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György Lehoczky 1901-1979 - Galerie St. Johann

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Es fällt auf, dass im Vorder- und Mittelgrund – insoweit diese<br />

Trennungen anwendbar sind – fast ausschließlich Kurvenformen<br />

herrschen, Kurvenformen in Linien als Zweige und Kurvenformen<br />

als Flächenkonturen. Diese sind in sich geschlossen<br />

oder enden in Spitzen.<br />

So entstehen überall morphologisch verwandte Formen, die<br />

sich durchflechten und übereinanderlagern können, ohne dass<br />

ein visuelles Chaos entstünde. Die Variation geschlossener<br />

und in Spitzen endender Kurvenformen ermöglicht die Abwechslung<br />

von In-sich-Kreisen und Richtungsbetonung und<br />

zudem die Vereinbarkeit mit den in Spitzen endenden Rechteckformen,<br />

den Gebäudefassaden. Im Farbigen erstreckt sich<br />

die Skala zwischen kühlem Grün und Blau und warmem<br />

Braun und Gelb. Kräftiges Rot bleibt ausgeschlossen.<br />

Schon 1959 entstand „Tiere und Blumen“ (Öl/Holz), als Eingliederung<br />

von Vögeln und einem Eichhörnchen in dunkelgrüne<br />

Zweige und meist gelblich oder bläulich aufleuchtende<br />

Blüten auf schwarzem Grund. Diese Dunkelheit verleiht allen<br />

Farben ein eigenes inneres Licht, und so geht die Farbigkeit<br />

der Vögel einher mit ihrem je anderen Helligkeitsgehalt, der<br />

sie verschieden tief im Geflecht des Grünen verortet. Die Vögel<br />

unterscheiden sich in Form, Farbe und „Realitäts gehalt“.<br />

Während manche durchaus natürlich erscheinen, zeigen<br />

andere eine heraldisch-ornamentale Vereinfachung, – so vor<br />

allem der gelblichweiße Hahn mit seinen gelben und zinnoberroten,<br />

fächerartig ausgespreizten Federn an Kopf und Schwanz.<br />

Er dominiert die Vogelschar und steht im Komplementärkontrast<br />

zum Grün der Zweige. Dennoch schafft er keine „Bildmitte“<br />

im eigentlichen Sinne. Links und rechts reichen die<br />

Zweige in ihren Bewegungsimpulsen über die Ränder hinaus.<br />

Die Einheit des Bildes ist keine „Ganzheit“, sondern verweist<br />

darüber hinaus, auf die andern Bilder und auf den Künstler:<br />

„Alles ist eine Einheit, und ich fühle, dass ich auch dazugehöre“.<br />

Der Betrachter ist eingeladen, sich in diese Einheit hineinzubegeben.<br />

Das Werk scheint nur ein ornamentales Tierbild zu<br />

sein. Aber <strong>Lehoczky</strong> meinte einmal, „Gott habe die Tiere in<br />

einem ungarischen Wald geschaffen“, und aus dieser Liebe zu<br />

Ungarn erhält auch diese Darstellung ihre tiefere Bedeutung.<br />

„Eine kleine Nachtmusik“ von 1967, benannt nach dem kleinen<br />

Mandolinenspieler rechts unten, bietet ein <strong>St</strong>adtbild mit<br />

pilastergeschmückten Palastfassaden und zwei Kirchen dar.<br />

Nahe der mittleren Bildachse, etwas nach rechts gerückt, ragt<br />

eine weiße, blau geschmückte Dreifaltigkeitssäule auf. Im<br />

Aufbau ähnelt sie der Dreifaltigkeitssäule von Kecskemét 10 ,<br />

die 1739 zur Erinnerung an die göttliche Hilfe während der<br />

Pest errichtet worden war: Ein Sockel mit mächtigen Voluten<br />

an den Ecken, darüber eine <strong>St</strong>atuenreihe von Heiligen, der<br />

Schaft in einer Dreiergliederung geschmückt, über dem oben<br />

abschließenden Kapitell die Gruppe der Hl. Dreifaltigkeit.<br />

38<br />

Die Bauten scheinen von beiden Seiten her hinter diese Dreifaltigkeitssäule<br />

zu rücken, wobei vor allem die Fassadenfarben<br />

der Akzentbildung dienen. Zwei steinerne Engel laufen am<br />

linken oberen Giebel ins Bild, und überall werden weiße <strong>St</strong>atuen<br />

von Heiligen und Engeln lebendig, in Nischen, an den<br />

Palast- und an der Kirchenfassade, verlebendigt durch die<br />

Klänge der Mandoline. Links von der Säule stolzieren prächtig<br />

geschmückte grünblaue Hühner auf dem weißen <strong>St</strong>einboden.<br />

Architektur schwimmt auf dem Wasser, in Schiffen und auf<br />

Booten, in der „Fantasielandschaft mit Christophorus“ von<br />

1968. Der Heilige, der das Christuskind trägt, erscheint als<br />

großes Fassadenbild auf einer doppeltürmigen Klosterburg.<br />

Er muss nun nicht mehr selbst den Heiland über den Fluss<br />

tragen, das Kloster fährt auf einem Schiff, begleitet von kleineren<br />

Booten. Und auf dem großen Schiff antwortet der<br />

Christophorus-geschmückten Burg eine gleich hohe, gleichfalls<br />

graue, nun aber mit drei Spitzgiebeln ausgezeichnete<br />

Fassade, – und sie zeigt die berühmte große zwölfgliedrige<br />

Fensterrose der Burgkapelle von Esztergom 11 ! Die Fantastik<br />

der Szenerie tut dem Respekt vor den christlichen Symbolen<br />

keinen Abbruch. Sie bezeugt vielmehr einen völlig ungezwungenen,<br />

die Inhalte weiterdichtenden Umgang mit dem Religiösen.<br />

Auf einem kleinen Boot rechts unten stehen zwei<br />

Musikanten, ein Flötist und wieder ein Mandolinenspieler.<br />

Einen Höhepunkt findet die religiöse Malerei <strong>Lehoczky</strong>s im<br />

„Großen Weihnachtsbild“, ebenfalls von 1968 (Öl/Holz auf<br />

Kupfer). Das Bild ist in Form einer Kirchenansicht gehalten,<br />

in großem Schwung nach links über eine kleine kreuzgeschmückte<br />

Ecke aufgipfelnd zu zwei spitzen Türmen. Im<br />

Bildfeld drängen von rechts aus einer Schneelandschaft mit<br />

kleinen Häusern die Gläubigen und bringen ihre Geschenke,<br />

ganz hinten ein Mädchen mit einem Vogelbaum, dann ein<br />

Jäger mit einem Hirsch und so fort. Höchst ungewöhnlich sind<br />

die beiden Männer, die auf einer <strong>St</strong>ange (aus der Schneelandschaft!)<br />

eine riesige Traube tragen. Es sind die alttestamentarischen<br />

Kundschafter bei ihrer Rückkehr aus dem Gelobten<br />

Land 12 . Sie alle und viele andere gehen zu den Geschenke<br />

bringenden Drei Königen und zu den Gaben bringenden<br />

Hirten und haben ihr Ziel in der Gruppe von Maria und Josef,<br />

Ochs und Esel und dem Christuskind, immer höher in den<br />

Kirchtürmen übereinandergereiht, bekrönt von zwei großen<br />

singenden Engeln in den Kirchturmspitzen. Aus dem Weiß<br />

der Schneelandschaft rechts wird, über die Brauntöne in der<br />

vielfarbigen Gruppe der Gläubigen, goldgrundartiges Orangebraun<br />

in der heiligen Szene.<br />

Hier, wie auch in der „Fantasielandschaft mit Christophorus“<br />

oder den „<strong>St</strong>ernsingern“ (1966), geht der Bewegungszug von<br />

rechts nach links, also nicht von links nach rechts, wie es, der<br />

Schreibrichtung entsprechend, üblich ist in der abendländischen<br />

Malerei. 13

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