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ERICH W O LFG A N G H A RTZSCH IN D ER G A LERIE LATERN E

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LaTerne<br />

K u n s t z e i t u n g<br />

Vernissage am 3. 2.20 0<br />

9.30 Uhr; Geöffnet:<br />

Mo. - Fr. 0 - 6 Uhr<br />

<strong><strong>ER</strong>ICH</strong> WO<strong>LFG</strong>ANG HA<strong>RTZSCH</strong> <strong>IN</strong> D<strong>ER</strong> GAL<strong>ER</strong>IE LAT<strong>ER</strong>NE<br />

Nr. 5 2010


Abb.: Erich Wolfgang Hartzsch<br />

im Gespräch mit Andreas Schüller<br />

im Atelier des Künstlers in der<br />

Schönherrfabrik in Chemnitz,<br />

Foto: Marko Neumann<br />

3


Laudatio für Ausstellung<br />

Erich Wolfgang Hartzsch<br />

(Gehalten zur Vernissage der Ausstellung „Elb<br />

maru“ am 2 . Mai 2002 in der Städtischen Galerie<br />

Riesa – Autor unbekannt)<br />

Meine Damen und Herren<br />

Kunst und Leben. Diese Worte – auch in umgekehrter Reihenfolge<br />

ausgesprochen – verdeutlichen einen Zusammenhang.<br />

Manchmal spricht man auch von der Kunst das Leben zu<br />

meistern. Aber immer hat das Leben Menschen zu künstlerischen<br />

Darstellungen inspiriert.<br />

Aus dem Leben heraus kommen die Ideen für die Kunst, die<br />

heute in dieser Ausstellung vorgestellt wird. Aus dem Lebenszyklus<br />

heraus. Aus der Suche nach Antworten auf die Frage:<br />

Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Dabei realisiert Erich<br />

Wolfgang Hartzsch nicht ein Abbild. Er setzt die Ideen um, die<br />

ihn bewegen, gestaltet die Dinge, wie er sie sieht.<br />

Kunst ist nicht sein Beruf. 9 2 in Chemnitz geboren,<br />

schließt er eine Ausbildung für Chemieanlagenbau und ein Studium<br />

als Maschinenbauingenieur ab. Ein modernes Ölbild Theo<br />

Lehmanns fasziniert ihn und ermutigt den damals 7-jährigen,<br />

selbst zu malen. Als Autodidakt beginnt er mit Druckgrafik, wobei<br />

ihn die heitere Mystik Goyas anregt.<br />

An der Hochschule für Bildende Künste Dresden holt sich<br />

Wolfgang Hartzsch das theoretische Grundwissen für sein<br />

künstlerisches Schaffen.<br />

In den 80er Jahren spielt er mit anderen zusammen Free-<br />

Jazz. Diese Musik gibt ihm die Möglichkeit, sich mitzuteilen, mit<br />

anderen einen Dialog zu führen. Es ist ein Agieren und aufeinander<br />

Reagieren. Wolfgang Hartzsch beschreibt das etwa so:<br />

Abb. links oben: „Fassade“ 45 X 50<br />

cm, geprägte und gravierte Terrakotta,<br />

Bambus, Papier, Acryl - 2007;<br />

Abb: links v.l.n.r.: jeweils „Zentrale<br />

Transformation“ 99 x 103 cm, glasierte<br />

Terrakotta, Papier, Holzkeile auf Leinen<br />

- 2005; - Arbeiten von E. W. Hartzsch<br />

„Ein Part, den ich auf meinem Saxophon spielte, war ein<br />

Angebot, das andere Musiker aufgriffen und weiterführten.<br />

Da war nichts Festgeschriebenes, nichts Endgültiges, die Reaktion<br />

war nicht voraus-bestimmt, alles war offen.<br />

Dieser Musizierstil hat Auswirkungen auf seine gestalterische<br />

Arbeit. Das, was er musikalisch umsetzt, muss auch<br />

in der Kunst gehen. Und so widmet er sich der fragmentarischen<br />

Kunst. Sie wirft Fragen auf, lässt weitere Fragen zu,<br />

fordert die Auseinandersetzung.<br />

Es entstehen Tafelbilder, die Informationen prägen. Dabei<br />

sieht sich Wolfgang Hartzsch nicht als informeller Künstler,<br />

sondern als Mensch, der sich Gedanken macht, der Bilder<br />

gestaltet.<br />

Gezeigtes orientiert sich nicht an traditionellen Bildnissen,<br />

wie Landschaften, Stillleben oder Porträts. Nein, er geht<br />

einen Schritt weiter. Mit seinen Bildern und Skulpturen muss<br />

man sich befassen, nachhaltig darüber nachdenken.<br />

Ideen entwickelt Wolfgang Hartzsch beim Arbeiten weiter.<br />

Auch hier ist alles offen, bleibt ausreichend Raum für Improvisation.<br />

Sein großes Credo ist die Orientierung am Leben. Er stellt<br />

Fragen zum eigenen Leben, ist aber ebenso berührt vom<br />

Betroffensein anderer und hilft, wo es ihm möglich ist. Für<br />

Wolfgang Hartzsch ist die Kunst Basis für das Leben. Wie<br />

reich diese Basis ist, zeigt die Vielfalt seines Schaffens. Das<br />

sind Fotografie, Plastiken, Filme, Kunstbücher und Gedichte<br />

gepaart mit Zeichnungen, Drucken und Fotografien.<br />

Neun Einzelausstellungen gingen der heutigen voraus,<br />

sehr viel größer ist die Zahl der Ausstellungsbeteiligungen in<br />

Deutschland und im Ausland.<br />

Wolfgang Hartzsch will lebendig bleiben. Diese Lebendigkeit<br />

gibt ihm die Kunst, so wie sie hier zu sehen ist. Relativer<br />

Bescheidenheit in der Farbe steht das faszinierende Miteinander<br />

verschiedenster Materialien gegenüber: Farben und<br />

Tusche, Holz, Papier, Metall, Terrakotta und die Fotografie.<br />

Meine Damen und Herren, lassen Sie sich nun inspirieren<br />

von der Kunst Erich Wolfgang Hartzschs. Lassen Sie sich<br />

animieren, von seinen Fragen. Genießen Sie die Vielfalt der<br />

künstlerischen Mittel, empfinden Sie ihr Zusammenspiel.<br />

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Erleben einer beeindruckenden<br />

Synthese von Leben und Kunst.<br />

5


6<br />

Abb. links von Oben<br />

nach Unten: „Fassade“<br />

45 X 50 cm, geprägte<br />

und gravierte Terrakotta,<br />

Bambus, Papier,<br />

Acryl - 2007;- Arbeiten<br />

von<br />

E. W. Hartzsch<br />

Abb. links: E.W.<br />

Hartzsch, Foto von<br />

Marko Neumann<br />

Kreative Schöpfung des Chemnitzer<br />

Künstlers E. W. Hartzsch<br />

„Leben und leben lassen“ gehört zum Leitspruch<br />

des humorvollen und spontanen Chemnitzer Künstlers<br />

Erich Wolfgang Hartzsch. Er geht dabei ungewöhnlich<br />

kreative Wege. 9 2 in Chemnitz geboren, lernte Herr<br />

Hartzsch zunächst Chemieanlagenbauer. 970 heiratete<br />

er seine Frau Margitta, welche 97 seinen Sohn<br />

Denis zur Welt brachte. Dann studierte er Maschinenbauingenieur.<br />

Er entschied sich jedoch für den Künstlerberuf<br />

und studierte im Anschluß an der Hochschule für<br />

Bildende Künste in Dresden. In jungen Jahren sammelte<br />

er erste autodidaktische Erfahrungen mit Druckgrafik,<br />

Malerei und Zeichnungen. Von 978 an nahm er in seine<br />

künstlerische Arbeit die Fotografie und frei improvisierte<br />

Musik unter Einsatz von Erde, Asche, Holzästen<br />

und Keramik auf. 980 und 986 kamen seine beiden<br />

Töchter Juliane Luise zur Welt. Der Künstler schuf erste<br />

experimentelle Filme, z.B. „Himmelsleiter“, zahlreiche<br />

Kunstbücher als Unikate z.B. „Einbruch“ sowie plastische<br />

Objekte, wobei er Buche, Eiche, Pergament und<br />

die Fotografie als bevorzugte künstlerische Elemente<br />

einsetzte. 996 veröffentlichte Herr Hartzsch seinen<br />

ersten Sammelband „ Gedichte und Fotografie“. Ihm<br />

folgten bis 2003 weitere Sammelbände, die Gedichte,<br />

Fotos, Tuschezeichnungen, Stirnholdrucke und doppeltgeleimte<br />

kolorierte Scherenschnitte enthielten. Ab<br />

978 zeigte der Maler und Grafiker seine Exponate auf<br />

2 Einzelausstellungen, darunter in der Galerie 88 Hanau<br />

und dem Theologischen Studienseminar in München/Pullach.<br />

Seit 98 beteiligte sich E. W. Hartzsch<br />

an über 0 Ausstellungen, darunter der Internationalen<br />

Holzschnittausstellung in Bratislava, der Trans-Art-<br />

Exhibition Köln, der 9. Nationale der Handzeichnung<br />

Augsburg sowie an der Experimentalfilmschau (Mirabilia)<br />

im Martin-Gropius-Bau zu Berlin. Für sein Schaffen<br />

ehrte man ihn mit dem Kunstpreis der Sachsen-IG-<br />

Metall ( 996) und der Dresdner Bank ( 998). Weiter<br />

bedeutende Zeugnisse seines Kunstschaffens sind in<br />

bekannten öffentlichen Besitz zu bewundern, darunter<br />

in der Städtischen Kunstsammlung Chemnitz, dem<br />

Kupferstichkabinett Dresden, der Kunsthalle Rostock<br />

und der Düsseldorfer Kunsthalle. Seine Werke sind<br />

außerdem in den namhaften Galerien Oben Chemnitz<br />

und Gunar Barthel GmbH Berlin ständig vertreten. Seit<br />

990 ist der Chemnitzer Künstler regelmäßig auf wichtigen<br />

Kunstmessen wie: Art Basel, Art Cologne, Art<br />

Frankfurt, Art multiple Düsseldorf, Kunstmarkt Dresden<br />

und Arco Madrid anzutreffen. In seiner Heimat Sachsen<br />

fühlt er sich mit seiner Familie sehr wohl, ist stolz auf<br />

das Geschaffene und darauf, dass seine jüngste Tochter,<br />

wie ihr Vater, auch bereits schon sehr talentiert<br />

zeichnet und Gedichte schreibt.<br />

(Dieser Text wurde vom Lipsa-Präsenz-Verlag<br />

gestaltet und ist in der Reihe Lipsa-Präsenz-<br />

Bürgerprofile veröffentlicht)


Abb.: Das Atelier von Erich Wolfgang<br />

Hartzsch in der Schönherrfabrik<br />

in Chemnitz, Foto: Marko<br />

Neumann<br />

9


Fragen an Erich Wolfgang<br />

Hartzsch im Rahmen<br />

der Ausstellung<br />

in der Galerie Laterne.<br />

Red.: Eigentlich habe ich dich jahrelang nicht gesehen,<br />

du hast auch kaum in Chemnitz ausgestellt<br />

und wir hatten uns völlig aus den Augen verloren.<br />

Nun, da der Kunstverein Laterne sich bemüht in<br />

der Schönherrfabrik ein Archiv und neue Ausstellungsräume<br />

aufzubauen sieht man sich öfters. Du<br />

hast dein Atelier direkt daneben. Aber nicht nur<br />

dadurch kam die Anregung zu einer Ausstellung<br />

mit dir, sondern voran ging der Hinweis Brigitta<br />

Mildes, der Leiterin des Carlfriedrich Claus-Archivs<br />

innerhalb der Chemnitzer Kunstsammlungen, dass<br />

du dort in der Schönherrfabrik fleißig arbeitest und<br />

trotzdem keiner auf die Idee kommt, dich mal auszustellen.<br />

Warum bist du so zurückhaltend mit der<br />

Öffentlichkeit?<br />

Erich Wolfgang Hartzsch: „Zurückhaltend war ich schon immer“<br />

in Anführungsstrichen, das hat aber nichts mit der Kunst<br />

zu tun. Gesehen haben wir uns öfters, aber es bestand keine<br />

Notwendigkeit, eine Ausstellung zu machen, weil ich nicht unbedingt<br />

in Chemnitz ausstellen wollte. Meine letzte Ausstellung<br />

war vor 8 Jahren.<br />

Red.: Ich möchte gleich anschließen, du warst in<br />

den 80er Jahre bestimmt mit vorne in der ersten<br />

Reihe bei den jungen Künstlern, seit Ende der 90er<br />

Jahre ist es ruhiger geworden um dich - so scheint<br />

es zumindest aus meiner Sicht. Wie siehst du dich<br />

100


selbst in deiner künstlerischen und<br />

persönlichen Entwicklung in den vergangenen<br />

10-15 Jahren?<br />

E.W. H.: Ich habe zwar nach der Wendezeit<br />

in Gesamtdeutschland und darüber hinaus<br />

ausgestellt, aber insgesamt ist es bei mir<br />

ruhiger geworden, aber auch mit der Kunst in<br />

Chemnitz ist es ruhiger geworden. Es hat sich<br />

künstlerisch und persönlich für jeden nach<br />

der Wende was geändert. Die Entwicklung<br />

bei mir, so denke ich, ist genauso spannend<br />

weiter gegangen wie in den achtziger Jahren,<br />

aber mit einer anderen Perspektive. Ich habe<br />

schon Mitte der 80er Jahre begonnen, meine<br />

künstlerischen Vorstellungen zu verändern<br />

und das hat sich dann über die Wende hinweg<br />

weiter bis 2002 erweitert. Ich habe mich ja<br />

nie so festgelegt, was ich machen werde und<br />

die Vorstellungen, die ich von der Kunst habe,<br />

habe ich nicht wesentlich geändert, doch es<br />

ist etwas hinzugekommen. Das Material hat<br />

sich geändert und es sind konstruktive Elemente<br />

hinzugetreten.<br />

Red.: Du hast dein Atelier erst vor<br />

kurzem erweitert und einen Ausstellungsraum<br />

hinzugefügt. In der<br />

Schönherrfabrik ist es üblich, zweimal<br />

im Jahr das Atelier einem Publikum<br />

vorzustellen. Zu nennen ist da die<br />

Museumsnacht und unter anderem<br />

auch die lange Nacht der Industriekultur.<br />

Für diese Präsentationen hast<br />

du diesen neuen Raum gedacht. Ich<br />

habe gesehen, dass du diesmal eine<br />

Art durchbrochene Reliefs, die stark<br />

farbig bemalt sind, gezeigt hast. Was<br />

sind das für Arbeiten und aus welcher<br />

Intuition sind sie entstanden?<br />

E.W.H.: Der Auslöser ist der Gedanke der<br />

Perforation. Ein Sieb zu sein und damit aber<br />

auch viel aufnehmen zu können innerhalb<br />

der Kunst, das war meine Vorstellung. Dann<br />

kamen noch konstruktive Elemente hinzu<br />

Linien, Frakturen, Fragmente, wobei ich nie<br />

an die Einfassung des Bildes denke, wie das<br />

Bild aussieht, zum Schluss entscheidet der Arbeitsprozess.<br />

Red.: In der Vorbereitung der Ausstellung<br />

habe ich dich nach etwas<br />

Material gefragt, dass wir verwenden<br />

können, um deine Arbeiten den<br />

Lesern der Zeitung Laterne anschaulicher<br />

darstellen zu können. Du hast<br />

uns viele Fotos und eine Menge Zeitungsauschnitte<br />

gegeben, die deine<br />

gesamte Ausstellungsbiografie umfassen.<br />

Was ist für dich selbst eine<br />

der wichtigsten Ausstellungen ge-<br />

Abb.: Szenen aus dem Atelier von Erich Wolfgang<br />

Hartzsch in der Schönherrfabrik in Chemnitz, E.W.<br />

Hartzsch im Gespräch mit Andreas Schüller Foto:<br />

Marko Neumann<br />

wesen, die dir künstlerisch am<br />

meisten gebracht hat?<br />

E.W.H.: Wie meinst du das gebracht…<br />

von der Anerkennung, von<br />

meinem Gefühl, von den Menschen,<br />

die da waren…?<br />

Red.: Wie du deine Idee bei<br />

einer Ausstellung am besten<br />

verwirklicht hast?<br />

E.W.H.: Ich habe es immer so<br />

gehalten, wenn ich eine Ausstellung<br />

habe, dann konzentriere ich mich auf<br />

den Raum. Mit dem Raum entscheide<br />

ich, was ich mache. Es gibt zu jeder<br />

Ausstellung ein Konzept und einen<br />

Titel. Der Titel ist aber nicht die Erklärung<br />

oder der Inhalt der Ausstellung.<br />

Der Betrachter muss das für<br />

sich lösen, was der Inhalt ist. Was<br />

war noch?<br />

Red.: Wo es dir mal besonders<br />

gelungen ist, dein Konzept zu<br />

verwirklichen.<br />

E.W.H.: Also ich war immer von<br />

meinen Arbeiten überzeugt, wenn die<br />

irgendwo hingen. Wenn die Arbeiten<br />

aus dem Atelier-Arbeitscharakter<br />

herausgelöst werden, dann wird die<br />

persönliche Bewertung der Arbeiten<br />

anders. Mir ist es immer so gegangen,<br />

dass ich überrascht war, wie das<br />

insgesamt dann gewirkt hat.<br />

Red.: Was mich immer etwas<br />

enttäuscht, dass die Zeitungstexte<br />

kaum konkret<br />

werden und man hat eher das<br />

Gefühl, sie gehen wie die Katze<br />

um den heißen Brei herum<br />

– vor allem bei der Deutung


von Kunst – man will da nicht viel falsch machen,<br />

aber das Terrain ist ein gefährliches mit vielen Stolpersteinen<br />

bestreut. Wie hast du selbst die Texte<br />

empfunden, die über dich geschrieben wurden,<br />

gibt es da welche, falls du sie gelesen hast, wo du<br />

sagst, die treffen genau das, was ich mache.<br />

E.W.H.: Es gibt eine Reihe von Dingen auch Kritik, wo ich<br />

sage, das ist berechtigt. Die Laudatio in München war sehr<br />

schön, da war ein Inhalt da, wo ich selbst überrascht war,<br />

was man lesen kann in meinen Bildern. In der DDR-Zeit war<br />

das schon komplizierter, weil die Ansprachen waren plagiater<br />

und man hat sich nicht getraut, direkt seine Meinung zu sagen.<br />

Nach der Wende ist die Kritik schärfer geworden, aber auch die<br />

Anteilnahme, das Lob für die Arbeiten ist intensiver geworden.<br />

Red.: Ich glaube, du hast ein fast unüberschaubares<br />

Konvolut geschaffen, das voll ist an Zeichnungen,<br />

Zeichen, Symbolen, auf Papier, auf Leinwand, dazu<br />

Fotoübermalungen, Objekte und vieles mehr. Das<br />

meiste, würde ich sagen, aus dem Traumhaftem,<br />

dem Unbewussten entnommen. Gibt es da Dinge,<br />

bei der späteren Analyse, die immer wieder vorkommen,<br />

die immer wieder ans Licht wollen und<br />

die man immer wieder aufzeichnen muss, ohne dass<br />

der Drang nachlässt dies zu tun?<br />

E.W.H.: Diese Frage habe ich mir auch oft gestellt, wieso<br />

das alles so ist. Diese Vielfalt ist einfach in mir und woher das<br />

kommt, kann ich dir nicht sagen. Lässt sich nicht beantworten.<br />

2<br />

Was früher aus dem Bild herausstrahlte, war die Verbindung<br />

zwischen Mensch und Tier. Später habe ich die Farbe reduziert.<br />

Ich habe dann nur mit den körpereigenen Farben von Keramiken,<br />

von Papiermaché, und anderen Materialien gearbeitet und<br />

habe auf die menschliche Figur lange Zeit verzichtet. Zumindest<br />

bei den Bilder auf Leinen. Ab 2002/3 habe ich gesagt, ich mache<br />

Schluss mit dieser Ära mit diesen grauen Steinen, Terrakotten,<br />

Ästen und Fotografien auf Leinen. Ich habe konsequent Schluss<br />

gemacht, habe meinen Keramikofen in den Schrott gegeben.<br />

Hab alles, was Keramik war, vernichtet, also alle Materialien<br />

und habe wieder mit der Malerei angefangen und diesmal ist es<br />

noch farbiger geworden als ich angefangen hatte. Jetzt bewege<br />

ich mich da. Zwischen Konstruktion, dem Fragmentarischem im<br />

Bild und aus diesen Elementen bind ich jetzt noch die menschliche<br />

Figur ein, um für mich Aussagen zu finden.<br />

Red.: Spielt überhaupt die spätere Analyse eine<br />

große Rolle in deiner Arbeit oder beschränkt sie<br />

sich darauf, nach dem Schaffen nur auszusortieren,<br />

was nicht gelungen ist, oder veränderst du auch so<br />

lange bis es besser wird?<br />

E.W.H.: Ja, ich verändere. Früher habe ich radikal ausgesondert,<br />

heute lege ich es eher weg zur Seite und benutze das Material,<br />

das schon angefangen war, von dem ich im ersten Moment<br />

gedacht habe, dass es nichts Rechtes war. Ich habe einen<br />

Fundus von alten Papieren, alten Zeichnungen, dann kommen<br />

Fotografien, Holzschnitte dazu, wo ich eine collagen-artige<br />

Vorstellung verwirklichen kann. Es gibt keine reinen grafischen


Abb.: Senen aus dem Atelier von Erich Wolfgang Hartzsch in der Schönherrfabrik in<br />

Chemnitz, E.W. Hartzsch im Gespräch mit Andreas Schüller Foto: Marko Neumann<br />

Blätter mehr in meinen Arbeiten. Es mischt sich immer mehr.<br />

Dies finde ich spannend, dass man nicht auf einer Ebene bleibt.<br />

– nach der Idee, das habe ich gelernt, da weiß ich, wie das<br />

geht. Ich gehe ein Stück weiter und stelle mir selber Herausforderungen<br />

und denke, was ist drin und was passiert mit mir?<br />

Ich lasse es treiben wie ein Blatt im Wasser, das ist meine Einstellung<br />

in der Kunst.<br />

Red.: Bist du da nicht manchmal unruhig geworden,<br />

wenn das Blatt zu weit ins Meer hinaustreibt?<br />

E.W.H.: Soweit war es noch nie.<br />

Red.: Die Fotoübermalungen kommen immer wieder<br />

bei dir vor. Was reizt dich daran, reale Gesichter,<br />

Personen und Zeichen miteinander zu verbinden?<br />

Deuten die darüber gemalten Symbole auf<br />

die Eigenschaften oder Situation des Abgebildeten<br />

oder wird der Abgebildete eher von andrem Geschehen<br />

überlagert?<br />

E.W.H.: Ich habe die Erklärung für mich, dass ich Fotografie<br />

nur benutze, weil ich die technische Möglichkeit das malerisch<br />

zu machen nicht habe. Ich möchte diese fotografische Realität<br />

aber mit in das Bild einbinden, auch mit Überlagerungen, mit<br />

anderen Materialien überdecken oder Freiräume lassen. Ich<br />

hatte immer in meinem Kopf gewisse Festlegungen, wie ein<br />

Bild sein muss, was ich manchmal durchbrochen habe durch<br />

konsequentes Sagen: „Damit mach ich jetzt Schluss!“<br />

Red.: Kommt das dann wieder, diese Vorstellung<br />

von einem Bild?<br />

E.W.H.: Ich meine, mehr im Hinterkopf hat man immer, wenn<br />

man arbeitet, schon eine Vorstellung. Die entwickelt sich bei mir<br />

während der Arbeit. Es ist schon da, ich kann‘s aber nicht genau<br />

sehen. Das ist die Triebfeder, ich versuche diese Vorstellung auf<br />

dem Papier zu finden. Dass ich das anderen zeigen kann wie so<br />

ein Fotoalbum – das ist es, das habe ich fotografiert.<br />

Red.: Was machst du in den Pausen, wenn keine<br />

Kunstproduktion läuft?<br />

E.W.H.: Ich esse, ich trinke, ich liebe, die Kinder sind mir<br />

wichtig, meine und andere… Unser Enkelsohn…<br />

Red.: Ich meinte, wenn du Kunst machen willst, und<br />

dir fällt gerade nichts ein.<br />

E.W.H.: Mir fällt immer was ein ich brauche bloß einen Zettel<br />

und einen Stift.<br />

Red.: Ich habe gestaunt beim Besuch deines Ateliers<br />

über die vielen ästhetisch schönen Arbeiten,<br />

die überall ausgebreitet sind aber auch über deine<br />

Systematik der Aufzeichnungen. Da hast du eine<br />

Art Karteikasten, in dem vielleicht alle deine Arbeiten<br />

verzeichnet sind mit Foto zur Information. Sie<br />

sind geordnet nach Materialien: Acryl und Tusche<br />

auf Leinen, oder Tuschegravur auf Papier. Könntest<br />

du dir auch vorstellen eine andere Systematik aufzubauen<br />

z.B. nach Themen Darstellung Mensch im<br />

Konflikt, oder Verhältnis zwischen Mensch und Umgebung,<br />

Mensch und Tier etc. Wäre da die Auffindbarkeit<br />

der Werke einfacher und auch die Neugier<br />

3


Abbildungen aus dem Unikatbuch B47“ Format 74 x 50 cm alles o.T.


des Interessenten besser<br />

geweckt?<br />

E.W.H.: Ich glaube, das<br />

ist nicht das Entscheidende.<br />

Der Grund war für mich, weil<br />

die Arbeiten immer mehr<br />

geworden sind. Besonders<br />

die Bilder auf Leinen. Wenn<br />

jemand kommt und was sehen<br />

will, dann will ich nicht<br />

immer diese aus den Regalen<br />

herausholen, das ist<br />

so ein Aufwand, die dann<br />

hier aufzustellen. So ist das<br />

einfacher für mich, da ich<br />

sowieso fotografiert habe,<br />

die Arbeiten, wenn sie fertig<br />

waren, zu fotografieren und<br />

schön in den Karteikasten<br />

einzuordnen. Dann kann ich<br />

sagen, hier sind Oelbilder,<br />

hier experimentelle Sachen,<br />

hier Grafiken usw.<br />

Red.: Du bist von der<br />

Ausbildung her auch<br />

Ingenieur für Chemieanlagen.<br />

Ich habe<br />

bemerkt, dass du die<br />

Dinge mit ziemlich viel<br />

Verstand und Genauigkeit<br />

bewerkstelligst. Sei<br />

es nun deine Karteikarten,<br />

oder sei es der Ausbau<br />

des Ateliers, oder<br />

die Vollständigkeit deiner<br />

Pressemappe. Ist<br />

diese Intellektualität<br />

nicht manchmal hinderlich<br />

bei der künstlerischen<br />

Arbeit. Wie<br />

trennst du das?<br />

E.W.H.: Ich finde mich<br />

überhaupt nicht intellektuell,<br />

ich bin emotional. Das Rationale<br />

ist bei mir antrainiert.<br />

Man muss endlich begreifen,<br />

man brauch gar nichts<br />

zu erklären. Die Bilder sind<br />

da, dass man sie betrachten<br />

kann. Die Erklärung kann<br />

man im Gespräch finden,<br />

aber von vornherein auf Erklärung<br />

zu bestehen, finde<br />

ich falsch.<br />

Red.: Ja, aber man will<br />

doch über Bilder reden.<br />

Bei vielen ist doch eher<br />

so, die sagen, „wunderbares<br />

Bild“ aber es<br />

kommt nichts Konkretes, sie verstecken sich hinter<br />

der eben von dir erklärten Maxime, die Bilder bedürfen<br />

keiner Erklärung. Ich denke, dass über Bilder<br />

viel zu wenig gesprochen wird.<br />

E.W.H.: Ja, ich mache das auch gerne, wie oben angesprochen,<br />

ist zweimal im Jahr hier offen und es kommen viele Leute<br />

durch. Von den vielen Leuten kann man einige sehen, die interessiert<br />

sind und dann bin ich auch bereit Fragen zu beantworten.<br />

Red. Welche künstlerische Aufgabe möchtest du<br />

unbedingt noch einmal in Angriff nehmen?<br />

E.W.H.: Ich wäre fast soweit gewesen, eine Orgel in der<br />

Schlosskirche zu bemalen in Chemnitz, leider ist es nicht dazu<br />

gekommen. Es sind große Flächen gewesen, ich hatte schöne<br />

Ideen, aber leider nicht. Von mir aus nicht, ich muss nicht grösser<br />

werden in meinen Bildern. Meine Größe ist so 2 Meter x<br />

1,60, dass ich schön davor stehen kann, das entspricht meiner<br />

körperlichen Größe – noch größer wäre für mich repräsentieren.<br />

Der Einsatz wäre mir zu hoch, außer, wenn jemand einen Auftrag<br />

erteilen würde.<br />

Red.: Du hast an der Hochschule für bildende<br />

Künste in Dresden studiert. Wann war das? Ich<br />

könnte mir vorstellen, dass dies vor den 90er Jahren<br />

recht schwierig war, denn du hast bestimmt anders<br />

gearbeitet als die für damalige Verhältnisse recht<br />

traditionelle Schule. Wie war das bei dir? Was hast<br />

du an Erfahrung von der Hochschule mitgenommen?<br />

E.W.H.: Hochschule Dresden Außenstelle Oederan. Das war<br />

entscheidend für mich. - Nicht das Arbeiten vor Ort, sondern<br />

Diskussionen um Kunst, das war das Ausschlaggebende.<br />

Red.: In den früheren Jahren hast du auch einige Filme<br />

noch mit Schmalfilmkamera gedreht. Was hat dich<br />

gereizt, aus dem einzelnen Bild bewegte Bilder zu<br />

machen und wie siehst du diese Dinge heute? Ist das eine Art<br />

Fortsetzung der seriellen Arbeiten auf Papier? Ich weiß noch, du<br />

hast da Filmszenen immer wieder mit Zeichen und Zeichnung<br />

übermalt. Ähnlich wie bei deinen Fotoübermalungen. Waren<br />

die Filme eine Steigerung dieser Tätigkeit?<br />

E.W.H.: Das Tempo ergab sich aus den Trickaufnahmen.<br />

Das waren zerrissene Fotos, die ich als Puzzle zusammengelegt<br />

habe und jedes einzelnes Bild fotografiert habe. Dadurch kam<br />

die Geschwindigkeit. Film hat mich wegen seiner Transparenz<br />

interessiert. Für mich war es die Herausforderung gegen die<br />

Kulturpolitik der DDR zu arbeiten und mit den Filmen zu provozieren.<br />

Der Inhalt der Filme bewegte sich meistens zwischen<br />

zwei Dimensionen. Raum im Atelier und Raum außerhalb. Ich<br />

habe immer so Gegenüberstellungen gemacht - Menschen dieser<br />

Stadt und ich habe z.B. einen Penner verfolgt mit der Kamera,<br />

der Flaschen gesammelt hat. Das habe ich zusammengefügt<br />

mit Szenen aus Klaus H.-S. Atelier. Dort gibt es solche<br />

Schnitte, wo ich Fotos eingebaut habe um mit dem Tempo in<br />

Fahrt zu kommen. Menschen dieser Stadt alte Frauen mit den<br />

berühmten Handtaschen, die den Schlossberg hochkommen<br />

und ich habe nur die Bewegung der Füße und der Tasche aufgenommen.<br />

Oder oben auf dem Berg dann in der Kneipe, wie<br />

ein Kellner einen Kaffee serviert hat. Solche Fragmente habe ich<br />

gegenüber gestellt. Mit der Situation in meinem Atelier. Wie<br />

man zwei Welten gegenübergestellt.


Abb. rechts: „Zwei Ebenen“ 30 x 37 cm; Abb.links<br />

oben: „Belasten“ 26 x 37 cm; Abb links unten:<br />

„Kontakt“ 21 x 37 cm, alle Arbeiten Holzdruck,<br />

Papierschnitt, Tuschegravur, 2010,<br />

6<br />

Red.: In deiner künstlerischen Arbeit spielt eine wichtige<br />

Rolle die musikalische, sagen wir mal Betätigung. Du,<br />

Klaus Hähner-Springmühl, Frank Raßbach, Gitte Springmühl,<br />

dein Bruder u.a. habt euch zu öffentlichen und<br />

nichtöffentlichen Settings getroffen und wie du beschreibst<br />

aufeinander musikalisch reagiert. Auf Tonfolgen,<br />

Rhythmen, Klänge, die ihr versucht habt vom jeweils<br />

anderen aufzunehmen und zu interpretieren. So weit ich<br />

weiß, anfangs fast täglich zelebriert und dabei in eine<br />

Art religiöse Trance hineingespielt. Kann man soweit gehen<br />

oder hat sich das weit rationaler abgespielt?<br />

E.W.H.: Die Musik spielte in meiner Kindheit schon eine große Rolle.<br />

Nicht so, dass ich Musik lernen musste, sondern ich habe mir die<br />

Musik gesucht. Das waren ganz sparsame Dinge, wir haben getrommelt<br />

auf Töpfen und dazu gesungen. Das war manchmal ziemlich laut,<br />

aber wir lebten in einem Hinterhaus, das mein Großvater nach dem<br />

Krieg ausgebaut hatte. Wir konnten niemand belästigen mit Lautstärke.<br />

Das war der Ausgangspunkt. Später durch die Freundschaft zu<br />

Klaus Hähner-Springmühl. Wir haben uns bei einer Geburtstagsfeier<br />

getroffen und uns über Musik und Kunst unterhalten. Das war der Auslöser,<br />

wir treffen uns und machen Musik. Wir haben das gemacht,<br />

der Klaus hatte immer Violinen und ich hatte ein Cello. Eines Tages<br />

haben wir uns Saxophone beschafft und Bläser. Das war für uns wie<br />

ein Sprachrohr - herauszuschreien, was wir fühlen. Das war auch der<br />

Ausgangspunk provokant sich vorne hinzustellen nicht mehr im Atelier<br />

sondern draußen und zu blasen, was das Zeug hält. Es war freie Musik,<br />

die uns frei gemacht hat. Wir können Dinge umsetzen ohne jemanden<br />

zu fragen und mit der Kultur das abzustimmen - das war ja immer<br />

die Begrenzung. Wir haben aber gesagt, das schert uns gar nicht, wir<br />

machen das. Das hat Freunde animiert und auch innerhalb der Stadt<br />

hat es dann in den 80er Jahren viele Gruppierungen gegebenen. Man<br />

hatte sich über Jahre viel zu wenig zugetraut.<br />

Red.: Könnte man sagen, dass Klaus Hähner-Springmühl,<br />

den du gut kennst und mit dem du jahrelang gearbeitet<br />

hast, damals Ende der 80er Jahre etwas Messiashaftes an<br />

sich hatte und mit einer instinktiven Sicherheit aus diesem<br />

Gefühl heraus ein gefürchteter Diskussionspartner<br />

war und nicht nur aufgrund seiner unbestrittenen intellektuellen<br />

Fähigkeiten. Ich kann mich noch erinnern, wie<br />

er in Leipzig zu einer Ausstellungseröffnung mit einem<br />

weißen Mercedes angerollt war. Heute denke ich, damit<br />

hat er symbolisch die Reinheit seiner Lehre und die<br />

Verbindung zur finanziellen Fülle dargestellt und beansprucht.<br />

Wie siehst du heute die Zeit mit Klaus Hähner-<br />

Springmühl?<br />

E.W.H.: Der Klaus war ein sehr friedfertiger, Mensch gewesen,<br />

sehr tolerant, sehr warmherzig und mitfühlend . Er war radikal, was<br />

die Kunst betraf – gnadenlos. Davon habe ich gelernt, Anpassung in<br />

der Kunst ist Gift. Wer sich anpasst, wer sich ausrichten lässt in Strömungen,<br />

das ist verkehrt. Das hat er auch gelebt. Sein Leben war exzessiv<br />

bis zuletzt, ist auch zeitig gestorben.<br />

Red.: Es gibt auch einige Unikatbücher von dir. Wie sind<br />

da deine Intensionen, ist es ähnlich wie beim Film, dass<br />

mehrere Bilder zu einer Geschichte zusammengefasst<br />

werden, oder ist es eine weniger zusammenhängende<br />

Abfolge von Ideen, die keinen direkten Bezug zueinander<br />

haben und mehr den Automatismen des Unbewussten<br />

folgen?


E.W.H.: Die Bücher sind rein formal für mich etwas Gebundenes<br />

und das Gebundensein hat auch die Bedeutung, dass<br />

man es kaum ausstellen kann in der Gesamtheit – man kann<br />

immer nur ein zwei Seiten aufschlagen, das ist das Schöne daran.<br />

Etwas ganz individuelles Privates. Für mich war das die<br />

Freude einen gewissen Rückzug zu machen, nicht alles zu zeigen,<br />

zeigen zu wollen. Das fand ich als sehr angenehm. Du hast<br />

noch was, was nur du anschaust und was du vielleicht deinen<br />

Freunden zeigen kannst. Die Bücher sind in Ausstellung wie<br />

versiegelt unter dem Glaskasten, da kommt das Publikum nicht<br />

ran. Das traf genau mein Anliegen. Man kann es hinlegen, aber<br />

man erfährt nicht so viel von dem Buch. Aber es ist viel drin.<br />

Ich nehme die Bücher auch mit auf Reisen und wenn ich künstlerisch<br />

was vorhabe, dann schau ich mal rein, ob es dazu nicht<br />

eine Anregung gibt.<br />

Red.: Die Mensch-Tierdarstellung kommt ebenfalls<br />

immer wieder vor, sie erinnert an karelische Felszeichnungen<br />

sehr linear. Kannst du einen dahinterliegenden<br />

Beweggrund angeben?<br />

7


E.W.H.: Das war früher intuitiv. Heute ist<br />

es mir klarer geworden, dass der Mensch eine<br />

Beziehung hat zum Tier, viel intensiver als man<br />

sich vielleicht vorstellt. Seitdem ich einen Zwergschnauzer<br />

hatte, ist mir das viel stärker bewusst<br />

geworden. Ich habe bemerkt, dass Hunde Menschen<br />

ziemlich gut verstehen. Er hat meine<br />

Regung viel eher verstanden als ich selbst. Die<br />

Achtung vor dem Tier ist die Achtung vor dir<br />

selbst. Wer andre Lebewesen, die scheinbar minderwertiger<br />

sind, quält und verletzt, der verletzt<br />

sich selbst im Innersten. Vielleicht hängt es damit<br />

zusammen. Ich finde die Konstellation sehr<br />

schön Mensch und Tier aneinander zu binden.<br />

Red.: Was auch herausfällt, ist, dass in<br />

deinen Arbeiten immer wieder Wörter<br />

auftauchen, die rätselhaft bleiben und<br />

doch sicher ein Hinweis auf das Bilderrätsel<br />

sein sollen. Du hast der Ausstellung<br />

auch einen Titel gegeben „Absenken“<br />

was hat es damit auf sich?<br />

E.W.H.: Absencen ist der Titel, der die Ausstellung<br />

nicht erklärt. Der Titel lässt alles offen.<br />

Ich habe eine sehr gute Beziehung dazu, es<br />

kommt aus der Musik. Es ist eine tiefe Berührung<br />

mit einer modernen Musik, die grenzenlos ist<br />

und alles zulässt.<br />

Red.: In deiner Biografie stehen noch<br />

weitere Sachen, mit denen du dich beschäftigst<br />

z. B auch Plastik und 13 Gedichtbände.<br />

Was kannst du zu diesem<br />

Zweig deiner Arbeit sagen, da gerade<br />

die Gedichtbände weniger bekannt<br />

sind?<br />

E.W.H.: Ich habe nichts veröffentlicht. Das<br />

erste Gedicht habe ich 1979 geschrieben im Zug<br />

nach Berlin auf einer Dienstreise. Seitdem hat<br />

mich das nicht mehr losgelassen. Manchmal hat<br />

es ausgesetzt über Wochen und Monate, aber<br />

das Interesse für Gedichte ist bei mir nach wie<br />

vor da. Ich habe mich nie bemüht zu veröffentlichen.<br />

Ich habe jedes Jahr ein oder zwei Bände<br />

selbst gebunden, gedruckt und illustriert. Der<br />

Titel eines Buches heißt Zahnersatz, hat mit Zähnen<br />

nichts zu tun. Der Titel öffnet dich, um sich<br />

mit dem Inhalt zu beschäftigen.<br />

Red. Welche Arbeiten wirst du in der<br />

Laterne zeigen?<br />

E.W.H.: Ich habe schon alle ausgewählt. Es<br />

sind Arbeiten aus der Zeit nach der Wende wie<br />

das Plakat. Eine Reihe Materialbilder und dann<br />

zeige ich Arbeiten, die vor 14 Tagen entstanden<br />

sind und welche von 2000 bis 2010<br />

Red.: Wir danken für das Gespräch<br />

Abb.: Szenen aus dem Atelier von Erich<br />

Wolfgang Hartzsch in der Schönherrfabrik<br />

in Chemnitz, E.W. Hartzsch im Gespräch mit<br />

Andreas Schüller Foto: Marko Neumann<br />

8


Abb. oben: „K1“ - 32 x 35 cm; Abb: links unten: „K7“ 35 x 60 cm ; Abb. unten Mitte links: „K2“ - 29 x 36 cm; Abb.<br />

unten Mitte rechts: „K5“ - 39 x 41 cm; Abb. unten rechts: „K6“ - 37 x 62 cm; alle Arbeiten Tuschegravur auf Papier;<br />

Abb. rechte Seite: E.W. Hartzsch Fotos: Marko Neumann<br />

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Biografie von Erich Wolfgang Hartzsch<br />

1952 in Chemnitz geboren<br />

1970 Berufsabschluss Chemieanlagenbau<br />

1971 – 1976 Studium Maschinenbauingenieur<br />

1976 – 1979 Studium Malerei und Grafik<br />

1978 Erweiterung künstlerischer Möglichkeiten durch Fotografie und frei<br />

improv. Musik (Cello, Alt- u. Sopransaxophon)<br />

1980 – 1992 intensive musikalische Zusammenarbeit mit Klaus Hähner-Springmühl,<br />

Andreas Hartzsch, Frank Raßbach, Gitte Hähner-Springmühl u.a.<br />

1985 experimentelle Filme z.B. „Grünauge“, „Himmelsleiter“,<br />

„Gelena“, „Der Zauberer“<br />

1986 werden zunehmend Foto, keramische Elemente, Erde,<br />

Asche, Holzäste zum Bildträger<br />

1988 es entstehen Serien von Kunstbüchern als Unikate „Einbruch“<br />

1991 Plastische Objekte entstehen, bevorzugtes Material Buche o. Eiche,<br />

keramische Elemente, Pergament, Fotografie<br />

1996 – 2006 Meditationstafelbilder, Papier, Terrakotta, Fotografie, 12 Gedichtbände<br />

mit Illustration<br />

2007 farbige Arbeiten auf Leinen u. Papier –<br />

zwischen Konstruktion u. menschlicher Figur<br />

2008 13. Gedichtband mit Illustrationen „ Das Geringste glänzt wie Gold“<br />

2006 – 2009 Konstruktion und Farbe, Arbeiten auf Leinen und Papier, Videoexperiment<br />

/ Fotografie<br />

2010 Objekte – indonesische Inseln<br />

Einzelausstellungen<br />

1978 Dresden Theaterclub (F.W. Junge)<br />

1979 Königswalde (Kirchentag)<br />

1985 Galerie „Clara Mosch“ Karl-Marx-Stadt<br />

1986 Galerie Oben, Karl-Marx-Stadt<br />

1988 Galerie am Markt, Annaberg<br />

1989 Galerie Schauspielhaus, Karl-Marx-Stadt<br />

Galerie Pablo Neruda Club, Karl-Marx-Stadt<br />

Städtische Museen, Karl-Marx-Stadt<br />

1991 Galerie „88“ Hanau<br />

Galerie Oben Chemnitz, Katalog<br />

1995 Galerie Oben Chemnitz<br />

1998 Galerie im Lindenhaus, Schloss Augustusburg<br />

2000 Städtische Galerie, Riesa<br />

Schlosskirche Chemnitz<br />

2002 Galerie Oben Chemnitz<br />

2005 Theologisches Werk München/Pullach<br />

Arbeiten im öffentlichen Besitz<br />

Freistaat Sachsen Ministerium für Wissenschaft und Kunst<br />

Kunstsammlungen der Deutschen Bank<br />

Städtische Kunstsammlung Chemnitz<br />

Kupferstichkabinett Dresden<br />

Kunsthalle Rostock<br />

Kunstsammlung Düsseldorf<br />

Opernhaus Chemnitz - Envia Chemnitz<br />

Kunstfonds des Freistaates Sachsen<br />

Kupferstichkabinett der Schweriner Museen<br />

Neue Sächsische Galerie - Sowie in privaten Sammlungen<br />

Internationaler Experimentalfilmverleih Brotfabrik Berlin/Bonn (vertreten mit 5 Experimentalfilmen<br />

aus den Jahren 1985/89)<br />

„Shoes or no Shoes“ Depo Oudenaarde - Belgien<br />

2


23<br />

Abbildung aus dem Unikatbuch B47“ Format 74 x 50 cm „o.T.“

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