Homburger erinnern sich... - Gemeinschaftskreis "UNSER HOMBURG"
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<strong>Homburger</strong> <strong>erinnern</strong> <strong>sich</strong>...<br />
Gespräch mit Danielo Devaux<br />
Herr Devaux, kommt Ihre Familie aus Friedrichsdorf<br />
oder Dornholzhausen? Ihr Name läßt darauf schließen,<br />
daß Sie von Hugenotten oder Waldensern abstammen.<br />
Nein, das ist falsch. Ich bin in Thüringen geboren. Meine<br />
Familiengeschichte ist ziemlich verzwickt. Darf ich das<br />
kurz erzählen?<br />
Ja bitte.<br />
Die Familie Devaux 1979. In der Mitte die Töchter Nina und Katja.<br />
Der Name Devaux ist französischen Ursprungs. Einer<br />
meiner Vorfahren kam aus Frankreich nach England und<br />
nahm die britische Staatsangehörigkeit an. Mein Vater<br />
ist in England geboren, seine Mutter war eine Spanierin<br />
aus Peru. Vor dem Ersten Weltkrieg kam mein Vater<br />
nach Deutschland und studierte dort Medizin. Er blieb in<br />
Deutschland, heiratete, seine Frau – also meine Mutter<br />
– stammt aus dem Westerwald. Mein Vater wurde Arzt<br />
und war im Ersten Weltkrieg im Offiziersrang Arzt an der<br />
Westfront.<br />
Wie man weiß, hatten auch Sie ein bewegtes Leben.<br />
Ja, das kann man wohl sagen. Nach meinem Abitur 1941<br />
wurde ich zur Kriegsmarine einberufen. Einsätze waren<br />
in der Biskaya, im Kanal und in der östlichen Ostsee. Bei<br />
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Kriegsende war ich Oberleutnant zur See und Kommandant<br />
eines Minenräumbootes. Nach meiner Entlassung in<br />
das Zivilleben folgte die Schauspielschule.<br />
Sie waren ja dann nicht nur Schauspieler, Regisseur,<br />
Fernsehproduzent und Autor, doch davon später. Kommen<br />
wir zunächst zu Ihrem Bezug zu Bad Homburg.<br />
Wir suchten jahrelang ein altes Haus, in welchem wir uns<br />
einrichten konnten.<br />
Wer ist „wir“?<br />
Das bin ich und meine Familie. Ich habe 1961 die Schauspielerin<br />
Karin Fränkel geheiratet.<br />
Dann feiern Sie in diesem Jahr also Goldene Hochzeit.<br />
Ja, am 3. Juni.<br />
Wir haben zwei Töchter, Katja und Nina sowie mittlerweile<br />
drei Enkelkinder. Katja hat Kulturanthropologie<br />
studiert und ist Fernsehjournalistin, Nina ist Diplomsozialpädagogin.<br />
Sie suchten also ein Haus für eine vierköpfige Familie,<br />
wie kamen Sie gerade auf Bad Homburg?<br />
Wir hörten, daß <strong>sich</strong> in Bad Homburg ein „Verein der<br />
Altstadtfreunde“ gebildet hatte, der <strong>sich</strong> dafür einsetzte,<br />
daß die bestehenden Altstadthäuser nicht abgerissen und<br />
Hinter den Rahmen 12 im August 1967. Unbewohnt, dem Verfall und Abriß preisgegeben.<br />
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durch eine Terrassenwohnanlage nebst Parkhaus ersetzt<br />
werden sollten, wie vom damaligen Stadtbaurat Mühlmann<br />
geplant.<br />
Dies konnte ja verhindert werden, nicht zuletzt dank der<br />
nie erlahmenden Bemühungen und Initiativen von Carlo<br />
Strohmeyer und Helmut Schwaiger, übrigens beide auch<br />
Mitglieder unseres <strong>Gemeinschaftskreis</strong>es.<br />
Ja, wenn man heute durch die Altstadt spaziert, kann man<br />
<strong>sich</strong> nur über diesen schönen Stadtteil, mit dem <strong>sich</strong> seine<br />
Bewohner identifizieren, freuen. Schon damals gefiel<br />
uns die gemütliche Atmosphäre der verwinkelten Gassen.<br />
Das könnte doch unsere Heimat werden. Wir erfuhren,<br />
daß das Doppelhaus Hinter den Rahmen 12 und 14<br />
von der Stadt in Erbpacht vergeben werden sollte. Wir<br />
bewarben uns sofort und erhielten auch den Zuschlag,<br />
mußten uns jedoch zu einer denkmalgerechten Wiederherstellung<br />
verpflichten und zwar spätestens bis 1982,<br />
zur 1200-Jahrfeier.<br />
Über diese Althaussanierung haben Sie auch einen sehr<br />
beachteten Fernsehfilm gedreht.<br />
Ja. Ich war zur damaligen Zeit freier Regisseur beim<br />
Fernsehen und wurde oft mit der Durchführung von Produktionen<br />
betraut, insbesondere von ARD, Hessischer<br />
Rundfunk, Bayerischer Rundfunk und WDR.<br />
So kam mir die Idee, zusammen mit einem Kamerateam<br />
jede Phase der Sanierung im Bild festzuhalten.
Sie hatten also von Anfang an ein Kamerateam dabei?<br />
Ja und daß wir auf allen Ämtern mit einem Kamerateam<br />
erschienen, nicht nur auf dem Bauamt, sondern auch auf<br />
Das Kamerateam des Hessischen Rundfunks ist immer<br />
und überall dabei.<br />
dem Amt für Wohnungsbauförderung, dem Landesamt<br />
für Denkmalschutz, dem Finanzamt, machte alles nicht<br />
leichter. Das waren die Beamten nicht gewohnt.<br />
Was meinen Sie, mit „nicht gewohnt“?<br />
Nun ja, die Beamten wurden ja nicht nur gefilmt, sondern<br />
ihnen wurden Fragen gestellt, die sie mit Blick in die Kamera<br />
beantworten mußten. Aber im Grunde genommen<br />
lief das alles glatt, schließlich waren sie durchaus daran<br />
interessiert, <strong>sich</strong> später im Rahmen dieser Aufnahmen im<br />
Fernsehen zu sehen und zu hören.<br />
Die Serie, insgesamt acht Teile, lief unter dem Obertitel<br />
„Altes Fachwerk – Neues Haus“.<br />
Nun ist dieses Doppelhaus nicht nur von außen ein<br />
Schmuckstück der Altstadt geworden, sondern auch<br />
nachgerade ein Juwel von innen. Die Mühe hat <strong>sich</strong> also<br />
<strong>sich</strong>erlich gelohnt?<br />
Ja. Für uns, die wir jetzt in diesen Räumen leben, haben<br />
<strong>sich</strong> viele Wünsche erfüllt: Die Wünsche nach einem<br />
alten Haus, nach etwas Eigenem, nach Selbstverwirklichung<br />
– mehr als dies in einem Neubau möglich wäre.<br />
Hinter den Rahmen 12, fotografiert im Juli 1999 von Rainer Schlag für das Buch „Bad Homburg im 20. Jahrhundert“.<br />
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Zwischendecken wurden herausgenommen, so daß ein hoher luftiger Raum entstand, der durch die Beibehaltung des<br />
Fachwerks sehr gemütlich wirkt.<br />
Für die Häuser Hinter den Rahmen 12 und 14 hat nach<br />
jahrhundertelanger Vergangenheit ein neues Stück Zukunft<br />
begonnen und wir stehen zu allem, was in diesen<br />
Wänden war und ist, in einer persönlichen Beziehung.<br />
Kommen wir nun zu einem ganz anderen Thema, nämlich<br />
der „Studiobühne“.<br />
Die Studiobühne wurde 1976 von Rosemarie Pfeifer ins<br />
Leben gerufen. Es war ein Laientheater, wurde jedoch<br />
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dem selbstgestellten Anspruch gerecht, experimentierfreudig<br />
und vielseitig zu sein. 1993, mittlerweile war<br />
ich nicht mehr in vollem Umfange beruflich tätig, sprach<br />
mich Helga Walldorf (Witwe von Benno und Mutter von<br />
Esther Walldorf) an, ob ich nicht anstelle der erkrankten<br />
Rosemarie Pfeifer die künstlerische Leitung der Studiobühne<br />
übernehmen könnte. Ich sagte gerne zu und inszenierte<br />
als erstes Horribiliscribrifax und zwar im April<br />
1994. Diese Aufführung war ein großer Erfolg, dem <strong>sich</strong><br />
noch viele andere anschlossen.
1994. Die Darsteller von „Horribiliscribrifax“ werben vor dem Kurhaus mit Szenenausschnitten und Gesang um die<br />
Aufmerksamkeit des Publikums.<br />
Unvergessen unter Bad <strong>Homburger</strong> Theaterfreunden ist<br />
ja auch Ihre Produktion „Vier berühmte Bad <strong>Homburger</strong><br />
Frauen“. Können Sie hierüber etwas erzählen?<br />
Gerne. In diesem Theaterstück habe ich vier Frauengestalten<br />
aus vier Jahrhunderten, die „Hexe“ Müller-Els,<br />
Auguste von Nassau-Usingen, Gräfin Sophie Kisseleff<br />
und Leila von Meister zu Wort kommen lassen. Sie wurden<br />
durch hervorragende Darstellerinnen verkörpert. Ich<br />
nenne nur Ingrid Hamer, die die Gräfin Kisseleff, eine<br />
gern gesehene Stammkundin der Spielbank, darstellte<br />
und Doris Zysas als Leila von Meister, eine gebürtige<br />
Engländerin, Gattin Wilhelm von Meisters, die <strong>sich</strong><br />
nicht nur dem Tennis- und Golfsport widmete, sondern<br />
im Rahmen der Hilfsdienste des Roten Kreuzes zeitweise<br />
mehr als 20.000 Frauen und Kinder betreute.<br />
Vier berühmte Frauen, dargestellt von<br />
Doris Zysas, Hella Deetjen, Ingrid Hamer,<br />
im Vordergrund als „Hexe“ Herta Georg.<br />
Haben Sie selbst auch in Ihren eigenen Produktionen als<br />
Darsteller mitgewirkt?<br />
Gelegentlich.<br />
Was war denn in Rückschau Ihre Lieblingsrolle?<br />
Nathan, der Weise.<br />
Nicht jedem unserer Leser mag auf Anhieb der Inhalt<br />
dieses Dramas von Lessing bekannt sein, können Sie dieses<br />
in wenigen Worten skizzieren?<br />
Die Idee des Stückes ist, daß jeder, ob Jude, Christ oder<br />
Moslem, vor Gott gleichwertig ist. Es geht also um die<br />
drei großen Religionen, Christentum, Judentum und Is-<br />
Nathan (Devaux) zu Recha (Friederike Hofmann):<br />
„Ich möchte dich nicht anders, als du bist…“<br />
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lam. Für jede dieser Religionen steht in diesem Stück<br />
ein Vertreter, für das Christentum ein junger Tempelherr<br />
(heute würde man Kreuzritter sagen), für das Judentum<br />
Nathan und für den Islam der Sultan Saladin. Der junge<br />
Tempelherr verliebt <strong>sich</strong> in Nathans Pflegetochter Recha,<br />
doch muß er später erfahren, daß es seine eigene Schwester<br />
ist.<br />
Auf Nathan kommt die schwere Aufgabe zu, in Jerusalem<br />
zwischen einem moslemischen Sultan, seiner eigenen<br />
jüdischen Pflegetochter und dem christlichen Tempelritter<br />
zu vermitteln.<br />
Besonders gerne erinnere ich mich an Friederike Hofmann,<br />
welche die Recha spielte; das Publikum bedachte<br />
gerade sie mit besonders viel Applaus.<br />
Wenn man <strong>sich</strong> in Ihrem Haus umschaut, ist man von<br />
Hunderten und Aberhunderten von Büchern umgeben.<br />
Lesen ist für Sie <strong>sich</strong>er sehr wichtig?<br />
Ja. Ich bin Mitglied der „Stiftung Lesen“ und dadurch<br />
auch „Lesepate“ geworden. Ich war jahrelang Lesepate<br />
im Kinderhort der Erlöserkirche.<br />
Was hat man <strong>sich</strong> denn unter einem Lesepaten vorzustellen?<br />
Leider ist es so, daß in vielen Familien noch wenig oder<br />
gar nicht gelesen oder vorgelesen wird. So bleibt manchem<br />
Kind die Welt des Lesens, insbesondere die Welt<br />
der Bücher fremd. Ziel der Lesepaten ist, durch Vorlesen<br />
bei Kindern die Freude am Lesen zu wecken. Deshalb ist<br />
es wichtig, Kinder zum Lesen zu motivieren.<br />
Ich habe mich allerdings nicht nur auf das Vorlesen beschränkt.<br />
Dies findet ja normalerweise statt bei Kindern,<br />
die selbst noch nicht lesen können, also im Kindergarten.<br />
Das ist immer äußerst anstrengend, man muß <strong>sich</strong><br />
vorstellen: Dreißig Kinder in einem Raum, nicht jedes<br />
hört zu, manche sprechen dazwischen; es hat mir aber<br />
trotzdem Freude bereitet.<br />
Im Kinderhort war es natürlich angenehmer, hier handelt<br />
Der „Lesepate“ inmitten seiner begeisterten jungen Zuhörer.<br />
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es <strong>sich</strong> um Kinder, die schon in die Grundschule gingen<br />
und nach Schulschluß in den Hort kamen und warteten,<br />
bis die berufstätigen Eltern sie abholen konnten. Hier<br />
habe ich für jeden Tag einen Buchstaben des Alphabets<br />
genommen unter dem Thema „ABC und alles in der<br />
Welt“.<br />
Für jeden Buchstaben habe ich Beispiele gebracht, ich<br />
habe dann erklärt und auch vorgelesen, was <strong>sich</strong> mit diesem<br />
Wort verbindet.<br />
Nehmen wir doch den ersten und letzten Buchstaben des<br />
Alphabets, also A und Z. Was gab es für A?<br />
Aristoteles, Akustik, Aquarell<br />
Und für Z?<br />
Zuckmayer, Ziehharmonika, Zwinger<br />
Dann haben Sie den Kindern also ein gehöriges Maß an<br />
Allgemeinbildung vermittelt.<br />
Nicht nur den Kindern, sondern auch ich selbst habe meine<br />
Allgemeinbildung ganz erheblich verbessert, da ich<br />
mich ja auch gründlich vorbereitet habe.<br />
Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?<br />
Ich würde gerne durch eine Aufführung etwas zum Gedenken<br />
des 200. Todestages von Heinrich von Kleist beitragen.<br />
Ich stelle mir vor, daß aus seinem Leben berichtet<br />
wird und darin Texte und kurze Spielszenen aus seinen<br />
Werken eingestreut werden.<br />
Herr Devaux, ich hoffe, daß dieses Vorhaben in die Tat<br />
umgesetzt werden kann und bedanke mich recht herzlich<br />
für dieses Gespräch.<br />
Das Interview wurde geführt von Ulrich Cannawurf