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Ein Himmelbett auf dem Schlosspark-Weiher - UNSER HOMBURG

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<strong>Ein</strong> <strong>Himmelbett</strong> <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Schlosspark</strong>-<strong>Weiher</strong><br />

Blickachsen 8: Bad Homburg steht fünf Monate im Blickpunkt der internationalen Kunstszene<br />

Von Günther Scherf<br />

„Dritter Weltkrieg im Kurpark“ – die etwas reißerische<br />

Überschrift der Frankfurter Rundschau galt Anfang Mai<br />

einem Objekt, das seit<strong>dem</strong> <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Schmuckplatz an der<br />

Promenade steht und den Passanten allerlei Gesprächsstoff<br />

liefert. Es ist der Nachbau einer US-amerikanischen<br />

Feldhaubitze, wie sie zurzeit <strong>auf</strong> verschiedenen Kriegsschauplätzen<br />

der Welt im <strong>Ein</strong>satz ist. Nicht NATO-bunt<br />

freilich, sondern rundherum königsblau, einschließlich<br />

der Reifen.<br />

Die Flak-Kanone heißt „WWIII“ (Dritter Weltkrieg), ist<br />

eine Schöpfung des niederländischen Objektkünstlers<br />

Joep van Lieshout und eine der <strong>auf</strong>fälligsten Skulpturen<br />

der „Blickachsen“. Zum achten Mal ist die Kunstaus-<br />

Joep van Lieshout: WW III (Fotos: Günther Scherf)<br />

„Die Schöpfer des Kurparks hätten mit Sicherheit ihre<br />

Freude daran“, glaubt Kurdirektor Ralf Wolter. In der<br />

Tat vollendet die Ausstellung das Konzept des Kurpark-<br />

Architekten Peter Joseph Lenné, der einst die Blickachsen<br />

etwa vom Kurhaus zum Schwanenteich schuf. Genau<br />

in dieser Sichtverbindung beispielsweise ragt jetzt ein<br />

sechseinhalb Meter hoher Bronzeguss eines menschlichen<br />

Beins in die Höhe. <strong>Ein</strong> Torso also, gleichsam eine<br />

Erinnerung an die klassische Bildhauerei. Von seinem<br />

4<br />

stellung heuer in Bad Homburg zu sehen. Bis 3. Oktober<br />

bieten der Galerist Christian K. Scheffel und seine<br />

zahlreichen Helfer und Sponsoren zusammen mit <strong>dem</strong><br />

Museum Beelden aan Zee (Niederlande) einen <strong>Ein</strong>blick<br />

in die internationale Kunstszene; die Stadt Bad Homburg<br />

und die Kur-GmbH sind Mitveranstalter. 36 Werke<br />

von 22 Künstlern aus zehn Nationen sind bei freiem<br />

<strong>Ein</strong>tritt überwiegend in Kur- und <strong>Schlosspark</strong> zu sehen;<br />

fast 30 weitere Objekte werden in Frankfurt, Darmstadt<br />

und Eschborn präsentiert. Mit den „Blickachsen 8“ ist<br />

die 1997 begonnene Bad Homburger Biennale endgültig<br />

zum kulturellen „Leuchtturm“ der Region Rhein-Main<br />

geworden.<br />

Schöpfer Henk Visch (Niederlande) stammt auch ein<br />

3,60 Meter hoher Hase, der – an Comic-Figuren der Gegenwart<br />

erinnernd – aus grünen Augen <strong>auf</strong> die triste Baustelle<br />

des Schwanenteichs blickt. <strong>Ein</strong> witzig-ironischer<br />

Protest gegen die lange Dauer der Sanierung.<br />

<strong>Ein</strong> ausgeprägtes Gespür für Ironie hilft generell, die<br />

Werke zu verstehen. So symbolisiert die eingangs zitierte<br />

königsblaue Kanone einerseits Bedrohung und Leid des<br />

Krieges und wirkt andererseits durch ihre Farbe wie ein


Henk Visch: Nightlife (Nachtleben)<br />

Riesenspielzeug. Der „Yellow Arrow“ (Gelber Pfeil) des<br />

Deutschen Stefan Rohrer (nahe Kisseleffstraße) drückt<br />

Geschwindigkeitsrausch und Zerstörungskraft des Autofahrens<br />

aus. Der knallfarbige Kult-Opel ist um einen<br />

Baum gewickelt wie nach einer tödlichen Karambolage,<br />

hat aber keinen Kratzer abbekommen. Zwei Werke also,<br />

die nicht nur die Ambivalenz ihrer Objekte, sondern der<br />

Kunst schlechthin zum Thema machen: Erhält das Vernichtende<br />

eine ästhetische Form, wird es mitunter schön.<br />

Tom Otterness: Head (Kopf)<br />

Stefan Rohrer: Yellow Arrow (Gelber Pfeil)<br />

Die Beispiele dafür auch aus Musik und Film sind zahlreich.<br />

Die gewollte Provokation der Betrachter gelingt:<br />

Immer wieder bleiben Passanten stehen und tauschen<br />

ihre Meinungen zu den Objekten aus.<br />

Und was macht das <strong>Himmelbett</strong> <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Schlosspark</strong>-<br />

<strong>Weiher</strong>? Mit bunten Vorhängen, im Wind wehenden<br />

Schleiern und gedrechselten Stützen geschmückt und mit<br />

weichen Kissen lockend mache es den Park zur „Kulisse<br />

einer verzauberten Märchen- oder Feenwelt“, heißt es in<br />

5


Vincent Olinet: Pas encore mon histoire<br />

(“Noch nicht meine Geschichte” oder “Nicht schon wieder meine Geschichte”)<br />

einem Begleittext zu den „Blickachsen 8“. Erinnert die<br />

Szene nicht auch an die Kitschwelt des Bayern-König<br />

Ludwigs II.? Neuschwanstein also vor <strong>dem</strong> Schlossturm?<br />

Darf der Betrachter am Ende auch hier einen Hauch von<br />

Spott über die Bad Homburger Kaiser-Verehrung vermuten?<br />

„Nicht schon wieder meine Geschichte“ nennt der<br />

Franzose Vincent Olinet sein Werk. „<strong>Ein</strong> Symbol des<br />

Wandels, der Vergänglichkeit und der Geschichte“ schreiben<br />

die Veranstalter.<br />

Das Blickachsen-Prinzip der Lenné’schen Kurpark ver-<br />

6<br />

anschaulicht <strong>auf</strong> besondere Weise die Skulptur „Heterospective“<br />

von Sebastian Kuhn (Deutschland) – ein Gebilde<br />

aus Stahltreppen, Maschinentüren, Heizkörpern,<br />

Stahlrahmen, Neonröhren und Spiegeln, <strong>auf</strong>gestellt <strong>auf</strong><br />

der Wiese neben den Tennisplätzen und damit vor der<br />

Kulisse der Thai-Sala (also des „Siamesischen Tempels“).<br />

Es lohnt sich, sie von allen Seiten zu betrachten<br />

und hineinzusteigen, um die Fülle der Perspektiven zu<br />

entdecken. Der Blickachsen eben.


Alfred Haberpointner: Gewichtung<br />

Führungen durch die Ausstellung im Kurpark werden<br />

unter anderem donnerstags von 18.30 bis 20 Uhr sowie<br />

sonntags von 11 bis 12.30 Uhr angeboten, durch den<br />

<strong>Schlosspark</strong> sonntags um 15 Uhr.<br />

<strong>Ein</strong>e Broschüre mit Standortplänen und Informationen<br />

über die einzelnen Werke gibt es bei Tourist Info&Service<br />

im Kurhaus, Telefon 0 61 72 / 17 83 710. Detaillierte<br />

Informationen im Internet unter www.blickachsen.de<br />

und bei der Galerie Scheffel, Telefon 0 61 72 / 2 89 06.<br />

Caspar Berger: David – Selbstporträt Nr. 11<br />

Sebastian Kuhn: Heterospective<br />

Julia Venske und Gregor Spänle: Gumpfot Weißer Riese<br />

(links) und Weißer Zwerg<br />

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