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Werkbuch Vernetzung. Chancen und Stolpersteine interdisziplinärer ...

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chologie der frühen Kindheit liegen. Säuglinge <strong>und</strong> Kleinkinder sind in besonderer Weise verw<strong>und</strong>bar<br />

<strong>und</strong> wie in wohl keinem anderen Entwicklungsalter auf umfassende Betreuung <strong>und</strong> Versorgung<br />

angewiesen. Damit ist eine besondere Beziehungssituation umschrieben, in der sich die körperliche<br />

wie psychologische Befi ndlichkeit von Kindern, ihr Wohlbefi nden ebenso wie ihr Unwohlsein, dann,<br />

wenn sie keine anderen körperlichen bzw. organischen Beeinträchtigungen haben, überwiegend in<br />

ihrer Angewiesenheit auf elterliche Fürsorge erklären lassen. Gelingende Entwicklung ebenso wie<br />

Verhaltensprobleme <strong>und</strong> -auffälligkeiten oder (drohende) Kindeswohlgefährdung bei Säuglingen<br />

<strong>und</strong> Kleinkindern lassen sich daher immer auch im Kontext ihrer jeweiligen Beziehung mit ihren<br />

Bindungspersonen, in der Regel den Eltern, interpretieren. Eingeschränktes Erziehungsverhalten<br />

<strong>und</strong> eingeschränkte Beziehungskompetenzen von Eltern führen beispielsweise dazu, dass die Eltern<br />

sich nicht fl exibel auf die verändernden Bedürfnisse des Kindes einstellen können, die eigenen Be-<br />

dürfnisse nicht von denen des Kindes getrennt wahrnehmen können oder die kindlichen Signale<br />

verzerrt wahrnehmen, gefolgt von verzerrten Interpretationen <strong>und</strong> Zuschreibungen sowie feindseligem,<br />

aggressivem Verhalten bis hin zu misshandelndem Verhalten (Teti & Candelaria, 2002; Minde<br />

& Minde, 1997). Tatsächlich sind dies Verhaltensweisen, die sich gehäuft <strong>und</strong> ausgeprägt bei Eltern in<br />

Hochrisikosituationen beobachten lassen.<br />

Danach lassen sich aus den mittlerweile empirisch gut abgesicherten Forschungsbef<strong>und</strong>en über<br />

Risikofaktoren, die im Zusammenhang mit möglicher Kindeswohlgefährdung <strong>und</strong> Vernachlässigung<br />

stehen, zwei wesentliche Aspekte zusammenfassen (Brown, Cohen, Johnson & Salzinger 1998). Zum<br />

einen führt die Kumulation <strong>und</strong> die Wechselwirkung von Risikolagen <strong>und</strong> dabei das Fehlen von so<br />

genannten Schutzfaktoren, die diese Risiken abpuffern oder mildern können, zu chronischen <strong>und</strong><br />

schwerwiegenden Überforderungssituationen der Familien. Bei den Risikolagen handelt es sich z. B.<br />

um sozio-ökonomische Belastungen, die Situation jugendlicher <strong>und</strong> alleinerziehender Mütter, die<br />

von suchtmittelabhängigen Eltern oder von psychisch kranken Eltern oder um eine vorhergehende<br />

Vernachlässigung oder Misshandlung des Kindes oder eines Geschwisters. Zum anderen sind es ins-<br />

besondere unzureichende oder fehlende positive eigene Beziehungsvorerfahrungen der Eltern, die<br />

ihre Beziehungs- <strong>und</strong> Erziehungskompetenzen im Umgang mit ihrem Kind einschränken (Fegert,<br />

2007).<br />

1<br />

Bei Säuglingen <strong>und</strong> Kleinkindern ist ein solcherart eingeschränktes Repertoire angemessenen<br />

elterlichen Beziehungs- <strong>und</strong> Erziehungsverhaltens wegen ihrer besonderen Verletzlichkeit besonders<br />

kritisch. Ist die Versorgung <strong>und</strong> Betreuung von Säuglingen <strong>und</strong> Kleinkindern nämlich unzureichend<br />

oder gar nicht gewährleistet, können akute Gefährdungssituationen sehr abrupt eintreten. Wenn<br />

eine Mutter, etwa bei Suchtproblemen oder sogar aufgr<strong>und</strong> eines einmaligen länger dauernden<br />

Alkoholexzesses, einen Säugling nicht zuverlässig versorgt, kann dies sehr schnell zu einer lebensbedrohlichen<br />

Situation führen. Insofern fi nden sich gerade im Säuglings- <strong>und</strong> Kleinkindalter abrupte<br />

Übergänge von diskreten Hinweisen bis zur akuten Gefährdung. Fachkräfte, die die Beratung <strong>und</strong><br />

Betreuung einer Familie als Frühe Hilfe beginnen, können unvermutet vor der Situation stehen, eine<br />

mögliche (drohende) Kindeswohlgefährdung abzuklären. Die Planung von Hilfen muss in diesem<br />

Entwicklungsalter in einem extrem engen Zeitraster erfolgen, was bei älteren Kindern nur in akuten<br />

Gefährdungssituationen notwendig ist (Fegert 2002; Ziegenhain, Fegert, Ostler & Buchheim, 2007).<br />

Typische Vernachlässigungsformen im Säuglingsalter sind unterlassene Aufsicht, unterlassener<br />

Schutz oder Gedeihstörungen aufgr<strong>und</strong> unzureichender Ernährung (bis hin zum psychosozialen<br />

Minderwuchs). Akute Gefährdungen liegen in erhöhten Unfallrisiken bei Säuglingen <strong>und</strong> Kleinkin-<br />

31<br />

Bedeutung elterlicher<br />

Beziehungs- <strong>und</strong> Erziehungskompetenzen<br />

Besondere Verletzlichkeit bei<br />

Säuglingen <strong>und</strong> Kleinkindern<br />

Formen von Vernachlässigung<br />

<strong>und</strong> Misshandlung<br />

in der frühen Kindheit

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