WETTLAUF MIT DER ZUKUNFT - der f&e manager
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TITEL<br />
<strong>WETTLAUF</strong> <strong>MIT</strong> <strong>DER</strong><br />
<strong>ZUKUNFT</strong><br />
Carl Zeiss SMT stellt mit <strong>der</strong> Größe einer F&E-Mannschaft von über 700 Mitarbeitern<br />
u. a. Lithographie-Optiken her. Time to Market ist hier seit bald zwei Jahrzehnten<br />
kein Fremdwort. Dr. Andreas Dorsel, Mitglied <strong>der</strong> GF <strong>der</strong> Carl Zeiss SMT<br />
GmbH und Leiter des Geschäftsbereichs Lithographie-Optik gibt einen aktuellen<br />
Blick auf die Entwicklung des Unternehmensbereiches Halbleitertechnik.<br />
<strong>DER</strong> F&E MANAGER: Bitte erläutern Sie das Portfolio<br />
von Carl Zeiss SMT.<br />
Dr. Andreas Dorsel: Wir haben im Unternehmensbereich<br />
<strong>der</strong> Halbleitertechnik drei Geschäftsbereiche:<br />
Semiconductor Metrology Systems – beschäftigt sich<br />
mit <strong>der</strong> Charakterisierung und Vermessung sowie <strong>der</strong><br />
Defektkontrolle bis hin zur Reparatur <strong>der</strong> sogenannten<br />
Masken, <strong>der</strong> Vorlagen <strong>der</strong> Mikrolithographie.<br />
Laser Optics – entwickelt und produziert als primäres<br />
Geschäftsgebiet die Optiken für Laserlichtquellen,<br />
die ebenfalls in <strong>der</strong> Mikrolithographie zum Einsatz<br />
Unser größter Konkurrent ist<br />
unser eigenes neuestes Produkt<br />
kommen. Die Ansprüche in <strong>der</strong> Abbildung bei <strong>der</strong><br />
Lithographie sind so hoch, dass die Monochromasie,<br />
also die Einfarbigkeit des Laserlichts ohne diese Spezialoptiken<br />
nicht mehr ausreicht. Man muss die Laserstrahlung<br />
daher noch spektral einengen, was eine<br />
Beson<strong>der</strong>heit darstellt.<br />
Der dritte und größte Bereich ist die Lithographie-<br />
Optik, die die Projektionsoptiken für die Abbildung<br />
<strong>der</strong> Maskenvorlagen auf den Wafer herstellt. Ebenso<br />
werden Beleuchtungssysteme gebaut, die aus <strong>der</strong><br />
20 <strong>DER</strong> F&E MANAGER 03/2011<br />
Projektionsoptik das Beste herausholen. Ein weiterer<br />
Teilbereich des Geschäftsbereichs Lithographie-Optik<br />
stellt Mirrorblocks und Waferstage-Chucks her.<br />
Das sind die Baugruppen in einer Belichtungsmaschine,<br />
wie einem Scanner, auf denen <strong>der</strong> Wafer während<br />
<strong>der</strong> Belichtung aufgesetzt und gehalten wird.<br />
Für diese Bereiche führt die Lithographie-Optik<br />
auch die umfangreichen Entwicklungsarbeiten selbst<br />
durch.<br />
Wer sind die Kunden <strong>der</strong> Lithographie-Optik?<br />
Wir haben primär nur einen Kunden, mit dem wir<br />
eine strategische Partnerschaft pflegen – das ist ASML<br />
in den Nie<strong>der</strong>landen, ein Spin-off <strong>der</strong> Firma Philips.<br />
Unsere Zusammenarbeit ist sehr eng und besteht seit<br />
mehr als fünfundzwanzig Jahren. Einfach skizziert:<br />
ASML baut unsere optischen Systeme in ihre Scanner<br />
ein. Die Scanner kommen weltweit bei Chipproduzenten<br />
zum Einsatz. Wir halten gemeinsam mit unserem<br />
strategischen Partner ASML den größten Marktanteil.<br />
Deswegen streben wir danach, unser jeweils<br />
letztes Produkt zu übertreffen, bevor es an<strong>der</strong>e tun.<br />
Die Zusammenarbeit mit unserem Kunden basiert u.<br />
a. auf regelmäßigen Produktstrategiemeetings, an denen<br />
<strong>der</strong> Leiter unserer Produktstrategieabteilung teilnimmt.<br />
Auch das ist eine Beson<strong>der</strong>heit. Die Endkunden<br />
wie<strong>der</strong>um planen langfristig. Deren Roadmaps
Ein Wafer ist eine sehr dünne Scheibe aus Siliziumkarbid und bildet die Grundlage für die Herstellung von<br />
Mikrochips. Mittels lithographischer Prozesse werden Schaltkreisstrukturen auf den Wafer aufgebracht. Je<br />
nach Strukturgröße entstehen auf einem Wafer unterschiedlich viele Mikrochips.<br />
laufen über ein Jahrzehnt und sie wollen auch von<br />
uns wissen, ob wir in <strong>der</strong> Lage sind, ihre Vorhaben zu<br />
unterstützen. Dieses Feedback wird von uns erwartet<br />
und eingefor<strong>der</strong>t.<br />
Beschreiben Sie doch bitte die Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> F&E<br />
bei Carl Zeiss SMT im Vergleich zu an<strong>der</strong>en Unternehmen.<br />
Es gibt eine Performance-Trias: Erstens: Was sind die<br />
Leistungsdaten eines Produktes o<strong>der</strong> einer Dienstleistungslösung?<br />
Zweitens: Kosten o<strong>der</strong> Ressourcen<br />
inklusive beispielsweise <strong>der</strong> Zuverlässigkeit. Der<br />
dritte und für uns wichtigste Punkt ist das Timing,<br />
da unsere Kunden immer so bald wie möglich die<br />
nächste Technologie haben wollen.<br />
Speziell für die Lithographie-Optik kann man sagen,<br />
dass Time to Market im Vor<strong>der</strong>grund steht. Das erfor<strong>der</strong>t<br />
von uns spezifische Vorgehensweisen. Aus<br />
Effizienz- und Kostengründen können wir nicht<br />
mehr alle Bereiche selber abdecken.<br />
Wir haben fast 1000 Lieferanten, von denen viele mit<br />
uns kundenspezifische Entwicklungen umsetzen. Wir<br />
> TITEL / Carl Zeiss SMT<br />
Das Immersionsobjektiv Starlith® 1900i bereitete 2007<br />
den Weg für die Serienproduktion von Mikrochips mit<br />
Strukturen von 40 Nanometern und darunter. Dadurch<br />
wurde es möglich, Datenmengen von vier Gigabyte auf<br />
<strong>der</strong> Fläche eines Daumennagels zu speichern.<br />
brauchen alle Lieferanten, um die optimalen Lösungen<br />
für unsere Kunden bereitzustellen. Ein Beispiel:<br />
In einem typischen Objektiv befinden sich optische<br />
Materialien, also Gläser, mechanische Materialien,<br />
Sensoren, Aktuatoren – alles muss am Ende im<br />
Gesamtprodukt den Erwartungen des Kunden entsprechen.<br />
Die Anfor<strong>der</strong>ungen an unsere Lieferanten<br />
bzw. die Vielzahl <strong>der</strong> von uns benötigten Materialien<br />
nimmt immer weiter zu.<br />
Netzwerke spielen<br />
eine übergeordnet große Rolle<br />
Da mit ASML eine extrem enge Abstimmung stattfindet,<br />
kann am Interface und optischen Herzstück<br />
<strong>der</strong> Maschine die optimale Performance rausgeholt<br />
werden. Zum Teil ist hier eine Aufgabenverteilung<br />
möglich. Zum Beispiel: Werden auf einem Chip mehrere<br />
Lagen nacheinan<strong>der</strong> strukturiert, ist das Overlay<br />
– also wie genau diese übereinan<strong>der</strong>gedruckt werden<br />
<strong>DER</strong> F&E MANAGER 03/ 2011 21
TITEL<br />
– von extremer Bedeutung. Man kann hier die Last<br />
zwischen dem Maschinen- und dem Optikanteil in<br />
gewissen Grenzen umverteilen. Wir entwickeln also<br />
das Gesamtoptimum mit ASML gemeinsam. Unsere<br />
technisch anspruchsvollen Produkte verlangen eine<br />
starke F&E.<br />
Carl Zeiss ist innerhalb Deutschlands sicherlich mit<br />
einem überdurchschnittlich hohen F&E-Anteil repräsentiert.<br />
Vom prozentualen Anteil nimmt Carl Zeiss<br />
SMT selbst innerhalb von Carl Zeiss eine Spitzenrolle<br />
ein. Lassen Sie mich große Themen im Bereich<br />
Lithographie-Optik nennen, die im Jahr durchaus ein<br />
R&D-Budget von zweistelligen Millionenbeträgen<br />
benötigen: Eines unserer Produkte, ein Immersionssystem<br />
für 193 nm, ist in <strong>der</strong> Weiterentwicklungsphase,<br />
um unseren erfreulich hohen Marktanteil damit zu<br />
Unsere Kundenbeziehung verlangt<br />
echtes Teamplaying<br />
halten. Wir haben ein weiteres Produkt, unser erstes<br />
EUV-Serienprodukt (EUV = Extreme-Ultra-Violett),<br />
das nun in die Hochtourenphase <strong>der</strong> Hauptentwicklung<br />
geht und bei dem wir planen, Anfang nächsten<br />
Jahres die ersten Systeme auszuliefern. Das dritte<br />
Produkt steckt in <strong>der</strong> Vorentwicklungsphase und ein<br />
an<strong>der</strong>es in <strong>der</strong> Vorstudienphase. Es laufen also vier<br />
„große“ Projekte für neue Produkte parallel, die wir<br />
zeitlich versetzt auf den Markt bringen. Die an<strong>der</strong>en<br />
Geschäftsbereiche haben eine höhere Produktvielfalt<br />
und damit auch zahlreichere Projekte gleichzeitig.<br />
Speziell in <strong>der</strong> Lithographie versuchen wir das Moorsche<br />
Gesetz1 umzusetzen: Im Zweijahresrhythmus<br />
22 <strong>DER</strong> F&E MANAGER 03/2011<br />
verdoppelt sich die Zahl <strong>der</strong> auf einer Chipfläche<br />
möglichen Transistoren. Das ist nur möglich, wenn<br />
man zeitgerecht das neue Produkt auf den Markt<br />
bringt. Das schon genannte Immersionssystem 1900i<br />
ist z. B. unser bisher erfolgreichstes Produkt.<br />
Gibt es bei einem überproportional hohen Akademikeranteil<br />
die Notwendigkeit eines speziellen Führungsstils?<br />
In unserem Unternehmensbereich sind etwa ein Drittel<br />
<strong>der</strong> Mitarbeiter Akademiker. Neben <strong>der</strong> Weiterentwicklung<br />
zum Manager bieten wir unseren hoch<br />
qualifizierten Mitarbeitern die Möglichkeit <strong>der</strong> Fachkarriere<br />
mit vergleichbaren Benefits wie in <strong>der</strong> Managementlaufbahn.<br />
Unsere Mitarbeiter werden vor allem durch interessante<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen motiviert. In unseren Entwicklungsteams<br />
ist ein sportlicher Ehrgeiz spürbar.<br />
Mikroelektronik ist längst eine Säule des mo<strong>der</strong>nen<br />
Lebens geworden. In unserer Führungsphilosophie<br />
messen wir dem Empowerment große Bedeutung bei.<br />
Die Mitarbeiter können bei vielen Fragen am ehesten<br />
die richtigen Entscheidungen selbst treffen, da sie am<br />
nächsten am Thema dran sind. Das Gleiche gilt auch<br />
für die Lösung von Konfliktsituationen zwischen<br />
verschiedenen „Parteien“ im Ringen um die beste<br />
Lösung. Daher bemühen wir uns (wenn wir auch<br />
manchmal rückfällig werden), Entscheidungen nicht<br />
unnötig nach oben delegieren zu lassen o<strong>der</strong> zu ziehen.<br />
Die Geduld und das Vertrauen <strong>der</strong> Management-<br />
1 Die Gesetzmäßigkeit, aufgestellt vom Amerikaner Gordon Moore,<br />
besagt, dass sich die Zahl <strong>der</strong> integrierten Schaltkreise, die auf einem<br />
Mikrochip Platz haben, in regelmäßigen Abständen verdoppelt: Die Leistungsfähigkeit<br />
von Mikrochips steigt mit <strong>der</strong> fortschreitenden Miniaturisierung<br />
<strong>der</strong> Strukturen auf dem Chip, was immer mehr Funktionen pro<br />
Fläche ermöglicht.
ebene und <strong>der</strong> Mut <strong>der</strong> Mitarbeiter sind bei einem<br />
solchen Prozess von großer Bedeutung. Außerdem<br />
ist wichtig: Wir müssen alle unsere Stakehol<strong>der</strong> in<br />
unserem Strategieprozess mitnehmen. Kommunikation<br />
ist eine ständige Herausfor<strong>der</strong>ung und für unseren<br />
Erfolg ebenfalls sehr wichtig.<br />
Das Arbeiten an physikalischen Grenzen, das Forschen<br />
per se lassen sich schwer planen und bergen dadurch<br />
Unwägbarkeiten. Was wurde organisatorisch getan,<br />
um dieser Herausfor<strong>der</strong>ung entgegenzutreten?<br />
Zum einen sind wir von <strong>der</strong> absoluten Machbarkeitserwartung<br />
bestimmt: Womit erreiche ich die beste<br />
Produktperformance, wenn alle Voraussetzungen erfüllbar<br />
sind? Und ist das Ergebnis nur einmal erreichbar<br />
o<strong>der</strong> ist es reproduzierbar?<br />
Die Forschungsplanung ist in <strong>der</strong> Tat eine <strong>der</strong> größten<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen, denn Überraschungen gibt es<br />
immer. Aber wir müssen einsehen, nicht alles vorhersehen<br />
zu können. Es ist eine große organisatorische<br />
Aufgabe, auch mit Unvorhergesehenem effizient und<br />
effektiv umzugehen.<br />
„Plans are nothing, planning is everything“, sagte<br />
Eisenhower. Das haben wir an sogenannte Taskforces<br />
adressiert: hochgradig schlagkräftige Truppen, die<br />
nach Bedarf aufgesetzt werden. Wenn es dann aber<br />
tatsächlich einmal unliebsame Überraschungen gibt,<br />
sind wir mit hoher Ressourcenpriorität darauf eingestellt.<br />
Diese Truppen setzen sich nicht nur aus Mitarbeitern<br />
unserer Geschäftsbereiche zusammen, son<strong>der</strong>n unitübergreifend<br />
bis hin zu möglichen Anfragen bei Instituten<br />
und Lieferanten, um im Ernstfall sehr schnell<br />
und sehr konzentriert Lösungen herbeizuführen. Wir<br />
haben bei Carl Zeiss intern Entwicklungs- und For-<br />
> TITEL / Carl Zeiss SMT<br />
schungspartner sowie extern in Europa, in Japan und<br />
in den USA.<br />
Für uns ist es sehr wichtig, dass unser Partner toleriert,<br />
wenn das erste System noch nicht vollständig<br />
die erwarteten Leistungsdaten erbringt. Wichtiger ist,<br />
dass es frühzeitig angeliefert wird, um dann parallel<br />
zur ersten Erprobung Zeit für Nachbesserungen aufbringen<br />
zu können. Wir nennen das Early Bird: frühe<br />
Systemauslieferung mit noch nicht perfekter Performance.<br />
Manchmal ist auch die Lieferung mechanischer<br />
Dummys sinnvoll. Wobei das Wort Dummy<br />
bei einem Mechanikprototypen mit einem erbrachten<br />
Aufwand an mehreren Millionen untertrieben ist. Mit<br />
solch einem Dummy ist die komplette Mechanikqualifikation<br />
<strong>der</strong> Maschine durchführbar. Wir erzielen<br />
mit unseren Optiken Auflösungen bis in den Bereich<br />
15 bis 20 Nationen sind<br />
in unserer F&E vertreten<br />
unter 20 Nanometer, dabei spielen auch Vibrationsthemen<br />
und Resonanzproblematiken eine Rolle.<br />
Diese können beispielsweise anhand <strong>der</strong> Prototypen<br />
überprüft und schließlich optimiert werden.<br />
Was wir außerdem nutzen, ist ein sogenannter „Plan<br />
B“. Dieser kommt nicht immer erst dann zum Einsatz,<br />
wenn „Plan A“ nicht funktioniert hat, son<strong>der</strong>n<br />
läuft manchmal als zweite Option parallel.<br />
Das gilt insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> Vorentwicklung, wo auf<br />
mehrere Technologien hingearbeitet und an einem<br />
Punkt X die Entscheidung gefällt wird, welche man<br />
weiter fortführt. So erhöhen wir die Erfolgswahrscheinlichkeit,<br />
ohne aber deshalb die Garantie für die<br />
<strong>DER</strong> F&E MANAGER 03/ 2011 23
Dr. Dorsel vor den Ion-Beam-Figuring-Anlagen. Diese Maschinen dienen <strong>der</strong> optischen Feinstkorrektur: das<br />
Innenleben <strong>der</strong> IBF-Anlagen sind Eigenentwicklungen. Läuft die Produktion an, ist das Know-how <strong>der</strong> Entwicklung<br />
unerlässlich.<br />
100%ige Perfektion eines Systems beim ersten Versuch<br />
zu erhalten.<br />
Wir arbeiten immer daran, noch schneller zu werden.<br />
Wir sind und waren aber immer schneller als unsere<br />
Konkurrenten und so konnten wir unsere Marktanteile<br />
weiter ausbauen.<br />
Wie konnten Sie die Krise 2008/2009 überstehen und<br />
gab es Möglicheiten, diese Phase im Sinne einer strikten<br />
TtM zu nutzen?<br />
Die Krise war für Carl Zeiss SMT dramatisch. Wir<br />
haben von einem Jahr zum an<strong>der</strong>en einen Umsatzrückgang<br />
von mehr als dem Faktor 4 erlebt. Es war zu dem<br />
Zeitpunkt nicht klar, wie schnell sich die Konjunk-<br />
24 <strong>DER</strong> F&E MANAGER 03/2011<br />
tur und die Märkte erholen würden. Manche prophezeiten<br />
einen L-Verlauf. Tatsächlich aber können wir<br />
uns heute über einen steilen V-Verlauf freuen: Wir<br />
wuchsen im Folgejahr um einen Faktor 5. Wie war das<br />
möglich? Unser einziger Sharehol<strong>der</strong>, die Carl Zeiss<br />
AG, hatte das Vertrauen in eine langfristige positive<br />
Perspektive. Kein Mitarbeiter aus unserer fest angestellten<br />
Mannschaft wurde entlassen. Heute sind wir<br />
sogar über dem Höchststand <strong>der</strong> Belegschaft vor <strong>der</strong><br />
Krise. Unser wichtigstes Entwicklungsthema EUV<br />
verfolgen wir weiter mit höchster Priorität – auch in<br />
<strong>der</strong> Krise konnten wir dieses Thema dank <strong>der</strong> Unterstützung<br />
unseres Mutterkonzerns aufrechterhalten.<br />
Das galt ebenso für die Generation 1900i, mit <strong>der</strong> wir
heute einen Großteil unseres Geldes verdienen. Auch<br />
in unserer operativen Exzellenz, in <strong>der</strong> Schlagfertigkeit<br />
<strong>der</strong> Produktion, wurden und werden wir durch gezielte<br />
Programme (z. B. SPS) immer besser. Was Time to<br />
Market für die Entwicklung ist, ist Time to Volume in<br />
<strong>der</strong> Produktion. Über die Zeit <strong>der</strong> Krise hinweg waren<br />
das die wesentlichen Faktoren bei <strong>der</strong> Gewinnung von<br />
Marktanteilen. Unser größter Konkurrent – die Firma<br />
Nikon – hat dagegen in <strong>der</strong> Krise von vier auf zwei<br />
Standorte konsolidiert. In diesen Reibungsprozessen<br />
konnten sie den folgenden Ramp-up anscheinend<br />
nicht ausreichend bedienen. Durch Time-to-Volume<br />
ging es uns da besser, wir konnten liefern.<br />
Welche Methoden sind für Ihre TtM unabdingbar?<br />
In <strong>der</strong> frühen Projektphase lassen sich Entwicklungseuros<br />
am effektivsten und effizientesten einsetzen.<br />
Hier wäre die falsche Stelle zum Sparen, denn das<br />
kann in <strong>der</strong> Hauptentwicklungsphase teuer werden.<br />
Wir müssen lange im Voraus Technologiethemen,<br />
wie z. B. neue Messmethoden, bearbeiten. Also Langläufer<br />
für die Spezialapparaturen bestellen o<strong>der</strong> ent-<br />
Unternehmen Carl Zeiss<br />
Gründung: 1846 in Jena (Thüringen)<br />
Unternehmensbereiche: Halbleitertechnik, Medizintechnik<br />
(börsennotiert im TecDAX als Carl Zeiss Meditec AG),<br />
Mikroskopie, Industrielle Messtechnik, Markenoptik/Optronik,<br />
Augenoptik<br />
Geschäftsbereiche Carl Zeiss SMT: Strategic Business<br />
Units – Lithografie-Optik (LIT), Laser Optics (LO), Semiconductor<br />
Metrology Systems (SMS), Nano Technology<br />
Systems (NTS)<br />
Entwicklungs- und Produktionsstätten: Hauptsitz in Oberkochen<br />
(Baden-Württemberg); weltweit ist die Gruppe in<br />
über 30 Län<strong>der</strong>n vertreten<br />
> TITEL / Carl Zeiss SMT<br />
wickeln, welche in weiteren Technologieentwicklungen<br />
nach wie vor eine Schlüsselrolle spielen. Thema<br />
Messtechnik: Das ist eine unserer Kernkompetenzen.<br />
Hier lassen sich z. B. durch den langen Entwicklungsvorlauf,<br />
also durch unsere Vorarbeiten, am Ende etwas<br />
bessere Lösungen finden bzw. manchmal werden<br />
sie nur so (rechtzeitig) möglich.<br />
Taskforces haben bei uns<br />
keinen Dornröschenschlaf<br />
Hier und an an<strong>der</strong>en Stellen sind neben den bereits<br />
genannten Produktroadmaps als Unterstützung <strong>der</strong>selben<br />
auch Technologieroadmaps unter Einbeziehung<br />
von ASML, <strong>der</strong> Endkunden und unserer Schlüssellieferanten<br />
unabdingbar. Das Gleiche passiert für<br />
unsere internen Technologien: Welche Messtechnik,<br />
welche Fertigungs-, Montage- und Justagetechnik<br />
wird benötigt?<br />
Des Weiteren möchte ich nochmals auf unsere Netz-<br />
Umsatz <strong>der</strong> Gruppe: I2,98 Milliarden Euro in 09/10.<br />
2010/11 wurde <strong>der</strong> Brillenglashersteller Carl Zeiss Vision<br />
als eigenständiger Unternehmensbereich integriert (880<br />
Mio Euro Umsatz in 09/10).<br />
Mitarbeiter weltweit / Mitarbeiter Carl Zeiss SMT:<br />
24.000 / 2.500<br />
F&E-Investitionen <strong>der</strong> Gruppe: 291 Mio. Euro in 09/10<br />
Anzahl <strong>der</strong> F&E-Mitarbeiter Carl Zeiss gesamt / Carl<br />
Zeiss SMT: 2.007 / über 700<br />
Vorstand: Dr. Michael Kaschke (CEO), Thomas Spitzenpfeil<br />
(CFO), Dr. Hermann Gerlinger<br />
2006 wurde das neue Werk <strong>der</strong> Carl Zeiss SMT in Oberkochen bezogen. In den kommenden Jahren sind zusätzliche Büro- und Produktionsflächen<br />
sowie Investitionen in neue Produktionstechnologien geplant, um die Produktionskapazität für eine neue Technologie,<br />
<strong>DER</strong> F&E MANAGER 03/ 2011 25<br />
die sogenannte Extreme-Ultra-Violett (EUV-)Lithografie, auszubauen. Diese Technologie ermöglicht in <strong>der</strong> Mikrochipfertigung Strukturen<br />
unterhalb von 20 Nanometern und damit noch kleinere und leistungsfähigere Mikrochips.
werke hinweisen: Das hier benötigte Spezialwissen<br />
ist durch eigene Mitarbeiter nicht mehr zu tragbaren<br />
Kosten abbildbar. Wir kaufen also Wissen von Spezialisten<br />
ein und erhalten ein Know-how wie von<br />
einem ganzen Team.<br />
Natürlich gehört zu einer funktionierenden TtM auch<br />
die gute Kommunikation. Kurze Distanzen und bestmögliche<br />
Kommunikation erhöhen den Projekter-<br />
26 <strong>DER</strong> F&E MANAGER 03/2011<br />
folg. Lessons Learned, also Analysen, was wir hätten<br />
besser machen können, sind hiermit natürlich auch<br />
gemeint. Und Pragmatismus ist gefragt: Als es ein<br />
Problem mit einer kostspieligen und hochwertigen<br />
Optikkomponente gab, ging beispielsweise unser<br />
R&D-Manager kurzerhand zu seinem Zahnarzt und<br />
ließ die Korrektur, die wir brauchten, den Zahnarzt<br />
mit seinem Bohrer durchführen, was gelang.
Und die Nutzung unserer Taskforces – schwankend<br />
zwischen fünf bis 50 Personen – macht die Beantwortung<br />
Ihrer Frage komplett. Die Festlegung <strong>der</strong> Größe<br />
dieser Taskforces obliegt den Managern im Projekt.<br />
Wir haben auch schon War Rooms mit einem täglichen<br />
Stand-up-Meeting eingerichtet.<br />
Kommt es dennoch beim Kunden zu unerwünschten<br />
Effekten an <strong>der</strong> Maschine, ist das Team am nächsten<br />
Tag auf dem Weg, um vor Ort das Problem zu lösen.<br />
Carl Zeiss SMT ist auf hochkarätige Physiker und Ingenieure<br />
angewiesen. Wodurch holen und halten Sie<br />
diese an Ihrem Standort?<br />
Ein Großteil unserer Bewerber kommt aus Deutschland,<br />
daneben natürlich auch aus <strong>der</strong> gesamten EU<br />
und darüber hinaus. Wir betreiben Forschung und<br />
Entwicklung in einem Umfang, den man sich zunächst<br />
vielleicht gar nicht vorstellen kann, trotzdem<br />
haben wir extrem hohen Zeitdruck. In diesem Jahr<br />
haben wir einen Aufbau von mehreren Hun<strong>der</strong>t Mitarbeitern<br />
mit Schwerpunkt auf unserer F&E.<br />
Ein Mix von Physikern und Ingenieuren ist neben<br />
vielen an<strong>der</strong>en Spezialisierungen für uns sehr wichtig.<br />
Vereinfacht dargestellt, leisten die Physiker den<br />
Hauptbeitrag, wenn es darum geht, die Machbarkeit<br />
zuerst einmal zu demonstrieren, die Ingenieure verstehen<br />
sich dann darauf, dies zuverlässig reproduzierbar<br />
zu erreichen und sich für letztendlich eine Lösung<br />
zu entscheiden, ich kenne das im Englischen unter<br />
dem treffenden Ausdruck „to reach closure“. Natür-<br />
> TITEL / Carl Zeiss SMT<br />
Dr. Andreas Dorsel<br />
studierte und promovierte über optische Bistabilität an <strong>der</strong> Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München. Nach einem Jahr als Postdoc am Max-Planck-Institut für Quantenoptik<br />
in Garching wechselte er 1987 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in die<br />
Industrie zu Carl Zeiss, wo er nach einem Jahr die Leitung eines Forschungslabors<br />
übernahm. Von 1992 bis 1994 berichtete er als Leiter des Bereichs Mikrosystemtechnik<br />
direkt an die Geschäftsführung in Jena. Von 1994 bis 2002 war er bei<br />
Hewlett Packard und nach <strong>der</strong>en Abspaltung bei Agilent Technologies im Silicon<br />
Valley in Nordkalifornien in <strong>der</strong> Entwicklung von Systemen zur DNA-Analyse zuletzt<br />
als Hardware Program Manager tätig. Seit 2002 leitet er den Geschäftsbereich Lithographie-Optik<br />
bei Carl Zeiss SMT mit den Standorten Oberkochen und Wetzlar<br />
und ist seit 2007 außerdem Mitglied <strong>der</strong> Geschäftsführung <strong>der</strong> Carl Zeiss SMT. In<br />
dieser Funktion verantwortet er neben <strong>der</strong> Lithographie-Optik auch die Laser-Optik.<br />
lich wollen wir unsere Leute halten, nicht zuletzt<br />
aufgrund <strong>der</strong> wertvollen, gesammelten Erfahrung <strong>der</strong><br />
Mitarbeiter, d. h., um Know-how-Verlust so weit<br />
möglich zu vermeiden.<br />
Was das Recruiting anbetrifft, haben wir bei Physikern<br />
einen sehr hohen Bekanntheitsgrad. Bei Ingenieuren<br />
dagegen ist die Automobilindustrie und Luft-<br />
und Raumfahrttechnik oftmals <strong>der</strong> erste Gedanke.<br />
Aber wer bei uns arbeitet, kann vor nahezu jedem<br />
Elektronikgerät stehen und sagen: Die Chips darin<br />
sind unter Verwendung von Optiken von Carl Zeiss<br />
entstanden und ich habe dabei mitgewirkt.<br />
Für manche Bewerber sind die ländliche Lage, die<br />
Natur, die wir hier vor <strong>der</strong> Tür haben, die ansprechende<br />
Architektur, gute Autobahnanbindungen und<br />
ein – trotz <strong>der</strong> Größe – familiärer Zusammenhalt eines<br />
deutschen Unternehmens mit nur einem Sharehol<strong>der</strong><br />
attraktiv.<br />
Unsere Fachkarriere, Arbeitszeit- und Vertrauensarbeitszeitmodelle<br />
sind ebenfalls interessant. Und es<br />
gibt firmengeför<strong>der</strong>te Sportangebote sowie eine gut<br />
frequentierte, attraktive Kantine und Cafeteria. Sie ist<br />
neben Kaffee-Ecken in allen Bereichen zu einem informellen<br />
Kommunikationszentrum geworden.<br />
Vor allem überzeugen aber auch die spannenden Aufgaben,<br />
die es hier zu lösen gilt. Und die sprechen<br />
Chemiker, Mathematiker, Ingenieure, Physiker und<br />
Materialwissenschaftler gleichermaßen an.<br />
Dr. Dorsel, wir bedanken uns für das Gespräch! <<br />
<strong>DER</strong> F&E MANAGER 03/ 2011 27