeit und Gewalt groß<br />
zu werden. Aber aus Ausnahmefällen<br />
konnte man noch nie Regeln ableiten.<br />
Vertreter der Industrie und der Gewerkschaften<br />
s<strong>in</strong>d sich e<strong>in</strong>ig <strong>in</strong> der<br />
Ablehnung des Betreuungsgeldes.<br />
Leider geht es ihnen dabei um Gew<strong>in</strong>nmaximierung<br />
oder um <strong>die</strong> ideologische<br />
Lufthoheit über den K<strong>in</strong>derbetten.<br />
Uns Eltern dagegen geht es um<br />
das Wohl unserer K<strong>in</strong>der – auf Dauer<br />
käme das der ganzen Gesellschaft zugute.<br />
q<br />
120 DER FELS 4/<strong>2012</strong>